Auswirkungen auf Unternehmen ohne Russlandgeschäft

Die gegen Russland verhängten Sanktionspakete elf und zwölf enthalten wegen des anhaltenden völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Ukraine Regelungen, die auch Unternehmen betreffen, die kein Russland-Geschäft (mehr) betreiben. Gemeint sind die „Hinweispflicht für Jedermann“ und die „No-Russia-Klausel“.

Hinweispflicht für Jedermann bei Kenntnis von Sanktionsverstößen

Die sogenannte „Jedermannspflicht“ wurde mit dem 11. EU-Sanktionspaket unter Art. 6b der EU-Verordnung Nr. 833/2014 aufgenommen. Von dieser Hinweispflicht sind alle natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen betroffen. Unabhängig davon, ob die Informationen beruflich oder privat erlangt wurden, müssen diese zwingend gemeldet werden. Eine Ausnahme gilt lediglich für die geschützte vertrauliche Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen und ihrer Mandantschaft.
Die Hinweise zu den Sanktionsverstößen, die Behörden auf Grundlage der eingeführten Hinweispflicht erhalten, ergänzen das Informationsbild zur effektiven Umsetzung der EU-Sanktionen. Wichtig ist dies insbesondere im Hinblick auf die effektive Bekämpfung von warenverkehrsbezogenen Sanktionsumgehungen im Einzelfall.
Handelsdaten deuten darauf hin, dass sanktionierte Güter aus der EU über Transitländer nach Russland exportiert werden. Die Wirksamkeit der Sanktionen hängt davon ab, solchen Sanktionsumgehungen effektiv entgegenzuwirken.

BMWK, Pressemitteilung vom 23. Dezember 2023

Die Pflicht zur Hinweisgebung nach Artikel 6b der VO (EU) 833/2014 bezieht sich konkret auf sämtliche sachdienliche Informationen über Verletzungen und Umgehungen sowie Versuche der Verletzung oder Umgehung der in der Verordnung festgelegten Verbote. Sie tritt direkt nach Erlangung der jeweiligen Kenntnis ein. Hierzu gehören zum Beispiel Kenntnisse über konkrete Beschaffungsversuche oder sanktionswidrige Handelsbeziehungen. Die Hinweispflichtigen haben jedoch keine Verpflichtung, die Richtigkeit der Informationen durch eigene Recherchen zu überprüfen.
Verstöße gegen die oben aufgeführte Hinweispflicht stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 19 Absatz 5 des Außenwirtschaftsgesetzes dar. Dies gilt auch für fahrlässige Verstöße gegen die Hinweispflicht.
Wo müssen die Hinweise gemeldet werden?
Betreffen die Hinweise
•    Gelder,
•    Finanzmittel oder Finanzhilfen,
sind diese der Bundesbank (sz.finanzsanktionen@bundesbank.de) mitzuteilen.
Betreffen diese Hinweise
•    Güter und
•    güterbezogene Dienstleistungen,
sind diese dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA: Melderegister-Sanktionen@bafa.bund.de) zu melden.

No-Russia-Klausel in Verkaufsverträgen

Der in der zum 18. Dezember 2023 geänderten Verordnung (EU) 833/2014 neu erfasste Artikel 12g bedeutet für Ausführer bestimmter Güter, dass sie durch entsprechende Vertragsgestaltung mit dem Empfänger sicherstellen müssen, dass der Käufer die Güter nicht nach Russland weiter­exportiert. Konkret sind Unternehmen somit verpflichtet, in ihren Verträgen eine Klausel aufzunehmen, die die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagt.
Auch hierdurch sollen Sanktionsumgehungen über Drittländer unterbunden werden. Das BMWK schreibt in seiner Pressemitteilung vom 23. Dezember 2023: „Handelsdaten deuten darauf hin, dass sanktionierte Güter aus der EU über Transitländer nach Russland exportiert werden. Die Wirksamkeit der Sanktionen hängt davon ab, solchen Sanktionsumgehungen effektiv entgegenzuwirken.“
Wirksame Klauseln müssen derzeit beim Verkauf folgender Güter und Technologien aufgenommen werden:
  1. Güter und Technologien der Anhänge XI, XX, XXXV der Verordnung 833/2014
  2. Gemeinsame Güter mit hoher Priorität gemäß der Liste in Anhang XL der Verordnung 833/2014
  3. Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der EU-Verordnung 258/201.
Um Ihre Betroffenheit zu überprüfen, sollten Sie die in Artikel 12g der EU-Verordnung erwähnten Güterlisten durchgehen.
Die Anhänge umfassen:
•    Anhang XI: Güter zur Verwendung in der Luft- und Raumfahrtindustrie
•    Anhang XX: Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive
•    Anhang XXXV: Feuerwaffen und andere Waffen
•    Anhang XL: unter anderem Schaltungen, Halbleiterbauelemente, bestimmte elektrische Geräte.
Diese Klauseln sind nicht notwendig, sofern der Verkauf in eines der in Anhang VIII der Verordnung aufgeführten Partnerländer erfolgt. Stand heute sind dies:
  • USA
  • Japan
  • Vereinigtes Königreich/Großbritannien
  • Südkorea
  • Australien
  • Kanada
  • Neuseeland
  • Norwegen
  • Schweiz
Die vertragliche Vereinbarung muss für den Fall eines Verstoßes „angemessene“ Abhilfemaßnahmen enthalten, die noch nicht näher spezifiziert sind. Die EU-Kommission hat angekündigt, dass eine Musterklausel/Vorlage veröffentlicht wird, um Unternehmen die Vertragsanpassung zu erleichtern; sobald diese vorliegt, wird sie auf unserer Homepage www.ihk.de/braunschweig veröffentlicht.

Leitfaden zur Vermeidung von Sanktionsumgehungen

Das BMWK hat mit der Pressemitteilung vom 23. Dezember 2023 zur Vermeidung von Sanktionsumgehungen ein Hinweis- bzw. Informationspapier zur Unterstützung von Unternehmen veröffentlicht.
Der Risikoleitfaden soll Unternehmen dabei helfen, sich rechtskonform zu verhalten. Das ist aktuell besonders schwierig, denn die Handelsgeschäfte mit sanktionierten Staaten – darunter Russland – sind mit Verboten und Beschränkungen oder besonderen Genehmigungspflichten verbunden.
Für Handelsgeschäfte mit Russland müssen die Unternehmen in eigener Verantwortung beurteilen, ob das Geschäft den Sanktionen zuwiderläuft. Das kann die Handelsware betreffen oder die Geschäftspartner und Zwischenhändler. Dafür müssen die Verantwortlichen alle ihnen zur Verfügung stehenden Informationen ausschöpfen.
Der Leitfaden enthält Kontrollfragen und risikobezogene Hinweise. Grundsätzlich sei erwähnt: In allen Russland-­Sanktionsverordnungen steht, dass die Verantwortlichen in den Unternehmen haftbar gemacht werden können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie wussten, oder vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass das eigene Handeln gegen die Sanktionen verstößt. Was das konkret bedeutet und mit welchen Maßnahmen die Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht entsprechen, beantwortet der Risikoleitfaden.
dw
Quellen: BMW, Verordnungen, zoll.de, IHK und DIHK
2/2024