Nr. 70468
Übersicht

Wertgrenzen und Schwellenwerte

Das Vergaberecht sieht für die Durchführung der Auftragsvergabe mehrere Verfahrensarten vor, je nach Wert des Auftrages. Die Wertgrenzen und Schwellenwerte haben wir hier für Sie zusammengestellt. Die Werte sind Nettobeträge in EUR.
Schwellenwerte für europaweite Ausschreibungsverfahren
Schwellenwerte gelten seit dem 01.01.2024
Klassische öffentliche
Aufträge
Sektoren-aufträge
Oberste und obere Bundesbehörden
Konzessionsgeber
Lieferauftrag
221.000
431.000
143.000
5.538.000
Dienstleistungs-
auftrag
221.000
431.000
143.000
5.538.000
Dienstleistungsaufträge,
die soziale und andere besondere Dienstleistungen betreffen
750.000
1.000.000
750.000
1.000.000
Bauauftrag
5.538.000
5.538.000
5.538.000
5.538.000
Wertgrenzen in Baden-Württemberg für Beschaffungen der Landesbehörden
Liefer-und Dienstleistungsauftrag
Rechtsgrundlagen:
  • § 55 LHO
  • Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 55 LHO (VV-LHO)
  • VWV Beschaffung
  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bis 100.000 Euro
  • Verhandlungsvergabe bis 50.000 Euro
  • Direktauftrag bis 5.000 Euro

Bauauftrag
Rechtsgrundlagen:
  • § 55 LHO
  • Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 55 LHO (VV-LHO)
  • Vergabe-und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) Abschnitt 1
  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für Ausbaugewerke (ohne Energie- und Gebäudetechnik-, Landschaftsbau, Straßenausstattung) bis 50.000 Euro
  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für Tief-, Verkehrswege-und Ingenieurbau bis 150.000 Euro
  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb für übrige Gewerke bis 100.000 Euro
  • Freihändige Vergabe bis 50.000 Euro
  • Direktauftrag bis 3.000 Euro
Wertgrenzen in Baden-Württemberg für Beschaffungen der Kommunen
Geänderte Wertgrenzen gelten seit dem 01.06.2024, befristet bis zum 31.12.2026!
Liefer-und Dienstleistungsauftrag

  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bis 221.000 Euro
  • Verhandlungsvergaben bis 100.000 Euro
  • Direktaufträge bis 10.000 Euro
Bauauftrag

  • Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bis 1.000.000 Euro
  • Freihändige Vergabe bis 100.000 Euro
  • Direktauftrag bis 10.000 Euro

Gewerbliches Mietrecht

8 Fragen zu Hochwasserschäden

Sofortmaßnahmen – Welche Pflichten hat der Mieter?

Als mietrechtliche Nebenpflichten treffen den Mieter besondere Sorgfaltspflichten für die Mieträume. Demnach ist dieser angehalten, den Schaden so gering wie möglich zu halten und nicht erst die Instandsetzungsarbeiten durch den Vermieter abzuwarten. Als Soforthilfemaßnahme sollten zerstörte Gegenstände oder beschädigte Ware aus den Mieträumen entfernt werden, um so der Feuchtigkeit entgegenzuwirken. Hier empfiehlt sich die frühzeitige Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen mit dem Vermieter.

Wer haftet für die Instandsetzung?

Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter das Mietobjekt vertragsgemäß mangelfrei zur Verfügung zu stellen. Sämtliche Schäden wären somit vom Vermieter zu beseitigen. Dies kann beispielsweise die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden durch Trocknungsarbeiten sein. Gleiches gilt für die Instandsetzung bzw. Erneuerung von mitvermieteten Gegenständen und Einrichtungen, z. B. Teppichböden oder Sanitäranlagen. Dem Vermieter sollte hier eine angemessene Frist zur Instandsetzung eingeräumt werden. Eine umfassende Schadensdokumentation ist hierbei hilfreich.

Wer haftet für die Sachen und Waren des Mieters?

Hier muss zunächst geprüft werden, ob den Vermieter wegen der Schäden ein Verschulden trifft. War aufgrund Starkregen nicht mit einem Hochwasser zu rechnen, kann dem Vermieter auch kein Verschulden zugerechnet werden. Seltene Naturkatastrophen sind nicht vorhersehbar und stellen ein allgemeines Lebensrisiko dar. Greift hier keine abgeschlossene Versicherung, muss der Mieter selbst für die Kosten aufkommen.

