Digitalisierung im Tourismus

Smarter reisen

Dicke Reisekataloge und Warteschleife waren gestern: Virtual-Reality-Brillen erobern klassische Reisebüros, Chatbots die Hotels im Norden. Wie digitale Technologien und Social Media die Reisebranche smarter aufstellen und Mehrwert für Touristen bieten, zeigen Beispiele aus dem Urlaubsland Schleswig-Holstein.
Bei den Urlaubsgästen ist sie schon lange angekommen, die Digitalisierung. Ganz selbstverständlich informieren wir uns vor einer Reise im Internet, lesen Online- Bewertungen und schauen Fotos aus der Ferne an. Laut dem Digitalverband Bitkom buchen bereits 80 Prozent der Internetnutzer ihre Reise online, rund 40 Prozent lassen sich durch die sozialen Medien für ein konkretes Reiseziel inspirieren. Kein Wunder also, dass zwei Drittel der Touristikunternehmen in digitale Angebote investieren. Neue Technologien wie Big Data, Virtual Reality oder Social Media machen das Reisen smarter, effizienter, nutzerfreundlicher. Wie zum Beispiel Chatbots: Roboter kommunizieren auf Social-Media-Plattformen mit Gästen - kosteneffizient und rund um die Uhr.
"Zunehmend präferieren User zentrale Plattformen wie Facebook, WhatsApp oder Instagram, um mit Unternehmen in Kontakt zu treten. Touristiker profitieren von dem sehr großen Benutzerkreis von Facebook und Co., eine native App muss nicht entwickelt werden" sagt Franziska Dempt von der novomind AG über Chatbots. Der App-Hype sei rückläufig. In Zukunft können laut Dempt zentrale "Tourismus-Bots" sogar für ganze Städte Infos liefern, sofern die lokalen Unternehmen gut vernetzt sind: "Diese Bots wissen alles über eine bestimmte Stadt, können Stadtführungen vorschlagen, kennen Veranstaltungen und Konzerte, wissen Geheimtipps in der Gastroszene und vieles mehr."
Chatten mit Roboter
Auch das StrandGut Resort in St. Peter-Ording hat seit Anfang 2017 einen Chatbot auf seinem Facebook-Messenger implementiert. Bis zu 80 Anfragen pro Monat erhalte das Hotel auf diesem Wege, etwa zur Buchung oder zu Haustieren. "Für die automatisierte Beantwortung haben wir zuvor passende Antworten zu typischen Fragen hinterlegt", sagt Marc O. Benkert von der Be:con GmbH, der den StrandGut-Chatbot betreut. Wenn bestimmte Algorithmen in einer Frage auftauchten, wüden entsprechende Antworten ausgespielt - bei Bedarf könne das Hotel jederzeit den Chatbot ablösen und persönlich mit dem Gast chatten. "Zunehmend nutzen auch anwesende Gäste den Facebook-Messenger und den Chatbot, um nach einer Tischreservierung im Restaurant oder einer Massageanwendung in der Dünentherme zu fragen - quasi als digitales Gäste-Abc." Der Mehrwert liege für das Hotel in den automatisierten Prozessen, für die Gäste in dem bequemen Service. "Unsere Erfahrung ist, dass Gäste eher eine Frage per Chat stellen als per Telefon - die Hürde ist geringer", so Benkert. Noch im März will das Hotel ein weiteres digitales Projekt realisieren und auf Voice-Steuerung setzen: Alle Zimmer sollen dann mit einer Alexa-Box ausgestattet sein. Die Boxen verfügen über eine entsprechende App, die speziell auf die Bedürfnisse der Hotelgäste abgestimmt sei.
Ein paar Kilometer südlich, in Büsum, setzt das Tourismusbüro ebenfalls auf Social Media: Seit April 2017 gibt es einen automatischen WhatsApp-Dienst für Urlauber. Rund 2.500 angemeldete Nutzer bekommen täglich Infos zu Wetter, Gezeiten und Veranstaltungen auf ihr Handy. "Es war schnell klar, dass nur ein Messenger-Dienst unsere Anforderungen erfüllen kann. Aufgrund der hohen Verbreitung war WhatsApp das Medium unserer Wahl", sagt Sven Kalbfleisch von der Tourismus Marketing Service Büsum GmbH. Das Angebot decke sich mit dem kurzlebigen Nutzerverhalten der Gäste: "Kurz und knackig aufs Smartphone. Das kommt bei allen gut an, unabhängig von Alter oder Interessen."
Virtuelle Rundgänge 
Auch die klassischen Reisebüros bleiben laut Bitkom trotz der starken Online-Konkurrenz beliebt. Auch wegen der Informationsflut im Internet könnten sie Kunden an die Hand nehmen und maßgeschneiderte Angebote erstellen. "Das moderne Reisebüro muss eine digitale High-Service-Agentur mit Internetauftritt, App, Tablets, Virtual Reality und Videowänden werden, die dem Kunden ein realistisches Bild von seinem Reiseziel vermitteln", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Thomas Cook war laut eigenen Angaben der erste Reisekonzern, der in deutschen Reisebüros Virtual-Reality-Brillen angeboten hat. Die eigens produzierten Clips mit 360-Grad-Ansicht sollen Reisen besser erklären können. Auch im Thomas-Cook-Reisebüro in der Lübecker Mühlenstraße kommen die Brillen seit einem Jahr zum Einsatz. "Wir setzen Virtual Reality unterstützend und als visuellen Anreiz ein, damit der Urlaubswunsch größer wird", sagt Büroleiter Heiko Weiler. Neben virtuellen Stadtrundgängen seien vor allem Hotelvideos sehr beliebt. "Unsere Kunden können sich per Brille im ganzen Hotel umschauen, Zimmer inspizieren und sich auf den Balkon des Wunschzimmers stellen. Wir können das komplette Urlaubserlebnis virtuell abbilden, wie man es vor Ort hat", so Weiler. Daneben setze Thomas Cook auch auf Augmented Reality: Über eine App können Seiten aus Reisekatalogen gescannt und zusätzliche Bilder und Videos - etwa zum Hotel - angezeigt werden.
Zwischen Ratzeburg, Mölln und dem Schaalsee können Naturliebhaber auf die digitalen Angebote der Herzogtum Lauenburg Marketing und Service GmbH (HLMS) zurückgreifen. Bereits seit einiger Zeit lassen sich per GPS-Guide Wanderwege im Naturpark Lauenburgische Seen erkunden. Das Gerät schaltet sich an bestimmten Positionen ein und versorgt die Urlauber mit multimedialen Infos - quasi wie im Museum, nur mitten in der Natur. "Radfahrer können einen Audio-Guide nutzen, der entlang 60 Stationen auf fünf Radtouren per QR-Code oder Anruf Hintergrundwissen und Anekdoten bietet", sagt HLMS-Geschäftsführer Günter Schmidt. Rund 10.000 Anrufe gebe es etwa im Jahr. Erst 2017 hat die neueste Route, die Bauernhoftour, den Tourismuspreis gewonnen. 
Benjamin Tietjen
Veröffentlicht am 2. März 2018