DIHK stellt Plan B-Studie für Energiewende vor: 5 Billionen Euro sind zu viel

Die von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie „Neue Wege für die Energiewende (Plan B)“ von Frontier Economics zeigt, dass die bisher verfolgte Strategie der Energiewende absehbar in eine volkswirtschaftliche Sackgasse führt. Ein rasches Umsteuern auf marktwirtschaftliche Instrumente und Technologieoffenheit sei notwendig. Trotz der ermittelten Einsparpotenziale sei die Transformation hin zur Klimaneutralität weiterhin eine große volkswirtschaftliche Herausforderung, die angegangen werden müsse.

Zu hohe Kosten bedrohen Wettbewerbsfähigkeit

Allein die Investitionen und der Betrieb entlang des aktuell geplanten Pfades zu einem klimaneutralen Energiesystem würden zwischen 4,8 bis 5,4 Billionen € bis 2050 kosten. Davon entfallen 2,0 bis 2,3 Billionen Euro auf Energieimporte, 1,2 Billionen Euro auf Netzkosten (Investitionen und Betriebskosten), 1,1 bis 1,5 Billionen Euro auf Investitionen in die Energieerzeugung und rund 500 Milliarden Euro auf den Betrieb von Erzeugungsanlagen. Nicht inbegriffen seien die privaten Investitionen von Wirtschaft und Haushalten in die Wärme- und Verkehrstransformation. Der aktuelle Weg sei nicht nur unnötig teuer, sondern auch strukturell ineffizient. Ursachen sehen die Forschenden in schwer erreichbaren kleinteiligen Zielsetzungen, einem technologischen Mikromanagement mit einseitigem Fokus auf einzelne Technologien und Energieträger sowie einer Vielzahl regulatorischer Eingriffe, die Marktmechanismen und Innovationen behindern.
Die DIHK stellt fest, dass die bisherige Energiewende-Strategie zu einer weiter zunehmenden Kostenbelastung für Unternehmen und Haushalte führen wird. Das gefährde die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland nachhaltig. Vor diesem Hintergrund bestehe die Notwendigkeit für einen grundlegenden Kurswechsel. Wir brauchen „neue Wege für die Energiewende – einen Plan B“.

Marktwirtschaftliche Instrumente statt starrer Vorgaben

Das Schaubild zeigt die verschiedenen Elemente des Plan B-Konzepts für einen neuen Weg in der Energiewende.
Das Konzept eines „Plan B“ setzt auf eine fundamentale Entschlackung der Regulierung und die Etablierung eines echten Technologiewettbewerbs als zentralem Treiber für Innovation und Wachstum. Anstelle starrer und terminierter Zielvorgaben soll Klimaschutz über ein einheitliches Cap-and-Trade-System für alle Treibhausgasemissionen gesteuert werden, das alle Sektoren umfasst. Maßstab soll das in einer Volkswirtschaft bis zum Erreichen der Klimaneutralität verbleibende Restbudget an CO2-Emissionen sein. Ergänzend sollen Investitionen in zertifizierte Klimaschutzprojekte im Ausland auch in Deutschland anrechenbar sein.
Ergänzt wird dieser Ansatz durch eine verstärkte internationale Koordinierung der Klimaschutzbemühungen, um strukturelle Nachteile durch nationale Alleingänge zu vermeiden und Anreize für global koordiniertes Vorgehen zu stärken. Denkbar wäre beispielsweise, dass die Klimaziele Deutschlands (und Europas) zwar die Vorreiterrolle Europas widerspiegeln, sich aber fortlaufend an den Klimaschutzfortschritten in den G20-Staaten orientieren und ggf. angepasst werden („G20+“). So könnten spieltheoretisch internationale Klimaschutzbemühungen angespornt werden, ohne dass Europa an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt.
Zudem sieht das Konzept vor, die Regulierung umfassend zu entschlacken, den Technologiewettbewerb zu verstärken sowie die vorhandene Energieinfrastruktur weiter zu nutzen. Letzteres gilt insbesondere für Gasnetze, die künftig Wasserstoff und klimaneutrales Erdgas – dekarbonisiert durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 ("Carbon Capture and Storage", CCS) – transportieren können.

