Oberfranken im Spannungsfeld geopolitischer Rivalitäten
EU: Zerfall in Einzelinteressen schwächt die Wettbewerbsfähigkeit
Bayreuth. Exportkontrolle, Sanktionslisten, Zollbeschränkungen: Das alles und noch vieles mehr hat seine Ursachen in geopolitischen Spannungen und wirkt sich auch auf die oberfränkischen Unternehmen aus – das wird auf einer Veranstaltung der IHK für Oberfranken Bayreuth unter dem Motto “Geschäfte in bewegten Zeiten“ mehr als deutlich.
Dazu kommt die Sandwich-Position, in der sich die Europäische Union befinde. Europa ist eng mit den USA verflochten, aber eben auch mit China. “Die Rivalität zwischen China und den USA könnte für uns zum Problem werden“, sagte Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth.
Dr. Waasner hebt hervor, dass die Exportquote der oberfränkischen Wirtschaft inzwischen bei rund 55 Prozent liegt – 1988 waren es noch 23 Prozent. Die größten Herausforderungen sieht er in der unberechenbaren US-Wirtschaftspolitik, der wachsenden Stärke Chinas und dem Auseinanderdriften Europas in Einzelinteressen. "Ein einheitlicheres Auftreten Europas ist dringend notwendig“, so Waasner.
Im August deutlicher Exportrückgang in Bayern
Im August 2025 sanken die Exporte bayerischer Unternehmen im Vergleich zum Vorjahresmonat um neun Prozent, besonders stark in die USA (-23 Prozent). Vor allem der Export von Pkw und Wohnmobilen ging deutlich zurück (-44 Prozent). Die IHK macht aber auch deutlich, dass bei Monatswerten verschiedene Einflussfaktoren die Ergebnisse beeinflussen können – so gab es im August 2025 einen Arbeitstag weniger als im Vorjahresmonat.
Professor Dr. David Stadelmann, Volkswirtschaftler an der Universität Bayreuth, warnt davor, alle Probleme auf den US-Präsidenten Donald Trump zu schieben: “Trump ist kein guter Sündenbock.“ Stattdessen sollten Unternehmen ihre eigenen Stärken nutzen und die Verwaltung Bürokratie abbauen. “Informationen, die der Staat bereits hat, muss er ja nicht noch ein zweites Mal abfragen“, so Stadelmann. Seit 2019 lag das Wirtschaftswachstum in den USA bei 12,7 Prozent, in der EU bei 5,3 Prozent, in Deutschland bei nahezu null.
Freihandelsabkommen sind wichtig
Auch die EU sei protektionistisch, gibt er zu bedenken. Er spricht in diesem Zusammenhang auch die hohe Regulationsdichte über sämtliche Produktkategorien an. Stadelmann bedauert, dass das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP nicht realisiert worden sei. Das wäre gut für Deutschland gewesen und hätte ein zusätzliches Wachstum von 3,5 Prozent gebracht, macht er deutlich. Ein neues Handelsabkommen im Stil von TTIP würde auch heute noch etwas bringen.
Den aktuellen EU-USA-Deal sieht Stadelmann weniger negativ als oft dargestellt: “Vielleicht kann man es sogar als Wachstumschance sehen.“ Ein Wachstumseffekt wäre zumindest möglich. Der Deal verspreche, neue regulatorische Hürden im digitalen Handel zu vermeiden, enthalte aber auch symbolische und schwer erfüllbare Versprechen.
Auch die Wissenschaft steht vor ähnlichen Herausforderungen wie die Wirtschaft, verdeutlicht Professorin Dr. Nina Nestler, Vizepräsidentin der Universität Bayreuth. Auch Universitäten müssten sich gegen den Abfluss von Wissen schützen. Prof. Nestler hatte sich mit Exportkontrollfragen und Technologietransferbeschränkungen im Zusammenhang mit sogenannten Dual-Use-Gütern beschäftigt, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Dazu zählen etwa sensible Elektronik, Telekommunikation, IT, Hard- und Software sowie Konstruktionspläne.
Nestler betont, dass der Gesetzgeber im Bereich Exportkontrolle präventiv handle. Sie bestätigt, dass es schwierig sei, den Überblick zu behalten, und dass der Begriff “Dual Use“ immer weiter gefasst werde. “Auch für die Weitergabe etwa von technischen Informationen kann es Genehmigungspflichten geben“, warnt Prof. Nestler. Sie zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass auch kleine und mittlere Unternehmen die Anforderungen an internationale Compliance-Programme erfüllen können.
Über die Auswirkungen geopolitischer Spannungen auf internationale Geschäftsaktivitäten diskutieren abschließend unter der Leitung der IHK-Stabsstellenleiterin International Dr. Johanna Horzetzky IHK-Präsident Dr. Michael Waasner, Professor Dr. Reinhard Meckl, Lehrstuhlinhaber Internationales Management an der Universität Bayreuth, Werner Döhla, Senior-Berater bei Rausch & Pausch sowie Jürgen Rittmeyer, der stellvertretende Standortsprecher der KSB in Pegnitz.
EU zwischen Handelskonflikten, Wettbewerbsverzerrungen und Protektionismus
Viele Unternehmen stellen sich auf den Weltmärkten breiter auf, um sich gegen potenzielle Auswirkungen weiterer Handelskonflikte zwischen China und den USA vorzubereiten, macht Rittmeyer deutlich. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen bleibt der chinesische Markt aufgrund seiner rasanten Entwicklung nach wie vor sehr interessant, ergänzt Prof. Meckl. "Die Konkurrenz ist allerdings erheblich und es bedarf kontinuierlicher Innovation, um bestehen zu können", mahnt Döhla. Das gelte für die chinesische Konkurrenz inzwischen auf allen Märkten, auch in Europa. "Dort muss die EU dafür sorgen, dass der Wettbewerb auch fair ist und nicht durch unzulässige Subventionen des chinesischen Staates einseitig beeinflusst wird", warnt Dr. Waasner.
Diskutierten in Bayreuth über Geschäfte in bewegten Zeiten (von links): Werner Döhla, Senior-Berater bei Rausch & Pausch, Jürgen Rittmeyer, der stellvertretende Standortsprecher der KSB in Pegnitz, Professor Dr. Reinhard Meckl, Lehrstuhlinhaber Internationales Management an der Universität Bayreuth, deren Vizepräsidentin Professorin Dr. Nina Nestler, IHK-Präsident Dr. Michael Waasner und Professor Dr. David Stadelmann, Lehrstuhlinhaber für Volkswirtschaft an der Universität Bayreuth.