interview

Philipp Russ und Julia Herrmann im Interview

Wie organisieren Sie bei Ravensburger das Management für die Einführung von CSR oder CSRD?
Russ: 2022 hat Ravensburger eine eigene Nachhaltigkeitsabteilung gegründet, um die nachhaltige Transformation des Unternehmens und insbesondere unserer Produkte voranzutreiben. Wenn etwa neue Produkte entwickelt werden, steht das Nachhaltigkeitsteam beratend zur Seite und bringt Wissen über nachhaltige Materialien oder Verpackungslösungen ein. Beim Nachhaltigkeitsbericht verfahren wir ähnlich. Dabei legen wir großen Wert auf einen kooperativen Ansatz. Wir „kippen“ nicht einfach Anforderungen in einen Fachbereich, sondern unterstützen bei der Definition neuer Prozesse oder Datenstrukturen. Oft sind beim CSRD-Bericht Daten gefordert, die entweder noch gar nicht existieren oder nicht strukturiert abrufbar sind. Deshalb müssen wir frühzeitig erkennen, wo die höchste Komplexität zu erwarten ist und diese Themengebiete dann fokussieren. Darüber hinaus etablieren wir Managementsysteme wie etwa die Norm ISO 50001 als Grundlage für unser Energiemanagement. Viele dieser Daten können wiederum als „Nebenprodukt“ in unserem Nachhaltigkeitsbericht verwendet werden.
Wie behalten Sie dabei die einzelnen Lieferanten und Länder im Blick?
Herrmann: Die Auswahl und Überprüfung der Lieferanten erfolgen nach klar definierten sozialen und ökologischen Kriterien. Wir setzen auf international anerkannte Standards wie etwa FSC® für Materialien und Produkte oder amfori BSCI/ESCP für Zertifikate unserer Lieferanten bezüglich der Arbeits- und Umweltbedingungen. Um diese Anforderungen klar und transparent zu kommunizieren, haben wir interne Richtlinien aufgesetzt. Diese bieten insbesondere für unsere Einkaufsabteilung die Grundlage für eine verantwortungsvolle Beschaffung. Eine Risikoanalyse bei kritischen Lieferanten findet regelmäßig nach Maßgabe des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, kurz LkSG, statt, die wir mit einer eigens dafür beschafften Software durchführen. Diese Software unterstützt uns zudem bei der Erfassung der Zertifikate unserer Lieferanten und ermöglicht uns einen Überblick über alle Lieferanten einschließlich deren Herkunftsland, Warengruppe und Risikoprofil. Abhilfemaßnahmen bei Verstößen gegen unsere Leitlinien werden ebenfalls in diesem System erfasst. Um sicherzustellen, dass wir globale Standards und lokale Gesetze gleichermaßen einhalten, sind wir international mit verschiedenen Experten in unseren Tochtergesellschaften vernetzt. Zusätzlich erfolgt die Zusammenarbeit mit Verbänden und Arbeitsgruppen, wodurch wir den Überblick über die (inter-) nationalen Standards behalten.
Wie wichtig ist es für Sie, solch ein System zu implementieren, und wie beziehen Sie das Personal dabei mit ein?
Herrmann: Bei Ravensburger beschäftigen wir uns damit bereits seit vielen Jahren über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus. Schon bevor das LkSG in Kraft trat, haben wir bestimmte Standards für Lieferanten vorausgesetzt. Uns sind menschenrechtliche und umweltbezogene Themen wie faire Arbeitsbedingungen sowie Umweltverträglichkeit wichtig, und wir möchten dies auch in der Lieferkette sicherstellen. Unsere Erwartungshaltung an Lieferanten ist daher hoch; sie sollen diese Werte gleichermaßen teilen und in ihre Lieferketten integrieren. Ein effektives System ist deshalb essenziell. Wir setzen zudem auf gezielte Schulungen, interne Workshops und interdisziplinäre Zusammenarbeit, etwa mit der Einkaufsabteilung im Rahmen des LkSGs, um unsere Kollegen aktiv in die Themen und Prozesse einzubeziehen. Wichtige Dokumente, wie etwa unternehmensweite Richtlinien, werden bei Bedarf erstellt und regelmäßig aktualisiert.
Wie genau sparen Sie bei Ravensburger Ressourcen ein?
Russ: Ravensburger beschäftigt sich schon seit einigen Jahren intensiv mit neuen, nachhaltigen Materialalternativen und unterstützt die Entwicklungsabteilungen des Unternehmens mit Wissen und Projektressourcen. Dieses Vorhaben zahlt wesentlich auf unsere Klimastrategie ein, den CO«-Ausstoß bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 2018 zu reduzieren. Dies kann nur gelingen, wenn in großem Umfang nachhaltige Materialien eingesetzt werden. Neben der Klimastrategie hat sich Ravensburger das Ziel gesetzt, Einweg Kunststoffverpackungen weitestgehend abzuschaffen oder durch nachhaltigere Alternativen, etwa Papier, zu ersetzen. Seit 2023 verzichten wir bei nahezu allen unseren Produkten auf die Einschweißfolie. Produktentwicklung, Einkauf und Produktion sind wichtige Partner innerhalb des Unternehmens. Durch ihre Einbindung findet ein Wissens- und Bewusstseinstransfer statt, der sich wiederum positiv auf die Transformationsfähigkeit des Unternehmens auswirkt. All diese (Produkt-) Maßnahmen stärken den hohen Markenwert von Ravensburger und flankieren die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb und außerhalb der EU. Regulatorik, wie zum Beispiel der Green Deal, sind in die Strategieentwicklungen eingeflossen. Im Bereich der nachhaltigen Materialien ist Ravensburger im Begriff, einen neuen Meilenstein beim Einsatz von PCR-Recycling-Kunststoff in Spielwaren zu erreichen. Der Einsatz von recyceltem Kunststoff ist durch strenge Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen limitiert. Im Rahmen eines noch nicht öffentlichen Projekts wird derzeit mit mehreren Kunststoff-Branchenexperten an einer Lösung gearbeitet, geeignete Materialquellen zu identifizieren, ohne unsere hohen Qualitätsansprüche zu konterkarieren. Ein weiteres Beispiel ist die Kugelbahn GraviTrax Junior von Ravensburger: Hier wurde erstmals ein Produkt mit nachhaltigem Kunststoff/ Holz-Gemisch bis zur Serienreife entwickelt. Die Produktion findet in der unternehmenseigenen Fertigung in Tschechien statt. Das verwendete Material besteht zu rund 60 Prozent aus ISCC-Pluszertifiziertem Bio-Kunststoff und zu rund 40 Prozent aus Holz, was den CO«-Fußabdruck erheblich senkt.
Interview: Stefan Kesenheimer, Gudrun Hölz