ECHA-Konsultation: DIHK-Empfehlungen zur geplanten PFAS-Beschränkung

Dänemark, Deutschland, die Niederlande, Norwegen und Schweden haben Mitte Januar 2023 einen Vorschlag zur Beschränkung von Per- und Polyfluoralkylstoffen (PFAS) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Die vorgeschlagene Beschränkung hat das Ziel, die PFAS-Emissionen in die Umwelt deutlich zu verringern sowie Produkte und Verfahren sicherer zu machen. Sie umfasst rund 10.000 PFAS und wird viele Branchen betreffen. Bis zum 25. September 2023 hat die ECHA eine Konsultation zur Beschränkung durchgeführt. 4.400 Organisationen, Unternehmen und Personen haben sich eingebracht. Die DIHK hat sich mit einer umfassenden Stellungnahme (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 237 KB) beteiligt. Derzeit erfolgt die wissenschaftliche Bewertung des aktualisierten Beschränkungsdossiers.

10.000 PFAS im Fokus

Der chemische Anwendungsbereich des Beschränkungsvorschlags ist definiert als Stoff, der mindestens ein vollständig fluoriertes Methyl- (CF3-) oder Methylen- (-CF2-) Kohlenstoffatom (ohne daran gebundenes Wasserstoff-/Chlor-/Brom-/Iod-Atom) enthält. Betroffen sind PFAS als solche und als Bestandteile anderer Stoffe, in Gemischen und in Erzeugnissen schon ab sehr geringen Konzentrationen (Verunreinigungen).
PFAS besitzen einzigartige physikalische, chemische und biologische Eigenschaften, die nicht so einfach substituiert werden können. Sie sind wasser- und fettabweisend und sehr stabil, auch bei starker Hitze. Einmal freigesetzt verbleiben sie jedoch aufgrund ihrer außerordentlichen chemischen Stabilität über Jahrzehnte in der Umwelt und können schädliche Wirkungen auf Menschen und die Umwelt haben.

Breite Betroffenheit

PFAS werden in vielen industriellen Prozessen und in Produkten eingesetzt, z.B. in der Luft- und Raumfahrt, für militärische Zwecke, im Automotivesektor sowie der Prozess- und Lebensmittelindustrie. Sie werden in Materialien mit Lebensmittelkontakt, Textilien, Leder und Bekleidung, Bau- und Haushaltsprodukten, Elektronik, bei der Brandbekämpfung sowie in kosmetischen und medizinischen Artikeln verwendet.
Als essenziell wird der Einsatz von PFAS aktuell insbesondere im High-Tech-Bereich angesehen. Ein Beispiel hierfür ist die Herstellung von Membranen für Brennstoffzellen oder für die Wasserelektrolyse, um grünen Wasserstoff zu erzeugen. Ein undifferenziertes Verbot der ganzen Stoffgruppe hätte demnach auch negative Konsequenzen für die Transformation.
Unter den Beschränkungsvorschlag fallen alle Verwendungen von PFAS, unabhängig davon, ob sie von den Staaten (darunter Deutschland), die das Beschränkungsdossier eingereicht haben, bewertet wurden und/oder in ihrem Bericht erwähnt werden oder nicht.
In vielen Fällen sind nach Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die an der Erarbeitung beteiligt war, bereits Alternativen für PFAS verfügbar. In allen übrigen Fällen müssten Ersatzlösungen gesucht werden. Der Vorschlag erlaubt Unternehmen je nach Anwendung Übergangsfristen von eineinhalb bis dreizehneinhalb Jahren, um Alternativen zu finden. Für einige wenige Bereiche sind unbegrenzte Ausnahmen vorgesehen. Dies betrifft zum Beispiel Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten und Human- sowie Tierarzneimitteln.

Sektoren, für die Ausnahmen erwogen werden

(Annex E):
  • E.2.1 PFAS-Herstellung
  • E.2.2 TULAC (Textilien, Polstermöbel, Leder, Bekleidung und Teppiche)
  • E.2.3 Materialien und Verpackungen mit Lebensmittelkontakt
  • E.2.4 Metallbeschichtung und Herstellung von Metallprodukten
  • E.2.5 Verbrauchermischungen (und Musikinstrumente)
  • E.2.6 Kosmetika
  • E.2.7 Skiwachs
  • E.2.8 Anwendungen von fluorierten Gasen
  • E.2.9 Medizinische Geräte
  • E.2.10 Verkehrswesen
  • E.2.11 Elektronik und Halbleiter
  • E.2.12 Energie
  • E.2.13 Bauprodukte
  • E.2.14 Schmierstoffe
  • E.2.15 Erdöl und Bergbau
Anhand dieser Sektoren-Einteilung können Unternehmen in Annex E prüfen, ob für ihre Anwendungen Ausnahmen (und ggf. wie lange) vorgesehen sind. Für sonstige Sektoren würde das Verbot 18 Monate nach Inkrafttreten uneingeschränkt gelten.

