interview

„Wir sind aktuell in der Warteschleife.“

Die Moosmann GmbH & Co. KG Papiere – Verpackungen – Verarbeitung ist von der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten betroffen. War es für Sie sofort nachvollziehbar, wie Sie dieses Gesetz im Unternehmen umsetzen können?
Marc Bochmann: “Nein, auf keinen Fall. Auch aktuell haben wir noch viele offene Fragen, was die Umsetzung angeht. Zunächst war unklar, ob wir überhaupt von der Verordnung betroffen sind. Als Großhändler stellen wir keine Produkte selbst her oder verändern diese. Vielmehr bestellen, lagern und bevorraten wir fertig produzierte Artikel für unsere Kunden. Aktuell gehen wir davon aus, dass auch wir von der Verordnung betroffen sind – was uns vor die Frage stellt, in welcher Form. Die Klärung, ob wir als KMU-Händler oder als Nicht-KMU-Händler gelten, sollte einfach sein, ist es aber keinesfalls. Auf den ersten Blick scheint es unterschiedliche Definitionen für die KMU-Größen zu geben. Die IHK konnte uns behilflich sein. Nachdem klar war, welche Ausgangsrolle wir in diesem Prozess einnehmen, ging es an die Fragestellung, was in welcher Form dokumentiert werden soll. Grundsätzlich soll nach unserem Verständnis die Lieferkette von einem fertigen Produkt – in unserem Fall einem Karton – bis zu dem ursprünglichen Baum samt GPS-Koordinaten dargestellt werden. Was die Sache zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass wir die Prüfungen unserer Vorlieferanten nochmals hinterfragen und prüfen sollen. Hinzu kommt, dass es einen Unterschied macht, ob die Produkte innerhalb oder von außerhalb der EU bezogen werden. Wir beziehen unsere Produkte zum überwiegenden Teil innerhalb der EU, vorrangig aus Deutschland.”
Welche Bereiche und Prozesse sind bei Ihnen besonders von der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten betroffen?
Siegfried Schuster: “Bei uns sind das vor allem die Bereiche Einkauf, IT, Logistik und Vertrieb. Der Einkauf muss zunächst über die Zolltarifnummern der Artikel die relevanten Produkte und Lieferanten identifizieren. Im Anschluss muss mit jedem einzelnen Lieferanten geklärt werden, zu welchem Zeitpunkt im Auftragsprozess die Referenznummern in welcher Form übermittelt werden. Unsere IT muss das Warenwirtschaftssystem entsprechend anpassen, und die Logistik wird als vermutlich letzte Instanz Kontrollen und Eingaben durchführen müssen. Der Vertrieb sorgt für die Kommunikation zu unseren Kunden. Sie sehen schon, das bindet eine ganze Menge an Mitarbeiterkapazitäten.”
Haben Sie Vorschläge, wie man solche Gesetze und die damit verbundenen Abläufe vereinfachen könnte?
Marc Bochmann: “Ja, das haben wir. Und deshalb haben wir uns vor einigen Monaten auch auf der europäischen Plattform registriert, damit wir entsprechende Abläufe simulieren können. Von anderen Partnern haben wir die Information erhalten, dass dieser Registrierungsprozess sechs Monate dauert. Wir sind aktuell in der Warteschleife. De facto wissen wir noch nicht, wie der Prozess in der Praxis ablaufen wird. Sollte es in der Tat so sein, dass auf jeder Stufe der Lieferkette eine neue Referenznummer generiert werden muss, wird es sehr aufwändig. Wir erfassen mehrere hundert Aufträge pro Tag. Für jeden einzelnen Auftrag bräuchten wir eine neue Referenznummer, die wir im Zweifel nicht direkt bekommen, weil der Artikel noch gar nicht produziert ist. Wie performant wird die besagte Plattform, wenn aus ganz Europa stündlich enorme Anzahlen an Abfragen ausgelöst werden? Wie schnell werden wir die Informationen bekommen, um unsere Aufträge weiter zu bearbeiten? Aus unserer Sicht werden viele Arbeitsschritte mehrfach auf den einzelnen Stufen der Lieferkette gemacht. Einmal am Anfang würde völlig ausreichen!”
Denken Sie, dass Sie die nötigen Informationen von den Unternehmen in Ihrer Lieferkette innerhalb der EU oder weltweit
problemlos bekommen werden?
Marc Bochmann: “Es handelt sich um ein EUGesetz. Lieferquellen außerhalb der EU werden vermutlich die Umsetzung verweigern und Länder innerhalb der EU nicht mehr beliefern. China hat dies bereits signalisiert. Das wird Auswirkungen auf Warenverfügbarkeit und Preise haben.”
Gibt es weitere Gesetze, die aktuell viele Personen in Ihrem Unternehmen binden oder gar die globale Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens beeinträchtigen?
Siegfried Schuster: “Ja, da fallen mir spontan gleich drei ein: das Verpackungsgesetz, das Einwegkunststofffondsgesetz und die Packaging and Packaging Waste Regulation. Das Verpackungsgesetz wurde in den letzten Jahren mehrfach geändert und modifiziert. Unsere Kunden als Erstinverkehrbringer unterliegen diesem Gesetz. Wir als Lieferant versuchen bestmögliche Aufklärungsarbeit zu leisten, damit unsere Kunden gesetzeskonform Lizenzgebühren abführen. Besonders herausfordernd ist für unsere Kunden die Unterscheidung zwischen Serviceverpackung, Verkaufsverpackung, Versandverpackung und Transportverpackung, da ein und dasselbe Produkt je nach Einsatzzweck in unterschiedliche Kategorien fallen kann. Mit der Einführung des Einwegkunststofffondsgesetzes, kurz EWKFondsG, werden To-Go Verpackungen aus Kunststoff oder mit Kunststoffanteil einer weiteren Verpackungsgebühr unterworfen. Ob ein Artikel der Verordnung unterliegt, entscheidet das Umweltbundesamt. Es gibt eine Vielzahl an Verpackungen, welche bis heute nicht klar definiert sind oder im Nachgang anders eingestuft wurden. Die zwingende Vollständigkeitsprüfung durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer wurde für 2024 ausgesetzt, da das Gesetz zu viele Unklarheiten mit sich bringt. Die Packaging and Packaging Waste Regulation, kurz PPWR, ist ein weiteres Gesetz, das im Februar 2025 in Kraft getreten ist und in mehreren Stufen umgesetzt wird. Die Interpretationsmöglichkeiten dieses Gesetzes und seine Umsetzbarkeit stellen auch hier die Wirtschaft vor Herausforderungen. Bei dieser Vielzahl der jüngst in Kraft getretenen Gesetze werden enorme Zeitressourcen gebunden, was sich in den Endverbraucherpreisen widerspiegeln wird. Außerdem wird auch die Wettbewerbsfähigkeit beim Export im internationalen Markt erschwert.”
Interview: Stefan Kesenheimer, Elena Skiteva, Gudrun Hölz