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Die Führung der Zukunft – Nachfolge und Gleichberechtigung bei BabyOne

Der Businessclub „Frauen u(U)nternehmen“ aus Münster hat Dr. Anna Weber, Geschäftsführerin von BabyOne aus Münster, am 21. September 2023 für ihre digitale Sichtbarkeit und Affinität zum Netzwerken mit dem „Unternehmerinnenpreis 2023“ ausgezeichnet. Grund genug, mit ihr über das Thema Nachfolge und Frauen in Führung zu sprechen. Das Interview führte Wirtschaftsspiegel-Redakteurin Mareike Scharmacher-Wellmann.
Wirtschaftsspiegel: Dr. Anna Weber, 2021 haben Sie gemeinsam mit Ihrem Bruder Dr. Jan-Willem Weischer BabyOne von Ihren Eltern übernommen. Was hat Sie dazu inspiriert, die Nachfolge im Tandem anzutreten?
Dr. Anna Weber: Das Tandem war ein Zufall. Die Nachfolge überhaupt anzutreten, war bei uns in der Familie nie vorgeschrieben. Ich war vorher in einem Konzern angestellt. Und auch mein Bruder Jan hat vorher einen anderen Job gemacht. Wir waren wirklich komplett eigenständig unterwegs. Als mein erster Sohn geboren wurde, habe ich allerdings angefangen zu überlegen, ob ich in meinem Leben auf dem richtigen Weg bin. Ich wollte mehr Gestaltungsfreiheit haben, mehr Verantwortung übernehmen und einen eigenen Fußabdruck in dieser Welt hinterlassen. Deshalb habe ich das Gespräch mit meinen Eltern gesucht. Und lustiger Weise ging es Jan zum selben Zeitpunkt ähnlich. Anderthalb Jahre haben wir dann gemeinsam mit unseren Eltern besprochen, welche Rolle wir mit der Nachfolge übernehmen und wie die gemeinsame Nachfolge aussehen würde. Ein Coach hat uns geholfen, uns darüber klarzuwerden, was die Übernahme mit unserer Familie macht und wie Jan und ich gut ins Unternehmen einsteigen können. Und dann haben wir gesagt, komm lass es uns zusammen probieren. Das war das Beste, was wir hätten machen können. 
Wirtschaftsspiegel: Das ist ein schönes Fazit. Gab es denn auch mal eine Phase, in der Sie sich unsicher waren?
Dr. Weber: Bei jedem neuen Job hofft man, dass man alles richtig macht. Und wenn man ins Familienunternehmen einsteigt, ist das nochmal extremer. Wie komme ich rüber? Was sage ich? Ich habe mir so viele Gedanken vor dem ersten Tag gemacht. Allerdings hatten wir unendlich viele Vorschusslorbeeren. Unsere internen Mitarbeiter, aber auch die Franchisenehmer und Hersteller – alle fanden es super, dass BabyOne nicht verkauft wird. Ich musste gar nicht mehr verunsichert sein. Zudem hat unser Vater uns vorab die Last durch einen Trick von den Schultern genommen: Er sagte, wir hätten ein Jahr Zeit, um nach der Übernahme straffrei wieder aufzuhören. Wir haben aber nicht aufgehört, wir sind noch immer hier.
Wirtschaftsspiegel: Bei Ihnen hat das ja sehr gut funktioniert.
Dr. Weber: Ja, aber wir haben hart daran gearbeitet. Es ist wie bei allem im Leben. Es passiert nichts einfach so. Wir hatten innerhalb der Familie immer schon eine sehr gute und offene Beziehung untereinander. Wir mögen uns alle sehr. Dennoch, wir haben einen externen Coach dazu geholt und unendlich viel miteinander kommuniziert. Konflikte tragen wir schnell aus. Es hilft, dass wir alle eine Ausbildung zum systemischen Coach gemacht haben. Unser Vater ist ausgebildeter Mediator. Das heißt, eine gewisse Kompetenz, miteinander ins Gespräch zu gehen, ist vorhanden. Ich glaube, man braucht definitiv Konfliktfähigkeit, um Dinge offen und transparent ansprechen zu können – und das Wissen, das wir das nur gemeinsam meistern können. 
Wirtschaftsspiegel: Sie haben bestehende Strukturen übernommen und hatten gleichzeitig die Chance, etwas zu verändern. Was machen Sie anders als Ihre Eltern?
Dr. Weber: Ich glaube, Jan und ich setzen tendenziell mehr auf Eigenverantwortung, auf selbstorganisierte Teams, die viel untereinander schaffen, auf Vernetzung, sehr viel auf Transparenz. Das sind Dinge, die zur Zeit unserer Eltern nicht so gefordert waren. Ob es komplett offene Kalender sind, transparente Kommunikationsformate – das sind Dinge, die Mitarbeitende einfordern. Sie entscheiden sich ja nicht für uns, weil BabyOne einen guten Namen hat. Sie wollen ganz genau wissen, was sie erwartet, auf was sie sich einstellen müssen, wie die Unternehmenskultur ist. Und ich glaube, das ist eine Anforderung, die wir jetzt erfüllen und die Jan und ich vielleicht besser erfüllen können, als es für unsere Eltern gepasst hätte. Unsere Eltern haben ihr Unternehmen zu ihrer Zeit genau richtig geführt. Neue Zeiten bringen neue Herausforderungen mit sich.
Wirtschaftsspiegel: Statistisch gesehen werden nicht weniger Töchter als Söhne geboren. Trotzdem entscheiden sich verhältnismäßig wenig Frauen dafür, die Geschäfte der Familie zu übernehmen. Wieso ist das so? Trauen die Frauen sich nicht?
Dr. Weber: Dass wir viel zu wenig Frauen an der Spitze haben, ist ein generelles Thema, nicht nur in Familienunternehmen. In der Gesellschaft haben wir ungefähr 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer. Eigentlich sollte eben auch die Führung – egal ob in der Wirtschaft oder Politik – von zur Hälfte von Frauen und zur Hälfte von Männern gemacht werden. Das ist das, wo wir hinkommen sollten. Der Weg dahin ist viel länger, als wir alle gedacht haben. Schuld sind einerseits strukturelle Probleme, die gelöst werden müssen. Ob Familie, Kinder oder Betreuungsplätze – wir sehen an Nachbarländern, dass es viel besser funktionieren kann. Zudem kämpfen wir mit Mindset-Problemen. Das sind Einstellungen, die einfach in uns drin sind, die uns als richtig suggeriert wurden. Mich ärgern zum Beispiel die Worte Jungsfarben und Mädchenfarben unendlich. Warum gibt es diese Wörter überhaupt? Warum ist das so in uns drin? Oder Aussagen wie „Mädchen sind generell das schwächere Geschlecht“. 

