Unternehmen und Märkte

Fachkräftesicherung beginnt in der Schule

Aha-Moment vor drei Jahren: Der damals 15-jährige Schüler Ole Macher absolviert ein Praktikum bei Rottendorf Pharma und stellt im Ausbildungslabor eine Salbe her. Heute absolviert Macher eine Ausbildung zum Chemielaboranten. | Text: Mareike Scharmacher-Wellmann
Solche Erfolgsgeschichten sind kein Zufall. Das Projekt „Partnerschaft Schule-Betrieb,“ initiiert von der IHK Nord Westfalen, bringt seit 2011 Schulen und Unternehmen zusammen. Über 700 Kooperationen sind entstanden. „Unser Ziel ist es, Unternehmen bei der Fachkräftesicherung zu unterstützen“, erklärt Eva Hild aus dem Team Fachkräftesicherung der IHK Nord Westfalen.

Erfolgsrezepte aus der Praxis

Die Rottendorf Pharma aus Ennigerloh ist seit einem Jahrzehnt dabei. Warum, erklärt Ausbildungsleiterin Johanna Sökeland: „Neue Auszubildende fallen leider nicht vom Himmel. Außerdem wollten wir das Image unserer Ausbildungsmöglichkeiten weiter stärken.“
Über die Jahre hat das Unternehmen Kooperationen mit insgesamt fünf Schulen im Kreis Warendorf geschlossen: Mit der Gesamtschule Ennigerloh/Neubeckum, der Realschule Warendorf sowie den Gymnasien Laurentianum in Warendorf, dem Johanneum in Wadersloh und St. Michael in Ahlen. Mindesten 15 Auszubildende haben das Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren über das IHK-Projekt kennengelernt. „Es ist ganz klar, dass diese 15 Auszubildenden über Partnerschaft Schule-Betrieb einen ersten Kontaktpunkt mit uns hatten“, so Sökeland. „Ich würde das IHK-Projekt unbedingt empfehlen“, sagt sie.
Rottendorf Pharma hat Partnerschaft Schule-Betrieb nie als Absichtserklärung verstanden: „Eine Partnerschaft auf dem Papier bringt keine neuen Azubis. Auf die Schüler zugeschnittene Maßnahmen schon“, erklärt die Ausbildungsleiterin. Bei Berufsfelderkundungen und Tagespraktika stellen die Jugendlichen Salben her, pressen an einer Maschine Tabletten oder bauen ein Elektrokabel zusammen. „Ja, das ist aufwendig. Und ja, die Ausbilder brauchen Freiräume“, zählt Sökeland auf. Doch: „Am Ende müssen wir diese Arbeit leisten, denn wir können die jungen Menschen nicht mit einem 08/15-Programm für uns begeistern.“
Nebenbei stärkt „Partnerschaft Schule-Betrieb“ auch das Image nach innen: Regelmäßig geben Kolleginnen und Kollegen ein gutes Feedback zu den Maßnahmen, mit denen Rottendorf Pharma die Vielfalt der Ausbildung zeigt.

Azubis werben für Ausbildung

Mittlerweile hat Ole Macher die Seiten gewechselt: Als Ausbildungsbotschafter geht er aus dem Unternehmen in die neunten Klassen der fünf Kooperationsschulen und erzählt von seinen Erfahrungen in der Ausbildung. „Er zeigt, warum es sich lohnt, eine Ausbildung bei uns zu machen“, so Sökeland.
„Auf Augenhöhe lässt sich die betriebliche Ausbildung viel besser in den Blick von Jugendlichen rücken“, bestätigt Melanie Vennemann, ebenfalls Projektmitarbeiterin der IHK Nord Westfalen. Das erleichtert den Schülerinnen und Schülern den Übergang von der Schule in den Beruf und hilft Unternehmen, Nachwuchs zu finden.

Erfolg – mit Herausforderungen

Auch Surteco setzt seit Jahren auf die Kooperation mit Schulen – mit messbarem Erfolg. „Wir haben die ersten Partnerschaften mit Schulen in Gladbeck und Gelsenkirchen geschlossen, haben Schülerinnen und Schüler eingeladen, ihnen im Betrieb technische Grundlagen erklärt und ihnen Berufe nähergebracht“, erzählt Daniel Schlicht, zuständig für die technische Ausbildung am Standort Gladbeck, wo thermoplastische Kunststoffkanten hergestellt werden.
Dass Surteco die Betriebstore für Schülerinnen und Schüler öffnet, hat Wirkung: „Wir haben aktuell sechs Auszubildende, die wir in den letzten fünf Jahren über die Kooperation gewonnen haben“, sagt Schlicht. Besonders im technischen Bereich sei die Partnerschaft ein Gewinn.

Was funktioniert – und was nicht

Nicht immer läuft alles reibungslos: „Manchmal schläft eine Partnerschaft ein, weil engagierte Lehrer die Schule verlassen oder die Schule zu viele Kooperationen hat, um allen gerecht zu werden“, weiß Schlicht. Surteco hat daraus gelernt: „Wir versuchen, die Partnerschaften aufrechtzuerhalten und neue zu knüpfen, wenn es passt. Es muss sich für beide Seiten lohnen.“
Das Unternehmen habe festgestellt, dass ein langer Anfahrtsweg zum Praktikums- oder Ausbildungsbetrieb ein Ausschlusskriterium sein kann. „Darum haben wir uns gezielt auf Partnerschaften mit Schulen in der Nähe konzentriert“, erklärt er.
Neben Betriebsbesichtigungen und Tagespraktika bietet das Unternehmen Bewerbungstrainings in Schulen an. „Wir führen fiktive Bewerbungsgespräche – das finden die Schulen gut.“ Besonders die eigenen Auszubildenden unterstützen das Projekt: „Unsere Azubis sind immer dabei. Schüler gehen oft eher auf Gleichaltrige zu, als auf uns ältere Herrschaften“, so Schlicht.
Ein Wunsch für die Zukunft? „Ich würde mir regelmäßige Netzwerktreffen mit Schulen und Unternehmen wünschen. Das gab es vor Corona. Es hilft, sich mit anderen Betrieben und Schulen auszutauschen, Kontakte zu pflegen und die Kooperation lebendig zu halten.“

Chronik

Die Fotos der einzelnen Kooperationsvereinbarungen zwischen Rottendorf Pharma, Surteco und den Schulen spiegeln das langfristige Engagement der Kooperationspartner. Die jüngsten Fotos stehen zuerst.