Interview

„Bei uns sind jährlich über 10.000 Stunden ehrenamtliches Engagement gefordert.“

Das Öchsle ist die einzige erhaltene Schmalspurbahn der Königlich Württembergischen Staatseisenbahnen. Seit 1899 bindet das Öchsle Ochsenhausen an die Südbahn an und ermöglichte die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Heute ist die historische Bahn ein Beweis dafür, dass Events und Museales keine Gegensätze sind. Wir sprachen mit Geschäftsführer Andreas Albinger über großes ehrenamtliches Engagement und darüber, was die Attraktion ausmacht.
Herr Albinger, Sie sind Geschäftsführer der Öchsle Bahn Betriebs gGmbH und beim Kreis angestellt. Gleichzeitig gibt es den Öchsle Schmalspurbahn e. V. – wie geht das zusammen? 
Die Öchsle Bahn Betriebsgesellschaft, eine gemeinnützige GmbH des Kreises Biberach und der Anliegergemeinden Warthausen, Maselheim und Ochsenhausen, führt den Betrieb rechtlich und in finanzieller Verantwortung. Der Verein fungiert als Förderverein, der den ganzen Betrieb letztlich mit Leben erfüllt. Er stellt das Personal für Werkstatt, Streckenunterhaltung und Betrieb. Der Verein hat auch eigene Fahrzeuge, die er dem Betrieb zur Verfügung stellt. Ich bin seit den ersten Anfängen der Öchsle-Museumsbahn Vereinsmitglied und seit längerem auch stellvertretender Vorsitzender. Durch meine Tätigkeit beim Landkreis und mein jahrzehntelanges Engagement beim Öchsle ging die Funktion des Geschäftsführers 2012 an mich. Es gibt also eine enge Verbindung zwischen den Akteuren und die Zusammenarbeit klappt sehr gut.
Ihr regelmäßiger Fahrplan hat einen  hohen Personalbedarf – ist Fachkräftemangel bei Ihnen ein Thema?
Bei uns sind jährlich über 10.000 Stunden ehrenamtliches Engagement gefordert. An jedem Betriebstag benötigen wir fünf Personen im Zugdienst als Lokführer, Heizer, Zugführer, Schaffner und für den Speisewagen. Bei etwa 75 Betriebstagen im Jahr summiert sich allein dieser Aufwand auf etwa 4.000 Stunden. Dazu kommt der Aufwand für die Streckenunterhaltung und für die Aufarbeitung und Unterhaltung der Fahrzeuge. Gleichzeitig haben wir viele Projekte am Laufen, darunter zum Beispiel die Hauptuntersuchungen einer Dampflok und unserer historischen Diesellok V 51 903 von 1964. Zu viele Mitarbeiter haben wir vor diesem Hintergrund nie, wir finden für jeden, der sich engagieren will, eine Aufgabe. Zum Glück sind wir aber mit unserem Personal sehr gut aufgestellt. Wir haben sehr viele aktive Mitarbeiter, die zum Teil auch weite Anfahrtswege nicht scheuen. Unsere Fahrkräfte bilden wir selbst aus. So haben wir zum Beispiel schon einige Mitarbeiter zum Lokführer und Heizer ausbilden können. Die Ausbildung ist bundesweit anerkannt. Fachkräftemangel ist ein Thema, aber wir gehen das offensiv und mit großem Erfolg an. Die Mitarbeit beim Öchsle bedeutet auch nicht nur Arbeit, sondern auch Stammtische, Ausflüge und geselliges Beisammensein. 
Fährt man mit dem ersten Zug ab Warthausen hat man die Möglichkeit, nach 20 Minuten zurückzufahren oder erst nach über vier Stunden. Wie groß ist die Bereitschaft, sich Ochsenhausen näher anzusehen und zum Beispiel das Kloster zu besuchen? 
Die meisten unserer Fahrgäste genießen ihren Aufenthalt in Ochsenhausen. Vier Stunden hören sich erst mal recht lange an. Aber die meisten Fahrgäste gehen in Ochsenhausen zum Essen und nehmen danach eine der vielen Möglichkeiten war, die Ochsenhausen bietet, zum Beispiel eine Besichtigung des Klosters mit Klostermuseum oder ein Besuch im Waschfrauenmuseum direkt am Bahnhof. Außerdem locken der Krumbach mit Wasserspielplatz oder der Ochsenhauser Erlebniswald mit Heckenlabyrinth, Barfußpfad und einer Aussichtsplattform. Auch stellt auch der Bahnhof Ochsenhausen als letzter erhaltener Endbahnhof der früheren Königlich Württembergischen Staatseisenbahn mit seinem Lokschuppen, Rollbockdenkmal eine Attraktion dar.  Nicht zuletzt gibt es in Ochsenhausen auch gute Cafés und eine tolle Eisdiele.  