Wer trägt die Reinigungs- und Entsorgungskosten?

Wurde bereits ein Verschulden des Vermieters verneint, treffen die Beseitigungsarbeiten und deren Kostenübernahme den Mieter. Muss zur Beseitigung der Schäden das Mietobjekt geräumt werden und es stehen keine Ersatzflächen zur Verfügung, sind diese Kosten vom Vermieter zu tragen. Wichtig hierbei ist immer die Angemessenheit der entstehenden Kosten. Über die Verteilung der jeweils zu tragenden Kosten sollten sich Mieter und Vermieter frühestmöglich abstimmen und eine Einigung erzielen.

Kann der Mieter die Miete mindern?

Ist das Mietobjekt nur noch teilweise, oder ganz und gar nicht mehr nutzbar, hat der Mieter einen Anspruch auf Mietminderung. Die Höhe der Mietminderung ist jedoch an den Umfang der Beeinträchtigung gebunden. Der Mieter ist verpflichtet, dem Vermieter sämtliche Schäden anzuzeigen. Ein Unterlassen begründet einen Schadensersatzanspruch des Vermieters.

Kann das Mietverhältnis auch gekündigt werden?

Ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht für beide Parteien gleichermaßen, wenn ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zumutbar ist. Die Zerstörung des Mietobjektes, unverhältnismäßig hohe Kosten für die Instandsetzung und eine Existenzbedrohung des Mieters könnten eine Kündigung rechtfertigen.

Wen trifft eine Versicherungspflicht?

Es besteht immer die Möglichkeit sich gegen allgemeine Schäden abzusichern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Schäden von der Versicherung umfasst sind. Im Gewerbemietrecht kann dem Mieter regelrecht eine Versicherungspflicht auferlegt werden. Insbesondere sind Versicherungsverträge zur Sicherung des Mietobjekts sinnvoll. Eine umfassende Versicherung kann aus
  • Immobilien- (gewerbliche Gebäudeversicherung)
  • Inhalts- (Betriebseinrichtung und Waren) oder
  • Ertragsausfallversicherung (laufende Kosten und entgangene Gewinne)
bestehen, die Elementarschäden mit einschließt. Eine Beratung bei einem Versicherungsmakler ist daher zu empfehlen.

Sind Sie sowohl gewerblich als auch privat Betroffener des Hochwassers?

Hier erhalten Sie weitere Unterstützung und Informationen hinsichtlich des Wohnraummietrechts:

Warnhinweis Gewerbeanmeldungs-Webseite

Der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW) hat eine Hinweismeldung zur Gewerbeanmeldungs-Webseite gewerbio.com veröffentlicht.
Angeboten wird die Unterstützung bei der Gewerbeanmeldung. Der Service vermittelt den Eindruck, als wäre eine vollumfängliche Gewerbeanmeldung unmittelbar über dessen Internetseite möglich. Allerdings erhielten die Interessenten im Nachgang lediglich einen „ausgefüllten Antrag“, mit welchem man nach Unterschrift selbst den Kontakt zum zuständigen Gewerbeamt suchen soll.
Unter der im Impressum angegebenen Berliner Adresse ist keine gewerbliche Meldung vorhanden. Im Kleingedruckten am Ende des Impressums taucht sodann der Hinweis auf, dass es sich bei der Gewerbio um eine in Hong Kong ansässige Firma handeln soll.
Alles Weitere, insbesondere zu den konkreten Verwicklungen mit Auslandsbezug, erhalten Sie in der ausführlichen Hinweismeldung des DSW.

