Der Geschäftsführer der Beurer GmbH in Ulm kann das auch belegen, denn vor ziemlich genau drei Jahren weihte er zusammen mit dem Ulmer Oberbürgermeister und geladenen Gästen den sogenannten Beurer Campus ein – was einen Riesenschub für die Zusammenarbeit im Sinne einer New-Work-Kultur auslöste.
Der Begriff New Work steht für einen tiefgreifenden Wandel in der Arbeitswelt und wurde in den 1970er-Jahren vom Sozialphilosophen Frithjof Bergmann geprägt. Die Menschen und ihre Bedürfnisse stehen hier im Mittelpunkt. Ziel ist es, die Arbeit nicht nur als Pflicht, sondern als erfüllenden Teil des Lebens zu gestalten – und was lange Zeit vor allem in der Theorie diskutiert wurde, gewann mit der Corona- Pandemie in der Praxis rasant an Bedeutung. Kein Wunder, sind doch zwei typische Elemente von New Work das Homeoffice und flexible Arbeitszeiten. Auf beides setzte auch Beurer in den Zeiten der Pandemie und entdeckte schon nach kurzer Zeit etliche Vorteile: „Wir stellten fest, dass wir in der Homeoffice-Zeit zwar effizient waren, aber vor allem an Kultur und Kreativität verloren haben“, erinnert sich der Geschäftsführer. Darum passte man kurzerhand die Pläne für den Innenausbau des neuen Beurer Campus an. Hier konnte die Geschäftsleitung noch viel verändern und legte nun großen Wert darauf, dass in dem knapp 13 Millionen Euro kostenden Neubau nicht nur klassische Büroarbeitsplätze geschaffen werden, sondern auch jede Menge flexible Räume und Platz für 100 zusätzliche Arbeitsplätze mit besten Bedingungen für hybrides Arbeiten. „Mit dem Campuskonzept konnten wir mit Schwung aus dem Homeoffice ins Büro zurückkehren“, so Bühler. „Gleichzeitig wollten wir aber die Effizienz von Online-Meetings auch aus dem Büro heraus ermöglichen. Also das Beste aus beiden Welten.“
Moderne Architektur und mobile Arbeitsplätze
Wer den neuen Beurer Campus betritt, spürt sofort diesen besonderen Spirit, denn das Gebäude verbindet moderne Architektur mit funktionalem Design und schafft ein inspirierendes Arbeitsumfeld. Die Räume sind groß und lichtdurchflutet, die Arbeitsplätze modern und mobil – und überall laden knallbunte Kreativ-Inseln zum Team-Meeting und Austausch mit Kollegen ein. Wer mag, kann sich zum Brainstorming einen Kaffee oder Snack aus der eigenen Food & Coffee-Lounge mitbringen und ganz entspannt an neuen Ideen tüfteln. Und wer ab und an mal eine Rückzugsmöglichkeit braucht, um konzentriert zu arbeiten oder in ein wichtiges Online-Meeting zu gehen, der kann in einen der sogenannten okusräume gehen. Die sind klein und kuschelig, haben Schallschutz und eine Tür zum Zumachen. Für größere Meetings mit Kunden gibt es auch moderne Besprechungszimmer und großzügige Schulungsräume. Und wer sich zwischendurch mal auspowern will, geht ins Fitness- Studio der eigenen Wahl, bezuschusst von Beurer. Alles in allem ein Arbeitsumfeld, das Innovation und Kreativität fördert, und ein Ort, an dem sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen. „Das ist eigentlich der entscheidende Faktor“, sagt Marco Bühler. „Menschen sollten ihre ganze Persönlichkeit und ihre eigenen Bedürfnisse in den Arbeitsalltag einbringen können. Dann sind sie deutlich motivierter, und das schlägt sich auch in unseren Geschäftsergebnissen nieder.“ Seine Bilanz nach vier Jahren New Work – wozu übrigens auch das „Du“ auf allen Ebenen gehört – fällt rundweg positiv aus.
Menschen sollten ihre ganze Persönlichkeit und ihre eigenen Bedürfnisse in den Arbeitsalltag einbringen können.