Konsultation

Bis zum Abschluss der sechsmonatigen Konsultation am 25. September 2023 sind insgesamt 5.600 Kommentare von 4.400 Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingegangen.
Eine erste Auswertung zeigt, dass innerhalb der Europäischen Union (EU) die größte Anzahl an Kommentaren (1369) aus Schweden eingereicht wurde. Größtenteils handelt es sich dabei um Kommentare von Einzelpersonen, die aufgrund einer nationalen Kampagne übermittelt wurden. An zweiter Stelle bei der Anzahl der Kommentare aus der EU steht Deutschland mit 1298 Beiträgen. Auch aus Asien (vor allem Japan, China) und den USA haben sich viele Stakeholder an der Konsultation beteiligt.
Während einer Informationsveranstaltung im April waren insgesamt über 1.600 Fragen bei der ECHA eingegangen. Der erste Teil des Fragenkatalogs ist nun online und konzentriert sich auf die Konsultation selbst, die Meinungsbildung in den Ausschüssen der ECHA und das REACH-Beschränkungsverfahren. Weitere wurden im Mai bzw. Juni hinzugefügt.

Wissenschaftliche Bewertung des Beschränkungsdossiers

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hat die nächsten Schritte für die wissenschaftliche Bewertung des Beschränkungsdossiers für Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS) vorgestellt. Die Bewertung wird gestaffelt anhand der im Dossier beschriebenen Verwendungssektoren erfolgen. Dabei werden auch „neue“ Sektoren, die im Rahmen der Auswertung der öffentlichen Konsultation identifiziert wurden, betrachtet.
Gleichzeitig aktualisieren die fünf nationalen Behörden, die das Dossier ausgearbeitet haben, das eingereichte Dossier, um Informationen aus der Konsultation zu berücksichtigen. Die beiden ECHA-Ausschüsse zur Risikobewertung (RAC) und zur sozioökonomischen Analyse (SEAC) bewerten das aktualisierte Dossier und nutzen es als Grundlage für ihre Stellungnahmen.
Folgende Sektoren sollen in den nächsten im März, Juni und September 2024 von den beiden Ausschüsse diskutiert werden
  • Verbrauchergemische, Kosmetik, Ski-Wachs
  • Metallbeschichtung und Herstellung von Metallprodukten
  • Textilien, Polstermöbel, Leder, Bekleidung, Teppiche
  • Nahrungsmittelkontaktmaterialien und Verpackungen
  • Erdöl und Bergbau
Sobald die wissenschaftliche Bewertung durch RAC und SEAC abgeschlossen ist und die Stellungnahmen zum Dossier verabschiedet wurden, werden diese zusammen mit dem überarbeiteten Dossier, den Kommentaren und Rückmeldungen auf die Kommentare an die Europäische Kommission weitergeleitet, die dann gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten über eine mögliche Beschränkung entscheidet.