Infoletter Recht

Ausgabe 1/2024

Gesetz zur Stärkung des Schiedsstandorts Deutschland

Die Bundesregierung hat am 26.06.2024 einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schiedsverfahrensrechts beschlossen. Mit der Reform soll Deutschlands Attraktivität als Standort für Streitbeilegung weiter gestärkt werden. Da das Schiedsverfahrensrecht seit 25 Jahren nicht mehr angepasst worden ist, beinhaltet die Reform vor allem solche Regelungen, die der inzwischen fortgeschrittenen Digitalisierung Rechnung tragen.
Zu den wesentlichen Neuerungen gehören folgende:
  • Schiedsvereinbarungen sollen wieder formlos abgeschlossen werden können (Aufhebung von § 1031 Abs. 1 bis 3 ZPO).
  • Schiedssprüche sollen durch Schiedsrichter veröffentlicht werden können, soweit keine Partei widerspricht (§ 1054 b Abs. 1 ZPO).
  • Ermöglicht werden sollen sowohl Videoverhandlungen (§ 1047 Abs. 2, 3 ZPO) als auch elektronische Schiedssprüche (§ 1054 Abs. 1 S. 2, 3 ZPO).
  • Die Effizienz staatlicher Gerichtsverfahren, die an Schiedsverfahren anknüpfen, soll gesteigert werden - insbesondere durch die Möglichkeit, Unterlagen auch bei staatlichen Gerichten künftig in englischer Sprache einzureichen (§ 1063 b Abs. 1 ZPO) oder Verfahren einem Commercial Court zuzuweisen, der dann die vollständige Verhandlung in englischer Sprache ermöglicht (§ 1062 Abs. 5 S. 2, § 1063 a Abs. 1 ZPO).   

Anhebung der Schwellenwerte für die Unternehmensgrößen im Handelsgesetzbuch

Der Formulierungsvorschlag des Bundesjustizministeriums zur Anhebung der Schwellenwerte im Handelsgesetzbuch wurde geringfügig ergänzt und vom Bundeskabinett verabschiedet. Dabei schöpft der Änderungsantrag den von der delegierten Richtlinie (EU) 2023/2775 vorgesehenen Rahmen aus, nutzt auch weiterhin die zur Verfügung stehenden Wahlrechte. Die höheren Schwellenwerte zur Definition der Unternehmensgrößen nach dem Handelsgesetzbuch sollen ab Geschäftsjahren, die am oder nach dem 01.01.2024 beginnen, angewendet werden. Die Unternehmen können die höheren Schwellenwerte aber auch schon für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 01.01.2023 beginnen, nutzen. Diese Option kann nur insgesamt genutzt werden, d. h. sie kann nur einheitlich für den Jahres- und Konzernabschluss für dasselbe Geschäftsjahr ausgeübt werden.  Ergänzend wurde in Art. 9 des Entwurfs noch eine spezielle Regelung für Genossenschaften aufgenommen. Die geänderten Größenmerkmale von § 267a Abs. 1 Satz 1 HGB-E für Kleinstgenossenschaften sollen erstmals auf die vereinfachte Prüfung für ein frühestens am 31. Dezember des Jahres des Inkrafttretens endendes Geschäftsjahr anzuwenden sein. Die Formulierungshilfe wird als Änderungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof eingebracht, damit die erhöhten Schwellenwerte möglichst zügig vom Bundestag beraten und beschlossen werden können. Die Änderungen traten am 17. April 2024 in Kraft. Die „alten“ und „künftigen“ HGB-Schwellenwerte finden Sie auch als Gegenüberstellung unter: Neue Nachhaltigkeitsberichterstattung (dihk.de).

Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) in nationales Recht 

Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums wurde veröffentlicht und zur Konsultation gestellt (Pressemitteilung des BMJ). Er soll die Richtlinie (EU) 2022/2464 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 und der Richtlinien 2004/109/EG, 2006/43/EG und 2013/34/EU hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen in nationales Recht umsetzen und sieht daher Änderungen vor allem des Handelsgesetzbuchs (HGB), des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) vor. Zudem wird vorgeschlagen, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu ändern, um eine doppelte Berichterstattung für die nach der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) berichtspflichtigen Unternehmen zu vermeiden. Zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs sollen einzelne Schriftformerfordernisse angepasst oder abgeschafft werden.
Es handelt sich im Wesentlichen um eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie. Ergänzend dazu soll zur Vermeidung von Doppelberichtspflichten die Berichtspflicht gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) entfallen, wenn ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht nach HGB erstellen muss und dieser den gesetzlichen Anforderungen entspricht und geprüft wurde. Die Erleichterung soll auch gelten, soweit ein Unternehmen in den Konzernnachhaltigkeitsbericht seines Mutterunternehmens einbezogen ist, vgl. den Entwurf von § 10 Abs. 5 LkSG-E. § 10 Abs. 6 LkSG-E soll zudem Erleichterungen vorsehen, wenn ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß § 289c HGB ohne gesetzliche Verpflichtung aufstellt und dabei die gesetzlichen Vorgaben freiwillig erfüllt.

