Kreative Wege der Mitarbeitergewinnung

Potenziale voll entfalten

Egal ob in der Baubranche, Pflege oder im Tourismus. Viele Branchen suchen verzweifelt nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Laut Studien fehlen in Schleswig-Holstein bis 2035 demografiebedingt rund 180.000 Fachkräfte. Drei Unternehmen aus dem Gastgewerbe gehen dabei kreative Wege der Mitarbeitergewinnung.
So zum Beispiel Carsten Fedder vom Gut Schirnau: Der landwirtschaftliche Betrieb in der Nähe von Rendsburg liegt direkt am Nord-Ostsee-Kanal. Auf rund 200 Hektar Land baut er dort unter anderem Kartoffeln an. Die gehen, in 2,5 Kilo-Beutel verpackt, in den Handel. Um Kontakt zu seinen Kunden zu haben, hat Fedder sich eine besondere Art der Kommunikation ausgedacht. “Wir legen jeder Tüte Kartoffeln eine Visitenkarte bei“ sagt er. Angefangen hat er damit, als eine Kartoffelsorte Flecken aufwies. “Ich wollte den Kunden erklären, dass man die Kartoffeln trotzdem bedenkenlos essen kann“, erklärt er. Mittlerweile informiert Fedder so über den Anbau oder macht Werbung für die Kurse der gutseigenen Kochschule. Als er dafür eine neue Hauswirtschafterin suchte, hat er dies über die Visitenkarten verbreitet und wurde fündig. “Wenn die Visitenkarten erst mal bei den Kunden zuhause auf dem Küchentisch liegen, werden sie auch angeguckt“, sagt Carsten Fedder.
Das funktioniere besser als eine Anzeige in der Zeitung, die einfach überblättert wird, hat er festgestellt. Laut dem aktuellen Saisonbericht Tourismus der IHK Schleswig-Holstein geben 90 Prozent der befragten Betriebe den Fachkräftemangel als größtes Problem ihrer Branche an. Dazu gehört auch die Azubi-Suche. Ein Thema, das Petra Tiessen und ihre Tochter Louise Tiessen, Geschäftsführerinnen der Hotelkette New Hampshire GmbH, ein Familienunternehmen aus Koldenbüttel, zur Genüge kennen. In ihren Hotels in Tönning und Friedrichstadt und dem Restaurant in Maasholm bildet sie Hotel- und Restaurantfachleute sowie Köche aus. Als die Suche nach Lehrlingen in Deutschland keine Resonanz zeigte, begann sie, auch im Ausland zu suchen. “Wenn man jahrelang vergeblich sucht, guckt man irgendwann über den Tellerrand“, sagt Tiessen. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im März 2020 in Kraft trat und Fachkräften mit beruflicher Ausbildung die Einwanderung nach Deutschland zu Arbeitszwecken erleichtert, half bei der Umsetzung.
Zwölf junge Menschen aus Marokko und Tunesien starteten so im Sommer 2021 ihre Ausbildungen bei Tiessen, acht von ihnen sind noch dabei. Sie alle haben das Azubi-Gesuch auf der Internetseite der Hotelkette gefunden. Um den ausländischen Nachwuchskräften den Start zu erleichtern, schufen die Tiessens ein eigenes Integrationsprogramm. Sie stellten einen Integrationsbeauftragten ein, der die Azubis in Deutsch unterrichtet, brachten die jungen Nordafrikaner in den Betrieben unter und banden sie ein in den Firmen- und Familienverbund. Damit schufen sie ein Programm, das es so bisher noch nicht gab. Familie Tiessen weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, in einem fremden Land anzukommen. “Es reicht nicht, jemanden nur ins Land zu holen. Integration erfordert tägliche Auseinandersetzung und das gegenseitige Verständnis“, sagt sie. Und diskutiert wurde viel. Von Pünktlichkeit bis Respekt oder die Essenvorschriften des Korans. “Über die Frage, wie man einen muslimischen Koch in französischer Küche ausbildet, wenn er Speisen, die Schweinefleisch oder Alkohol enthalten, nicht probiert, haben wir im Vorfeld viel gesprochen und Lösungen gesucht.“
Auch für das nächste Lehrjahr sucht Petra Tiessen wieder im Ausland nach Azubis. Dafür hat sie unter anderem verschiedene Internationale Schulen im Ausland angeschrieben und ihnen ihr Programm vorgestellt. “Wir denken, dass wir damit einen Weg für die Zukunft bauen.
Auf Mitarbeitersuche ist auch Bosse Willenberg. Der Direktor des Hotel SeeLoge, das im Sommer 2022 in Eutin eröffnen soll, hat dabei eine andere Ausgangslage. Denn das Haus mit seinen 44 Zimmern, Restaurant, Veranstaltungsraum und Saunabereich wird ein Inklusionshotel. Gebaut von der gemeinnützigen Gesellschaft “Die Ostholsteiner“ wird es betrieben von deren Tochterfirma, der Ostholsteiner Dienstleistungsgesellschaft (OHDG). Das Inklusionsunternehmen schafft sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. 40 Prozent der 35 Mitarbeiter werden einen Schwerbehindertengrad von mindestens 50 Prozent haben, so Willenberg.
Das können Menschen mit Behinderungen sein, aber auch mit starker Diabetes, chronischen Krankheiten oder einer ausgeprägten Lernschwäche. Je nach Baufortschritt möchte Willenberg im Juni mit einem Soft-Opening in die Voreröffnungsphase gehen, im Juli soll dann der offizielle Betrieb starten. Wie lange der Probebetrieb dauern wird, liegt unter anderem an der Auswahl der Mitarbeiter. Die kommen unter anderem über Integrationsunternehmen wie Integra Lübeck zu ihm. Andere bewerben sich, weil aufgrund ihres Krankheitsbildes das Arbeitsumfeld im alten Unternehmen nicht mehr passt oder nicht angepasst werden kann. “Wir sind darauf eingestellt, Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen einzustellen und können individuell auf jeden eingehen, damit sie so ihre Potenziale voll entfalten können. Sie werden ein vollwertiges Mitglied vom Team sein.“
Majka Gerke
Veröffentlicht am 28. Februar 2022