Recruiting-Schwerpunkt Social Media
Zu dieser Erkenntnis ist Pascal Seifert schon vor einiger Zeit gekommen. Er ist Geschäftsführer der EDEKA-Märkte Kressbronn und Langenargen. Aktuell erlernen sieben Auszubildende und ein dualer Student ihren Beruf in seinen Märkten. Im Hinblick auf das Recruiting hat er sich längst von klassischen Stellenanzeigen und Berufsbildungsmessen verabschiedet. „Wir setzen den Schwerpunkt auf Social Media“, so Seifert. „Man muss heute ein Gesamtbild des Unternehmens zeigen, plakativ auftreten und sich dort präsentieren, wo sich die jungen Erwachsenen aufhalten – nämlich im Web.“ Für die Präsentation im Internet erstellt Seifert regelmäßig Videos gemeinsam mit allen seinen Mitarbeitenden. Diese nennen ein Thema, erarbeiten kurz eine Darstellung und werden bei der Realisierung von Seifert gefilmt. Auszubildende sind genauso dabei wie Praktikanten. Sie dürfen auch selbst Videos von sich und ihrem Arbeitsplatz machen oder Aktionen vorstellen. Seifert schneidet die Videos und stellt sie auf TikTok, Instagram und YouTube ein. „Das ganze Team hat Spaß beim Erstellen der Videos, und mit über 560.000 Followern haben wir auf TikTok eine tolle Reichweite erzielt“, freut sich Seifert. Auch Sabrina Moll, Personalreferentin im Autohaus Riess in Ravensburg, hat die Erfahrung gemacht, dass klassische Stellenanzeigen und Bildungsmessen nicht mehr den gewünschten Erfolg bringen und setzt deshalb auf den Ausbau der digitalen Unternehmenspräsenz mit Videos, die von Azubis aufgenommen und auf Instagram und Facebook gepostet werden. Die Auszubildenden dürfen zusätzlich eigene Ideen in Clips umsetzen wie beispielsweise Side-to-side-Challenges. Angesagte Formate wie Reels – 15-sekündige Multi-Clip-Videos – werden zur Unterhaltung und schnellen Information auf Instagram eingestellt. Es ist außerdem angedacht, einen eigenen TikTok-Account für die Azubis einzurichten. „Wir erhoffen uns dadurch mehr Unternehmensbekanntheit, und dass die Jugendlichen unsere angebotenen Ausbildungsberufe interessant finden“, erklärt Moll. Denselben Weg hat das Pharmaunternehmen Teva in Ulm eingeschlagen. „Wir nutzen seit einiger Zeit einen eigenen Instagram-Kanal unter anderem für das Employer Branding“, sagt Felix Balser, Leiter Ausbildung Chemielaboranten, und fügt hinzu: „Für die Videos auf Instagram entwickeln Azubis und dual Studierende gemeinsam mit der Social Media Managerin Ideen und setzen diese in Reels oder Bildformaten um. Sie sprechen die Sprache der Jugend. Auf diese Weise identifiziert sich die Zielgruppe schneller mit den Botschaften. Ich bin sehr zufrieden, wie das läuft – die Rückläufigkeit an Bewerbungen konnte so gebremst werden.“
Online-Kommunikation ist unumgänglich
Im modernen Ausbildungsmarketing gewinnt nicht nur Social Media an Bedeutung, sondern auch die Online-Kommunikation. Pascal Seifert nutzt digitale Kundenstopper im Eingangsbereich der Märkte für das Recruiting. Diese sind mit einem QR-Code ausgestattet, für die unkomplizierte Bewerbung über Whats-App. Um Hemmnisse abzubauen, müsse der Bewerbungsvorgang hier und auf der Homepage möglichst einfach gestaltet werden. Sabrina Moll schließt sich dieser Meinung an: „Die Online- Bewerbung ist mittlerweile ein Muss geworden, denn die Jugendlichen wollen sich selten viel Zeit dafür nehmen – es muss schnell gehen. Damit wird die Kommunikation auf Papier Geschichte.“
Die Online-Bewerbung ist mittlerweile ein Muss geworden – es muss schnell gehen.
