DIHK-Impulspapier: Geförderte Direktlieferverträge als Alternative zum Industriestrompreis

Als Reaktion auf den Entwurf eines Industriestrompreis-Modells des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) mit dem Impulspapier “StromPartnerschaft für wettbewerbsfähige Preise und schnelleren EE-Ausbau (PDF-Datei · 118 KB)” einen alternativen Vorschlag für eine wettbewerbsfähige Stromversorgung der Wirtschaft vorgelegt.

Modell StromPartnerschaft

Die deutschen Strompreise haben sich im europäischen und internationalen Vergleich auf einem extrem hohen Niveau verfestigt. Neben den hohen Beschaffungskosten belasten Umlagen und die Stromsteuer die deutschen Unternehmen stärker als andernorts. Zahlreiche politische Entscheidungen sowie der notwendige Ausbau gesicherter Kraftwerkskapazitäten und des Stromnetzes treiben die Stromkosten voraussichtlich weiter in die Höhe.
Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach einem gedeckelten Industriestrompreis mehr als verständlich. Der vom BWMK vorgeschlagene Industriestrompreis stünde aber nur einem sehr kleinen Kreis ausgewählter Unternehmen offen. Die DIHK hat daher einen Alternativvorschlag entwickelt, der der gesamten deutschen Wirtschaft zugutekommt, dabei deutlich weniger Bürokratieaufwand verursacht und unterm Strich den Staatshaushalt weniger belastet.
Mit dem Modell der StromPartnerschaft sollen langfristige Stromlieferverträge zwischen den Anlagenbetreibern erneuerbarer Energien und Stromverbrauchern aus der Wirtschaft gefördert werden. Mit solchen Direktstromlieferverträgen können zum Beispiel Windanlagenbetreiber und ein Industrieunternehmen eine langfristige Partnerschaft eingehen. Davon profitieren beide Seiten, die Gesamtwirtschaft und das Klima.
Der Entwurf basiert auf drei Kernforderungen:
  1. Entlastung bei Umlagen und Stromsteuer
    Zunächst sollte der Staat Steuern, Umlagen und Entgelte möglichst komplett übernehmen bzw. so stark wie möglich verringern, um vermeidbare Zusatzbelastungen zu reduzieren.
  2. Einführung einer StromPartnerschaft
    Dies beinhaltet eine Zuschussförderung von 25 Prozent für die Errichtung von Photovoltaik- und Windenergieanlagen, sofern die Betreiber einen Direktliefervertrag mit einem Unternehmen schließen. Darüber hinaus sollen die Netzentgelte pauschal um 2 ct/kWh gesenkt werden.
  3. Weitergehende Entlastung für hochenergieintensive Unternehmen
    Für hochenergieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Betriebe sollte rasch geprüft werden, ob ergänzende Maßnahmen zielgerichtet und beihilferechtskonform helfen könnten, sollten die vorgenannten Maßnahmen nicht ausreichen.
Insbesondere die Förderung von Direktlieferverträgen zwischen Anlagenbetreibern und Unternehmen bietet zahlreiche Vorteile:
  • Ein Investitionszuschuss schafft einen sofortigen Investitionsanreiz.
  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien außerhalb der EEG-Förderung wird beschleunigt.
  • Das Modell ist mit dem europäischen Rechtsrahmen vereinbar.
  • Anlagenbetreiber und Unternehmen haben eine bessere Planungssicherheit.
  • Der Staatshaushalt wird deutlich weniger belastet.

Effekte:

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Kurzstudie zum DIHK-Konzept StromPartnerschaft

