Unternehmen und Märkte

Der Stoff der Zukunft

Sebastian Niehoff sieht in der Nutzung von Wasserstoff einen wichtigen Schritt für eine zukunftsfähige Energieversorgung. Schon vor 15 Jahren arbeitete er in einer Firma, die Notstromanlagen mit Wasserstoff entwickelte. Vor fünfeinhalb Jahren gründete er dann sein Unternehmen BEN-Tec in Rheine, eine Planungs- und Ingenieurgesellschaft sowie die H2 Powercell GmbH in Wettringen, in der Brennstoffzellen gebaut werden.
„Nur ganz am Anfang mussten wir Kunden von der neuen Energietechnologie überzeugen“, berichtet Niehoff. Heute sei Wasserstoff ein Hype und auch große Unternehmen kämen auf ihn zu. „Gerade für energieintensive Betriebe ist ein Energiekonzept auf Basis von Wasserstoff ein Riesenthema“, weiß der Gründer. Seine Unternehmen mit insgesamt rund 50 Mitarbeitern beraten Betriebe und Privathaushalte zu dieser alternativen Energiequelle, entwickeln Energiekonzepte und bauen mit der H2 Powercell die entsprechenden Energieträger auch selbst.

Viel Bedarf, wenig Fachleute

„Der Energiemarkt ist in Aufregung“, sieht Niehoff viel Potenzial. Doch in der gesamten Branche könne gar nicht so viel umgesetzt werden, wie Bedarf sei, denn es gäbe noch viel zu wenig spezialisierte Fachkräfte im Wasserstoffbereich. In der Forschung und Entwicklung in größeren Unternehmen und an den Hochschulen sei man hier schon weiter. Für Niehoff arbeiten Software-, Elektro-, und Versorgungsingenieure, sowie Maschinenbauer und Verfahrenstechniker. „Bei den Ausbildungsberufen wie dem Technischen Systemplaner gibt es jedoch noch viel zu tun“, weiß sein Ausbildungsleiter Tom Krey.

BEN-Tec ging voran und hat den Ausbildungsplan in diesem Beruf „mit Wasserstoff gespickt“, so Niehoff. Joshua Boschanski hat gerade seine Ausbildung Technischer Systemplaner in der Fachrichtung Versorgungs- und Ausrüstungstechnik mit gutem Ergebnis abgeschlossen. Für die praktische Prüfung im Unternehmen baute er eine Brennstoffzelle für ein Mehrfamilienhaus. In der Berufsschule in Münster sei er jedoch der Erste seiner Zunft gewesen, berichtet Boschanski. Einige Mitschüler waren wohl am Thema Wasserstoff interessiert, doch keiner hätte diesen wichtigen Energieträger „so richtig auf dem Plan gehabt“, stellte er fest.

Ausbildung anpassen

Da sei es sicherlich sinnvoll und vor allem notwendig angesichts der Herausforderungen der Energiewende, in der theoretischen und praktischen Ausbildung einiges an die neuen Bedingungen der alternativen Energieträger anzupassen, sind sich Krey und Niehoff einig. Die Nachfrage sowohl im industriellen als auch im privaten Bereich sei enorm. Doch die Fachkräfte gerade in den Ausbildungsberufen seien noch nicht in genügender Anzahl verfügbar. „Wir können uns daher in der Planung und auch im Verkauf unserer selbst entwickelten Brennstoffzellen zunächst nur auf den deutschen Markt begrenzen, auch wenn die Nachfrage aus dem Ausland da ist“, erläutert Niehoff seine Geschäftstätigkeit.
Sein erfolgreicher Auszubildender Joshua Boschanski hatte zuvor bereits eine Ausbildung zum umwelttechnischen Assistenten absolviert. „Bei BEN-Tec habe ich dann die stürmische Entwicklung des Betriebs miterlebt und durfte sie mitgestalten“, berichtet er. Die Begeisterung für das Thema Wasserstoff als Energieträger teilt er auf jeden Fall mit der gesamten Belegschaft. Daher bleibt er auch während seines anschließenden Studiums der Energiewirtschaft mit Schwerpunkt Wasserstofftechnik in Ulm seinem Ausbildungsbetrieb als Planer im mobilen Arbeiten verbunden. „Er ist nicht der erste Mitarbeiter, der für uns von außerhalb tätig ist“, erzählt Niehoff. „In der Planung der Anlagen lässt sich sehr flexibel arbeiten. Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Hamburg, Chemnitz oder in Recklinghausen sitzen.“ Die Arbeitsprozesse bei BEN-Tec und H2 Powercell seien jung und modern, was wiederum auch junge Fachkräfte aus Berlin nach Rheine gezogen hat.

Mittelstand und Forschung zusammenbringen

„BEN-Tec hat bei seiner Ausbildung über den Tellerrand geschaut und die Ausbildungsinhalte des klassischen Technischen Systemplaners um die neuen Herausforderungen ergänzt,“ bestätigt Petra Mädel das Engagement im Betrieb. Sie hat als Ausbildungsberaterin der IHK Nord Westfalen das Unternehmen und dessen Azubis begleitet. „Die technischen Zeichnungen mussten unter anderem anders als in der Berufsschule gelernt angelegt werden, das haben Herr Boschanski und Herr Krey sehr gut umgesetzt“, nennt sie ein Beispiel. Entscheidend sei, dass Technische Systemplaner und auch andere Auszubildende wie angehende Industriemechaniker oder Elektroniker für Betriebstechnik in ihren Ausbildungen auf den Energieträger Wasserstoff eingewiesen werden.
Die IHK ist auch Partnerin der Initiative „H2!Raum Mittelstand Ruhr 2023“ (H2R), die die Verbindung zwischen dem Bedarf in mittelständischen Unternehmen und Innovationen aus der Wasserstoff-Forschung herstellt. Sven Wolf, IHK-Geschäftsbereichsleiter Weiterbildung und Unternehmensförderung, ist im Lenkungsbereich der Initiative engagiert. Außerdem befindet sich ein Projekt zur Weiterbildung von Fachkräften im Bereich Wasserstoff in der Planungsphase. Die Schritte auf dem Weg in die die alternativen Energiesysteme werden so größer. Denn „Wasserstoff ist schon lange kein Hype mehr, sondern ein wichtiges Thema bei den nachhaltigen Energielösungen“, stellt Sebastian Niehoff heraus.