Hidden Champion metrica

Verborgen auf dem Wasser

Ein Hidden Champion auf dem Wasser (und am Central Park): metrica macht in Senden Innenausbau für edle Yachten und Residenzen. (Von Dominik Dopheide)
Vor 22 Jahren war Kai Dittmar verantwortlich für das Interieur der Lufthansa-Flotte und wusste, was ihn beim Luxus-Innenausstatter metrica in Senden erwartet: Qualität. Doch als ihm ein besonders hochwertiges Möbel angeboten wird, nämlich der Chefsessel im Unternehmen, fällt er aus allen Wolken. Dennoch ist nach 30 Sekunden die Entscheidung gefallen. Der Diplom-Ingenieur steigt als zukünftiger Geschäftsführer bei metrica ein, das sich mit Innenausstattungen für Superjachten einen Namen gemacht hat und auf eine Geschichte zurückblickt, die bis ins 17. Jahrhundert reicht. „Ich folge gern meiner Intuition“, erklärt Dittmar die kompakte Bedenkzeit.
Neuer Inhalt (2)
© metrica
Längst ist klar: Seniorchef und Nachfolger hatten bei dieser Entscheidung ein gutes Gespür für den Erfolg. metrica ist stetig gewachsen, zählt nach Definition der Universität Trier zu den „Hidden Champions NRW“, taucht in Rankings der Weltmarktführer auf und kann eine stattliche Sammlung an Preisen vorweisen. Acht wertvolle erfahrungsreiche Jahre lang, erzählt Dittmar, haben Rudolf Rincklake van Endert und er gemeinsam die Firmengeschicke bestimmt. Dann hat sich der Gründer und vormalige Inhaber aus dem Geschäft zurückgezogen.
metrica, zwischenzeitlich im Besitz einer AG, ist jetzt in den Händen einer Unternehmerfamilie aus Süddeutschland. „Das ist auch gut so, denn in Familienunternehmen wird in der Regel noch langfristiger gedacht und geplant“, sagt Katja Leed-Helm. Die Geschäftsführerin ist für die Finanzen zuständig und stellt im Bedarfsfall die Intuition ihres Kollegen mit ihrer Kalkulation auf den Prüfstand. Bei metrica sind also zwei sehr unterschiedliche Unternehmerpersönlichkeiten am Ruder. Dittmar prescht sofort nach vorne, wenn er Marktchancen sieht. „Wer Champion bleiben will, muss ständig über den Tellerrand schauen, um auch jenseits des Kerngeschäftes neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln“, ist er überzeugt.
Objekte der metrica-Ausstellung künden von dieser Einstellung – beispielsweise ein High-Tech-Humidor, der Zigarren mit UV-Bestrahlung vor Keimen schützt, und eine vermeintlich nur aus Holz bestehende ballistische Stellwand, die Menschen im öffentlichen Raum gegen Kugelhagel abschirmen soll. Leed-Helm hat einen geschärften Blick für die unternehmerischen Risiken. „Es ist das Zusammenspiel, das uns stark macht, denn so entstehen ausbalancierte Entscheidungen“, erklärt sie.


Hidden Champions
690 Unternehmen in NRW gehören laut einer Studie (pdf) des Forschungszentrums Mittelstand der Universität Trier zu den “Hidden Champions”, 73 davon haben ihren Sitz in Nord-Westfalen. Hidden Champions gehören zu den Top-3-Unternehmen auf dem Weltmarkt oder sind Marktführer auf dem Kontinent, erwirtschaften einen Umsatz von weniger als fünf Milliarden Euro und verfügen nur über einen geringen Bekanntheitsgrad. 

