5 min
Lesezeit
Zu viele Hemmnisse im Außenhandel
Drei Jahre Pandemie und ein Jahr Ukrainekrieg hinterlassen deutliche Spuren im niedersächsischen Außenhandel: die IHK-Umfrage „Going International“ und die aktuellen Außenhandelsstatistiken zeigen maßgebliche Veränderungen in einem weltweit schwierigen Umfeld. Die Bedeutung mancher Handelspartner verändert sich rasant, Handelshemmnisse nehmen zu, strategische Ausrichtungen werden geändert.
© Prasit_Rodphan/123rf.com
An der Umfrage „Going International“ haben sich in diesem Jahr 223 auslandsaktive Unternehmen aus Niedersachsen beteiligt.
Aktuelle Lage und Perspektiven
Die Geschäftsaussichten für den Außenhandel werden von den Unternehmen je nach Region recht unterschiedlich eingeschätzt. Stabilität verspricht aktuell die Eurozone: Hier ist die Situation derzeit für fast 90 Prozent der Unternehmen gut oder befriedigend – und 59 Prozent der Unternehmen rechnen auch für die nähere Zukunft mit einem gleichbleibenden, 21 Prozent sogar mit noch besserem Geschäftsverlauf, 18 Prozent mit einer Verschlechterung.
Zwiespältig ist die Lage im Vereinigten Königreich: rund 56 Prozent der betroffenen Unternehmen verzeichnen hier aktuell mindestens zufriedenstellende Geschäfte, was eine leichte Verbesserung zum Vorjahr (48 Prozent) darstellt, als der Brexit gerade vollzogen war. Auffällig ist, dass sich der Brexit in der niedersächsischen Exportstatistik weit weniger niederschlägt als in der gesamtdeutschen: Die Exporte in Richtung Großbritannien sind seit dem Jahr des Brexitreferendums 2016 sogar leicht gestiegen und das Vereinigte Königreich behauptet sich weiter unter den TOP-Exportmärkten (2022 Rang 4, gleichauf mit USA auf Rang 3) – im Gegensatz dazu ist die Bedeutung Großbritanniens für Gesamtdeutschland stark zurückgegangen, dort ist das Land auf dem besten Weg, aus den TOP 10 zu fallen.
Auf die Frage, welche Märkte und Regionen für die Unternehmen mittelfristig wichtiger werden als derzeit, sehen 66 Prozent der Unternehmen eine wachsende Bedeutung der Eurozone für ihr Geschäft. 48 Prozent der Unternehmen geben an, dass in Zukunft Nordamerika wichtiger werden wird, gleichauf mit der Schweiz und Norwegen.
Auffällig ist die Entwicklung der Einschätzungen zu China gegenüber den Nachbarländern: für die Region Asien/Pazifik (ohne China) gehen 36 Prozent der Unternehmen von einer steigenden Bedeutung aus, für China selbst nur halb so viele (18 Prozent). Diese mittelfristige Einschätzung zeigt sich derzeit schon in den Investitionsplänen der Unternehmen: es wollen nun deutlich mehr der auslandsaktiven Unternehmen in Asien/Pazifik außerhalb Chinas investieren (22 Prozent) als in China (10 Prozent). Auch bei den Außenhandelszahlen lässt sich die steigende Bedeutung insbesondere der ASEAN-Länder bereits ablesen: die niedersächsischen Importe vor allem aus Vietnam, Malaysia, Indonesien und Thailand stiegen im Jahr 2022 weit überdurchschnittlich an. Die von vielen Unternehmen eingeleitete Diversifizierung der Lieferketten beginnt sich niederzuschlagen.
Handelshemmnisse nehmen stark zu
Grundsätzlich spüren 61 Prozent der Unternehmen im Jahr 2022 eine Zunahme von Hemmnissen bei internationalen Geschäften – ein Rekordwert bei dieser Umfrage. Wenig überraschend in der aktuellen Lage werden Sanktionen bei den Hemmnissen an erster Stelle genannt (58 Prozent). Aber schon an zweiter Stelle folgt mit den lokalen Zertifizierungsanforderungen ein klassisches Instrument aus dem Baukasten des Protektionismus: Von der chinesischen Registrierungspflicht für Hersteller von Lebensmitteln bis zur ägyptischen Import-Voranmeldung („Advanced Cargo System“) – solche Zertifizierungsanforderungen werden von Staaten bewusst eingeführt, um ausländische Produzenten zu benachteiligen. Ähnlich gelagert ist es meist bei den verstärkten Sicherheitsanforderungen, die von den Unternehmen bei den neuen Handelshemmnissen an dritter Stelle genannt werden (36 Prozent).
Nicht immer entstehen die Probleme im Ausland: Immer wieder werden auch die langen Bearbeitungszeiten von Exportgenehmigungen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als Hindernis genannt.
Was wünschen sich die befragten Unternehmen?
Für die Diversifizierung ihrer Lieferketten rufen die Unternehmen nicht nach Fördermitteln. Eine gewisse staatliche Unterstützung durch den Ausbau von Exportkreditgarantien oder Investitionsgarantien wird zwar von 27 Prozent der Unternehmen angeregt. In erster Linie wünschen sich die Unternehmen aber einen stärkeren staatlichen Einsatz für den Abbau von Handelshemmnissen (65 Prozent), die Aushandlung von ehrgeizigen Handelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern (53 Prozent) sowie bessere multilaterale Regeln unter dem Dach der Welthandelsorganisation WTO (46 Prozent).
Mit erheblichem bürokratischen Aufwand ist auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verbunden. Eigentlich gilt es derzeit nur für 1,8 Prozent der in der Umfrage befragten Unternehmen, nämlich diejenigen mit über 3000 Mitarbeitenden. Dennoch ist rund die Hälfte (48 Prozent) der teilnehmenden Unternehmen im vergangenen Jahr bereits mit Anforderungen aus dem Gesetz konfrontiert worden: 40 Prozent von Auftraggebern beziehungsweise Kunden, 11 Prozent von Lieferanten, 6 Prozent von Banken und Investoren und ebenfalls 6 Prozent von Versicherern und Logistikern. An diesen Zahlen ist eindrucksvoll zu erkennen, dass die Pflicht zur Beachtung des LkSG von den Großunternehmen an die KMU durchgereicht wird und sich über kurz oder lang ein großer Teil der Unternehmen damit beschäftigen muss. Konkret wünschen sich die Unternehmen Negativlisten (Black Lists) über Zulieferer (27 Prozent), Hilfe bei der Überprüfung von Zulieferern im Ausland (24 Prozent) oder Muster-Textbausteine für einen Code of Conduct (21 Prozent).
Fazit:
Die massiven Herausforderungen, die seit drei Jahren den internationalen Handel getroffen haben, lösen umfassende Änderungsprozesse aus. Das ist für viele Unternehmen nach den schwierigen letzten Jahren ein Drahtseilakt, der volle Konzentration erfordert. Staatlicherseits sollte in dieser Situation das Hauptaugenmerk nicht auf neuen, aufwändigen Pflichten liegen, die in den Unternehmen Ressourcen binden, welche eigentlich für den Wandel benötigt werden. Vielmehr sollte der Staat sich stärker einsetzen für die Förderung des regelbasierten internationalen Handels durch neue und bessere Handelsabkommen und den Abbau von protektionistischen Maßnahmen.
dw
Quelle:
Fokus Niedersachsen „Unser Blickpunkt auf die Wirtschaft – Going International 2023“
Weitere Informationen finden Sie hier.
Kontakt