Entwurf eines Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes

Das Bundesjustizministerium hat einen Vorschlag für ein Viertes Gesetz zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie veröffentlicht. Aus der Perspektive des Wirtschaftsrechts werden im Handelsgesetzbuch (HGB) neben der Verkürzung der Aufbewahrungsfrist in § 257 Abs. 4 HGB-E verschiedene Form-Regelungen für den Frachtverkehr und Personenbeförderungsverträge geändert, vgl. u. a. § 437 Abs. 1 Satz 2 HGB-E, § 546 Abs. 1 Satz 2 HGB-E. Im UmwG soll in § 22 UmwG-E die Schriftform bei der Anmeldung der Ansprüche der Gläubiger bei einer Verschmelzung auf Textform geändert werden. Auch in § 100 UmwG-E soll bei der Verschmelzung wirtschaftlicher Vereine die Form geändert werden. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 SE-Ausführungsgesetz-E sollen künftig auch hier die Gläubiger ihre Ansprüche in Textform anmelden können. In § 8 Abs. 3 Satz 1 soll die Ausschlagung bei der Europäischen Genossenschaft künftig ebenfalls in Textform erfolgen. Im AktG sollen die schriftlichen Mitteilungspflichten in § 20 Abs. 1 Satz 2 und Absätze 3, 4, 5 sowie § 21 Abs. 1 Satz 2 und Absätze 2, 3 auf die Textform geändert werden. Weitere Formänderungen in §§ 327 und 328 AktG-E. Kleinere Änderungen sind im GmbHG, vgl. Art. 19, vorgesehen. Formänderungen finden sich auch in den Entwürfen für das Depotgesetz und im gewerblichen Rechtsschutz. Nach § 109 Abs. 3 Gewerbeordnung ist die Erteilung eines Arbeitszeugnisses in elektronischer Form ausgeschlossen. Dieser Paragraph soll aufgehoben werden (vgl. Art. 30). Damit wird die Erteilung von Arbeitszeugnissen für die gesetzliche elektronische Form geöffnet. Die sonstigen Vorgaben für die Zeugniserteilung bleiben hiervon unberührt. Daher muss etwa auf die Schriftform zurückgegriffen werden, wenn die qualifizierte elektronische Signatur wegen der daraus ersichtlichen Zeitangabe unzulässige Rückschlüsse zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglichen würde und eine Rückdatierung rechtlich erforderlich ist, etwa im Fall von Zeugnisberichtigungen. Der Fokus der Änderungen im BGB liegt im Bereich des Rechts der Versteigerungen, die künftig verstärkt virtuell durchgeführt werden können sollen, sowie im Miet- und Pachtrecht. Dort soll künftig statt der Schriftform vielfach die Textform ausreichen, z. B. soll es künftig genügen, den Widerspruch zur Kündigung in Textform einzulegen, vgl. § 547 b BGB. Grundlegende Änderungen der Schriftformerfordernisse nach den §§ 126 ff. BGB hat das BMJ entgegen früheren Überlegungen nicht vorgenommen.

Elektronische Präsenzbeurkundung

Das BMJ hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung einer elektronischen Präsenzbeurkundung vorgelegt. Das geplante Gesetz soll der weiteren Digitalisierung des Beurkundungswesens dienen und Medienbrüche abbauen. Hierdurch sollen insbesondere die Urkundsstellen entlastet werden. Bislang ist das Beurkundungsverfahren grundsätzlich papiergebunden ausgestaltet. Dagegen erfolgt die Verwahrung der Urkunden bei Notarinnen und Notaren und spätestens ab 01.01.2026 flächendeckend auch bei Gerichten elektronisch. Auch der Vollzug beurkundeter Geschäfte und Erklärungen läuft zunehmend elektronisch ab. Daher bedarf es derzeit häufig eines doppelten Medientransfers: Die elektronisch verfassten Urkunden werden ausgedruckt und müssen nach der Unterzeichnung eingescannt werden. Dies ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Der Bundestag hat am  27. Juni 2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung in erster Lesung beraten.

