10.11.2023

Walter Nussel: "Das Land nicht in Geiselhaft nehmen"

IHK für Oberfranken Bayreuth diskutiert mit dem Beauftragten für Bürokratieabbau

Erschüttert zeigt sich Dr. Michael Waasner, Präsident der IHK für Oberfranken Bayreuth, über die große Zahl von Unternehmen, die sich im Rahmen einer aktuellen IHK-Aktion nicht einmal anonymisiert zu konkreten bürokratischen Hemmnissen äußern wollen, weil sie negative Erfahrungen haben mit Restriktionsdrohungen durch Behördenmitarbeiter.

Zu einem intensiven Gedankenaustausch kam es zwischen den Vertretern der Fachausschüsse Handel und Tourismus der IHK für Oberfranken Bayreuth und Landtagsabgeordneten Walter Nussel, dem Beauftragten für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung. Nussel, der seit Februar 2017 Beauftragter für den Bürokratieabbau ist, wurde erst am 8. November in dieser Funktion bestätigt.

Der Begriff "Wachstum" ist in der Wirtschaft eigentlich positiv belegt. Nicht so, wenn es um wachsende Bürokratie geht, wenn der Aufwand für Berichte, Nachweispflichten, statistische Daten oder Genehmigungen seit Jahren explosionsartig steigt. IHK-Vertreter und Nussel sind sich einig, dass überflüssige und nicht zielführende Bürokratie auf allen Ebenen bekämpft werden müssen.

Umfrage: Bürokratieabbau dringlichste Aufgabe

In einer aktuellen Umfrage der IHK für Oberfranken Bayreuth geben 55 Prozent der befragten Unternehmen an, dass "Bürokratieabbau" die dringlichste Aufgabe der neuen bayerischen Staatsregierung sein müsse. Waasner lobt deshalb auch die Aussagen aus dem Koalitionsvertrag zum Bürokratieabbau: "Herr Nussel, wir bitten Sie inständig, ein Auge darauf zu haben, dass es nicht nur bei Absichtserklärungen bleibt, sondern diese Punkte auch konsequent umgesetzt werden."

Bei der Übergabe der Resolution der beiden IHK-Fachausschüsse "Regionaler Bürokratieabbau" und des Schwarzbuchs "Bürokratie aus der Unternehmerpraxis" betont Dr. Waasner, dass bürokratischen Hürden den Unternehmerinnen und Unternehmern das Leben schwer machen: "Nicht ab und an, sondern praktisch ohne Zeit zum Luftholen."

Unternehmen befürchten Restriktionen bei offener Kritik

Er macht aber auch deutlich, dass die IHK auf ausdrücklichen Wunsch der Unternehmen nur einen Teil der Meldungen publik machen darf. "Der Grund dafür hat mich sehr bewegt, um nicht zu sagen, erschüttert", macht Dr. Waasner deutlich. "Eine nicht unerhebliche Zahl an Unternehmen hat uns eindringlich gebeten, Anonymität zu wahren. Nicht nur in Bezug auf die Namensnennung des Unternehmens, sondern auch, was die Branche oder den Sachverhalt angeht. Sie möchten auf keinen Fall, dass irgendetwas zu ihnen zurückverfolgt werden kann." Der Hintergrund: Die betroffenen Unternehmen haben bereits negative Erfahrungen mit Restriktionsdrohungen durch Behördenmitarbeiter gemacht.

Fitnesscheck für Bayerns Behörden

Auch Nussel zeigt sich betroffen und macht klar: "Behörden müssen Dienstleister für Unternehmen sein und nicht umgekehrt!". Deswegen wurde auch der 8-Punkte-Plan "Fitnesscheck für Bayerns Behörden" entwickelt. Nussel fordert alle betroffenen Unternehmen auf, sich bei Problemen mit Bürokratie absolut vertrauensvoll an ihn zu wenden. Er werde dann – unter Wahrung der Anonymität – auf die entsprechenden Behörden zugehen. Er selbst sei nur dem Ministerpräsidenten und dem Landtag berichtspflichtig, was seine Unabhängigkeit garantiere.

"Die Angst vor Fehlern und die Furcht, haftbar gemacht zu werden, ist das Hauptproblem", macht Nussel klar. "Die Mitarbeitenden der Behörden bräuchten wieder mehr Spielräume in einem sicheren Rechtsrahmen. Ein gewisses Restrisiko müssen wir akzeptieren. Es lässt sich eben nicht alles absichern." Dies dürfe aber nicht zu Lasten der Behördenmitarbeiter gehen.

Frühwarnsystem in Brüssel etablieren

In der Diskussion, was man verbessern könne, kam von IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm der Hinweis, dass Regelungen aus Brüssel und vor allem deren Auswirkungen erst sehr spät bemerkt werden. Er schlägt deswegen vor, die bayerische Vertretung in Brüssel zu einer Art "Frühwarnsystem" aufzurüsten.

Beispiele für unnötigen bürokratischen Aufwand kamen einige zur Sprache. Etwa bei der Digitalisierung. In vielen Dingen reiche eine digitale Ablage nicht, vielmehr müssten auch noch Ausdrucke aufbewahrt werden, oft in mehrfacher Ausfertigung für unterschiedliche Verwendungszwecke. Das sei ein Beispiel von vielen, das zeige, wie wichtig es sei, dass Gesetze und Verordnungen aus der Praxis kommen müssen. Nussel: "Sonst nimmt man das ganze Land in Geiselhaft." Bei der Bekämpfung überflüssiger Bürokratie seien die IHKs für ihn wichtige Verbündete. Eine intensivere Zusammenarbeit würden beide Seiten begrüßen.