Vorkasse im Online-Handel: nur nach Vertragsabschluss erlaubt
Viele Onlineshops bieten über ihre Website die Option „Vorkasse” an und verlangen dann die Zahlung des vollen Kaufpreises der bestellten Ware. Sollte der Kaufvertrag aber erst mit Lieferung der bestellten Ware wirksam sein, ist dies nicht zulässig. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg in einem Rechtsstreit zwischen dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und dem Onlineshop eines Discouners entschieden.
1. August 2024
Im vorliegenden Fall bot der Discounter in seinem Onlineshop Waren an, bei denen der Kaufvertrag erst mit der Lieferung wirksam wurde. Gleichzeitig mussten Kunden bei Auswahl der Zahlungsoption „Vorkasse“ den gesamten Kaufpreis innerhalb von sieben Tagen überweisen. Das Gericht urteilte, dass diese Praxis die Verbraucher unzulässig benachteiligt, da sie zur vollständigen Zahlung verpflichtet wurden, ohne dass ihnen vertragliche Erfüllungsansprüche zustanden.
In den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Discounters war festgelegt, dass der Vertrag erst mit der Zustellung der Ware zustande kommt. Die AGB enthielten zudem folgende Angaben zu den Lieferzeiten: etwa ein bis drei Werktage für Paketzustellungen und etwa zehn Werktage für Speditionslieferungen. Bei Vorkasse-Zahlung verlängerten sich diese Fristen um weitere drei Werktage. Das Gericht stellte fest, dass diese Regelung die Kund*innen erheblich benachteiligt, da sie das Risiko von Lieferverzögerungen trugen und keine vertraglichen Ansprüche hatten, um ihre Leistungspflicht durchzusetzen. Bei Lieferschwierigkeiten konnten sie zwar ihr Geld zurückverlangen, jedoch nicht auf die Lieferung bestehen oder Schadensersatz einfordern.
Ein weiteres Problem war das Insolvenzrisiko des Unternehmens während der unklaren Lieferzeiten. Die Verbraucher*innen konnten nicht abschätzen, wie lange sie an ihre Bestellung gebunden waren und trugen somit über einen längeren Zeitraum das Risiko, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Das Gericht hob hervor, dass die Verpflichtung zur Vorauszahlung vor Vertragsabschluss zu einer erheblichen Liquiditätseinbuße führte.
Zusätzlich rügte das OLG die unklaren Lieferzeiten, da die Verbraucher*innen nicht einschätzen konnten, wie lange das Unternehmen das mit der Bestellung angegebene Angebot noch annehmen könne. Somit trugen sie über den gesamten Zeitraum bis zur Lieferung das Insolvenzrisiko des Onlineshops.
Nach der Bewertung des Senats widerspricht diese Praxis dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des Paragraf 311 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wonach eine Verpflichtung zur Erbringung einer Leistung erst dann besteht, wenn hierfür ein Rechtsgrund existiert, also eine wirksame Verpflichtung begründet wurde. Das Prinzip besagt, dass bei sogenannten entgeltlichen Austauschverträgen keine Vertragspartei eine Leistung erbringen muss, ohne selbst die entsprechende Gegenleistung beanspruchen zu können.
Das Urteil des OLG Nürnberg ist rechtskräftig. Der Discounter muss seine AGB entsprechend ändern, um den Vorgaben des Gerichts zu entsprechen.
Quelle: OLG Nürnberg, Urteil vom 30.01.2024, Az.: 3 U 1594/23
Kontakt
Kristina Hirsemann
Bereich:
Unternehmen und Standort
Themen: AGBs, Lebensmittelrecht, Vertragsrecht