Akzeptanz von Tourismus

Baustelle zur Schaustelle machen

Der Tourismus boomt: Überall entstehen neue Hotels, wird moderne Infrastruktur geschaffen. Die umfangreichen, langwierigen Baumaßnahmen müssen reibungslos in den Gästebetrieb integriert werden.
Es war die Chance, die touristische Infrastruktur in Büsum auf den neuesten Stand zu bringen – das erste Mal seit 1962. "Innerhalb von drei Jahren haben wir eine attraktive Badebucht, einen erneuerten Deich und attraktive Wege geschaffen", erzählt Olaf Raffel, Geschäftsführer des Tourismus Marketing Service Büsum, nicht ohne Stolz. Insgesamt wurden 21 Millionen Euro an Stadt-, Landes- und Bundesmitteln verbaut. "Heute schon hat dieser Impuls zu privaten Investitionen von rund 75 Millionen Euro, zum Beispiel für neue Hotels, geführt." Ein ähnliches Bild ergab sich in Heiligenhafen: 20 Jahre lang wurde nichts in die Infrastruktur investiert. "Damals hatten wir keine Hotellerie", sagt Tourismuschef Manfred Wohnrade. Mittlerweile schmücken zwei neue Lifestyle-Hotels den Uferstreifen, ein Feriendorf entsteht.
"Wir sind das Thema frühzeitig in öffentlichen Sitzungen in der Nebensaison angegangen", so Raffel. "Man muss die Einwohner mitnehmen, nicht nur die Gäste." Der Förderbescheid sei schließlich im Winter 2012 gekommen, an eine Bauphase im Winter sei aufgrund des Flutschutzes durch den Deich allerdings nicht zu denken gewesen. Der Büsumer Tourismuschef sagt: "Es war für uns eine touristische OP am offenen Herzen - der Hauptstrand war in der Hauptsaison nicht nutzbar." Als das bekannt wurde, haben die Touristiker als Erstes die Gäste angeschrieben, die bereits für den Sommer gebucht hatten. "Nicht eine Handvoll hat storniert." Den Unternehmen stellte der Tourismusservice einen Newsticker für ihre Websites zur Verfügung. Auch einen Newsletter und eine Scheckkarte mit allen Infos, die an Gäste versandt wurde, legten Raffel und sein Team auf. Dass die Übernachtungszahlen während der Bauphase nicht - wie anhand anderer Beispiele erwartet - um bis zu 40 Prozent sanken, sondern nur um sieben Prozent, führt Raffel auf die breit angelegte Kommunikationsstrategie zurück.
In Heiligenhafen halfen auch Social-Media-Plattformen bei der Kommunikation. "In den Gruppen wurde kontrovers diskutiert", berichtet Wohnrade. "Wir haben offen über die Fortschritte informiert." Oft existiere gefährliches Halbwissen, gegen das nur Information helfe. "Einmal war der Investor des neuen Feriendorfs gerüchteweise pleite, nur weil der Bau eine Zeit lang ruhte. Da haben wir einen Tag der offenen Tür gemacht, um dagegen anzusteuern." Ähnliches hat auch Raffel initiiert. Zwei Baustellenführer zeigten mehr als 5.000 Einheimischen wie Gästen die Baustellen in der Familienbucht und am Deich. 
Einen Rückschlag musste die Gemeinde Büsum hingegen bei der Planung rund um das kommende Hotel Lighthouse hinnehmen. In der Gemeindevertretung waren zehn Mitglieder dafür, sieben dagegen, eine Klappbrücke als Hotelzufahrt am Ende des Museumshafens zu bauen. Ein Bürgerbegehren führte zu einem Bürgerentscheid, der wiederum mit 58 zu 42 Prozent gegen die Brücke ausfiel. "Das Demokratieverständnis wird kleinteiliger", sagt Raffel. "Der Bürger möchte mitgenommen werden im Entscheidungsprozess." Von oben oder gar von außen einem Ort ein Konzept überzustülpen sei nicht mehr zeitgemäß, so der 46-Jährige. Gut sei aber, dass ein "Nein" zum Brückenbau für den Investor kein K.-o.-Kriterium für das Projekt gewesen sei. Wie Raffel unterstreicht auch sein Kollege aus Heiligenhafen: "Einstimmige Beschlüsse in der Politik sind für solche Projekte stark akzeptanzfördernd." Letztlich sei offene Kommunikation entscheidend - von Beginn an und auf allen Ebenen. "Und man sollte dabei agieren, nicht reagieren", so Wohnrade. Den Erfolg spüren beiden Touristiker bereits nach kurzer Zeit: In Heiligenhafen stiegen die Anreisen 2016 um 20 Prozent, die Übernachtungen um 18 Prozent, verglichen mit dem Vorjahr. Büsum hatte 2016 das beste Tourismusjahr überhaupt. Noch mal sechs Prozent kamen bei den Übernachtungen im Vergleich zum Rekordjahr 2015 hinzu.
Daniel Kappmeyer
Veröffentlicht am 2. März 2017