Wem der Aufenthalt in Ochsenhausen trotz alledem zu lang erscheint, kann mit dem Zug um 12 Uhr ab Ochsenhausen fahren und hat dann in Warthausen einen Aufenthalt von lediglich 1,5 Stunden. Das reicht auch für eine Besichtigung des museal gestalteten Bahnhofes Warthausen oder für einen Besuch in der direkt daneben liegenden Gaststätte mit großem Biergarten. Wer Lust hat, kann auf dem ausgeschilderten Radweg entlang der Schmalspurbahn fahren und unsere historische Bahn durch die Landschaft schnaufen sehen. Fahrräder werden im Öchsle kostenlos mitgenommen und wir können im Zug bis zu 50 Fahrräder transportieren. So kann ein Ausflug mit dem Öchsle sehr flexibel gestaltet werden.
Da Sie mit einem regelmäßigen Fahrplan fahren, reichen die Bahn-Fans sicher nicht für eine Auslastung aus. Wie sieht Ihre Hauptzielgruppe aus? 
Grundsätzlich können sie nur mit Eisenbahnfans kein Museum oder eine Museumsbahn auslasten und wirtschaftlich betreiben. Eisenbahnfans stellen maximal 5 Prozent unserer Fahrgäste. Der größte Anteil unserer Fahrgäste sind Familien, Gruppen und Ausflügler. Ein großer Vorteil ist unser regelmäßiger Fahrplan, den man sich leicht merken kann und durch den man auch spontan eine Fahrt mit unsere Bahn unternehmen kann. Unsere Hauptzielgruppe sind Familien. Stammkunde sind zum größten Teil Familien oder Opa und Oma mit ihren Enkeln.  
Unser  Einzugsgebiet geht vom Schwarzwald bis München und vom Mittleren Neckarraum bis ins Allgäu. Teilweise auch deutlich weiter: 2023 hatten wir eine Reisegruppe aus Regensburg die extra zur Öchsle Bahn mit einem Reisebus anreiste. Der größte Teil der Fahrgäste stammt aus einem Umkreis von 50 bis 100Kilometern. Wir haben auch internationale Besucher, so konnten wir schon mehrmals große Gruppen aus Großbritannien begrüßen. 
Auf dem Programm stehen viele Veranstaltungen wie „Erlebniswelt  Eisenbahn“ oder „Kulinarische Reise“, meist verbunden mit Verpflegung oder angebunden an Veranstaltungen in Ochsenhausen. Wie wichtig sind diese für den Erfolg? 
Unsere Themenfahrten sind sehr wichtig für den Erfolg unserer Museumsbahn. Mit diesen Fahrten können wir neue Besuchergruppen ansprechen, und diese Fahrten bringen uns auch einen hohen Deckungsbeitrag. Nicht zuletzt wird über solche Fahrten von den Teilnehmern geredet, und diese bringen uns über Mund-zu-Mund-Propaganda auch einen hohen Werbeeffekt. Ein gastronomisches Angebot ist ebenfalls wichtig. Zum Glück ist ein sehr gepflegtes gastronomisches Angebot sowohl in Ochsenhausen als auch Warthausen vorhanden. Weiterhin ist in jedem Zug ein Speisewagen eingestellt, in dem sich die Fahrgäste mit Getränken und kleinen Speisen verpflegen können. Auf Bestellung bieten wir auch Sektempfänge mit Butterbrezeln am Bahnsteig oder Weißwurstfrühstück im Zug an. Dafür haben wir zwei Wagen mit 80 Plätzen an Tischen ausgestattet.  
Wie sehen Sie die Zukunft? Was würden Sie sich für das Öchsle wünschen?
Die Zukunft unserer Bahn sehe ich sehr optimistisch. Zwar werden die Bedingungen immer schwieriger, aber durch die Unterstützung unserer Gesellschafter und der Kreissparkasse Biberach sind wir finanziell gut aufgestellt. Wichtig ist natürlich die Akzeptanz durch die Besucher, aber wir werden sehr gut angenommen. 2023 hatten wir 49.230 Fahrgäste, was die höchste Fahrgastzahl seit vielen Jahren darstellt. Damit sind wir ein touristischer Faktor im Landkreis Biberach, und das mit einem im Verhältnis zur Besucherzahl sehr geringen Zuschussbedarf. Ein Ziel ist, unsere Bahn und das unmittelbare Umfeld noch musealer zu gestalten und zu entwickeln. 
Ein großer Wunsch wäre, dass ein Betrieb der Museumsbahn weniger mit Auflagen erschwert wird. Hier wird oft mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Zudem wäre es toll, wenn sich das Land Baden-Württemberg für die Museumsbahnen im Land engagieren würde. Obwohl diese einen wichtigen Tourismusfaktor darstellen, bekommen sie kaum Zuschüsse. Ganz anders sieht es zum Beispiel in Sachsen aus, welches seine Museumsbahn jährlich mit vielen Millionen unterstützt. Dort wird das touristische Potenzial der Eisenbahn erkannt und gut ausgeschöpft.