Lukrativer Landgang

Nichts hat metrica bisher aus dem Gleichgewicht bringen können, auch nicht die Krisen der vergangenen Jahre. Das Unternehmen beliefert Werften, die beispielsweise in Deutschland, den Niederlanden und Italien ansässig sind. Sie alle haben sich auf den Bau von Superyachten spezialisiert. Natürlich, so räumt Leed-Helm ein, sei die Nachfrage nach dieser Produktgruppe infolge der EU-Sanktionen gegen Russland etwas abgeflaut. Dramatisch seien die Folgen für metrica aber nicht. Zum einen seien aktuelle Projekte nicht betroffen. Außerdem gibt es auch in anderen Teilen der Welt hochsolvente Kundschaft, die gern in einem Interieur made by metrica den Anker lichten lässt – zum Beispiel in den USA oder dem mittleren Osten, wie die Geschäftsführerin berichtet. Entworfen werden die Innenausstattungen von Architekten und Designern internationaler Reputation, metrica wird mit der Umsetzung betraut. „Wir schaffen Lebensräume für die reichsten Menschen des Planeten“, beschreibt Dittmar das Kerngeschäft.
Nicht immer ist es bequem in dieser Nische, denn der Kundenkreis hat ein Faible für Extravaganz und im Projektmanagement sind viele kritische Pfade zu bewältigen. Kürzlich erst musste der Transport einer Sicherheits-Glasscheibe organisiert werden, die vor ihrer Ankunft in Japan noch einen Wert von „nur“ 15.000 Euro hatte. Dort ist sie von Meisterhand zu einem unwiederbringlichen Objekt gewandelt worden: Eine lebende Legende der fernöstlichen Kunst hat mit Tusche ein Gebirgspanorama aufgetragen. „Dann mussten wir die Scheibe wieder um die Welt schicken, damit sie an Bord einer Yacht an der rückwärtigen Wand des Maindeck-Esszimmers den Eyecatcher bildet“, erzählt Dittmar. Nicht alle Projekte haben Bug und Heck. Sein zweites Standbein nämlich hat metrica auf festem Boden errichtet, um die immer wiederkehrenden Marktschwankungen ausgleichen zu können. Das Unternehmen fertigt und montiert das Interieur für Luxus-Residenzen – Villen, Chalets, Landsitze, Beachhouses.
Die Bewohner eines Penthouse im New Yorker Central Park Tower beispielsweise haben, neben der Erdkrümmung, feinste Innenausstattung aus dem Hause metrica immer vor Augen. In den USA hat das Unternehmen dem Residenzgeschäft eigens eine Tochtergesellschaft gewidmet. Der Markt dort ist der größte der Welt und transparenter als in Deutschland, wo viele Projekte gar nicht erst publik werden, wie Dittmar erklärt.

Schritte in die Sichtbarkeit

Dass metrica selbst weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeitet, liegt zum einen daran, dass Weiterempfehlungen nur kleine Kreise ziehen können bei einem überschaubaren Endkundenstamm. Zum anderen verhindern vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen die Präsentation von Referenz-Projekten. Die gebotene Zurückhaltung wird allerdings mit zunehmendem Fachkräftemangel zur Herausforderung. Dittmar und Leed-Helm steuern gegen: Mit lokalem Engagement in Kindergärten, dem Angebot von Schülerpraktika sowie Hochschul-Kooperationen baut metrica den Kontakt zur Team-Verstärkung von morgen und übermorgen auf. „Die Nische ist unser Markt, aber jetzt müssen wir raus aus der Unsichtbarkeit“, sagt Leed-Helm. Zwar nutzt das Unternehmen die Chancen der Digitalisierung und produziert auch in automatischen Prozessen. „Aber bei uns sind mehr als 120 Schreiner tätig, die zuschneiden, furnieren, tischlern, lackieren, polieren, und diese gesamtheitliche Handwerklichkeit ist für uns der Maßstab aller Dinge“, erläutert Dittmar.
Das gelte auch für die beiden Zukäufe. Im münsterländischen Rosendahl-Holtwick und in Greifenburg in Österreich hatte 2005 und 2020 mit der Schließung zweier Traditionsfirmen der Verlust von Handwerkskunst gedroht, die rar geworden, aber im Luxus-Innenausbau unverzichtbar ist. metrica hat, angesichts steigender Nachfrage, beide in die Unternehmensgruppe aufgenommen.
kleine goldfarbene Figur eines Neptun
© Gerharz/IHK
„Ohne diese wertvollen Menschen geht bei uns nichts“, sagt Dittmar. Genau deshalb beschäftigt sich die Geschäftsleitung intensiv mit Arbeitsorganisation und Führung. In diesem Punkt sehen Dittmar und Leed-Helm metrica ein Stück weit vor dem Wettbewerb. Weit schon haben sie den Wandel der Unternehmenskultur vorangebracht, patriarchische Prinzipien und Abteilungsdenken über Bord geworfen. Agiles Arbeiten in wechselnden Teams und konsequente Prozessorientierung sind an der Tagesordnung. „Nach dem vorrangigen Zukunftsziel befragt, nennt Dittmar denn auch weder Umsatzzahlen noch anvisierte Absatzmärkte. „Wir wollen weiterhin ein guter Arbeitgeber und unseren Mitarbeitenden ein sicherer Hafen sein“, sagt der Geschäftsführer.
metrica GmbH und Co. KG
Gründungsjahr: 1997
Branche: Innenausbau
Geschäftsfelder: Yacht-Neubau und -Refit, Residenzen
Standorte: Deutschland (Senden, Holtwick), Österreich, USA
Anzahl Mitarbeiter: 280
Absatzmärkte: Westeuropa und USA
Jahresumsatz: durchschnittlich 60 Millionen EUR