20 Prozent Kosteneinsparung

Die Grafik zeigt die Modellierung der Kosten der Energiewende und die möglichen Einsparungen.
Eine exemplarische Modellierung mit ähnlichen Rahmenbedingungen wie im „Energiewende Status Quo“-Szenario, ermittelt für die Umsetzung des „Plan B“-Konzepts bereits erhebliche Kosteneinsparungen im Energiesystem von bis zu 910 Mrd. € bis 2050. Basis dafür ist ein effizienterer Technologiemix und die Nutzung aller verfügbaren Vermeidungstechnologien und emissionsarmen Energiequellen wie Biomasse oder CCUS. Dabei noch nicht berücksichtigt sind neue Technologien, sofern diese langfristig kosteneffizient zur Verfügung stehen (Wasserstoff über Pyrolyse, Tiefengeothermie, monodirektionale Wärmebatterien oder kleine modulare Kernreaktoren).
Zusätzliche Einsparpotenziale ergäben sich durch eine stärkere globale Verzahnung der Klimaschutzbemühungen. Bei einer Erhöhung des deutschen Gesamtemissionsbudgets um ein Volumen steigen, das einer Verschiebung des Netto-Null-Zieles um zwei Jahre entspräche, würden die Kosten um weitere 80 bis 220 Milliarden Euro sinken: Einerseits durch die Anrechnung kostengünstigerer Klimaschutzmaßnahmen im Ausland bei gleichbleibenden Klimazielen, andererseits durch eine flexible Anpassung des Transformationstempos an die Entwicklung inter-nationaler Vergleichsgruppen.
Die Forschenden betonen, dass weitere Reduktionen der Gesamtkosten noch nicht berücksichtigt seien, wie z. B. die effizientere Nutzung kostengünstigerer Vermeidungsoptionen in den Endverbrauchssektoren Industrie, Gebäude und Verkehr oder die sinkenden Bürokratieaufwände. Das Konzept biete somit nicht nur eine ökonomisch tragfähigere, sondern auch eine einfacher umsetzbare Alternative zur aktuellen Energiewendepolitik.

Höhere Resilienz

Das „Plan-B“-Konzept ist nach Einschätzung der Forschenden robuster gegenüber zukünftig unsicheren Entwicklungen (technologischer Wandel, Kostenentwicklung, Wirtschaftswachstum, Energienachfrage). Die Vorteile eines technologieoffenen, auf wettbewerblichen Prinzipien basierenden und global verzahnten Systems führen unabhängig von den angenommenen genauen Entwicklungspfaden zu konsequent geringeren Gesamtkosten als die Fortführung des aktuellen energie- und klimapolitischen Status Quo.

DIHK: Kurzfristig Maßnahmen anpacken

Die Studie enthält vor allem Anregungen für eine langfristige Neuausrichtung der Energiewende. "Gleichzeitig müssen wir die Vorschläge der Studie auch ganz praktisch kurzfristig nutzen", meint Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer. "Aus DIHK-Sicht gehört dazu eine übergreifende Netzplanung, ein Auslaufen der Erneuerbaren-Förderung für bereits wirtschaftliche Anlagen und ein effizienterer Energiemix, der auch den Einsatz von Biomethan, blauem Wasserstoff oder mit CCS dekarbonisiertem Erdgas technologieoffen berücksichtigt." Zudem sei es besser, den Bau neuer Gaskraftwerke nicht über eine staatliche Förderung, sondern über marktwirtschaftliche Anreize zu steuern – wie einer Absicherungspflicht für Stromversorger. Auf EU-Ebene sei durch den Green Deal ein Wildwuchs an Bürokratie entstanden, der dringend zurückgedrängt werden müsse. Auf nationaler Ebene sollten nach Auffassung der DIHK das Gebäudeenergiegesetz vereinfacht und die Effizienzgesetzgebung verschlankt werden.

Weitere Studienergebnisse angekündigt

Die DIHK kündigt für den Herbst und den Anfang des nächsten Jahres die Ergebnisse von weiteren Untersuchungen an, in denen die konkreten Auswirkungen auf die Wirtschaft modelliert und weitergehende Schritte für die künftige Organisation der Energiewende empfohlen werden.
(DIHK, Frontier Economics)