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 „Wenn man aufhört zu lernen, hört man auf zu existieren“

Nachdem wir in „Die Führung der Zukunft: Nachfolge und Gleichberechtigung bei BabyOne“ mit Dr. Anna Weber darüber gesprochen haben, wie sie mit ihrem Bruder Dr. Jan Weischer die Nachfolge bei BabyOne gemeistert hat und sie erklärt hat, warum Gleichberechtigung nicht vom Himmel fällt, richten wir den Blick nun auf die Welt des digitalen Handels, den Einfluss von LinkedIn und den Einsatz bei RTLs „Undercover Boss“. 
Wirtschaftsspiegel: BabyOne hat einen Onlineshop. Was machen Sie darüber hinaus, damit der E-Commerce brummt? 
Dr. Anna Weber: Wir machen zum Beispiel Instagram-Live-Formate. Unser Social-Media-Team aber auch die Hersteller stellen dabei die Produkte vor, beantworten Fragen und verlinken auf den Onlineshop. Über den verkaufen wir schließlich die Produkte. Man muss wissen, wo Touchpoints sind und wie wir unsere Expertise und unsere Kompetenz digital abbilden können. 
Dr. Anna Weber
Dr. Anna Weber © BabyOne
Wirtschaftsspiegel: Auf LinkedIn gibt es den BabyOne-Account. Sie und Ihr Bruder haben jeweils einen eigenen. Wozu nutzen Sie das Businessnetzwerk?
Dr. Weber:
Linkedin nutzen wir zur Stärkung unserer Arbeitgebermarke. Menschen folgen aber nicht Unternehmen. Sie folgen Menschen. Dafür ist es eben wichtig, dass Jan und ich uns dort zeigen, dass wir erzählen, was wir machen, welche Haltung wir haben. Im Vergleich zur klassischen Stellenanzeige ermöglicht uns das, ein viel klareres und transparenteres Bild von uns als Arbeitgeber zu zeichnen. Ein Bewerber hat viele Möglichkeiten, sich vorab über ein Unternehmen zu informieren und zu gucken, passt das Unternehmen zu mir. Dafür ist LinkedIn einfach super wichtig. Mehr als 30 Prozent der Bewerbungen für die Zentrale kommen mittlerweile über LinkedIn. LinkedIn ist unser wichtigster Recruiting-Kanal. 
Im ersten Teil des Interviews, das Sie verpasst haben könnten, sprach der Wirtschaftsspiegel mit Dr. Anna Weber über Nachfolgeplanung und Gleichstellung in Beruf und Gesellschaft. Ein Blick zurück lohnt sich: Lesen Sie „Die Führung der Zukunft: Nachfolge und Gleichberechtigung bei BabyOne“.
Wirtschaftsspiegel: Veröffentlichen Sie dort auch die Stellenanzeigen?
Dr. Weber: Manchmal, aber allgemein lesen die Bewerber eben auch Beiträge auf LinkedIn, wenn sie sich über uns informieren wollen. Die Frage ist, wo werde ich als erstes Mal darauf aufmerksam, dass BabyOne vielleicht gar kein so schlechter Arbeitgeber ist. 
Wirtschaftsspiegel: Schreiben Sie das alles eigentlich selbst?
Dr. Weber:
Wir haben jemanden, der uns redaktionell unterstützt. Aber die Ideen, die Inhalte und der letzte Feinschliff kommt von uns. Auch die Kommentare schreiben wir selbst. Wenn ich etwas poste, nehme ich mir direkt danach eine halbe bis volle Stunde, um Kommentare zu beantworten. Und abends wenn die Kinder im Bett und alle E-Mails abgearbeitet sind, gucke ich nochmal rein. 
Wirtschaftsspiegel: Wie sollte man es angehen, wenn man auf LinkedIn Erfolg haben möchte?
Dr. Weber: Ehe wir gestartet sind, haben wir uns strategisch angeschaut, wie und worüber wir berichten wollen und welche Themen Sinn machen. Und sich für die Strategie Unterstützung zu holen, ist total wichtig. Ich persönlich mag es auch lieber, wenn mir jemand persönlich zurückschreibt und kein ChatGPT-Bot.
Wirtschaftsspiegel: Apropos KI – ist das ein Thema bei BabyOne?
Dr. Weber:
Wir beobachten das und sehen, dass es definitiv ein Top-Thema wird. Wir sind aber noch nicht soweit, dass wir es implementieren. Das wird aber kommen. Und darauf freue ich mich. Wir haben in der Grafik Leute, die mit generativer KI experimentieren, und auch im E-Commerce wird KI auf Nutzen getestet. Das Wichtigste ist aber, dass es im Unternehmen Leute gibt, die Bock haben, Themen auszuprobieren, ohne dass wir ein riesen Projekt daraus machen. 
Wirtschaftsspiegel: Neben den digitalen Herausforderungen – was sind denn momentan die größten unternehmerischen Herausforderungen für Sie und Ihren Bruder?
