Unternehmensnachfolge im Tourismus

„Herzblut ist die Grundvoraussetzung“

Von 5.200 schleswig-holsteinischen Tourismusbetrieben beginnen in den nächsten Jahren 20 bis 25 Prozent mit der Übergabe. Das Ernüchternde: Auf einen Interessenten kommen 6,5 Unternehmen. Drei Unternehmen berichten, was es heißt, ein Hotel, ein Restaurant oder einen Campingplatz zu übernehmen.
Hilke Flebbe überraschen die Zahlen nicht. Seit 1984 betreibt sie das Klassik Altstadt Hotel in Lübeck, das sie seit 2019 gemeinsam mit ihrem Sohn Alexander führt. „Als Privathotellerie steht und fällt jeder Unternehmer mit dem Erfolg seines Tuns – mit seinem gesamten Kapital. Das ist viel Verantwortung. Zusätzlich ist der Beruf des Hoteliers vielseitiger geworden. Digitalisierung, Bürokratie, steigende Energie- und Personalkosten sind Posten, die wir nicht beeinflussen können. Sich in dieser schnelllebigen Zeit durchzusetzen, ist eine große Herausforderung“, sagt Hilke Flebbe.
„Ich hätte Respekt davor, heutzutage ohne Erfahrungswerte ein Restaurant oder ein Hotel zu eröffnen. In dieser Branche muss man viel gesehen haben und viel Kraft einsetzen“, sagt Marco Plewa. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Kai Schmolinske übernahm er 2019 die Pacht im Herrenhaus Stockelsdorf. Wie hart Krisen auch erfahrene Gastronomen treffen können, mussten sie in der Pandemie und den darauffolgenden Jahren erleben. Ihren Plan, mit ihrem bereits erfolgreich bestehenden Hamburger Event-Catering zu expandieren, gaben sie auf, schlossen 2023 den Standort in der Hansestadt und konzentrierten sich auf das Potenzial des Herrenhauses. „Wir hätten aufhören können, aber wir sind hartnäckig. Die Beweggründe sind in unserer Branche entscheidend. Wer aus Geldgründen übernehmen möchte, sollte gar nicht erst anfangen. Die Grundvoraussetzung ist Herzblut“, sagt Schmolinske.
Als Anna Jaensch 2020 den Campingplatz Naturpark-Camping Prinzenholz von ihrer Mutter Gerlinde Jaensch übernimmt, verändert sie viel. „Ich wollte das Gefühl haben, dass der Campingplatz das ausdrückt, was ich vermitteln möchte. Ich bin Risiken eingegangen, indem ich Sachen ausprobiert habe, die es noch nicht gab. Mutig sein lohnt sich“, sagt die ehemalige Marketingexpertin. Ihre Ideen – Glamping, Events für Kinder, ein Café und mehr – modernisierten das Auftreten des Eutiner Campingplatzes und verjüngten das Publikum. Für die Umsetzung ging sie Kooperationen mit regionalen Betrieben ein, um den nachhaltigen Grundgedanken ihrer Mutter beizubehalten. „Die Veränderungen waren trotzdem schwierig für sie. Als sie sah, wie gut es funktionierte, hat sie Vertrauen gefasst“, erinnert sich Jaensch. Obwohl sie die Erfahrung ihrer Mutter schätzt, wollte sie die Verantwortung allein tragen. So fühle sie sich freier, Entscheidungen zu treffen. „Ich finde, den Part des Elternseins muss man irgendwann loslassen“, sagt Jaensch.
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Anna Jaensch in einem Camping Pod - gerade hochwertige Unterkünfte seien derzeit beliebt. © Agentur 54°/Felix König
Das Loslassen des Klassik Altstadt Hotels sei schwierig für sie gewesen, sagt Hilke Flebbe. „Es ist als Mutter meine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass mein Sohn sich entfalten kann.“ Die Herausforderung spürte auch Alexander Flebbe zu Beginn der Übergabe. „Meinen Wunsch nach Weiterentwicklung in einem eingespielten Team durchzusetzen, war eine große Aufgabe“, sagt er. Als Kulturhotel besitzt das Klassik Altstadt Hotel seit mehr als 40 Jahren ein Alleinstellungsmerkmal. Für Alexander Flebbe ist es wichtig, die Ausrichtung weiterzuführen. „Unsere Mitarbeitenden und auch ich identifizieren uns mit diesen Werten. Warum soll ich eine Strategie verändern, wenn sie erfolgreich ist? Wir müssen nur regelmäßig prüfen, ob unsere Herangehensweise zeitgemäß ist“, findet der gelernte Hotelfachwirt. „Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Ehrlich zu kommunizieren, sei für den Erhalt ihrer Tradition unerlässlich. „Konflikte haben wir keine, da wir unsere unterschiedlichen Meinungen offen und ehrlich ausdiskutieren. Ganz nach unserem Hausmotto ‚Der Vergangenheit verbunden, der Zukunft entgegen‘ haben wir das operative Geschäft verbessert, und es sind großartige und vernünftig strukturierte Formate entstanden“, erzählt Hilke Flebbe erfreut.
„Kritikfähig zu bleiben, ist essenziell“, sagt Schmolinske. „Wir müssen als Geschäftspartner miteinander sprechen, sonst kommen wir nicht weiter, und am Ende kommt etwas dabei heraus, wo wir beide absolut dahinterstehen.“ Um in der Branche bestehen zu können, sei es notwendig, auf neue Faktoren einzugehen, findet Plewa. „Wer in seinen Strukturen zu gefestigt ist, gehört zu den Auslaufmodellen. Generationskonflikte sind da ein Paradebeispiel. Stillstand ist fatal, weil unsere Zeit zu schnelllebig ist“, sagt er.
Swantje Altenburg
Veröffentlicht März 2024