Warum ist aus Sicht der Agentur für Arbeit die Integration von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt so wichtig?
Allem voran ist ein Punkt wesentlich: Menschen mit Behinderung in vollem Umfang die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Es gibt natürlich auch weitere gute Gründe, Menschen mit Behinderung bei Personalentscheidungen zu berücksichtigen. Nicht zuletzt, da sie für den Arbeitsmarkt großes Potenzial mitbringen, gerade wenn ich an den Fachkräftemangel denke. Viele dieser Frauen und Männer sind ausgebildete Fachkräfte und gar Spezialisten. Die meisten sind nicht von Geburt an beeinträchtigt, standen bereits im Berufsleben, und da wollen sie wieder hin. Ist dafür Unterstützung notwendig, sind wir da.
Schrecken viele Arbeitgeber davor zurück, Menschen mit Behinderung einzustellen?
Eine gewisse Verunsicherung und eine damit verbundene Zurückhaltung sind schon spürbar. Es sind oft Vorbehalte, die auf fehlende Informationen zurückgeführt werden können. Zum Beispiel die Sorge, dass Menschen mit Behinderung weniger belastbar sein könnten. Solche Vorbehalte können dann Hemmnisse begründen, die die Integration von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt erschweren. So zielen wir mit unseren Unterstützungsmaßnahmen darauf ab, die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu machen oder idealerweise komplett abzubauen. Um das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe zu erreichen, sind Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern dazu verpflichtet, mindestens 5 Prozent Schwerbehinderte einzustellen – sonst muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden.
Wie können solche Hemmnisse überwunden werden?
Am wichtigsten ist, dass zuerst der qualifizierte Arbeitnehmer gesehen wird und nicht die Behinderung. Also, ist dieser Mensch qualifiziert für die Arbeitsstelle oder nicht. Anschließend kann sich ein Unternehmen die Frage stellen, wie dieser qualifizierte Mitarbeiter in das Unternehmen integriert werden kann und was es hierfür braucht.
An wen können sich Unternehmen wenden, wenn es Fragestellungen zur Integration von Mitarbeitern mit Behinderung gibt?
An uns. Die Agentur für Arbeit, speziell unser Reha-Team, steht hier bei allen Fragen zur Verfügung. Wir helfen gerne weiter. Aber auch vom Integrationsfachdienst (IFD) gibt es für jede Region eine einheitliche Ansprechstelle (EAA), die Arbeitgeber unterstützt. Sowohl bei uns wie auch bei der EAA beraten erfahrene und gut qualifizierte Mitarbeitende und bieten Unterstützung an.
Es gibt viele Arten von Behinderungen. Ob oder wie sich diese einschränkend auswirken, können Arbeitgeber oft schlecht einschätzen. Was kann hierbei helfen?
Lösungen werden dann gefunden, wenn man die gesundheitliche Einschränkung auch kennt. Dafür ist Offenheit und Ehrlichkeit entscheidend, und das basiert natürlich auf Freiwilligkeit. Doch nur so kann realistisch eingeschätzt werden, was der Arbeitnehmer im Stande ist zu leisten und ob der Arbeitgeber einen passenden Arbeitsplatz bereitstellen kann.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten stehen der Agentur für Arbeit zur Verfügung?
Wir haben die Möglichkeit, über den Eingliederungszuschuss (EGZ), also einen Lohnkostenzuschuss, finanziell zu unterstützen. Über diesen Zuschuss und dessen Höhe wird einzelfallbezogen entschieden, auf Basis dessen, ob und wie die Behinderung eines Mitarbeiters dessen Arbeitsalltag beeinträchtigt. Es gibt auch den Ausbildungszuschuss, der sich dann auf die Ausbildungsvergütung bezieht.
Gibt es auch Unterstützungsmöglichkeiten bei der notwendigen Ausstattung und bei Hilfsmitteln?
Ja. Es gibt Unterstützungsmöglichkeiten für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer. Ein Beispiel: Wird beabsichtigt, einen Rollstuhlfahrer einzustellen und man stellt dabei fest, dass der Eingangsbereich nicht barrierefrei ist – es fehlt eine Rampe –, dann kann der Arbeitgeber auf uns zukommen. Wir prüfen den Bedarf und unterstützen nach Möglichkeit finanziell. Das wäre eine typische Arbeitgeberleistung. Bei Arbeitnehmerleistungen geht es dann oftmals um technische Hilfsmittel. Vom höhenverstellbaren Schreibtisch bis zum KFZ-Umbau ist hier vieles denkbar. Alles Maßnahmen, die unterstützen sollen, mögliche Einschränkungen am Arbeitsplatz für den Arbeitsalltag zu minimieren oder komplett abzubauen. Unser Technischer Berater macht sich persönlich einen Eindruck, berät über die bestmögliche Lösung, und dann wird das von uns realisiert.
Die Unterstützungsleistungen sind höchst individuell. Begleiten Sie die Fälle dann längerfristig?
Ja, wir im Team begleiten die Kunden eine ganze Weile. Wir hatten beispielsweise vor einigen Jahren einen Rollstuhlfahrer als Kunden, der eine dreijährige Ausbildung zum Hörgeräteakustiker machen wollte. Hier konnten wir eine ganze Reihe an Unterstützungsmaßnahmen anbringen: Der Betrieb erhielt einen Ausbildungszuschuss. Der Kunde, der aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage war, barrierefrei öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, bekam anfänglich einen Beförderungsdienst bezahlt und später den Führererschein finanziert. Nach der Führerscheinprüfung wurde dann ein behindertengerechter PKW gefördert. Der Kunde hat die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und jetzt einen unbefristeten Arbeitsplatz. Für unser ganzes Team sind das tolle Erfolgsgeschichten, die zeigen, dass die Integration auf dem Arbeitsmarkt funktioniert.
Aus Ihrer persönlichen Erfahrung: Was zeichnet Menschen mit Behinderung aus, falls man das pauschalisieren kann?
Grundsätzlich zeichnet sie aus, dass es sehr engagierte Menschen sind, die trotz ihrer Einschränkungen äußerst flexibel sind. Durch das hohe Engagement würde ich auch von einer höheren Belastbarkeit sprechen. Die Annahme einer geringeren Belastbarkeit trifft aus meiner Sicht überwiegend nicht zu. Die Menschen ziehen sich auch nicht auf ihre Einschränkung zurück, sondern sind bestrebt, das bestmögliche zu leisten. Das hilft auch uns im Reha-Team enorm für eine erfolgreiche und nachhaltige Integration.
Interview: Frank Stumm