Dr. Weber: Die sinkende Geburtenquote. Das ist ein Thema, mit dem wir umgehen müssen. Denn das bedeutet weniger Kunden für uns. Die Frage ist: Wie können wir mehr Marktpotenzial abschöpfen? Der Arbeitskräftemangel ist ebenso ein Problem. In der Zentrale sind wir mit dem, was wir an Employer Branding machen, gut aufgestellt. Aber in den Stores ist es eine Herausforderung. Der Verkauf ist ein Job auf der Fläche. Es liegt an uns, ihn attraktiv zu machen, sodass Menschen Lust haben, ihn zu ergreifen.
Wirtschaftsspiegel: Und wie genau machen Sie das?
Dr. Weber: Zum einen zeigen wir, was uns von anderen unterscheidet. Das RTL-Format „Undercover Boss“ hat uns geholfen. Ich hatte eine Situation, da stand ich an der Kasse und künftige Großeltern kamen zu mir – sie wollten die ersten Socken für ihr erstes Enkelkind kaufen. Sie durften ihren Bekannten aber noch nicht erzählen, dass sie Großeltern werden, denn die Schwangerschaft war noch nicht fortgeschritten. Da war ich als Verkäuferin diejenige, die es als erstes erfahren hat und die ganze Freude erleben durfte. Das sind Leute, die voller Emotionen sind, die auch mit dem Einkauf eines Kinderwagens viel mehr verbinden, als den puren Kauf. Wo im Einzelhandel kann man das behaupten? 
Wirtschaftsspiegel: Sie sind auch Mutter. Bekommen Sie Familie und Karriere immer unter einen Hut?
Dr. Weber: Das ist die Challenge. Ich möchte nicht, das es easy-peasy aussieht, denn das ist es nicht. Am wichtigsten ist, dass man in der Partnerschaft klärt, wie man Familie und Beruf aufteilen möchte. Bei uns ist es im Moment so, dass mein Mann zu Hause ist und ich 100 Prozent und mehr den Job mache. Was ich mache, ist kein Teilzeitjob und das wird er auch nie sein. Er braucht von mir totale Power. So ehrlich muss man zu sich sein. 
Dr. Anna Weber und Dr. Jan Weischer
Dr. Anna Weber (l.) und Dr. Jan-Willem Weischer (r.) führen BabyOne im Tandem. Sie haben das Familienunternehmen von ihren Eltern übernommen. © BabyOne
Wirtschaftsspiegel: 100 Prozent und mehr für den Job? Wie wollen Sie sich als Chefin denn weiterentwickeln?
Dr. Weber: Ich finde, wenn man aufhört zu lernen, hört man auf zu existieren. Ich habe Neugierde und Wissensdurst und es ist wichtig, dass den auch viele andere Leute haben. Ich frage ganz häufig in Vorstellungsgesprächen, welche Fähigkeit der Bewerber im vergangenen Jahr erlernt hat. Und es ist egal, ob das auf den Job ausgerichtet ist oder ob jemand kochen gelernt hat. Ich mache daran aus, ob die Leute bereit sind, sich weiterzubilden. Ich zum Beispiel lerne ganz viel autodidaktisch. Ich lese Fachbücher und leite daraus ab, was ich selbst ändern möchte. Tief in die Analyse zu gehen, in die Selbstreflexion – das macht uns besser.
Wirtschaftsspiegel: Die Gründung des Labels Elsa & Emil, das Investment ins Kinderbrillenlabel Manti-Manti – gibt es weitere Initiativen, auf die wir uns einstellen können?
Dr. Weber:
Ich bin seit einigen Jahren Mitgesellschafterin bei Start-up Teens. Das ist eine überregionale non-profit Organisation, die sich auf die Fahne geschrieben hat, das Unternehmertum in Deutschland bei Jugendlichen zu stärken. Und ich glaube, es ist wichtiger als je zuvor, dass wir in Deutschland auf Innovationskraft und Unternehmertum setzen. Und dafür werde ich mich definitiv weiter einsetzen.
Wirtschaftsspiegel: Vielen Dank für das Interview.

Infos zum Unternehmen

BabyOne ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen und auf den Handel mit Baby- und Kleinkindausstattung spezialisiert. Es gibt 31 eigene Fachmärkte. Insgesamt 26 Franchisenehmer führen 73 Standorte. In der Zentrale in Münster, in den Eigen- und Franchise-Märkten beschäftigt BabyOne über 1.400 Mitarbeitende. Mit 93 Fachmärkten in Deutschland, sechs Filialen in Österreich sowie fünf Märkten in der Schweiz erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2022 einen Jahresumsatz in Höhe von 244 Millionen Euro und ist Marktführer in der Branche in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz.