AMINO GmbH in Frellstedt: Bausteine des Lebens

Schon nach den ersten Schritten auf dem Firmengelände stößt die neunköpfige Delegation der IHK Braunschweig auf zwei Werkgebäude, die den Unternehmensleitspruch auch optisch visualisieren, denn die Fassaden schmücken Bausteine in Firmenfarben. Erfrischend, lebhaft und einladend. So stellt sich auch Geschäftsführer Dr. Lutz Thomas vor, der die Truppe zusammen mit Sohn Kai-Philipp, den er sogleich als seinen Nachfolger präsentiert, empfängt. Da Dr. Thomas in diesem Jahr 60 geworden sei, wolle er seinen Sohn, der aktuell als Vertriebsleiter beschäftigt ist, frühzeitig an die Geschäftsführung heranführen. „75 Prozent der Firmenanteile sind schon in Familienbesitz übergegangen“, bekräftigt Dr. Thomas sein Vorhaben. Alexander Gündermann, Jurist und Abteilungsleiter Wirtschaft bei der IHK Braunschweig, organisiert regelmäßig Veranstaltungen zur Unternehmensnachfolge und lobt das vorausschauende Vorgehen des Geschäftsführers.

AEG – aus Erfahrung gut

Der klimatisierte Besprechungsraum, in dem die anschließende Firmenvorstellung stattfindet, ist eine willkommene Abwechslung zu den schwülen Sommertemperaturen. In angenehmer Atmosphäre mit Blick auf den kleinen Firmenpark, den Dr. Thomas so schätzt, nimmt sich der Geschäftsführer viel Zeit, die Geschichte seines Unternehmens vorzustellen. Das Geschäft mit Aminosäuren, das 1958 an dem Standort in Frellstedt ursprünglich als Nebenprodukt der Zuckerindustrie begann, war zu der Zeit defizitär. „Die Zuckerquote war reguliert und so konnte auch das Nebenprodukt nicht wachsen“, erklärt der promovierte Lebensmitteltechnologe. Zunächst war Nestlé der Hauptgesellschafter, später die Nordzucker KG und die Boettger-Gruppe. „Mir war schnell klar, dass das Geschäft mit Aminosäuren von der Zuckerproduktion entkoppelt werden musste, um rentabel zu werden.“ Dr. Thomas ging dann 2006 den mutigen Schritt des Management-Buy-outs, restrukturierte die AMINO GmbH und stellte die Weichen für den globalen Vertrieb. Damals stellte das Unternehmen vier Aminosäuren her und beschäftigte 34 Mitarbeiter. „Seither sind wir profitabel gewachsen und haben jeden Cent in die Entwicklung des Standortes gesteckt. Heute beschäftigen wir 150 Mitarbeiter, stellen fast jede der 20 proteinogenen Aminosäuren her, beliefern über 40 Länder und haben Niederlassungen in Südafrika, Korea und Indien gegründet“, so Dr. Thomas. Die Produktion habe sich in den letzten Jahren vervielfacht, der Umsatz fast verzehnfacht. Besonders stolz erzählt er von den Neubauten. Beispielsweise ließ er das Forschungszentrum von seinen Mitarbeitern entwerfen. Er selbst habe nur die finanziellen Mittel geliefert und sei von dem Ergebnis nicht enttäuscht worden. Daneben zieren eine gelungene Komposition aus alten Backsteingebäuden und modernen Produktionsstätten im Corporate Design das weitläufige Unternehmensgelände. Dr. Thomas deutet auf das gegenüberliegende Gebäude, das zu Zeiten der Zuckerproduktion als Villa des Betriebsleiters fungierte und nun sein Büro beherbergt. Aus Gründen des Denkmalschutzes sei er gezwungen, die Villa zu erhalten. Aber in diesem Fall begrüße er, dass „man schon von außen sieht, dass wir das schon lange machen und wissen, was wir tun.“ Dazu passe auch sein Lieblingswerbespruch aus der Vergangenheit „AEG – aus Erfahrung gut“, den uns Dr. Thomas sogleich verrät, während Sohn Kai-Philipp den Eindruck macht, dass er ihn nicht zum ersten Mal gehört hat.
Wir sind profitabel gewachsen und beliefern über 40 Länder.

