Unternehmen & Märkte

Anschluss gefunden

Im Alleingang ans Glasfasernetz andocken? Das ist für viele Unternehmen an unterversorgten Standorten viel zu teuer. Zwei Beispiele aus dem Münsterland zeigen, dass regionale Netzbetreiber in eigenwirtschaftlichem Ausbau die Lösung bringen können. (Von Dominik Dopheide)
Breitband ist nicht immer spitze. Mit einer Datentransferrate von 100 Mbit/s etwa kann es in einem mehrköpfigen Privathaushalt schon mal knapp werden, wenn alle ihr eigenes Streaming-Programm auf dem Schirm haben. Was aber, wenn es um den Datentransfer für ein mittelständisches Unternehmen geht? „100 Mbit/s haben am Standort Vreden einfach nicht mehr gereicht“, berichtet Andre Niewerth. Er ist als Gruppenleiter „Infrastructure & Security“ beim Trailer-Produzenten Schmitz Cargobull AG für das digitale Netzwerk verantwortlich. Zwar liege der Großteil der zentralen Systeme des Unternehmens in der Cloud. Doch hätten die Server in Vreden einiges zu bewältigen, etwa die standortübergreifende Zusammenarbeit, darunter der zunehmende Austausch an gigabyteschweren 3-D-Konstruktionszeichnungen und die rasant steigende Zahl der Zugriffe aus den Homeoffices. Dazu kommt der Sicherheitsaspekt: Redundanz, also zwei Leitungen mit komplett separatem Verlauf zu nutzen, war laut Niewerth nicht in hinreichendem Maß möglich. „Es bringt nicht viel, wenn beide Leitungen in fünf Kilometer Entfernung in einem Verteilerkasten physikalisch wieder zusammenlaufen“, erklärt der Netzwerk-Experte. Schließlich gehe es darum, weiter zu produzieren, auch wenn an irgendeiner Straße ein Bagger eine Leitung beschädigt. Ein Stillstand, betont Niewerth, sei mit enormen Kosten verbunden. 
„Die IHK fordert den flächendeckenden Glasfaseranschluss für alle Gewerbetreibenden – auch als Voraussetzung für hochleistungsfähige Mobilfunknetze.“

Jens von Lengerke, IHK-Abteilungsleiter Handel, Dienstleistungen und Tourismus

Netzbetreiber in der Nachbarschaft

Also habe auf Dauer am Anschluss ans Glasfasernetz kein Weg vorbeigeführt. Von den großen Telekommunikationsanbietern hatte keiner den Standort der Schmitz Cargobull AG in Vreden erschlossen. Aber rund 200 Meter vor dem eigenen Werkstor ist die epcan GmbH ansässig. „Aktuell lassen wir von epcan eine direkte Glasfaser-Verbindung zwischen den Standorten Vreden, Altenberge und Horstmar ausbauen, die Direktverbindung zwischen unserem Standort Vreden-Gaxel und dem Werk in Vreden ist bereits in Betrieb“, erzählt Niewerth und fährt fort: „Somit schaffen wir entsprechend redundante Wege, geringe Latenzen und mehr Geschwindigkeit.“ Die Effekte sind vielseitig: „Wir können Rechenzentren in Horstmar, Altenberge sowie in Vreden-Gaxel abbauen, sparen also Strom für Server und Klimaanlagen und machen somit auch etwas für die Umwelt“, zählt der IT-Experte auf.

Datenbahn ins Wachstum

In Vreden arbeitet epcan mit der SVS-Versorgungsbetriebe GmbH zusammen. „Seit 2008 legt die SVS bei Tiefbauarbeiten immer zwei Leerrohre für Glasfaser mit hinein, sodass alle Schmitz-Cargobull-Standorte in Vreden sofort redundant an das Firmennetzwerk der Schmitz Cargobull AG angebunden werden können“, berichtet epcan-Teamleiter Jörg Severt und verweist auf die geplanten Projekte der Trailer-Company: Fertigungslinie, Büros und Auslieferung, die in einiger Entfernung vom alten Werk aufgebaut werden sollen. „Erst Glasfaser macht diese Expansion möglich, die alte lahme Leitung hatte die Unternehmensentwicklung ausgebremst“, sagt Robin Kodera, Marketing-Manager bei epcan.
Nicht überzeugt ist Niewerth von der Infrastrukturpolitik des Bundes zum Ausbau des Glasfasernetzes. Das Prinzip der Eigenwirtschaftlichkeit greife nicht immer. „Es wird zu wenig und zu langsam getan“, findet Niewerth und verweist exemplarisch auf Münster. Dort sei sogar mitten in der Stadt noch immer nicht überall schnelles Internet verfügbar. Auch IHK-Abteilungsleiter Jens von Lengerke fordert: „Wir brauchen jetzt schnell ein neues Förderprogramm für 2023, das den eigenwirtschaftlichen Ausbau sinnvoll ergänzt.“
 Den Glasfaseranschluss mit Einsatz öffentlicher Förderung zu finanzieren, ist für Schmitz Cargobull angesichts langer Antragsprozesse nie eine Option gewesen. Jörg Severt und Robin Kodera dagegen sehen solche Mittel als Chance. „Dank dieser Gelder ist der ländliche Raum inzwischen besser ausgebaut als viele Gewerbegebiete im städtischen Raum“, berichtet Severt. 

