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Kohleausstieg eröffnet Chance zum Einstieg

Pumpenbauteile in Kohlekraftwerken sind stark beansprucht. Das macht sie zum idealen Einsatzgebiet für Polymerguss, den Thorsten Noack entwickelt hat. Spätestens seit Kohleverstromung hierzulande zum Auslaufmodell wird, setzt er auf Internationalisierung, einen starken Partner und neue Anwendungsmöglichkeiten.
Thorsten Noack
Zeigt in Richtung Internationalisierung: Thorsten Noack will für den Polymerguss weltweit weitere Anwendungsmöglichkeiten entwickeln. © NOMIG
Thorsten Noack ist schon fast auf dem Sprung. Für den geschäftsführenden Geschäftsführer von NOMIG in Reken-Maria Veen steht ein Flug nach China an. Vor gut sechs Jahren hat er in der Nähe von Shanghai NPT SiC Technology gegründet, eine Schwesterfirma von NOMIG. Produziert werden dort die identischen Polymerguss-Bauteile für Kraftwerke wie am Hauptsitz im Westmünsterland, allerdings für chinesische Stromproduzenten. „Dort laufen die Kohlekraftwerke weiter“, erklärt er. Für Indien wäre „Weiterlaufen“ eine Untertreibung: „Dort boomt die Kohlekraft geradezu“, betont Noack. Seit Ende 2019 ist NOMIG auch auf dem Subkontinent vertreten, ins Boot geholt von KSB aus Frankenthal, einem der weltweit größten Pumpenhersteller.

Polymerguss für mehr Beständigkeit

Damit ist NOMIG, obwohl mit kaum 30 Beschäftigten am Sitz in Maria Veen von eher überschaubarer Größe, global aufgestellt. Das ist für das Unternehmen auch notwendig: Denn während sich die Nachfrage seitens der Kraftwerks-Kunden besonders in Deutschland eher rückläufig entwickeln dürfte, stehen in anderen Märkten die Zeichen auf Ausbau.
In diesen internationalen Märkten wächst das Interesse an Polymerguss, mit dem Noack 1999 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hat. „Polymerguss ist im Bereich Abrasion und Korrosion deutlich beständiger als viele Metalle“, erläutert er und macht es konkret: „Die Beständigkeit ist um den Faktor zwei bis drei höher als bei jedem Edelmetall“. Das macht den Werkstoff für Anwendungen interessant, bei denen Bauteile hohen Belastungen und Abnutzungen ausgesetzt sind. Dazu gehören Pumpen, die in Müllverbrennungsanlagen und Kohlekraftwerken für die Rauchgas-Entschwefelung sorgen.

Erst China, dann Indien

Die positiven Erfahrungen mit Polymerguss gerade in Kraftwerken sprachen sich herum. Auch KSB wurde auf das Rekener Unternehmen aufmerksam und begann damit, Edelstahlbauteile seiner Pumpen mit dem langlebigen Werkstoff von NOMIG zu ersetzen.
Nach China ist nun Indien an der Reihe. „Wir haben mit KSB vereinbart, dass in einem Werk in Shirwal, östlich von Mumbai, bestimmte Bauteile in Lizenz von NOMIG hergestellt werden dürfen“, erklärt Noack. Über einen Zeitraum von fünf Jahren baut KSB in Shirwal 600 Aggregate, damit lassen sich 120 Pumpen jährlich ausstatten. NOMIG stellt die Pläne bereit und schult die Beschäftigten. Außerdem liefert KSB aus dem Werk in Indien metallische Rohlinge, auf die dann in Maria Veen der Polymerguss aufgetragen wird. 

Vertrauen in Partner

Ist damit nicht ein gewisses Risiko verbunden, wertvolles Know-how preiszugeben? „Der Vertrag mit KSB ist Pro-NOMIG ausgestaltet“, unterstreicht Noack. Nur in Indien darf sein Verfahren angewendet und keinesfalls weitergereicht werden. Das Vertrauen in den langjährigen Kooperationspartner sei groß, betont er. In China tauchten allerdings rasch Plagiate der eigenen Produkte auf. „Das ist ein Problem“, räumt Noack ein. Der Vorteil des Polymergusses ist aber, dass dessen Rezeptur im ausgehärteten Zustand nicht mehr nachvollziehbar ist. „Es gibt deshalb zwar Kopien, die aber nicht so gut funktionieren“, erklärt er.

Ersatz fürs deutsche Geschäft 

Trotz der vertrauensvollen Zusammenhalt mit KSB vermeidet es Noack, in zu große Abhängigkeit zu geraten. „Wir machen 30 Prozent unseres Umsatzes in Indien. Die übrigen 70 Prozent reichen, um unabhängig zu bleiben“, betont er.
Bewährt sich bei hohen Belastungen: Der von Thorsten Noack entwickelte Polymerguss ist mittlerweile weltweit gefragt. © NOMIG
Zu diesen 70 Prozent gehören auch Umsätze mit Aufträgen von Kohlekraftwerken in Europa. Denn trotz aller Beschlüsse zum Kohleausstieg, die den Einstieg in fremde Märkte erst beförderten: „Die deutschen Kohlekraftwerke laufen ja immer noch, um unseren Energiebedarf zu decken“, erklärt er. Folglich würden weiterhin Ersatzteile benötigt. Auch Polen setzt weiter auf Kohlekraft. Hier ist NOMIG mit einer Handelsvertretung vor Ort vertreten, ebenso in der Türkei.
Dass Kohlestrom keinen besonders guten Ruf in Deutschland genießt, weiß Noack. Er hält die modernen Kraftwerke gleichwohl für verhältnismäßig sauber. „Ihr Wirkungsgrad ist gut, die Rauchgas-Entschwefelungsanlagen filtern viele Schadstoffe heraus“, unterstreicht er – wozu der Polymerguss seinen Beitrag leistet. Diesen weiter zu verbessern, sei chemisch kaum möglich. Innovation bedeutet deshalb für ihn, zusätzliche Einsatzfelder zu identifizieren. Seit drei Jahren liegt ein Fokus auf der Salzindustrie. Günstiger Preis, kurze Liefer- und lange Standzeiten der Anlagen sollen die Kunden überzeugen.

Gute Fachkräfte in Indien

Auch dabei blickt Noack über den europäischen Tellerrand. Indien hat er bereits als ein gastfreundliches, wirtschaftlich starkes Land mit fachlich gut ausgebildeten Kräften kennengelernt. Umgehen müssten Investoren allerdings mit einer „wenig entscheidungsfreudigen“ Mentalität. Sein Tipp, der für Indien wie China gilt: „Mit Anwälten zusammenarbeiten, damit man mit Behörden möglichst wenig zu tun hat“. 
Für die Zukunft hat NOMIG gemeinsam mit KSB noch einige Pläne in Indien. Ab 2025 sollen auf dem Subkontinent weitere Bauteile in Lizenz hergestellt werden, um den Markt mit Ersatzteilen zu beliefern. Noack möchte dabei nicht nur auf den einen großen Partner setzen. „Es gibt auch andere Pumpenhersteller aus Deutschland, Österreich und China, für die wir Ersatzteile produzieren können“, erklärt er. Wie es aussieht, sei KSB dazu bereit – ein gutes Geschäft für den Pumpen-Riesen wie für den Hidden Champion aus Maria Veen.