- Marco Bühler
Workation auf Mallorca
Auch bei der doubleSlash Net-Business GmbH mit Hauptsitz Friedrichshafen ist das „Du“ schon lange Teil der Unternehmenskultur. „Das ist bei IT Dienstleistern mit vielen jungen Mitarbeitenden und flachen Hierarchien durchaus üblich“, sagt Leonie Hlawatsch, die für das Personalwesen verantwortlich ist und auch den Bereich Organisationsstruktur und Change Management gestaltet. Zusammen mit ihrem Team hat sie ein Workation Programm entwickelt und startete es 2022 als Pilotprojekt. „Wir wollten herausfinden, ob wir damit alle Beschäftigten erreichen oder ob das Modell nur für eine bestimmte Zielgruppe interessant ist“, berichtet die HR-Expertin. Tatsächlich wurde das neue Angebot von Menschen aus allen Altersgruppen und in den unterschiedlichsten Konstellationen – mit Familie und Kindern, mit Freunden oder mit Kollegen – ausprobiert und angenommen. Ein voller Erfolg also, und seitdem können die rund 300 festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedes Jahr bis zu acht Wochen gleichzeitig Urlaub machen und arbeiten. Dabei achtet das Unternehmen auf klare Rahmenbedingungen: Die technische Infrastruktur muss passen, die vorab vereinbarten Arbeitszeiten bleiben verbindlich, und Datenschutz steht weiterhin an oberster Stelle. Doch innerhalb dieser Leitlinien genießen Mitarbeitende viel Freiraum und Vertrauen. Sie können zum Beispiel vormittags arbeiten, nachmittags die Umgebung erkunden und abends wieder arbeiten – ob am Strand in Spanien, auf einer Berghütte in Österreich oder in einem gemütlichen Café in Lissabon. Beim ITDienstleister lässt sich der Laptop fast überall als mobiles Büro aufklappen. Und falls es am Urlaubsort nicht das nötige Equipment gibt, stellt doubleSlash das sogar zur Verfügung.
„Letztes Jahr habe ich mit drei Kollegen Workation in einer Finca auf Mallorca gemacht. Das war echt cool“, schwärmt Maximilian Göke. Der 30 Jährige ist Softwareentwickler und bringt seine Erfahrung vor allem im Bereich Monetization in Kundenprojekte ein. Auf der spanischen Insel war er zweieinhalb Wochen mit seinen Kollegen – und gemeinsam entwickelten sie dort während der Workation etliche neue Ideen. „Der eine oder andere Geistesblitz kam uns tatsächlich bei einer Tasse Espresso am Pool. So ein Ortswechsel ist wirklich viel wert“, erzählt Göke.
Mit unserem neuen Arbeitszeitmodell punkten wir im Wettbewerb um die besten Talente.
- Heike Wenzel
Kaffee spielte auch schon bei der Entscheidung der Kollegen für die Kombination aus Urlaub und Arbeit eine wichtige Rolle: Anfang 2023 standen die vier jungen Männer aus zwei Teams zufällig in der Kaffeeküche von doubleSlash in Friedrichshafen zusammen. „Wir hatten gerade von dem neuen Workation-Konzept gehört und waren sofort begeistert“, erinnert sich Göke. „Noch in der Küche haben wir uns für Mallorca entschieden und gleich die Aufgaben verteilt: Wer kümmert sich um den Flug? Wer sucht eine Finca?“ Schon ein paar Wochen später waren sie zusammen auf der spanischen Insel – und planen gerade ihre nächste Workation auf einer griechischen Insel. Auch auf Kreta wollen sie wieder nach Feierabend den Sonnenuntergang am Meer genießen und am Wochenende die traumhaften Strände und verschlafenen Bergdörfer erkunden.
So wie die Vier machen es auch viele andere Beschäftigte von doubleSlash. „Das Angebot wird super angenommen und ist ein echter Mehrwert für Mitarbeiterzufriedenheit und Personalbindung“, freut sich Hlawatsch. „Von August 2023 bis Oktober 2024 hatten wir insgesamt 58 Entsendungen, 48 davon ins Ausland, zehn blieben in Deutschland.“ Die Inlands-Workation nutzen vor allem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ursprünglich aus Norddeutschland kommen und dort noch Familie haben. Bei ihnen steht vor allem eine bessere Work-Life-Balance im Vordergrund.
