Gibt es nur ein Entweder-oder?

Wirtschafts- und klimafreundliche Mobilität im Großraum Braunschweig am Beispiel der Braunschweiger Innenstadt
Wie kann Mobilität im Großraum Braunschweig so gestaltet werden, dass sie wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Ansprüchen gleichermaßen gerecht wird?
Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt eines Symposiums von IHK, AGV, ­DEHOGA und HWK Ende Oktober, bei der Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft eines betonten: Nur wenn Klimaschutz, Erreichbarkeit und wirtschaftliche Stärke gemeinsam gedacht werden, kann Braunschweig zukunftsfähig bleiben.
IHK-Präsident Tobias Hoffmann machte während seiner Eröffnung deutlich, dass Mobilität vor allem mit Beteiligung gestaltet werden muss: „Die Entscheidungsfreiheit, welches Verkehrsmittel man nimmt, um in die Innenstadt zu kommen, sollte jedem selbst überlassen bleiben – bei gleichzeitiger Förderung klimafreundlicher Mobilität. Außerdem sollten im Vorfeld von Planungen auch die Menschen einbezogen werden, die es betrifft. Dies gilt für Anwohnende ebenso wie für Gewerbetreibende.“ Dass es dabei kein Gegeneinander der Verkehrsträger geben dürfe, unterstrich der 1. Stellvertreter des Präsidenten der IHK Dr. Ralf Utermöhlen: „Die klimafreundliche regionale Mobilität von morgen entsteht nicht im Entweder-oder, sondern im Sowohl-als-auch.“ Eine intelligente Verbindung von Individualverkehr, ÖPNV, Mikromobilität und erneuerbaren Energien sei daher unverzichtbar.
Aufseiten der Verwaltung legte Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum den Ansatz der Stadt dar: „Die Mobilität der Zukunft muss integrativ sein und alle Verkehrsarten berücksichtigen, vom Fußgänger bis zum Autofahrer, dabei gewährleisten wir weiterhin die Erreichbarkeit der Innenstadt für alle.“ Als Oberzentrum der Region wolle man den Wirtschaftsstandort Braunschweig voranbringen, die Weiterentwicklung von Handel und Industrie fördern sowie die Umweltqualität optimieren. „Unsere Innenstadtstrategie findet bundesweit positive Beachtung“, so Kornblum.
Im Anschluss wollte man den 140 gespannten Besucherinnen und Besuchern im FUNKE Medienhaus mehrere Impulsgeber aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden nicht vorenthalten, die anhand zweiminütiger Pitches ihren Standpunkt zum mittlerweile heißesten Eisen im verkehrspolitischen Diskurs darlegten und Fragen aus dem Publikum beantworteten.

„Eine wirtschafts- und klimafreundliche Mobilität braucht gemeinsame Lösungen“

„Die Transformation unserer Mobilität ist angesichts des Klimawandels unausweichlich“, machte Timo Hickisch, Gründer der leanact GmbH, deutlich. Braunschweig könne durch digitale Lösungen, sichere Radwege und effiziente Verkehrsführung lebenswerter und zugleich wirtschaftlich stärker werden – vorausgesetzt, Verkehrsmittel werden nicht gegeneinander ausgespielt, sondern sinnvoll verknüpft. Auch Frank Tristram vom Verkehrsclub Deutschland forderte ein abgestimmtes Vorgehen: „Eine wirtschafts- und klimafreundliche Mobilität braucht gemeinsame Lösungen.“ Mit dem Mobilitätsentwicklungsplan 2035+ liege ein klarer Rahmen vor, der konsequent umgesetzt werden müsse, um sowohl Klimaschutz als auch Wirtschaftskraft zu stärken. Dr. Jens Schütte vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club ging in seinen Ausführungen explizit auf ein bestimmtes Transportmittel ein: „Lebendige, attraktive Städte mit Zukunft haben Radverkehrsnetze mit durchgehenden Routen.“ Nur so entstünden sichere, lebenswerte Stadträume, die Mensch und Wirtschaft gleichermaßen zugutekämen.
Wie stark Mobilität und Gewerbe miteinander verknüpft sind, verdeutlichte ­Mirko Rüsing, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitsausschusses Innenstadt Braunschweig e. V.: „Die Erreichbarkeit der Innenstadt entscheidet darüber, ob sie lebendig bleibt oder an Anziehungskraft verliert.“ Nur wer problemlos in die Stadt gelangen könne – zu Fuß, mit dem Rad, per Bus, Bahn oder Auto – halte Braunschweig als Oberzentrum stark und attraktiv. Auch Vielharmonie-Inhaber Jean-Luc Hänel machte aus gastronomischer Sicht klar, dass individuelle Erreichbarkeit für viele Branchen existenziell bleibt: „Für uns als Gastronomie ist die Perspektive der individuellen Zugänglichkeit der Braunschweiger Innenstadt überlebenswichtig.“ Gäste kämen nicht nur aus der Stadt, sondern aus dem gesamten Umland – die Innenstadt müsse für alle gut erreichbar bleiben.
Die fast 90-minütige Diskussion zeigte unmissverständlich: es geht kontrovers, aber fair zu. Symposium-Moderator und Ex-BZ-Chefredakteur Armin Maus fand zwischen lauten Bemerkungen und Applaus passende Worte: „Das Thema erregt die Gemüter. Wir sollten dennoch darauf achten, dass wir gemeinsam konstruktiv und lösungsorientiert an diesem Thema mitarbeiten. Denn nur so kommt die ­Löwenstadt voran.“
jk
8/2025