Nämlich Überbürokratisierung, Energiekosten, Fachkräftemangel.“ Und schon sind wir mitten drin, denn: Gerade die Bewältigung der steigenden Energiepreise und des Fachkräftemangels sind zugleich zentrale Aufgabenstellungen der Nachhaltigkeit.
Der Fächer der Nachhaltigkeit ist viel breiter, als die meisten Unternehmen denken
Mit einem Diagnosetool können sich Unternehmen einen Überblick über das Gesamtthema verschaffen – wichtig ist es auch, durch eine Bestandsaufnahme herauszufinden, wo das eigene Unternehmen in Bezug auf die wichtigsten Herausforderungen der Nachhaltigkeit steht.
Der nächste Schritt ist eine strukturierte Bearbeitung des Themas. Grundsätzlich müssen drei Dimensionen berücksichtigt werden, die ineinander greifen:
- kulturelle Nachhaltigkeit: Was wollen wir erreichen, und wie nehmen wir unsere Mitarbeitenden und Geschäftspartner mit?
- strategische Nachhaltigkeit: Wie sind unsere Strategien, Ziele und Maßnahmen, wie organisieren wir das Thema?
- regulatorische Nachhaltigkeit: Welche Anforderungen kommen in Bezug auf Lieferketten, CSRD-Berichterstattung, ESG-Bankenregulatorik und so weiter auf uns zu?
Die meisten Unternehmen beschäftigt aktuell vor allem die regulatorische Nachhaltigkeit, die oft erhebliche Ressourcen bindet. Mit dem Ergebnis, dass für eine Auseinandersetzung mit möglichen Chancen einer nachhaltigen Geschäftsmodellentwicklung kein Platz bleibt. Dann besteht die Gefahr, dass die Lasten des Themas derart die Oberhand gewinnen, dass der Blick für die Chancen gänzlich verloren geht. Daher ist die zentrale Frage: Wie lösen wir diesen Knoten, und wie schaffen wir es, das Thema Nachhaltigkeit für unser Unternehmen, unsere Kunden und Geschäftspartner nutzbar zu machen?
Es bietet sich an, einen Blick auf die Unternehmen zu werfen, die das Thema proaktiv angegangen sind. Aus den Gesprächen mit mehr als 1.000 mittelständischen Unternehmen, die sich bewusst für einen nachhaltigen Weg entschieden haben, lassen sich einige Gemeinsamkeiten erkennen. Diese Unternehmen verdienen gutes Geld mit dem Thema Nachhaltigkeit. Sie spüren den Fachkräftemangel deutlich weniger oder gar nicht. Denn ein in sich stimmiges Gesamtkonzept aus ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit wirkt auf potenzielle Arbeitnehmer oft wie ein Sog. Und es sind Unternehmen, die Begriffe wie Agilität, Kreativität und Innovation in ihre Unternehmensentwicklung fest integriert haben. Sie haben ihren Purpose, den Sinn ihres Daseins, definiert und sich diese Fragen gestellt: Was trägt unser Unternehmenszweck zur Zukunftsfähigkeit – zur Enkeltauglichkeit – der Gesellschaft bei? Welche neuen Marktzugänge und Wettbewerbsvorteile können wir generieren, etwa mit Blick auf das Zukunftsthema Kreislaufwirtschaft? Wie können wir Teile unserer Energie selbst erzeugen und uns damit unabhängiger von künftigen Preissteigerungen machen? Wie können wir ein Maximum an Fördermitteln, etwa über die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die L-Bank, herausholen? Wie können wir das Thema positiv für Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung einsetzen?
Twin Transformation: Wenn, dann richtig
Ob wir es mögen oder nicht: Wir leben in einer Welt ständiger Veränderungen. Nachhaltigkeit ist das eine Thema – Digitalisierung ist die andere Herausforderung. Wie wäre es, beide Zukunftstrends zusammen zu denken? Dafür hat sich der Begriff Twin Transformation etabliert. Er beschreibt den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft, die von modernen Technologien und digitalen Lösungen unterstützt wird. Dabei durchlaufen Unternehmen gleich eine zweifache Veränderung, um nicht nur ihre digitalen, sondern auch ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Chancen sehen und kommunizieren
Nachhaltig erfolgreiche Unternehmen haben das Thema mental angenommen und „verarbeitet“. Sie stellen die positiven Seiten des Themas in ihrer Kommunikation dar. Wie soll ein Unternehmen gerade für jüngere potenzielle Fachkräfte Attraktivität ausstrahlen, wenn es permanent über die schweren ESG-Lasten klagt, die es zu erdrücken drohen? Es geht nicht darum, die Hürden wegzudiskutieren. Aber es gilt, eine gute Balance aus Chancen und Belastungen zu finden.
Eine dieser Chancen betrifft zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Bank. Dabei geht es um eine gute Vorbereitung auf das ESG-Gespräch mit dem Unternehmenskundenberater eines Kreditinstituts. Die Finanzaufsicht BaFin hat ihre Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Banken (MARisk) um ESG-Komponenten erweitert. Sie macht den Instituten klare Vorgaben, wonach diese Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Kreditprozesse einbinden müssen.
Den Unternehmen, die die Herausforderung Nachhaltigkeit ganzheitlich annehmen, eröffnet sich die große Chance, das eigene Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen. Der Markt wartet nicht – jetzt ist die Zeit.
Ulrich Röhrle, Geschäftsführender Gesellschafter der N-Motion GmbH, Ulm