Upload wird immer wichtiger 

Die relativ gute Versorgungssituation auf dem Land bestätigt auch Ulrich Funke, Key Account Manager bei NDIX – ein Netzbetreiber, der seit vielen Jahren Unternehmen in den Niederlanden und in Deutschland mit Glasfaserverbindungen versorgt. Anteilseigener sind die Wirtschaftsförderung Oost NL, die Universität Twente und die Stadtwerke Münster GmbH. NDIX baut ein offenes Breitbandnetzwerk aus. Das heißt: „Unsere Kunden haben die Freiheit, Service zuzubuchen, wir lassen andere Provider rein“, erklärt Funke. Ihm zufolge hat der schleppende Glasfaserausbau in Deutschland viele Ursachen, darunter auch die Zurückhaltung manches Unternehmens. „Einige Entscheider, vor allem aus der älteren Generation, zaudern noch immer, weil sie die Prioritäten anders setzen und meinen, Internet dürfe immer nur 9,99 Euro kosten“, berichtet er. Funke verweist auf die eklatante Überlegenheit der Glasfaserleitung, die sich besonders in der Upload-Geschwindigkeit zeige. Weil im Zuge der Digitalisierung Unternehmen immer mehr Daten versenden müssen, werde diese Kennzahl immer wichtiger.
Jan Berkemeier
"Das Gigabit-Intranet hat uns wesentlich schneller gemacht, vieles ist einfacher und sicherer geworden.", sagt Jan Berkemeier, Geschäftsführer vom Autohaus Berkemeier. © Autohaus Berkemeier
Genauso sieht es der Geschäftsführer der Autohaus Berkemeier GmbH, Jan Berkemeier. „Wir brauchen zwingend schnelles stabiles Internet“, sagt der Unternehmer. So ist der Fahrzeug-Diagnoseprozess in den Werkstätten der vier Niederlassungen in Greven, Münster und Steinfurt längst digitalisiert. Doch mussten die Datenpakete zwischen Autohaus und Opel-Werk auf der Kriechspur hin und her pendeln. Auch manche Live-Schaltung auf den Werks-Server im Zuge der Kundengespräche wurde zur Geduldsprobe für alle Beteiligten. In Steinfurt dann die Wende: Als die Stadtwerke Steinfurt in Kooperation mit NDIX vor vier Jahren Gewerbegebiete ans Glasfasernetz bringen, dockt das Autohaus sofort mit einem Gbit/s an. Danach will Berkemeier die Zukunftschancen auf ganzer Bandbreite ausschöpfen: mit schnellem Intranet zwischen den Niederlassungen und zentralem Server für den Zugriff in Echtzeit auf alle relevanten Daten. Drei Standorte waren also noch anzubinden – darunter die neu errichtete Niederlassung im Gewerbegebiet Loddenheide in Münster. „Dort gab es für uns keinen Glasfaserzugang, und das im Jahr 2016, das muss man sich mal vorstellen“, wundert sich Berkemeier. Er erwägt damals, zum Backbone „selbst hinzubuddeln“– bis er die Kosten recherchiert hat: „200?000 Euro, das kann ein kleineres mittelständisches Unternehmen nicht alleine bezahlen“, sagt der Geschäftsführer. Muss er auch nicht: Mit einem Investor im Rücken erschließt NDIX seit 2018 im Rahmen des GigabitCity-Münster-Projektes das Terrain. Die unversorgten Adressen unter Wahrung der Wirtschaftlichkeit an Glasfaser anzubinden, ist dort allerdings kniffelig. Von diesem Vorhaben seien andere bereits zurückgetreten, weil das Gebiet weitläufig sei und als ehemaliges Kasernengelände infrastrukturelle Herausforderungen biete, erzählt Ulrich Funke. 

Preis-Leistungs-Verhältnis passt 

Starten statt warten: Für Jan Berkemeier zahlt sich die Entscheidung aus. Ganz billig sei der Glasfaseranschluss in den drei Niederlassungen in Greven und Münster zwar nicht, räumt er ein. Doch passe das Preis-Leistungs-Verhältnis: „Das Gigabit-Intranet mit der zentralen Datenablage hat uns wesentlich schneller gemacht, vieles ist einfacher und sicherer geworden“. 

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