Kein Ende der Geschichte – im Tumult der Gegenwart

Karl Schlögel referierte vor der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte

Über 250 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kultur begrüßte IHK-Präsident Heinz-Herbert Dustmann am 27. April 2023 im Großen Saal der IHK zu Dortmund. Anlass war der traditionelle Jahresvortrag der Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte (GWWG), den in diesem Jahr der Historiker Karl Schlögel, ein ausgewiesener Experte für die Geschichte Osteuropas und medial sehr gefragter Kenner der Ukraine, hielt.
Schlögel lieferte in seinem Vortrag „Kein Ende der Geschichte – im Tumult der Gegenwart“ keine Prognosen, was den weiteren Verlauf des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine angeht. Er analysierte vielmehr die aktuelle Situation und sprach vom Ende der Illusionen in einer von westeuropäischen Demokratien dominierten Weltordnung seit der Zeitenwende vom 24. Februar 2022. Erst diese Zäsur, so Schlögel, hätte dazu geführt, dass die Ukraine als Staat neben Russland überhaupt von den westeuropäischen Staaten wahrgenommen wurde.
Kennzeichen des Tumults der Gegenwart seien die große Ohnmacht und Sprachlosigkeit angesichts der Bilder der Gewalt, die zum medialen Alltagsgeschäft geworden seien. Diese Bilder machten deutlich, was Putin mit seinem Angriff auf die Ukraine bezwecke: die Auslöschung eines europäischen Staates. Schlögel charakterisierte die russische Invasion in der Ukraine als „Desillusionierung“ und fragte gleichzeitig, wie man sich als Gesellschaft vor der Verführung durch Utopien und Verschwörungstheorien schützen könne. Die Selbstinszenierung eines Diktators neuen Typs prägten die mediale Öffentlichkeit Russlands. Putin beherrsche die „Rituale der Macht“, was Schlögel als „soft power“ von Diktatoren bezeichnete.
Hellwach und auf alles gefasst sein und nicht in Panik zu verfallen, so lautete Schlögels Schlusscredo, das er dem ergriffen zuhörenden Publikum mit auf den Weg in den weiteren Abend gab.

Zudem stand eine Verabschiedung an: Der Direktor des Westfälischen Wirtschaftsarchivs, Dr. Karl-Peter Ellerbrock, geht nach 27 Jahren erfolgreicher Tätigkeit in den Diensten der westfälischen Wirtschaftsgeschichte in den Ruhestand. Ellerbrock hatte sich Karl Schlögel als Referenten für seinen letzten Jahresvortrag ausdrücklich gewünscht. Die Nachfolge als Direktorin des WWA tritt Dr. Kathrin Baas an.



28. April 2023