Geplante Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)

Das Bundeskabinett hatte bereits am 07.02.2024 den Regierungsentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes beschlossen. Das geplante Änderungsgesetz soll Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag der Ampelkoalition umsetzen und Ergebnisse aus der Evaluation des BDSG aufgreifen. Überraschend greift der Entwurf auch die Entscheidung des EuGH C-634/21 „SCHUFA Holding (Scoring)“ auf und sieht neue Regelungen zum Scoring vor. Es wird unter anderem in § 37a RegE geregelt, dass für die Bildung von Wahrscheinlichkeitswerten beim Scoring folgende Daten nicht verwendet werden dürfen:
  • Besondere Kategorien personenbezogener Daten im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 DSGVO wie die ethnische Herkunft, biometrische Daten und Gesundheitsdaten,
  • der Name der betroffenen Person oder personenbezogene Daten aus ihrer Nutzung sozialer Netzwerke,
  • Informationen über Zahlungseingänge und -ausgänge von Bankkonten,
  • Anschriftendaten,
  • Daten, die minderjährige Person betreffen.
Neben der Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Bildung von Wahrscheinlichkeitswerten werden auch noch Transparenzanforderungen gestellt. Weitere Details zum Regierungsentwurf: Die Datenschutzkonferenz wird im BDSG verankert (§ 16a RegE). Eine Regelung zur Rechtsverbindlichkeit von Beschlüssen der DSK wird nicht getroffen, da damit wegen des Verbots der Mischverwaltung verfassungsrechtliche Grenzen berührt würden. Gegenüber dem Referentenentwurf gibt es lediglich klarstellende Änderungen.§ 34a RegE schränkt das Recht auf Auskunft für Fälle ein, in denen das Interesse an der Geheimhaltung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen das Interesse der betroffenen Personen überwiegt. § 40a RegE soll Situationen regeln, in denen mehrere Unternehmen länderübergreifend gemeinsam Verantwortliche nach Art. 26 DSGVO sind. Mit einer Anzeige soll die alleinige Zuständigkeit bei nur einer Aufsicht herbeigeführt werden. Angeknüpft wird an den weltweiten Jahresumsatz. Der Stand des Verfahrens ist auf der Homepage des BMI einsehbar.
Eine DIHK-Umfrage zur DSGVO zeigt: Aufwand für Unternehmen noch immer „hoch bis extrem“. Weitere Informationen und Graphiken dazu finden Sie auf der Homepage des DIHK.

