21.09.2023

"Medizin neu denken"

IHK-Gremien: Ärzte-Headhunter an den Landratsämtern als neuer Ansatz

Weißenstadt. Der Reformbedarf ist enorm: in den kommenden zehn Jahren geht die Hälfte aller Ärzte in Rente. Gleichzeitig wird sich die Zahl der Patienten verdreifachen. Was muss passieren, damit sich die Ärzteversorgung in ländlichen Regionen wieder verbessert?

Dieser Frage gingen die IHK-Gremien Hof und Marktredwitz-Selb in einer gemeinsamen Sitzung in den Räumen der PEMA Spezialitäten GmbH (Weißenstadt) nach. Michael Bitzinger, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des Gremiums Hof, eröffnet die Veranstaltung mit einem visionären Blick auf die Möglichkeiten der Patientenversorgung. "Wenn künstliche Intelligenz und Telemedizin zum Einsatz kommen, könnte man nah am Menschen dran sein", so Bitzinger.

Ein Patentrezept für die gegenwärtigen Probleme gibt es nicht, macht die hochrangig besetzte Podiumsdiskussion deutlich. Mit dem Vorschlag für einen Headhunter bei den Landratsämtern, der Ärzte für die Region rekrutiert, und ihrer Forderung nach einer Beschleunigung der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, rannte Dr. Dorothee Strunz, Gesellschafterin von Lamilux (Rehau) bei den beiden Landräten Dr. Oliver Bär (Hof) und Peter Berek (Wunsiedel) offene Türen ein.

Neue Ansätze gesucht

"Wir müssen Medizin neu denken", pflichtet Berek bei. Das Gesamtsystem sei reformbedürftig. "Für den Patienten ist zweitrangig, wo er seine Versorgung erhält." Die verschiedenen Systeme der Gesundheitsversorgung müssten besser ineinandergreifen. Dabei sei die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigungen ein Hindernis für die effiziente Bereitstellung ärztlicher Leistungen.
Dr. Bär berichtet vom Stipendienprogramm des Landkreises Hof für Medizinstudierende. Derzeit gebe es neun Stipendiaten, die sich verpflichtet haben, mindestens vier Jahre nach ihrem Studium im Landkreis Hof tätig zu werden. "Hof war bundesweit Vorreiter, als der Landkreis 2018 dieses Programm aufgelegt hat", so Dr. Bär.

Der Menschenschlag als Standortfaktor

Die Medizin-Stipendiatin des Landkreis Wunsiedel, Verena Jäger, hat nach ihrer pharmazeutisch-technischen Ausbildung ein Medizinstudium aufgenommen. Sie verweist auf die lange Ausbildungsdauer. Heutige Stipendiaten stünden erst gegen 2030 als fertige Fachärzte zur Verfügung. Was für sie die Motivation sei, sich an die Region zu binden, fragte Moderatorin Dr. Cornelia Nicodemus von der IHK. Jäger antwortet entwaffnend ehrlich, dass es der Menschenschlag vor Ort sei, den sie während ihrer Hausarztpraktika in der Region kennengelernt habe. "Man ist hier weit weg von der Anonymität der Großstadt."

Kooperation zwischen Kliniken

Schwierig sei das Thema Personalakquise auch im Krankenhaus, macht Dr. Philipp Koehl deutlich, der Ärztliche Direktor des Klinikums Fichtelgebirge. Es wird dabei eng mit externen Agenturen zusammengearbeitet. Er betont die enge Kooperation der Kliniken in der Region. Kritik übt Koehl an der geplanten Krankenhausreform von Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach: "Die bislang bekannten Anforderungen stellten kleine Häuser vor enorme Herausforderungen." Der Ausbau Medizinischer Versorgungszentren und ambulanter Dienste werde in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung.

Stefan Breit, Allgemeinarzt in Hof und Aufsichtsrat des Ärztenetzwerkes "Unternehmung Gesundheit Hochfranken" (UGHO), informiert über die Dienstleistungen dieses zweitgrößten Ärztenetzwerkes in Bayern. So könnten Unternehmen Vorsorgetage für ihre Mitarbeitenden buchen. Patientinnen und Patienten, die Mitglieder der UGHO sind, bekommen Unterstützung bei der Vereinbarung von Facharztterminen.

"Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das die Unternehmen nicht noch weiter belastet, wie etwa durch die elektronische Krankschreibung", so Dr. Roman Pausch, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des Gremiums Marktredwitz-Selb. Die Versorgung mit Ärzten sei ein zentraler Punkt der Daseinsvorsorge und ein wichtiger Standortfaktor bei der Akquise und Bindung junger Mitarbeiter und ihrer Familien.
"Längst ist die ärztliche Versorgung auch für konkurrierende Wirtschaftsregionen zu einem wichtigen Standortfaktor geworden", bestätigt Tobias Hoffmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK für Oberfranken Bayreuth. Umso wichtiger sei es, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. "Auch bei der medizinischen Versorgung hat der Wettkampf um die besten Köpfe längst begonnen."