Unternehmen & Märkte

Gesund und munter mit 450 Jahren

Wer ein Rezept sucht gegen den Zahn der Zeit, könnte in der Elefanten-Apotheke in Burgsteinfurt fündig werden. Das älteste Unternehmen im IHK-Bezirk Nord-Westfalen ist anno 1575 an den Start gegangen. | Text: Dominik Dopheide
Wie einsteigen in die Geschichte der Elefanten-Apotheke? Am besten durch das berühmte Portal, das stilistische Parallelen zur historischen Konzertgalerie im Steinfurter Bagno-Park aufweist. Das Tor datiert ins 18. Jahrhundert, ist im Auftrag des Hofapothekers Conrad Gempt aus massiver Eiche gefertigt worden und weist Relief-Darstellungen auf. So ist Hygieia zu sehen, die im antiken Griechenland als Gesundheits-Göttin
PD Dr. Olaf Rose (l.) und sein Vater Walter Rose
Das historische Tor ist das Markenzeichen der Elefanten-Apotheke. PD Dr. Olaf Rose (l.) und sein Vater Walter Rose sind stolz auf die mittlerweile 450-jährige Geschichte der Apotheke. © Grundmann/IHK Nord Westfalen
verehrt wurde. Sie gießt Öl in die Lebensflamme. Besser könnte ein Bild nicht passen zu einem Unternehmen, das seit Epochen am Markt ist und marodierende Landsknechte, Pest-Pandemie und eine Phosphorbombe überstanden hat, die kurz vor Kriegsende 1945 einschlug. Menschen wurden nicht verletzt, doch fast das gesamte Interieur zerstört – bis auf einige historische Gefäße und das Portal. „Der damalige Inhaber hat es, gemeinsam mit Soldaten, aus dem brennenden Haus getragen“, erzählt PD Dr. Olaf Rose, der heute die Geschicke der Apotheke lenkt.
Der erste seiner Vorgänger, Jorgen Pepper, hatte im Januar 1575, wohl auf Veranlassung des gräflichen Leibarztes Arnold Holtermann, in dessen Haus in der Steinstraße das Geschäft eröffnet. Damals war der Stein der Weisen noch Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Und gegen die Pest, die ein halbes Jahr später mit verheerenden Folgen für Europa in Venedig anlanden würde, war kein Kraut gewachsen. Dennoch habe die Apotheke die Bevölkerung kontinuierlich versorgt, erzählt Rose, und verweist auf den Nachfolger Peppers, Heinrich Holtermann. Er erlag der Krankheit 1636 in Ausübung seiner Pflicht. Danach, mitten in der Pandemie, übernahm sein Sohn Arnold. Aufzugeben war in diesem Unternehmen offensichtlich nie eine Option.

Comeback der Paracelsus-Perspektive

Roses Vater, Apotheker Walter Rose, hat zur Geschichte der alten Apotheken in Steinfurt ein Buch verfasst. Dort ist auch beschrieben, welchem Umstand das Unternehmen seinen Namen verdankt: Er bezieht sich auf den dänischen Elefanten-Orden, der dem Grafen Karl Paul Ernst von Bentheim-Steinfurt im 18. Jahrhundert verliehen wurde. Bei aller Liebe für die Vergangenheit, behielt Walter Rose die Zukunft fest im Blick und hat in Umbau und Modernisierung der Apotheke kräftig investiert.
Mitte der 1990er-Jahre stieg sein Sohn Olaf ins Geschäft ein. Im Gepäck: eine hohe Dosis innovativer Ideen. Dr. Olaf Rose hat nach Abschluss seines Pharmazie-Studiums an der Universität Münster in Japan an neuen Arznei- und Therapieformen gearbeitet und in dieser Zeit auch seine Frau Makiko kennengelernt, die damals in Kyoto studiert hat und jetzt das 30-köpfige Apotheken-Team verstärkt. Damals beschäftigt er sich intensiv mit neuen Denkansätzen und Konzepten in der Medikation. Schließlich will er selbst den Wandel mitgestalten und absolviert ein Studium der klinischen Pharmazie an der University of Florida. „Die Impulse für eine neue Pharmazie gingen von dieser Uni aus, dort waren die führenden Vordenker tätig“, berichtet Rose, der 2009 mit der Verleihung des „Outstanding Leadership Award“ selbst in den Kreis der Innovatoren aufgenommen wird.
„Pharmakotherapien, also die Behandlungen von Erkrankungen mit Hilfe von Arzneimitteln, müssen aus dem Blickwinkel der Patienten gesehen und folglich passgenau individualisiert werden“, beschreibt er die Idee, die er aus Gainesville nach Deutschland, getragen hat. „Wir besprechen mit den Patienten die Gesamttherapie, fragen nach Verträglichkeit, Risiken, Sorgen und möglichen Verbesserungen“, erklärt der Apotheker, um dann den Bogen in die Renaissance zu schlagen: „Paracelsus hatte den gleichen Ansatz, nämlich die Patienten als Individuum zu sehen und personalisiert zu behandeln“, erläutert er und fügt an: „Heute nennen wir das Medikationsanalyse und Medikationsmanagement“.

Beratung in den Blickpunkt gebracht

Rückenstärkung erhielt Rose aus der Wissenschaft. Auf Vorschlag eines Professors aus Münster hat er eine Studie gestartet, die ein großes gefördertes Forschungsprojekt nach sich zog. Grund genug für die Deutsche Apothekerzeitung, ihn als Autor zu gewinnen – für eine Serie über die Aspekte der patientenorientierten Pharmazie, die seit 2013 läuft. „Damit standen die packungslosgelösten Dienstleistungen, die damals noch nicht entlohnt wurden, im Fokus der Öffentlichkeit“, erzählt Rose. Eines nämlich hat sich in 450 Jahren nicht geändert: Jede Apotheke hat betriebswirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Schon Jorgen Pepper musste, neben der Gesundheit eines Kunden, auch dessen Zahlungsmoral stärken, wie ein Mahnschreiben aus dem Gründungsjahr belegt.
Dass die Beratung rund um die Medikation heute honoriert wird ist auch den Impulsen zu verdanken, die aus der Elefanten-Apotheke kamen. Rose, seit 2024 habilitiert, ist der Wissenschaft nach wie vor verbunden. Regelmäßig wechselt er vom Handverkaufstisch ans Hörsaal-Pult der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg. Dort ist er Privat-Dozent und leitet die Forschungseinheit Pharmakotherapie. Auch die drei Filialen seiner Apotheke bindet er gern in die Forschungsarbeit ein, wie Studien zur Akzeptanz von Impfungen und Testungen zur Zeit der Corona-Pandemie zeigen. Den nächsten Schritt der Unternehmensentwicklung hat er übrigens schon geplant: Die Hauptfiliale wird modernisiert. Rose will beides unter ein Dach bringen: die Idee des Paracelsus und Top-Technologie unserer Zeit. In bester Tradition also – mit Fachwissen, Zuversicht und unternehmerischer Initiative – steuert die Elefanten-Apotheke die Zukunft an. Vielleicht kann ein Unternehmen mit diesem Rezept sogar ein halbes Jahrtausend am Markt bestehen.