Verteidigungswirtschaft wird auch in Oberfranken wiederentdeckt
Chancen und Herausforderungen in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie
Heinersreuth. Der russische Angriff auf die Ukraine hat vieles verändert – auch das Interesse der oberfränkischen Wirtschaft an der Verteidigungsindustrie. Noch vor wenigen Jahren hätte die IHK für Oberfranken Bayreuth eine Veranstaltung zu diesem Thema nicht auf die Agenda gesetzt, heute war sie lange im Voraus ausgebucht.
Die Wirtschaft müsse sich auf Krisen und Notlagen vorbereiten, betont IHK-Präsident Dr. Michael Waasner bei der Veranstaltung "Chancen und Herausforderungen in der Verteidigungsindustrie" im Heinersreuther Hof bei Ködnitz (Landkreis Kulmbach): “Diese Herausforderung wollen und müssen wir angehen.“ Er unterstreicht: “Wir müssen uns um das Thema Verteidigung kümmern. Die neue Bedrohung aus dem Osten haben wir uns nicht herausgesucht. Ein Engagement in diesem Sektor kann tatsächlich ein nachhaltiges Geschäftsmodell sein, da sich Europa langfristig selbst verteidigen können muss. Frieden, Diplomatie und ethische Grundsätze werden extern bedroht, und müssen geschützt werden.“
Zumal das Thema Sicherheit ja so neu auch wieder nicht ist, wie Sven Rochier vom TechHUB Sicherheit und Verteidigung bei Bayern Innovativ ausführt. Die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu stärken, sei mittlerweile eines der erklärten Ziele von Bayern Innovativ. “Wenn es um Transformation und Innovation in diesem Sektor geht, können wir uns vor Anfragen kaum retten.“ Als Ziele des TechHUB Sicherheit und Verteidigung bezeichnet es Rochier unter anderem, "…Zukunftsperspektiven auszuarbeiten, die Vernetzung zwischen StartUps, kleinen und mittleren Unternehmen, Konzernen und auch der Universität der Bundeswehr als wichtigem Partner herzustellen."
Industrie und Verteidigung vernetzen
So einfach sind die Geschäfte mit der Bundeswehr allerdings nicht, wie Götz Witzel, Senior Adviser bei der Military Business Company WIMCOM GmbH, einem Beratungsunternehmen aus der Nähe von Koblenz ausführt. Er und seine Firma unterstützen Unternehmen, die Geschäfte im militärischen Bereich anbahnen möchten. “Wir vernetzen Industrie und Verteidigung“, sagte Götz Witzel und spricht von einer unglaublichen Dynamik, die er derzeit feststelle. Der Grund: Wichtige Beschaffungsvorhaben des Heeres, alles Milliardenprojekte, würden derzeit auf den Weg gebracht und die verteidigungsrelevante Infrastruktur werde ausgebaut.
Nicht an Anforderungen verzweifeln
Allein zwei Bundesämter seien für die Beschaffung zuständig. Dabei handle es sich um komplexe Einkaufsorganisationen mit komplizierten formalen Vergabeverfahren. “Es ist tatsächlich nicht einfach“, macht Witzel deutlich. Beispielsweise betrage der Umfang einer Ausschreibung über die Reinigung von Tisch- und Bettwäsche ganze 78 Seiten. Auf der anderen Seite sei die Bundeswehr aber auch ein langjähriger Partner mit exzellenter Zahlungsmoral.
Witzel rät Unternehmen, bei öffentlichen Ausschreibungen nicht an den Anforderungen zu verzweifeln. Es gebe viele Möglichkeiten, diese zu erfüllen, etwa durch Bietergemeinschaften. Auch beim Thema Geheimschutz müsse niemand Angst haben: “Niemand muss einen Stacheldraht um seine Firma ziehen.“ Nur wenige Lieferanten hätten Zugang zu sensiblen Materialien.
Ein Unternehmen, das bereits im militärischen Bereich aktiv ist, ist die AXSOL GmbH mit Sitz in Würzburg. AXSOL integriert und betreibt Energiesysteme für Industrie, Infrastruktur und Behörden auf technisch höchstem Niveau, so Leon Jacob, Head of Operations and Utility. AXSOL liefere passgenaue Komplettlösungen für Industrie, Infrastruktur, Versorgung und sicherheitskritische Bereiche aus einer Hand. Jacob stellt einige aktuelle Projekte vor, die alle eines gemeinsam haben: sie bedienen den bedarfskritischen Bereich mit höchsten Ansprüchen in jeder Hinsicht.
Die LfA-Förderbank unterstützt künftig auch Investitionen in den Bereichen Waffen und Munition, ausgenommen ABC-Waffen, wie Rüdiger Laß betont. Jakob Daubner und Christine Gottwald von der Wirtschaftsförderung der Regierung von Oberfranken weisen darauf hin, dass der “Defense-Bereich“ nun auch förderfähig ist und dass kleine und mittlere Unternehmen durch Förderprogramme nennenswerte Unterstützung erhalten können.
Auch die IHK für Oberfranken Bayreuth kann zu einzelnen Fragestellungen, wie Finanzierung oder Technologietransfer kompetent beraten. Bei anderen Fragen unterstützt die IHK als Lotse und bringt Unternehmerinnen und Unternehmer mit Netzwerken und wertvollen Kontakten zusammen. Unabhängig davon setzt sie sich als Interessensvertretung für verlässliche Rahmenbedingungen und schlanke, digitale Prozesse in der Beschaffung ein.
Über Chancen und Herausforderungen in der Verteidigungsindustrie sprachen (von links): IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm, Nadine Siegemund von der IHK, Rüdiger Laß von der LfA-Förderbank, Christine Gottwald von der Regierung von Oberfranken, Sven Rochier von Bayern Innovativ, Götz Witzel von WIMCOM, Jakob Daubner von der Wirtschaftsförderung der Regierung und Leon Jacob von der AXSOL GmbH.