AI Act verabschiedet

Das Europäische Parlament hat am 13. März den sog. AI Act verabschiedet – das weltweit erste umfassende Regelwerk für Künstliche Intelligenz (KI). Der als Verordnung ausgestaltete AI Act (Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für Künstliche Intelligenz) soll Innovationen fördern, das Vertrauen in KI stärken und sicherstellen, dass diese Technologie die Grundrechte und Sicherheit der EU-Bürger respektiert. Die EU verfolgt dabei einen risikobasierten Ansatz: Der Anwendungsbereich der Verordnung wird in Risikokategorien eingeteilt, wobei je nach Risikokategorie eines KI-Systems unterschiedliche Regeln und Pflichten für Entwickler, Anwender und Importeure gelten. Unterschieden werden Systeme folgender Risikokategorien:
1. Systeme mit inakzeptablem Risiko
KI-Anwendungen, die eine Gefahr für elementare Bürgerrechte darstellen, sind verboten. Dazu gehören z.B.:
  • Systeme zur Emotionserkennung am Arbeitsplatz oder im Bildungsbereich,
  • Sozial-Punkte-Systeme (Social Scoring),
  • Systeme zur biometrischen Gesichtserkennung (enge Ausnahmen nur im Bereich der Strafverfolgung und Terrorismusbekämpfung und nur unter bestimmten Auflagen wie z.B. der richterlichen Anordnung möglich) sowie
  • Systeme, die menschliches Verhalten manipulieren oder die Verletzlichkeit besonders schutzbedürftiger Menschen missbräuchlich ausnutzen.
2. Hochrisiko-KI-Systeme
Für KI-Systeme, die ein erhebliches Schadenspotenzial für Demokratie, Gesundheit, Bildung, Umwelt oder Sicherheit bergen, gelten bestimmte Anforderungen. Solche Hochrisiko-KI-Systeme sind zum Beispiel:
  • Medizinische Geräte,
  • Transportsysteme,
  • KI-Systeme der kritischen Infrastruktur,
  • KI-Systeme aus Bereichen essenzieller privater und öffentlicher Dienstleistungen (z.B. aus dem Bereich der Banken u. Gesundheitsversorgung)
  • KI-Systeme im Bildungsbereich und
  • KI-Anwendungen im Rechtswesen.
Solche KI-Systeme müssen einem effektiven Risikomanagement unterzogen werden und unterliegen bestimmten Transparenz- und Dokumentationspflichten. Sie müssen stets eine menschliche Kontrolle gewährleisten. Hierzu soll u.a. auch die Einrichtung eines Beschwerdesystems für Nutzer beitragen.
3. KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck (General-purpose AI = GPAI)
KI-Systeme mit allgemeinem Verwendungszweck, die nicht in die o.g. Risikogruppen fallen (darunter z.B. auch ChatGPT), unterliegen weniger strengen Anforderungen, müssen aber transparent und verantwortungsbewusst eingesetzt werden, mit dem EU-Urheberrecht in Einklang stehen und Zusammenfassungen der genutzten Trainingsdaten zur Verfügung stellen. KI-manipulierte Bilder, Audios und Videos (darunter auch sog. „deepfakes“) müssen als solche gekennzeichnet werden. Unternehmen, die ihren Verpflichtungen aus dem AI Act nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern rechnen, die je nach Art des Verstoßes variieren:
  • Wer verbotene KI-Systeme anbietet, dem drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 35 Mio. EUR oder 3 % des weltweiten Jahresumsatzes.
  • Wer als Entwickler, Anbieter, Betreiber oder Importeur von Hoch-Risiko-KI-Systemen seine Pflichten nicht erfüllt, kann mit Bußgeldern von bis zu 15 Mio. EUR oder 3 % des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden.
  • Für die Übermittlung falscher oder unvollständiger Informationen an die zuständigen Behörden können Geldbußen von bis zu 7,5 Mio. EUR oder 1 % des weltweiten Jahresumsatzes erhoben werden.
Die Entscheidung, ob auf den bestimmten Betrag oder den prozentualen Jahresumsatz abzustellen ist, hängt von der Art des betroffenen Unternehmens ab: Bei KMU soll grundsätzlich die im Ergebnis niedrige Alternative gelten, bei großen Unternehmen hingegen stets die höhere. Für KMU sieht der AI Act die Möglichkeit von „regulatory sandboxes“ vor – das sind Reallabore, die das Testen von Anwendungen in einem abgegrenzten regulierungsfreien Raum unter Aufsicht ermöglichen. Auch KI-Systeme im Bereich der Forschung und Entwicklung genießen einen Sonderstatus. Anbieter und KI-Betreiber werden durch den AI Act in die Pflicht genommen, dafür zu sorgen, dass ihr Personal und andere Personen, die in ihrem Auftrag mit ihren KI-Systemen befasst sind, stets über ein hinreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen. Der AI Act tritt 20 Tage nach Veröffentlichung im Journal der EU in Kraft. Vollständig angewendet wird er nach 24 Monaten, d.h. voraussichtlich ab Mai 2026. Bis dahin haben die Unternehmen Zeit, Prozesse und Produkte den neuen Anforderungen entsprechend anzupassen.
  

Seminar am 18.10.2024

Pflichten und Haftung des GmbH Geschäftsführer - Haftungsrisiken kennen und begrenzen

Mit der Stellung als Geschäftsführer gehen zahlreiche Pflichten einher. Der Geschäftsführer trägt Verantwortung nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber Gesellschaftern, Vertragspartnern und dem Fiskus. Zudem hat der Geschäftsführer bei Wahrnehmung der täglichen Geschäfte eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Gesetzen und Vorschriften zu beachten. Die Sorgfaltsanforderungen, die die Gerichte an eine ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung durch die Geschäftsführer stellen, sind nichtsdestotrotz sehr hoch. Um das persönliche Haftungsrisiko möglichst gering zu halten, muss ein Geschäftsführer daher seine Pflichten kennen und gleichzeitig geeignete Vorkehrungen zur Haftungsbeschränkung treffen.
Das Seminar bietet einen Überblick darüber, wie die Geschäftsführerstellung begründet oder aufgehoben wird und welche Pflichten und Haftungsrisiken mit ihr verknüpft sind. Die für die Praxis wesentlichen Sorgfaltspflichten und Haftungstatbestände werden anhand von Praxisbeispielen erläutert. Vorgestellt werden ferner Handlungsmöglichkeiten zur Haftungsbeschränkung. Thematisiert wird in diesem Zusammenhang auch der Schutzumfang sogenannter D&O-Versicherungen und was bei deren Abschluss zu beachten ist.
Eine Anmeldung ist über die IHK-Datenbank möglich.