 
Wirtschaftsspiegel: Also muss man eigentlich bei der Erziehung ansetzen?
Dr. Weber: Ja. Und da sind wir wieder bei Themen wie Unconscious Bias. Das sind unbewusste Vorurteile, die natürlich nicht nur bei der Einstellung von Mitarbeitenden oder der Beförderung von Mitarbeitenden Thema sind, sondern auch in der Erziehung. Andere Rollenmodelle zu leben als die, die uns als richtig suggeriert werden, muss selbstverständlich werden – auch im Wirtschaftsleben.
Wirtschaftsspiegel: Wie ist das denn bei BabyOne?
Dr. Weber: Im ganzen Unternehmen sind ungefähr 70 Prozent Frauen. BabyOne ist definitiv eine Brand, die eher Frauen anzieht. Auf den Führungsebenen haben wir ungefähr ein fifty-fifty-Verhältnis. Das ist Jan und mir unendlich wichtig. Damit das gelingt, gibt es bei uns Führung in Teilzeit. 
Wirtschaftsspiegel: Funktioniert das denn – Führen in Teilzeit?
Dr. Weber: Klar, aber es ist eine Herausforderung für alle Seiten. Das fluppt nicht einfach so. Kommunikation und Absprachen sind enorm wichtig. Als Führungskraft ist man nämlich dafür zuständig, dass der Bereich auch dann gut abgedeckt ist, wenn du nicht da bist. Es ist immer ein Extraaufwand, der sich aber lohnt. 
Wirtschaftsspiegel: Warum ist Ihnen das Thema Gleichberechtigung so wichtig?
Dr. Weber: Weil Männer und Frauen im wirklichen Leben nicht komplett gleichberechtigt sind. Darum muss ich tun, was ich kann, und mich an den mir möglichen Fronten für Verbesserung von Teams, von Wirtschaftsqualität einsetzen. Mir geht es darum, den Status quo zu verändern. Und wenn wir nicht in eine Richtung pushen, dann wird es auch nicht passieren. Diversität passiert einfach nicht so. Das belegt zum Beispiel die Albright-Studie. Die hat den Thomas-Kreislauf beschrieben. Ergebnis: Es gibt mehr Männer in den Vorständen deutscher DAX-Unternehmen, die Thomas heißen, als Frauen. Allein das ist eine Aussage. Und das ändert sich auch nicht, weil die jungen Leute nachkommen, denn ein Thomas stellt einen Thomas ein. Und wie durchbrechen wir nun diesen Kreislauf? Wir überlegen bei uns zum Beispiel, wie wir Teams diverser besetzen können. Mehr Diversität bringt mehr unterschiedliche Meinungen und das fördert Innovation, Austausch und Kreativität.
Wirtschaftsspiegel: Welchen Rat würden Sie denn jungen Frauen geben, die sich in der Gründungsphase befinden oder über Nachfolge nachdenken?
Dr. Weber: Diesen Rat habe ich selbst mal bekommen und finde ihn super: Dinge passieren im Leben nicht einfach so. Du musst dir einen Plan aufstellen und dann musst du dafür kämpfen. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass viele Leute darauf warten, dass etwas passiert und ihnen irgendetwas gegeben wird. Das ist nicht so. Du bist deines eigenen Glückes Schmied. Du bist diejenige, die deine Zukunft macht. 
Wirtschaftsspiegel: Und die möglichen Konsequenzen daraus zu ziehen?
Dr. Weber: Ja! 
Das war noch nicht alles!
Nachdem wir in diesem Teil des Interviews mit Dr. Anna Weber die Themen Generationenwechsel und Gleichberechtigung beleuchtet haben, möchten wir in „Wenn man aufhört zu lernen, hört man auf zu existieren” uns den Schlüsselthemen des digitalen Zeitalters widmen. Dr. Weber wird von den digitalen Handelsstrategien BabyOnes, der Rolle von LinkedIn fürs Employer Branding und den Einsatz für das RTL-Format „Undercover Boss“ sprechen.

Infos zum Unternehmen

BabyOne ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen und auf den Handel mit Baby- und Kleinkindausstattung spezialisiert. Es gibt 31 eigene Fachmärkte. Insgesamt 26 Franchisenehmer führen 73 Standorte. In der Zentrale in Münster, in den Eigen- und Franchise-Märkten beschäftigt BabyOne über 1.400 Mitarbeitende. Mit 93 Fachmärkten in Deutschland, sechs Filialen in Österreich sowie fünf Märkten in der Schweiz erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2022 einen Jahresumsatz in Höhe von 244 Millionen Euro und ist Marktführer in der Branche in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz.