Unternehmen und Märkte

Hochmotiviert und praxishungrig

Lustig ist das Studi-Leben? Pustekuchen. Nicht wenige würden gerne wechseln: Aus dem Hörsaal ins Unternehmen, auf einen Ausbildungsplatz. Mit dem Projekt "Passgenaue Besetzung" unterstützt die IHK bei diesem Übergang und hilft, die nächsten Schritte zu gehen. | Text: Dominik Dopheide
„Die Passgenaue Besetzung ist ein gefördertes und somit kostenfreies Projekt für Unternehmen und für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen. Ziel ist es, Bewerbende mit passendem Profil für bestimmte Ausbildungsplätze zu finden, mit denen diese dann auch fein sind“, erklärt Niklas Ophey, der am IHK-Standort Gelsenkirchen Ansprechpartner für wechselwillige Studierende ist – und für Firmen, die Auszubildende suchen. Der Name ist also Programm. „Das Angebot steht allen Unternehmen offen, aber natürlich sollen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen der Region in ihrer Sichtbarkeit auf dem Ausbildungsmarkt unterstützt und für bestimmte Bewerbergruppen sensibilisiert werden“, erläutert Maike Breuer, die sich am IHK-Standort Münster für Unternehmen und Bewerbergruppen einsetzt.

Erfolgsgeschichte: Heinz Lackmann GmbH & Co. KG

Welche Verstärkung sich vom Campus in den Betrieb lotsen lässt, haben offensichtlich noch nicht alle Unternehmen auf dem Schirm. Anders die in Münster ansässige Heinz Lackmann GmbH & Co. KG, Anbieter von Softwarelösungen und intelligenten Stromzählern für die deutsche Energiewirtschaft. Dort blieb, nach einer kurzfristigen Absage, ein Ausbildungsplatz zur Kauffrau für Groß- & Außenhandelsmanagement zunächst unbesetzt. Das Unternehmen steht im Austausch mit der IHK und war deshalb über das Angebot „Passgenaue Besetzung“ gut informiert. Anja Kreuer, Referentin Ausbildungsmanagement bei Lackmann, schildert den Ablauf der Kooperation: „Das Unternehmen füllt zunächst das Formular mit dem Anforderungsprofil des Ausbildungsplatzes auf der IHK-Website aus, danach sichtet die IHK den Bewerbungspool und meldet sich“. „Schnelle Reaktion, super Support“: Kreuer empfiehlt das Angebot gern weiter, zumal das IHK-Team goldrichtig lag mit der Auswahl der Bewerberin.

Begeisterung für die Branche

Anja Kreuer
„Schnelle Reaktion, super Support", lobt Ausbildungsmanagements-Referentin Anja Kreuer das IHK-Projekt „Passgenaue Besetzung". © Möller/IHK Nord Westfalen
„Es hat mir der Praxisbezug gefehlt, die reale Erfahrung, aktiv etwas zu bewirken“, erzählt die Studienaussteigerin Kira Weyand. Interaktiver und engmaschiger hätte auch das Feedbacksystem auf der Uni sein dürfen. „Du büffelst die ganze Zeit, dann gibt es die Note, und das war es“, sagt Weyand. Voll motiviert hat sich die Umsteigerin dann den leeren Ausbildungsplatz bei Lackmann geschnappt. „Kaum angefangen, hat Kira aus eigener Initiative bereits Verbesserungsvorschläge für die Routen der Monteure erarbeitet“, berichtet Kreuer. Weyand passe mit ihrer offenen Kommunikation und Zielstrebigkeit sehr gut zum Unternehmen. Dazu die Begeisterungsfähigkeit – nicht nur für den Arbeitgeber, sondern für die ganz Branche. „Den digitalen Mess-Systemen gehört schließlich in den Smart-Citys die Zukunft“, begründet die Auszubildende.
Die eigene berufliche Zukunft – sie kommt wohl, dank verkürzter Ausbildungszeit, schneller als gedacht – würde sie gern im Unternehmen gestalten. Innerhalb eines Dreivierteljahres hat sie bereits mehrere Arbeitsbereiche kennengelernt. Einkaufen und Verkaufen, Rechnungen prüfen, Kundengespräche führen, Projekte planen und organisieren: Weyand ist der Sprung aus der Theorie in die Praxis gelungen. Das gestoppte Studium sieht Anja Kreuer nicht als Makel, sondern als Nachweis von Entscheidungskraft, Selbstständigkeit und der Fähigkeit zur Selbstreflexion. „Das sind Skills, die wir hier gerne sehen“, sagt die Expertin für Personalmarketing. Wenn weiterhin alles passt, werde das Unternehmen Kira Weyand nach Ausbildungsabschluss eine Stelle sowie sehr gute Weiterbildungsperspektiven anbieten.

„Rucki zucki“ zum Bewerbungsgespräch: Musiktheater im Revier

Auch das in Gelsenkirchen ansässige Musiktheater im Revier hat gute Erfahrung mit der „Passgenauen Besetzung“ gemacht. Den Auftakt gab ein Besuch von Niklas Ophey. „Die IHK wollte prüfen, ob wir hier die Ausbildung starten können, und Herr Ophey hat direkt über das Angebot informiert“, erzählt Dennis Hüwe, Mitarbeiter der IT-Abteilung und Ausbilder. Weil die Ausschreibungen auf Online-Plattformen keine große Resonanz fanden, hat er Ophey geschildert, welche Merkmale ganz oben stehen auf der Wunschliste der persönlichen Skills künftiger Auszubildener: Selbstständigkeit, Motivationsfähigkeit und Verantwortungsgefühl. Weil im Musiktheater im Revier Menschen aus 31 Nationen zusammenarbeiten und voneinander lernen, sei eine gewisse Reife und Lebenserfahrung umso wichtiger, erklärt der IT-Systemintegrator, der selbst zwei Ausbildungen absolviert hat. Diese Qualitäten sollten im Kreis der Studienumsteiger noch ausgeprägter sein, als in der Bewerbergruppe, die quasi gerade noch auf Klassenfahrt war, ist Hüwe überzeugt. Nicht allzu hoch schätzt er die Risiken einer solchen Personalentscheidung ein. Natürlich könne ein Studienaussteiger die Ausbildung hinschmeißen. Doch sei das eher unwahrscheinlich, weil Auszubildende mehr Geld und einen Rahmenplan in der Tasche haben, der viel bessere Lernstrukturen biete, als die Uni. „Rucki zucki" haben die Mitarbeiter der IHK den Kontakt zu einem Bewerber hergestellt, der alles mitbringt, was der Ausbildungsplatz fordert, erzählt Hüwe.

Gekommen, um zu bleiben: Mücahit Özcan

Mücahit Özcan (r.) und Dennis Hüwe
Mücahit Özcan (r.) ist überzeugt: „Eine Ausbildung ist eine gute Alternative." © Chrost/IHK Nord Westfalen
An Lebenserfahrung jedenfalls fehlt es Mücahit Özcan nicht, hat er doch vor dem Einstieg ins Studium der Wirtschaftsinformatik, eine Ausbildung im Einzelhandel absolviert. Özcan hatte zwei Jahre lang buchstäblich keinen Zugang zum Hochschulbetrieb: „Ich habe in der Zeit der Corona-Pandemie die Uni nicht von innen gesehen“, berichtet er. Nach zwei weiteren, aus seiner Sicht viel zu praxisfernen Jahren, ist er abgebogen Richtung Ausbildung. Den Zwischenstopp bei der „Passgenauen Besetzung“ zu Beratung, Stärken-Schwächen-Analyse und Check der Bewerbungsunterlagen hatte er eingeplant. „Ich wusste aus meiner ersten Ausbildung, dass die IHK helfen kann“, sagt Özcan, dessen beruflicher Werdegang eine feste Konstante aufweist: die Affinität zur Wirtschaft. „Ich habe mein Fachabitur mit Schwerpunkt Wirtschaft und Verwaltung gemacht, und die Ausbildung zum Kaufmann Digitalisierungsmanagement hat viele Verbindungspunkte zur Wirtschaftsinformatik“, erklärt er. „Ich helfe beispielsweise bei Softwareproblemen und bei der Digitalisierung von Prozessen“, berichtet Özcan, der zurzeit die Einführung des neuen Bewerbungsmanagement von A bis Z begleitet. Bald wird er wieder eintauchen in die kaufmännische Welt und die Finanzabteilung unterstützen. „Der Plan ist, Herrn Özcan nach einer verkürzten Ausbildungszeit zu übernehmen, wenn er das möchte, um unsere IT-Abteilung weiter aufzubauen“, sagt Dennis Hüwe. Der Angesprochene macht aus seinen Plänen kein Geheimnis: Er ist gekommen, um zu bleiben.
„Quält euch nicht durch ein Studium, wenn ihr keinen Spaß daran habt“, empfiehlt Kira Weyand allen, die am Hochschulweg zweifeln. „Eine Ausbildung ist eine gute Alternative“, weiß Mücahit Özcan. Maike Breuer und Niklas Ophey richten sich an die Unternehmen der Region: „Wenn in der Personalabteilung keine oder ungeeignete Bewerbungen liegen, einfach die IHK und das Projekt Passgenaue Besetzung einschalten! Wir machen einen Termin vor Ort bei Ihnen im Unternehmen, telefonieren oder machen eine Videokonferenz“, sagt Ophey. „Geht alles. Das Angebot ist für alle Unternehmen zugänglich, wir brauchen für die Teilnahme nur zwei Unterschriften für den Fördermittelgeber, dann legen wir los“, ergänzt Breuer.
Das Projekt „Passgenaue Besetzung“ wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.
Gefördert duch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.