DIHK nimmt Stellung

Eine breite Beschränkung der ganzen Stoffgruppe in Herstellung und Verwendung hätte weitreichende negative Auswirkungen auf große Teile der deutschen und europäischen Industrie und dies nicht nur auf die Produkte selbst, sondern auch auf die zu ihrer Herstellung benötigten Produktionsprozesse. Dies könnte die Resilienz ganzer Lieferketten, den Standortfaktor, die Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union sowie die Ziele des European Green Deals bzw. der Energiewende oder der Elektromobilität negativ beeinflussen und so ebenfalls die Klimaschutzziele gefährden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ein pauschales Verbot der gesamten Stoffgruppe der PFAS mit ca. 10.000 verschiedenen Einzelsubstanzen empfehlen wir nicht. Denn es würde wichtige Teile der deutschen und europäischen Wirtschaft vor technisch und wirtschaftlich kaum lösbaren Herausforderungen stellen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gefährden.
  • Das Beschränkungsverfahren sollte sich an der Regelungssystematik der REACH-Verordnung orientieren und dabei stoffbezogen und risikobasiert erfolgen sowie eine differenzierte Vorgehensweise anwenden, bei der das tatsächliche Risiko der einzelnen PFAS-Substanzen und die Art ihrer Verwendung berücksichtigt werden. Ein pauschales Verbot würde dem widersprechen.
  • Eine undifferenzierte PFAS-Beschränkung hätte erhebliche Auswirkungen auf die Branche der erneuerbaren Energien, denn PFAS werden in Zukunftstechnologien benötigt und spielen eine wichtige Rolle für das Erreichen der Ziele des European Green Deals. Um diesen Interessenskonflikt zu vermeiden, sollten ausgewogene und zeitlich unbefristete Ausnahmeregelungen für wichtige Transformationstechnologien und kritische Infrastrukturen geschaffen werden.
  • Die Zeitspanne der Ausnahmeregelungen und die Übergangsfristen sollten signifikant verlängert werden, da die Erforschung, Entwicklung, Erprobung und Zertifizierung von Alternativstoffen sehr langwierig ist. Ebenso sollte die Möglichkeit gewährt werden, fallbezogene Ausnahmen kontinuierlich zu prüfen, zu verlängern und ggf. neu beantragen zu können.
  • Derzeit verfügt die REACH-Verordnung über keine Essential-Use-Kriterien. Ein derartiges Konzept mit einem Bewertungsrahmen für mögliche Ausnahmereglungen wäre jedoch ggf. in die Beschränkung mitaufzunehmen, um den Prozess transparent und rechtssicher zu gestalten.
  • Im Bereich Ausnahmen sollten Regelungen für grundlegende Reparatur-/Wartungsarbeiten, Ersatz- und Verschleißteile sowie für Nachfüllungen aus Nachhaltigkeitsgründen mitaufgenommen werden. Ebenso Ausnahmen für PFAS in Industrie- und Technologie-Anwendungen in geschlossenen Stoffkreislaufverwendungen, bei denen die sichere Verwendung nachweisbar ist, Risiken kontrolliert und Gefahrstoffe professionell entsorgt werden können.
  • Bei der Konzeption der Ausnahmen wurden die Ausgangsstoffe selbst sowie die notwendigen Vor-, Zwischen- oder Hilfsprodukte entlang der gesamten Lieferkette und des Herstellungsprozesses außer Acht gelassen. Dies würde zu einem Abwandern der Herstellungsprozesse in Drittstaaten, zum Verlust von Arbeitsplätzen, zur Zunahme von Importabhängigkeiten und zu einem Abbau strategisch wichtiger Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit führen. Daher ist es empfehlenswert die Ausnahmen ganzheitlich zu denken und die gesamte Wertschöpfungs- und Lieferkette einer Ausnahmeregelung miteinzubeziehen sowie im Beschränkungstext zu verankern.
  • Alternativen sollten als Begründung für eine Beschränkung der jeweiligen PFAS nur in Betracht gezogen werden, wenn diese neben den relevanten technischen Aspekten auch in Bezug auf sicherheitsrelevante Aspekte, Lebensdauer, Energieverbrauch und weitere Faktoren über den gesamten Lebenszyklus angemessen bewertet wurden. Zudem sollten die Alternativen nicht durch die Anforderungen aus anderen technischen Regulierungen systematisch beschränkt sein, um widersprüchliche Regulierung zu vermeiden.

Nächste Schritte

Im nächsten Schritt werden die wissenschaftlichen Ausschüsse der ECHA für Risikobewertung (RAC) und für sozioökonomische Analyse (SEAC) prüfen, ob der Vorschlag die rechtlichen Anforderungen von REACH erfüllt. Erfüllt der Vorschlag alle Anforderungen, werden die Ausschüsse mit der wissenschaftlichen Bewertung im Hinblick auf die Risiken für Mensch und Umwelt sowie die Auswirkungen auf die Gesellschaft beginnen.
Beide Ausschüsse bilden ihre Stellungnahmen auf der Grundlage der im Vorschlag enthaltenen Informationen und vor allem der bei der Konsultation eingegangenen Kommentare. Sobald die Stellungnahmen angenommen sind, werden sie an die Europäische Kommission weitergeleitet, die dann gemeinsam mit den EU-Mitgliedstaaten über die mögliche Beschränkung entscheiden wird.
Voraussichtlich 2025 kann mit einer Entscheidung der Europäischen Kommission über den Beschränkungsvorschlag gerechnet werden. Damit würde eines der umfangreichsten Verbote chemischer Stoffe seit Inkrafttreten der REACH-Verordnung im Jahr 2007 wirksam werden.
(Quelle DIHK, ECHA, BAuA)