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) wurde von der DIHK damit beauftragt, in einer Kurzstudie (PDF-Datei · 2243 KB) die Effekte der StromPartnerschaft zu berechnen.
Demnach könnten kurz- bis mittelfristig
  • die Strompreise für Industrie und Gewerbe um maximal 3,7 ct/kWh sinken,
  • Erneuerbare-Energien-Anlagen mit Kapazitäten von etwa 50 GW vorgezogen werden,
  • bis zu 74 TWh pro Jahr an Grünstrom für die deutsche Wirtschaft erzeugt werden,
  • bis zu 21 Mrd. € an EEG-Förderung (Marktprämie) eingespart werden,
  • ein bedeutender Beitrag zur Erreichung der EE-Ausbauziele geleistet werden,
  • die Standortbedingungen für die deutsche Wirtschaft verbessert werden und
  • zusätzliche Wertschöpfung und Steuereinnahmen generiert werden.
Das Anreizmodell "StromPartnerschaft" hat in dieser Ausgestaltung einen Gesamtfinanzierungsbedarf i.H.v. 34,8 Mrd. €. Auf den Vorzieheffekt von 12 Jahren bezogen entsteht so ein Finanzierungseffekt i.H.v. durchschnittlich 2,9 Mrd. € pro Jahr und über die Gesamtlaufzeit von 27 Jahren i.H.v. durchschnittlich 1,3 Mrd. € pro Jahr.
In Kombination führen der Investitionszuschuss sowie die Entlastung der Netzentgelte zu Preisen von Direktstromliefer­verträgen (PPAs) in Höhe von 4,4 Cent bei PV-Strom und 5,6 Cent bei Windstrom exklusive Steuern und Umlagen. Hinzu kommen noch die verbleibenden Netzentgelte.
Durch die Entlastung der Netzentgelte ergeben sich über einen Zeitraum von 15 Jahren Kosten von durchschnittlich 1,6 Mrd. Euro jährlich. Zwar wurde die Entlastung der Wirtschaft von zunehmend steigenden Netzentgelten in der aktuellen Diskussion zum Industriestrompreis immer auch genannt, damit einhergehende Kosten in vorliegenden Kalkulationen aber nicht berücksichtigt. Der Investitionszuschuss für neue Windkraft- und PV-Anlagen führt mit 1,3 Mrd. Euro pro Jahr zu geringen Kosten und würde zusätzlich Ausgaben der EEG-Förderung einsparen sowie Steuerannahmen anstoßen. Unter dem Strich dürfte die Belastung aus dem Bundeshaushalt daher bei deutlich unter 1 Mrd. Euro jährlich liegen, wenn man die Kosten für die Netzentgeltsenkung außen vorlässt.

Industriestrompreis (BMWK)

Das BMWK hatte Anfang Mai ein Arbeitspapier zum Industriestrompreis vorgelegt. Das Konzept unter dem Titel „Wettbewerbsfähige Strompreise für die energieintensiven Unternehmen in Deutschland und Europa sicherstellen“ schlägt einen zweistufigen Industriestrompreis vor. Das Ministerium will über den Vorschlag mit verschiedenen Akteuren, den Energie- und Wirtschaftsminister:innen der Länder sowie Parlamentsvertretern zeitnah den Austausch suchen.
Laut BMWK solle die Industrie über einen langfristigen Transformationsstrompreis von günstigem Strom aus Erneuerbaren Energien profitieren. Um Industrieunternehmen den Zugang zu kostengünstigen Erneuerbaren Energien zu ermöglichen, soll Strom aus neuen EE-Anlagen zu Preisen nahe an den Gestehungskosten an die Industrie weitergereicht werden. Dies setze EE-Anlagen voraus, die mittels Contracts for Difference (CfD) finanziert werden. Zugleich soll der Abschluss von Power Purchase Agreements (PPAs) von EE-Erzeugern mit Industriepartnern mit Bürgschaften abgesichert werden, um die Risikoprämien dieser Verträge zu reduzieren (norwegisches Modell). Auch für mittelständische Unternehmen soll wir den Zugang zu PPA-Modellen verbessert werden.
Bis zur Realisierung des erforderlichen Ausbaus Erneuerbarer Energien ist nach Einschätzung des BMWK ein Brückenstrompreis notwendig. Er soll die Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplätze und Standorte der energieintensiven Unternehmen in den 20er-Jahren sichern. Das Ministerium schlägt einen Brückenstrompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde für energieintensive Unternehmen vor, die von Carbon Leakage bedroht sind (Anlehnung an frühere Besondere Ausgleichsregelung im EEG). Unternehmen sollen dazu bei Börsenstrompreisen über 6 ct/kWh die Differenz erstattet bekommen. Maßgeblich soll dabei der durchschnittliche Börsenstrompreis in dem jeweiligen Jahr sein. Die Unternehmen hätten somit weiterhin den Anreiz, Strom möglichst kostengünstig und somit marktdienlich zu beschaffen. Zudem soll der Brückenstrompreis nur auf 80 Prozent des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu setzen. Damit der Brückenstrompreis eine Brücke in eine dekarbonisierte Zukunft darstellt und zur Erneuerung von Wohlstand und Teilhabe in Deutschland beiträgt, sollen Industrieunternehmen, die ihn in Anspruch nehmen, eine klare Transformationsverpflichtung eingehen, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.
Die Finanzwirkung des Brückenindustriestrompreises hängt wesentlich von der weiteren Entwicklung der Strompreise ab. Auf Basis der aktuellen Futures ergebe sich für den Zeitraum nach Auslaufen der Strompreisbremse ein Finanzbedarf bis 2030 von ca. 25 bis 30 Milliarden Euro. Die Finanzierung soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds erfolgen.
EE-Strom soll zunehmend genutzt statt abgeregelt werden. Grund dafür sind oft Netzengpässe, die einen Abtransport des Stroms verhindern. Die Netzentgelte sollen dazu in betroffenen Regionen in Zeiten mit Engpässen reduziert werden können (zeitvariable Netzentgelte). Zum anderen soll Strom, der ansonsten abgeregelt würde, von den Netzbetreibern gegen ein geringes Entgelt für die Erzeugung von Wärme durch Strom (Power-to-Heat) oder die Erzeugung von grünem Wasserstoff an Energiewirtschaft und Industrie abgegeben werden können.
Auch sollen die Netzentgelte für EE-Belieferung an Industrie in räumlicher Nähe gesenkt werden. So sollen Industrieunternehmen, die über PPAs Strom von einer EE-Anlage in räumlicher Nähe beziehen, für diesen Strombezug ermäßigte Netzentgelte erhalten können. Industrie und Gewerbe können dadurch von lokal erzeugtem Strom aus Erneuerbaren Energien profitieren.

