Fachkräftemangel im Fokus der IHK-Vollversammlung

In ihrer ersten Sitzung des Jahres am 24. April hat die Vollversammlung der IHK Braunschweig einen Blick auf den regionalen Arbeitsmarkt und die Chancen der Fachkräfteeinwanderung geworfen. Dazu konnten die Vollversammlungsmitglieder um IHK-Präsident Tobias Hoffmann die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Braunschweig-Goslar Kerstin Kuechler-Kakoschke als Referentin begrüßen.
„Es ist überhaupt kein Problem mehr, Arbeit zu finden“, fasste sie die Situation am regionalen Arbeitsmarkt zusammen. Dies zeige sich beispielsweise daran, dass die Anzahl an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten grundsätzlich steige. Zwar gab es in der Region – vor allem durch die geflüchteten Menschen aus der Ukraine – wieder einen leichten Zuwachs an Arbeitssuchenden, jedoch sei der Fachkräftebedarf weiterhin sehr hoch. Wollen Unternehmen ihre Mitarbeitenden entsprechend weiterbilden, könne die Agentur für Arbeit dafür Fördermittel bereitstellen.
Junge Menschen können sich aussuchen, was sie machen wollen

Kerstin Kuechler-Kakoschke

Auch auf dem Ausbildungsmarkt zeigt sich ein ähnliches Bild. Dieser hat sich in den vergangenen Jahren komplett zu einem Bewerbermarkt entwickelt – es gibt mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber. Die Gründe dafür sieht Kuechler-Kakoschke vor allem im demografischen Wandel sowie im anhaltenden Trend zum Studium: „Die jungen Menschen können sich aussuchen, wohin sie wollen und was sie machen wollen.“

Zuwanderung in den Arbeitsmarkt

Zusätzlich ging die Leiterin der Braunschweiger Arbeitsagentur auf die Zuwanderung von Fachkräften ein. Dabei, so führte sie aus, gehe es um Menschen aus der ganzen Welt und nicht nur aus Europa. Die avisierten Anpassungen am Fachkräfteeinwanderungsgesetz gingen in die richtige Richtung, zudem müssen jedoch auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen passen. „Wir müssen uns die Fragen stellen: Wo sollen die Menschen wohnen und wie wollen wir miteinander umgehen?“, so Kuechler-­Kakoschke.
Abschließend gab sie noch einen kurzen Einblick in die häufig gestellten Fragen zum Thema Fachkräfteeinwanderung. Dabei betonte sie unter anderem, dass arbeitgebende Unternehmen den Prozess zur Vergabe eines Visums unterstützen können, indem sie ein beschleunigtes Verfahren beantragen. Dadurch würden kürzere Bearbeitungsfristen gelten. In diesem Zusammenhang wies Kuechler-Kakoschke in der anschließenden Diskussion darauf hin, dass sie nur so viele ausländische Fachkräfte akquirieren könnten, wie von der Wirtschaft nachgefragt werden würden – denn dies sei mit Kosten verbunden, um die Menschen unter anderem in der Sprachkompetenz vorqualifizieren zu können. Grundsätzlich habe sich bewährt, in bestimmten Ländern gezielt nach bestimmten Berufsgruppen zu suchen und vor Ort für eine Tätigkeit in Deutschland zu werben. Beispielhaft nannte sie Mexiko für Elektro­installateure sowie Jordanien, Kolumbien und die Philippinen für Pflegefachkräfte.
Darüber hinaus thematisierten die Vollversammlungsmitglieder die Möglichkeiten der Agentur für Arbeit, Personen zu sanktionieren, die keine Tätigkeit aufnehmen wollen. Kuechler-­Kakoschke räumte ein, dass es Wege geben würde, sich der Arbeit zu verweigern, jedoch betonte sie, dass die Menschen in der Betreuung der Agentur oftmals mit gesundheitlichen oder privaten Problemen zu kämpfen hätten: „Diese Themen müssen wir zunächst einmal gemeinsam bearbeiten, ansonsten würden wir bei der Arbeitsmarktintegration nicht weiterkommen.“