Vier Tage sind genug
Auf ein anderes innovatives Arbeitsmodell, mit dem sich Job, Familie und Freizeit besser vereinbaren lassen, setzt die WENZEL Group. Das weltweit agierende Maschinenbauunternehmen mit einer Niederlassung im schwäbischen Blaubeuren führte Anfang 2022 die Vier-Tage-Woche in der Produktion ein. „Wir haben als erstes Unternehmen in der Region und als erster Maschinenbauer diesen Schritt gewagt und sind rundum zufrieden mit dem Ergebnis“, betont Geschäftsführerin Heike Wenzel und erklärt das Modell: „In unserer Produktion arbeiten die Beschäftigten jetzt montags bis donnerstags neun Stunden und haben dafür freitags frei. Dadurch bleibt ihnen mehr Zeit für Familie und Privatleben, und sie können das verlängerte Wochenende für eigene Interessen nutzen.“ In den anderen Abteilungen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das innovative Arbeitsmodell ebenfalls nutzen und ihren freien Tag frei wählen oder bei ihrem bisherigen Modell bleiben. Egal, wie sie sich entscheiden, sie alle kommen in den Genuss der reduzierten Wochenarbeitszeit von 37,5 auf 36 Stunden ohne Lohnverzicht. „Seit der Einführung unseres neuen Arbeitszeitmodells sind die Beschäftigten deutlich zufriedener mit ihrer Work-Life-Balance, und wir haben ein super Betriebsklima“, freut sich Personalchef Daniel Eisler. Von ihm stammt die Idee für die Vier-Tage-Woche bei Wenzel, und während der Corona-Pandemie konnte er auch seine Chefin überzeugen. „Damals mussten wir wie viele andere Unternehmen vorübergehend auf Kurzarbeit umstellen“, erinnert sich Heike Wenzel. „In dieser Zeit habe ich bei Gesprächen mit Beschäftigten immer wieder gehört, dass sie die Entschleunigung und die zusätzliche Freizeit als Gewinn betrachten.“ Darauf reagierte die Geschäftsführerin und führte im Jahr 2022 die Vier-Tage-Woche ein. Seitdem stehen jeden Freitag die energieintensiven Maschinen still, und auch die Druckluft- und Klimatechnik wird bereits am Donnerstagabend ausgeschaltet. „Dadurch sparen wir 10 bis 15 Prozent Energie bei gleicher Produktionsleistung“, freut sich die Geschäftsführerin. „Außerdem punkten wir mit dem neuen Arbeitszeitmodell auch als attraktiver Arbeitgeber. Das ist ein klarer Vorteil im Wettbewerb um die besten Talente am Arbeitsmarkt.“
Wir tun viel dafür, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so wohlfühlen, dass sie mehr Zeit in Präsenz auf unserem neuen Campus verbringen.
- Uwe Harzmann
Als Arbeitgeber attraktiv
Auch die Optigrün International AG in Krauchenwies-Göggingen, die im Bereich der grünen Dach- und Fassadentechnologien tätig ist, ist für ihre Beschäftigten ein attraktiver Arbeitgeber. „Wir setzen schon seit vielen Jahren auf flexible Arbeitszeiten und -konzepte“, sagt Vorstand Uwe Harzmann. „Remote Work wird bei Optigrün schon seit vielen Jahren gelebt, und das kommt bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr gut an.“ Gerade hat er den Bauantrag für ein neues Firmengebäude in Sigmaringen gestellt und will dort in knapp zwei Jahren mit allen Teams einziehen. „Wir haben jetzt die Chance, alles neu auszurichten und eine optimale Arbeitsumgebung zu schaffen“, freut sich Jennifer Schreiber. Sie arbeitet als Referentin der Geschäftsleitung aktiv im Neubau- Team mit und hat vorher im Rahmen ihrer Masterarbeit die mögliche Einführung von New Work bei Optigrün umfassend analysiert und bewertet. „Meine Erkenntnisse aus der Theorie haben wir in Mitarbeiterinterviews praxisnah überprüft“, erklärt Schreiber. „Dabei zeigte sich, dass insbesondere die Gestaltung der Büroräume eine zentrale Rolle spielt.“ Deshalb soll es im Neubau sowohl kleine Räume für ruhiges Arbeiten als auch große Räume für kreatives Brainstorming im Team geben. Im ersten Stock ist zudem eine Lounge mit Zugang zur grünen Dachterrasse geplant – und im Außenbereich soll es neben Tischtennisplatten auch eine Boulebahn und ein Beachvolleyball-Feld geben sowie einen großen Garten für die aktive Mittagspause. „Wir tun wirklich viel dafür, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem neuen Firmengelände so wohlfühlen, dass sie mehr Zeit in Präsenz auf unserem neuen Campus verbringen“, sagt Vorstand Harzmann und geht gleich weiter in die nächste Besprechung zum Neubau.
Elke Zapf lebt und arbeitet als freie Journalistin in Ravensburg