- Sabrina Moll
„Man muss auffallen und Action bieten, um sich im Bewerbermarkt zu behaupten“
Moll betreut im Autohaus Riess 18 Auszubildende und duale Studierende. Sie holt sich die jungen Erwachsenen gerne ins Unternehmen, nicht nur mit dem Angebot von Praktika, sondern auch mit Aktionen wie dem Karriere-Kick. Johannes Kirsch, mehrfacher Deutscher Meister im Tischkicker, hat mit seinem Unternehmen Kivent GmbH den Karriere-Kick ins Leben gerufen, um Nachwuchskräfte und Unternehmen in lockerer Atmosphäre zusammenzubringen. Das Autohaus Riess hat sich als Veranstaltungsort angeboten und dafür die gesamte Ausstellungsfläche freigeräumt. Andere Unternehmen der Region wurden für eine Präsentation im Rahmen der Veranstaltung angesprochen und Schulen informiert. Schulklassen konnten sich dann für einen Vormittag anmelden und sich bei den rund 40 präsentierenden Unternehmen über deren Ausbildungsangebote informieren. Alternativ konnten sich Schüler und Schülerinnen über eine spezielle App persönliche Gesprächstermine buchen. Den 40 aufgestellten Tischkicker- Spielen wurden dann jeweils vier Schüler zugelost, die sich in einem kurzen Turnier miteinander messen konnten. Moll ist begeistert von der Aktion: „An diesem Event haben 450 Schüler teilgenommen und viel Spaß gehabt. Es war eine tolle Stimmung, und die Schüler konnten sich ganz ungezwungen informieren. Wir werden es wieder machen, denn heute muss man im Recruiting neue Wege gehen, auffallen und Action bieten, um sich im umkämpften Bewerbermarkt zu behaupten.“ Eine Wettbewerbssituation durch die Präsentation der 40 anderen Unternehmen aus verschiedenen Branchen sieht sie nicht: „Wir sitzen als Ausbildungsbetriebe alle im selben Boot und profitieren voneinander durch den Erfahrungsaustausch.“
Bei einem Praktikum werden Unsicherheiten abgebaut und die Vorstellung vom Berufsbild klarer.
- Felix Balser
Unternehmenskooperation für Recruiting-Events
An einer anderen Form der Unternehmenskooperation für das Anwerben von Auszubildenden nimmt Teva teil. Das Unternehmen bildet an den Standorten Ulm und Blaubeuren derzeit 76 junge Menschen in verschiedenen Berufen aus. Neben Social-Media-Aktivitäten wird der Aufbau von persönlichen Kontakten mit potenziellen Bewerbern intensiviert. Sie sollen Unternehmen und Berufe vor Ort kennenlernen, bevor sie im nächsten Schritt ein Praktikum beginnen. Zu diesem Zweck haben sich Unternehmen aus dem Industriegebiet Donautal in Ulm zu der Interessengemeinschaft „Donautal- Connect“ zusammengeschlossen. Schulen werden für das Event „#schoolmeetsdonautal“ angeschrieben, und Schüler können sich an einem festgelegten Tag im Juli in unterschiedlichen Unternehmen verschiedene Berufe anschauen. Die Veranstalter organisieren einen Shuttle Transfer von Ort zu Ort. Felix Balser zeigt sich erfreut von der Maßnahme: „Wir machen das seit zwei Jahren und haben schon direkte Ergebnisse bei den Bewerberzahlen festgestellt.“
Mit Ausbildungsbotschaftern Einblicke in die Praxis vermitteln
Damit Jugendliche überhaupt auf eine duale Ausbildung aufmerksam werden, setzt Teva auf Ausbildungsbotschafter. Dazu werden Azubis von der IHK geschult und gehen dann an Schulen, um dort Jugendlichen von ihrer Ausbildung zu erzählen. Trotzdem ist bei den jungen Erwachsenen die Unsicherheit groß, wenn es um die richtige Berufswahl und damit um einen entscheidenden Schritt auf dem Lebensweg geht. Meist wird dann bei den Eltern um Rat gefragt. Das ist der Grund, weshalb Balser als Senior-Ausbildungsbotschafter Schulen besucht und bei Elternabenden von seinem beruflichen Werdegang und den verschiedenen Ausbildungsberufen erzählt. „Der Rat der Eltern ist ein wichtiger Baustein der Entscheidungsfindung der Jugendlichen und oftmals der ausschlaggebende Punkt, um sich für ein Praktikum zu bewerben“, meint Balser. Diese Einschätzung teilt Stephanie Würfl, Ausbildungsleiterin beim Verpackungshersteller SÜDPACK in Ochsenhausen: „Eltern sind Ratgeber Nummer eins bei der Berufswahl. Aus diesem Grund nehmen wir gerne an Elternabenden mit Berufsvorstellungen teil und haben bereits einen Eltern Nachmittag bei uns im Unternehmen angedacht. Es geht darum, das Unternehmen in den Fokus zu rücken und unsere Ausbildungsberufe begreifbar zu machen.“ 100 Azubis und Studierende erlernen ihren Beruf im Unternehmen. Um auf die Ausbildungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, setzt Würfl besonders auf Bildungspartnerschaften mit Schulen. In Kooperation mit der IHK werden Berufsorientierungswochen und Bewerbertrainings angeboten sowie Bildungsmessen an Schulen organisiert.
