Aktionärsrechte gestärkt

Wann darf dem Vertreter eines Aktionärs die Teilnahme an der Hauptversammlung verweigert werden?

Aktionärinnen und Aktionäre dürfen an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (AG) teilnehmen. Dies ist ein grundlegendes Mitgliedschaftsrecht. Eine Einschränkung kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie erforderlich ist, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Hauptversammlung sicherzustellen. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig musste nun entscheiden, unter welchen Umständen dem Vertreter eines Aktionärs die Teilnahme verweigert werden darf.
29. Juli 2024
Aktionäre dürfen ihr Teilnahmerecht an der Hauptversammlung entweder persönlich ausüben oder sich durch einen Vertreter vertreten lassen. Vor dem OLG Schleswig stritten eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft und eine Aktionärin, die 10 Prozent des Grundkapitals besitzt, über die Gültigkeit verschiedener Hauptversammlungsbeschlüsse, die ohne Anwesenheit ihres Vertreters gefasst wurden.
Die AG hatte zur Hauptversammlung unter Angabe der Tagesordnungspunkte geladen. Am Tag der Versammlung erschien der Rechtsanwalt der Aktionärin als Vertreter, um an der Hauptversammlung teilzunehmen. Die Satzung der AG sah keine besonderen Voraussetzungen für die Teilnahme vor, insbesondere wurde kein schriftlicher Nachweis zur Bevollmächtigung gefordert. Es wurden lediglich bestimmte Anforderungen an die Person des Vertretenden gestellt, zu denen insbesondere Rechtsanwälte gehörten.
Ein Vorstandsmitglied der AG verweigerte dem Rechtsanwalt den Zutritt, sodass weder die Aktionärin noch ihr Vertreter an der Hauptversammlung teilnehmen konnten. Obwohl der Rechtsanwalt die Aktionärin bereits bei früheren Hauptversammlungen vertreten hatte, behauptete die AG nun, er habe sich bei diesen Versammlungen „ungebührlich verhalten“, unter anderem durch wiederholtes lautes Auftreten, das vom Versammlungsleiter nicht beruhigt werden konnte.
Das OLG Schleswig entschied, dass das Teilnahmerecht der Aktionärin verletzt wurde, da ihr Vertreter zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen wurde. Die Satzung der AG machte die Teilnahme weder von einer Anmeldung abhängig noch bestimmte sie, wie die Berechtigung zur Teilnahme oder zur Ausübung des Stimmrechts nachzuweisen sei. Daher war der Rechtsanwalt nicht verpflichtet, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen. Es bestand zudem auch kein Zweifel an seiner Identität als anwaltlicher Bevollmächtigter, da mindestens ein Vorstandsmitglied den Rechtsanwalt bereits von früheren Versammlungen kannte.
Es lagen auch keine anderen Gründe vor, die die Verweigerung des Zutritts gerechtfertigt hätten. Das behauptete „ungebührliche Verhalten“ war kein ausreichender Grund, um das grundlegende Mitgliedschaftsrecht eines Aktionärs auf Teilnahme und Stimmabgabe bei der Hauptversammlung einzuschränken. Das OLG betonte, dass aus vergangenem Verhalten nicht automatisch auf zukünftiges Verhalten geschlossen werden könne. Eine Hauptversammlung sei zudem keine „Wohlfühlveranstaltung“ und es dürfe auch mal „laut werden“, solange keine Gesetzesgrenzen überschritten würden.
Die Verletzung des Teilnahmerechts der Aktionärin stellt einen selbstständigen und stets relevanten Anfechtungsgrund gemäß Paragraf 243 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) dar. Das Landgericht gab daher der Klage statt und erklärte die angefochtenen Hauptversammlungsbeschlüsse für nichtig.
Quelle: OLG Schleswig, Urteil v. 07.02.2024 Az: 9 U 41/23
Kristina Hirsemann
Bereich: Unternehmen und Standort
Themen: AGBs, Lebensmittelrecht, Vertragsrecht