Campingwirtschaft

Erfolgsgeschichte unter freiem Himmel

Die Campingwirtschaft boomt: Erst 2023 verzeichnete die Branche einen neuen Übernachtungsrekord in Deutschland. Viele Plätze investieren in Infrastruktur und Unterkünfte, stehen aber auch vor Herausforderungen. Das IHK-Magazin hat sich auf zwei Plätzen umgesehen.
Rund 5.496.000 Übernachtungen gab es im Jahr 2023 auf Campingplätzen in Schleswig-Holstein – damit steht das Land im bundesweiten Vergleich auf dem dritten Platz. Die Campingbranche konnte so 14 Prozent der gesamten Übernachtungen in Schleswig-Holstein generieren. Nur Bayern und Niedersachsen konnten im vergangenen Jahr noch mehr Übernachtungen aufweisen – das geht aus der aktuellen Tourismus-Jahresbilanz der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein hervor. Klar ist: Camping ist spätestens seit der Coronakrise bei Reisenden hoch im Kurs und hat neue Zielgruppen erschlossen. In Schleswig-Holstein gehen laut dem Sparkassen-Tourismusbarometer die meisten Camping-Übernachtungen auf die Gruppe der Dauercamper zurück.
Diesen Trend kann auch Manfred Martens, Geschäftsführer des Natur-Campingplatzes Salemer See im Kreis Herzogtum Lauenburg, bestätigen. „Unsere Dauerplätze sind für das Jahr 2024 bereits komplett ausgebucht. Immer mehr Dauercamper möchten zudem das ganze Jahr bei uns bleiben, unser Platz ist jedoch für den Saisonbetrieb ausgelegt“, sagt Martens. Zudem seien bei Dauercampern die Ansprüche gestiegen, vielen Gästen ist eine gute Interverbindung und moderne Beleuchtung heute wichtig. Martens, der den Platz bereits seit 29 Jahren betreibt, erwartet über Himmelfahrt und Pfingsten bereits mehr als 4.000 Gäste. Die Frage nach den Vorlieben seiner Gäste kann er klar beantworten: „Gerade junge Familien bleiben heute im Schnitt nur noch vier bis fünf Tage, früher betrug der Aufenthalt mindestens 14 Tage. Ältere Reisende bleiben hingegen durchschnittlich länger – vor allem Dänen und Niederländer kommen vermehrt in der Nebensaison zu uns.“
Bei den Unterkünften seien auch die vier sogenannten Green TinyHouses gefragt, die einen Blick auf den Salemer See bieten und durch ökologische Bauweise, smarter Dusche und einer Dämmung aus Ostsee-Seegras besonders nachhaltig sind. „Viele wollen Campen einmal ausprobieren und mieten dann ein Tiny House – als Einstieg ins Camping. Dafür sind sie auch bereit, mehr Geld auszugeben“, sagt Martens.
Begehrt seien auf seinem Platz auch bis zu 50 Quadratmeter große Mobilheime. „Wir verpachten aktuell bis zu 40 Flächen und würden gern noch mehr anbieten“, sagt Martens. Der Weg zur Erlaubnis sei jedoch steinig gewesen, berichtet der Salemer. „Wir mussten drei ökologische Gutachten für 25.000 Euro beauftragen, das war ein wahnsinniger Aufwand. Danach folgten Sondergenehmigungen mit Bebauungsplan und Bauantrag. Wir erleben die Behörden hier als unflexibel“, sagt er.
Eine Herausforderung sei auch die Energieversorgung auf dem Platz, vor allem mit Blick auf die kommenden Jahre. Neue Campingmobile haben mit Fußbodenheizung, Klimaanlage und Geschirrspüler einen höheren Stromverbrauch. Und auch E-Autos kommen laut Martens immer häufiger auf den Platz. „Wir würden gern E-Ladesäulen installieren, finden aber keinen Anbieter, der zu uns eine entsprechende Leitung legen will“, so Martens, der bereits in Wärmepumpen für die Sanitärhäuser nachhaltig investiert hat.
Auch Tim und Liga Ratajczak investieren aktuell in hochwertige Unterkünftige. Das Ehepaar betreibt seit 2019 den Platz Seecamping Weisser Brunnen in Wittenborn westlich von Bad Segeberg. Fünf robuste Schlaffässer und mehrere zwischen Baumstämmen fixierte Hängezelte hat das Paar bereits angeschafft. Aktuell bauen sie einen Camping-Pod mit Sauna und Sehblick. „Je höher der Preis und hochwertiger die Ausstattung, desto größer ist auch die Auslastung der Unterkünfte“, weiß Tim Ratajczak.
Wie Manfred Martens verpachten die Ratajczaks zudem ausgewählte Flächen für Tiny Houses. Und auch Dauercamper spielen in Wittenborn eine wichtige Rolle: etwa dreiviertel der Gäste fallen laut dem Betreiberpaar in diese Buchungsgruppe. Für Tim und Liga Ratajczak nicht selbstverständlich: „Als wir den Platz übernommen haben, gab es hier 120 Dauercamper, heute sind es 270. Es ist uns gelungen, die Wirtschaftlichkeit hochzuschrauben“, so Tim Ratajczak. Das sei wichtig, da Dauercamper vor allem in verregneten Monaten eine feste Einnahmequelle darstellen.
Mit der Übernahme des Platzes ist Ratajczaks auch eine der seltenen Unternehmensnachfolgen im Tourismussegment gelungen. Ursprünglich hatten sich der Ingenieur und die Fachwirtin im Gastgewerbe auf Ebay Kleianzeigen nur nach einem neuen Wohnmobil umgeschaut, stießen aber auf einen inserierten Campingplatz, der ihr Interesse weckte. Das damals in Niedersachsen arbeitende Paar nutzte die Gelegenheit und zog mit dem Schritt in die Selbstständig wieder in ihre ursprüngliche Heimat Schleswig-Holstein. Das nötige Know-how eigneten sie sich bei Kursen zur Buchführung und zum Campingplatzmanagement an.
In puncto Bürokratieentlastung wünschen sich die Eltern zweier Kinder vor allem die Entwicklung von einer wirklich schlanken Verwaltungssoftware in Verbindung mit einer digitalen Meldescheinerfassung für Campingplätze. „Das würde unseren Aufwand beim Check-In um ein Vielfaches entlasten“, sagt Liga Ratajczak.
Autor: Benjamin Tietjen