Dr. Lutz Thomas

Lage im Grünen

Auf dem anschließenden Betriebsrundgang verfestigt sich der positive Eindruck der Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter zeigen mit viel Begeisterung ihren Arbeitsplatz und pflegen mit der Geschäftsführung einen lockeren und harmonischen Umgang. Dr. Thomas weist an vielen Stellen darauf hin, was er noch alles für seine Mitarbeiter verbessern möchte. Dazu zähle zum Beispiel eine Sitzecke im Grünen, da die Kolleginnen aus der Qualitätssicherung und -kontrolle gerne unter freiem Himmel Mittagspause machen würden. Aufgrund des doch recht abgelegenen Firmenstandortes wolle er seinen Mitarbeitern einen hohen Standard bieten. „Als ich 2001 anfing, wusste ich damals auch nicht, wo Frellstedt liegt“, sagt der Geschäftsführer lachend und fügt schmunzelnd hinzu: „Aus Braunschweig weiß niemand, wie man nach Frellstedt kommt, aber unsere amerikanischen Kunden finden uns trotzdem.“ Weder dem Geschäft noch der Personalrekrutierung habe die Lage im Grünen also geschadet. Dr. Thomas bestätigt, dass sich regelmäßig viele junge Arbeitskräfte für die AMINO GmbH entscheiden.

Die Infusion ist unser Qualitätsziel

Auch das erwähnte Forschungszentrum mit der Aufschrift „AMINOVATION“ ist Teil der Führung von Dr. Lutz und Kai-Philipp Thomas, die sich neben ihrem Tages­geschäft ebenso auf neuwertige Erzeugnisse fokussieren, um die Produktpalette zu erweitern und den Vertrieb auszubauen. Daraus sind zwei innovative Geschäftsbereiche entstanden: Die AMixCo Premix GmbH, die sich mit der Herstellung von individuellen Premixen von Nähr- und Wirkstoffen befasst, und eben AMINOVATION, wo Lösungsansätze für kundenspezifische Problemstellungen erforscht werden. Natürlich streng geheim. „Aminosäuren sind generische Wirkstoffe, wir haben daher kein Alleinstellungsmerkmal. Die Anforderungen kommen von den Kunden. Wir können uns nur von unseren Konkurrenten absetzen, wenn wir in Bewegung bleiben“, erklärt Dr. Thomas, der von sich selbst sagt, dass er im Herzen Vertriebler geblieben ist. Dabei betont er, dass sich die Geschäftsbereiche von AMINO nur auf das Business-to-Business-Geschäft mit Arzneimittelherstellern und Unternehmen der diätetischen Ernährung beschränken. Denn hin und wieder erhalte er Anfragen in Verbindung mit Nahrungsergänzungsmitteln. „Eine Sportmannschaft wollte von AMINO gesponsert werden. Ich musste klarstellen, dass wir kein Sponsoring für Menschen machen, von denen wir hoffen, dass sie unsere Produkte nie brauchen werden. Menschliche Gesundheit ist unser Ding, die Infusion unser Qualitätsziel.“ Das fertige Produkt kann die Besuchergruppe dann – eingehüllt in Einwegkleidung – in einem der neu gebauten Produktionsgebäude bestaunen. Nach einem sehr aufwändigen Verfahren kommen die zu 99,9 Prozent reinen Aminosäuren als weißes Pulver zum Vorschein und werden so in die Welt verschickt. Jedoch zieht der Herstellungsprozess auch einen immensen Energieverbrauch von fast 40 Millionen Kilowattstunden mit sich, was vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges bei der Geschäftsführung verständlicherweise zu Sorgen vor den Wintermonaten führt. „Wir haben den letzten Produktionsstandort gerade fertiggestellt als der Krieg begann. Unsere Energieausgaben haben sich seitdem verdreifacht“, berichtet Dr. Thomas beunruhigt. Ein Lichtblick sei jedoch, dass man Aminosäuren immer für den Erhalt der menschlichen Gesundheit brauchen werde, sie seien nicht substituierbar. Und so verfliegt der negative Gedanke an den nahenden Herbst schnell. Was bleibt, ist ein besonderer Einblick in ein außerordentlich interessantes Mitgliedsunternehmen.
ar