Notfallplan Gas: Der rechtliche Rahmen
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 23. Juni mit der „Alarmstufe“ die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Was bedeutet das?
Seit der Ausrufung der Frühwarnstufe des Notfallplans Gas veröffentlicht die Bundesnetzagentur (BNetzA) einen täglichen
Lagebericht zur Gasversorgung.
Notfallplan Gas
Für den Fall einer drohenden oder eintretenden Gasversorgungskrise in Deutschland gibt es den
Notfallplan Gas. Grundlage ist die europäische SoS-VO. Konkretisiert wird der Notfallplan Gas durch den
Leitfaden Krisenvorsorge Gas, der insbesondere die prozessualen Abläufe und die damit verbunden Informationspflichten und Kommunikationswege für eine koordinierte Umsetzung der Maßnahmen beschreibt und darüber hinaus auch für die Szenarien eines lokalen Versorgungsengpasses sowie einer Überspeisung des Marktgebiets gültig ist.
Wer ist betroffen?
Kürzungen oder gar Abschaltungen von Letztverbrauchern erfolgen in der grundsätzlichen Reihenfolge:
- nicht geschützte Kunden (Letztverbraucher mit registrierender Leistungsmessung RLM, i.d.R. Jahresverbrauch > 1,5 MWh Gas und max. stündliche Leistung > 500 kWh)
- systemrelevante Gaskraftwerke
- geschützte Kunden
Bei den Maßnahmen des Notfallplans Gas unterliegen geschützte Kunden einem besonderen gesetzlichen Schutz. Dazu gehören:
- Letztverbraucher mit Standardlastprofilen sowie Letztverbraucher, die Haushaltkunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern
- Grundlegende soziale Dienste (bspw. Gesundheitsversorgung, Sicherheit, Bildung oder öffentliche Verwaltung)
- Fernwärmeanlagen zur Versorgung der o.g. Kunden, soweit sie keinen Brennstoffwechsel vornehmen können
Zunächst sind also nicht geschützte Kunden zu kürzen. Innerhalb der Gruppe nicht geschützter Kunden gibt es keine gesonderte Differenzierung. Die Festlegung von Kürzungen oder gar Abschaltung liegt im konkreten Fall in der Verantwortung der Netzbetreiber (ggf. in Abstimmung mit der BNetzA). Hauptkriterium ist dabei die Sicherstellung der vorrangigen Versorgung besonders geschützter Kunden, unter Berücksichtigung der dafür notwendigen Parameter. Es gibt demnach keinerlei Grundlage, innerhalb der Gruppe nicht geschützter Kunden Einfluss auf die Eingruppierung in einer möglichen Abschaltreihenfolge zu nehmen oder sich gar zum „systemrelevanten“ Kunden zu erklären.
Die BNetzA hat zudem ein
Papier zum “lebenswichtigen Bedarf bei geschützten und nicht geschützten Kunden in einer internationalen Gasmangellage veröffentlicht.
Die BNetzA weist darauf hin, dass sie keine abstrakte Abschalt-Reihenfolge vorbereitet. Entsprechende Entscheidungen seien immer Einzelfallentscheidungen. Entscheidungen müssen mit Blick auf Belange und Bedeutung der betroffenen Akteure, aber eben auch mit Blick auf die netztechnische Situation und die bestehenden Gasflüsse in einer Gesamtabwägung getroffen werden. Darauf weist die BNetzA in einem
Papier zur eigenen Rolle in der Gasmangellage hin. Die BNetzA hat in einem Papier aber
Kriterien zur
Lastverteilung Gas bekannt gegeben. Eine Prognos-Studie im Auftrag der BNetzA (2023) beleuchtet den Gasverbrauch von Produktionsbereichen sowie die Wertschöpfungketten.
Stufenmodell
Sollten wegen eines kalten Winters die Verbräuche übermäßig steigen oder erwartete Gasimporte ausbleiben, könnte es zur Ausrufung der letzten Stufe, der sogenannten Notfall-Stufe, kommen. Während bei der ersten und zweiten Stufe ausschließlich marktbasierte Maßnahmen, bzw. eigenverantwortliche Maßnahmen der zuständigen Marktakteure, ergriffen werden können, dürfen ab Ausrufen der 3. Stufe gemäß Energiesicherungsgesetz und Gasversorgungssicherungsverordnung hoheitliche Instrumente ergriffen werden. Somit übernimmt die Bundesnetzagentur in der Notfallstufe die Rolle des Bundeslastverteilers und kann per Verfügungen sehr weitreichend in den Markt eingreifen. Verbraucherseitig umfasst das u. a. Vorgaben über Zuteilung, Bezug und Verwendung von Gas sowie den Ausschluss vom Gasbezug, bspw. Anordnungen zu Reduktion des Gasverbrauchs, zur Abschaltung von Industriekunden, zur Substitution von Erdgas durch andere Energieträger usw. Das Ausrufen der dritten Stufe hätte Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und Industrieanlagen.
Maßnahmen im Rahmen der Alarmstufe
Gasreduktion im Stromsektor
Gas trug 2021 zu ca. 15 Prozent zur öffentlichen Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer sein. Durch die Maßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs kann das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 GW ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substantiell reduziert wird.
Die Ausrufung der Alarmstufe ist auch Voraussetzung für das Wiederanfahren der Kohlekraftwerke. Dazu ist das
Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz verabschiedet worden.
Szenarienberechnungen zur Gasversorgungslage
Die Bundesnetzagentur hat
Szenarien berechnet und damit die Gasmengenentwicklung bis Juni 2023 bestimmt. Diese Szenarien zeigen, dass eine Störung der Gasversorgung vorliegt. Entscheidend ist, den inländischen Gasverbrauch deutlich zu reduzieren, damit die eigene Versorgungssicherheit ebenso wie die Versorgungssicherheit unserer Nachbarländer gewährleistet ist.
Energiewechsel-Kampagne
Mit der Marketing-Kampagne „
80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel“ wirbt die Bundesregierung für die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen in Privathaushalten, Gewerbe- und Industriebetrieben.
Stärkung der Einspeicherung
Um die Speicherung von Gas zu gewährleisten, wird die Bundesregierung in Kürze zusätzliche KfW-Kreditlinien zur Verfügung stellen. Zunächst wird der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) damit über die nötige Liquidität verfügen, um Gas zu kaufen und die Befüllung der Speicher voranzutreiben. Der Kredit ist durch eine Bürgschaft des Bundes abgesichert.
(Quelle DIHK, BMWK, BNetzA)