Präsidium greift regionale Themen auf

In seinem Bericht griff auch IHK-Präsident Hoffmann das Thema Fachkräftemangel auf, als er auf die Ergebnisse der letzten Konjunkturumfrage einging: So seien die Unternehmen zwar weniger pessimistisch, aber immer noch zurückhaltend beim Blick auf ihre Geschäftsaussichten. Denn neben Kostensteigerungen und Unsicherheiten bei der Energieversorgung fehlt an vielen Stellen passendes Personal.
Zusätzlich gab Hoffmann einen Überblick über weitere zentrale Themen aus der Region und der IHK-Organisation. Dabei rückte er auch das Urteil zum regionalen Raumordnungsprogramm in den Fokus: „Wir sind uns alle einig, dass der Windkraftausbau nicht verzögert werden darf. Daher hat das Präsidium den Regionalverband Großraum Braunschweig darum gebeten, die weiteren Schritte zu konkretisieren.“ In Gesprächen mit verschiedenen Akteuren der Kommunal- und Landespolitik – unter anderem Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies – seien auch der Fachkräftemangel und der schleppende Infrastrukturausbau zur Sprache gekommen.
Mit der anstehenden Vollversammlungswahl sprach Hoffmann ein weiteres zentrales Thema an. Noch bis zum 2. Juni können sich interessierte Unternehmerinnen und Unternehmer für das oberste Gremium der IHK Braunschweig bewerben. „Ich freue mich wirklich sehr über jede Kandidatur und den Wunsch, die regionale Wirtschaft mitzugestalten“, sagte er und ergänzte: „Das Beste an der IHK-Welt und der Pflichtmitgliedschaft ist das aktive und passive Wahlrecht – unabhängig von der Unternehmensgröße.“

Fachkräfteinitiativen der IHK Braunschweig

Den roten Faden zum Thema Fachkräftemangel griff auch IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Florian Löbermann in seinem Bericht aus der Kammerarbeit auf. Er gab einen Überblick zu den Maßnahmen und Angeboten der IHK Braunschweig vom Ausbildungsmarketing über Qualifizierungsmöglichkeiten bis zu Kompetenzfeststellungen. Dabei ging er besonders auf die bundesweit laufende Ausbildungskampagne der IHK-Organisation ein. Unter dem Motto „Jetzt #könnenlernen“ machen die Industrie- und Handelskammern gemeinsam Werbung für die duale Ausbildung. „Im nächsten Schritt können auch die Unternehmen Teil der Kampagne werden“, so Löbermann. Weitere Informationen dazu stellt die IHK Braunschweig auf ihren Internetseiten bereit.

Positionierungen zu Europapolitik und Energieversorgung

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Coronapandemie, den aktuellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der zu bewältigenden Transformation der deutschen Wirtschaft durch Digitalisierung und Anforderungen zur Klimaneutralität hat die IHK-Organisation ihre europapolitischen Positionen angepasst. Diese wurden von der Vollversammlung ebenso verabschiedet wie die gemeinsamen Forderungen der Wirtschaft zur Energiewende, die unter dem Dach der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in zehn Punkten zusammengefasst wurden:
  1. Den Turbo bei erneuerbaren Energien zünden
  2. Heimische Potenziale in den Blick nehmen
  3. Neben Gas andere Brückentechnologien nutzen
  4. Wettbewerbsfähige Energiekosten ermöglichen
  5. Infrastruktur schneller ausbauen
  6. Auf den Energiemärkten stärker auf Markt und Europa setzen
  7. Wasserstoff schnell verfügbar machen
  8. Energieeffizienz durch Freiwilligkeit und Technologieoffenheit steigern
  9. Standortqualität erhöhen sowie Rohstoffversorgung und Lieferketten diversifizieren
  10. Innovationen erleichtern

Carl Friedrich Gauß steht 2027 im Mittelpunkt

Vier Jahre in die Zukunft – ins Jahr 2027 – blickte Dr. Ralf ­Utermöhlen, erster Stellvertreter des Präsidenten. In dem Jahr steht der 250. Geburtstag des gebürtigen Braunschweigers und weltweit bekannten Mathematikers Carl Friedrich Gauß an. Auf Einladung der IHK sind dazu Vertreter der regionalen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft gestartet, eine Reihe von Veranstaltungen und Initiativen für ein „Gauß-Jahr“ auszuarbeiten.
Die IHK sieht hier die Chance, die forschungsintensive Region Braunschweig national und international bekannter zu machen. „Das Gauß-Jahr hat auch für die Wirtschaft eine hohe Relevanz. Wir wuchern viel zu wenig mit dem Pfund unserer Standortattraktivität – das können wir hiermit ändern“, so Utermöhlen. Besondere Potenziale für den Wirtschaftsraum können dabei im Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, in der Ansiedlung neuer, wissenschaftsnaher Unternehmen und im Anwerben junger Fachkräfte für den technischen und naturwissenschaftlichen Bereich liegen.

Wirtschaftsjunioren richten Hanseraumkonferenz aus

Zum Abschluss der Sitzung gab Christopher Spitzer, Sprecher der Wirtschaftsjunioren Braunschweig, einen Überblick zu ihrem Jahresprogramm. Neben zahlreichen Betriebsbesichtigungen und Veranstaltungen steht dabei die Hanseraumkonferenz im Mittelpunkt. Aus ganz Norddeutschland kommen Wirtschaftsjuniorinnen und -junioren zusammen, lernen die Stadt Braunschweig und die Region kennen, besuchen Trainings und Unternehmen und haben Gelegenheit zum Netzwerken.
tj