Praktika und persönliche Kontakte werden immer wichtiger
„Im Praktikum kann man hinter die Kulissen schauen, die Atmosphäre des Unternehmens aufnehmen, das Miteinander kennenlernen und die Vielfältigkeit eines bestimmten Berufes erfassen“, erläutert Felix Balser. „Das ist der Schlüssel für einen finalen Ausbildungsbeginn. Unsicherheiten werden abgebaut und die Vorstellungen von einem Berufsbild klarer.“ Stephanie Würfl sieht das genauso. Deshalb hat SÜDPACK das Angebot an Praktika überarbeitet, um junge Erwachsene für die Ausbildung zu gewinnen. Würfl ist überzeugt: „Praktika werden immer wichtiger. Sie geben Einblicke in den Arbeitsalltag, in die Unternehmenskultur und bieten die Möglichkeit des persönlichen Erlebens. Dabei kann ein persönlicher Kontakt hergestellt und Interesse für die Ausbildung in unserem Unternehmen geweckt werden. Damit sich ein Praktikum nicht nur auf das Zuschauen beschränkt, haben wir uns Projektarbeiten überlegt, in denen Praktikanten selbst etwas herstellen und mit nach Hause nehmen können.“
Es gehe darum, zu begeistern und gleichzeitig realistische Einblicke zu vermitteln. Die Jugendlichen seien immer noch begeisterungsfähig und motiviert zum Lernen. Man müsse sich allerdings den neuen Fragestellungen der Jugendlichen anpassen. „Früher haben die Bewerber und Bewerberinnen gefragt: Was muss ich da machen? Heute ist das Bauchgefühl wichtiger und die Fragen: Fühle ich mich hier wohl, komme ich mit den Menschen klar? Diese Fragen kann ein Praktikum beantworten. Ihre teils idealisierten Vorstellungen von der Arbeitswelt sollte man nicht überbewerten, denn im Laufe der Ausbildung entwickeln sich die Jugendlichen weiter und der Blickwinkel verändert sich. Es macht immer wieder Freude, an dieser Entwicklung teilzuhaben“, erzählt Würfl.
Die riesige Auswahl an Berufswegen überfordert die Jugendlichen.
- Stephanie Würfl
Engagement und Blick ins Ausland
Ausbildung ist für Stephanie Würfl eine Herzensangelegenheit. Deshalb engagiert sie sich in verschiedenen Gremien der IHK, darunter im Lenkungskreis des Arbeitskreises Schule/ Wirtschaft Biberach und als Vorsitzende des Netzwerks Ausbildung der IHK Ulm. Sie fungiert außerdem als Ansprechpartnerin für das Projekt Ausbildungsbotschafter und ist ehrenamtliche Jurorin für das BoriS-Berufswahlsiegel. Gerne geht sie neue Wege im Bereich Rekrutierung und richtet dabei ihren Blick auch auf das Ausland. „In Zeiten des Fachkräftemangels ist es erforderlich, neben der hauptsächlichen Anwerbung in der Region auch im Ausland nach Fachkräften zu suchen. Das klingt zwar einfach, ist aber mit erheblichen Anstrengungen verbunden, denn neben der beruflichen muss auch die soziale sowie kulturelle Integration gelingen.“ Die Vielzahl der kreativen Ansätze, die Unternehmen verfolgen, um Auszubildende zu gewinnen, stimmt optimistisch. Wichtig ist, sich der veränderten Informations- und Kommunikationswelt der jungen Erwachsenen anzupassen und mutig neue Wege zu beschreiten.
Dipl.-Wirt.-Ing. Birgit Mann ist Wirtschaftsingenieurin Kommunikationstechnik und Inhaberin der Team-Entlastung PR Blaubeuren