Einordung der DIHK

Die derzeit diskutierten Modelle laufen alle darauf hinaus, dass der Staat Industriebetrieben einen gewissen Preis garantiert und die Differenz zum Marktpreis ausgleicht (Differenzkontrakt). Sollte der Marktpreis darunter liegen, müssten die Unternehmen die Differenz an den Staat erstatten. Unternehmen, die den Industriestrompreis in Anspruch nehmen können, profitieren davon. Aus dem gewählten Ansatz ergeben sich aber gesamtwirtschaftlich mehrere Nachteile:
  1. Der Adressatenkreis für einen Industriestrompreis wird beschränkt bleiben. Vermutlich wird eine der einschlägigen Branchenlisten zum Einsatz kommen und damit direkt Nachteile für Teile der Wirtschaft schaffen. In jedem Fall wären Branchen jenseits der Industrie ausgeschlossen.
  2. Es wird nur ein eingeschränktes Volumen (derzeit geplant etwa in der Größenordnung von einem Viertel des Industriestrompreiskontingents in Frankreich) zur Versteigerung zur Verfügung stehen. Damit haben Unternehmen einen Vorteil, die mit höheren Preisen klarkommen, da sie einen höheren Preis bieten und damit den Zuschlag bekommen können. Unternehmen, die einen sehr günstigen Strompreis benötigen, fielen durchs Raster. Das eigentliche Ziel des Industriestrompreises würde verfehlt.
  3. Dem Staat werden ggf. erhebliche Kosten entstehen. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Kosten auf alle anderen Stromkunden umgelegt werden.
  4. Weder der Erzeuger des Stroms noch der Industriebetrieb nehmen weiter am Markt teil, da der Staat Ausfallrisiken komplett übernimmt. Dies wird negative Auswirkungen auf die Liquidität insbesondere der Terminmärkte haben, da eine Absicherung der Anlagenbetreiber gegen Windflauten nicht mehr nötig ist. Zudem entfällt der Anreiz, flexibel auf kurzfristige Marktsignale zu reagieren, um beispielsweise bei geringen Marktpreisen den Windstrom in die Wasserstofferzeugung fließen zu lassen. Aufgrund des Ausbaus von Wind und PV wird flexibles Verhalten aber immer wichtiger. Sollte es sich um einen Endkundenpreis handeln, entfällt auch der Anreiz einer netzdienlichen Stromabnahme.
(Quelle BMWK)