Reminder

Prüfberichte und Negativerklärungen FinVermV

Der Gewerbetreibende ist nach § 24 Abs. 1 der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) verpflichtet, die Einhaltung der aus den §§ 12 bis 23 FinVermV resultierenden Pflichten auf seine Kosten regelmäßig für jedes Kalenderjahr durch einen geeigneten Prüfer prüfen zu lassen und den Prüfungsbericht bis zum 31. Dezember des Folgejahres bei der örtlich zuständigen Erlaubnisbehörde einzureichen.

1. Wann muss ein Prüfungsbericht erstellt werden?

Ein Prüfungsbericht muss immer dann erstellt werden, wenn der Gewerbetreibende im Berichtszeitraum Finanzanlagenvermittlung oder –beratung im Sinne des § 34f Abs. 1 Satz 1 GewO durchgeführt hat. Beachten Sie bitte:
  • Es gibt keine Bagatell- oder Billigkeitsgrenze:
    Bereits bei nur einer Anlagevermittlung und/oder –beratung im Kalenderjahr muss ein Prüfungsbericht erstellt werden.
  • Prüfungsberichtspflicht auch ohne Vermittlungserfolg/Umsatz:
    Die Prüfungsberichtspflicht entsteht bereits mit der ersten Kundenberatung zu Finanzanlageprodukten im Sinne von § 34f Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) im Kalenderjahr, gleichgültig ob bei Bestands- oder Neukunden. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob ein (neuer) Vertrag vermittelt und hierbei ein Provisionserlös erzielt wurde.

2. Wer darf einen Prüfungsbericht erstellen?

Geeignete Prüfer sind nach § 24 Abs. 3 FinVermV Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften sowie bestimmte Prüfungsverbände (Einschränkung: Prüfung ist gesetzlicher oder satzungsmäßiger Zweck des Verbandes / Prüfung nur für Mitglieder). Mit der Prüfung können nach § 24 Abs. 4 FinVermV auch andere Personen betraut werden, die öffentlich bestellt oder zugelassen worden sind und die aufgrund ihrer Vorbildung und Erfahrung in der Lage sind, eine ordnungsgemäße Prüfung durchzuführen. Zu diesem Personenkreis zählen Steuerberater, Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht sowie für dieses Gebiet nach § 36 GewO öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige.
Ungeeignet sind Prüfer, bei denen die Besorgnis der Befangenheit besteht, das heißt wenn Umstände vorliegen, die die Unabhängigkeit des Prüfers gefährden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn nahe Beziehungen zwischen dem Prüfer und dem zu Prüfenden bestehen. Dies können verwandtschaftliche, persönliche oder auch wirtschaftliche Beziehungen sein, zum Beispiel bei einer finanziellen oder kapitalmäßigen Bindung des Prüfers gegenüber dem zu prüfenden Finanzanlagenvermittler.
Hinweis: Ein Steuerberater ist nicht bereits deshalb befangen und somit ungeeignet, weil er für den Vermittler auch steuerberatend tätig ist und Steuererklärungen fertigt.

3. Welche Aussagen muss ein Prüfungsbericht enthalten? Gibt es Standards?

Geprüft wird, inwieweit sich der Gewerbetreibende an die Vorgaben der §§ 12-23 FinVermV gehalten hat. Die Prüfung erfolgt auf der Grundlage der gemäß § 22 FinVermV anzufertigenden Aufzeichnungen. Darüber hinaus können weitere Unterlagen wie Verträge, Korrespondenzen, Buchungsunterlagen sowie die vom Gewerbetreibenden geführten Konten zur Einsichtnahme herangezogen werden. Der Prüfungsbericht hat folgende Informationen zu enthalten:
  • zum Prüfer (Geeignetheit, Befangenheit),
  • zu Art und Umfang der durchgeführten Geschäfte (Beachtung von § 34f Abs.1 GewO),
  • zu den organisatorischen Vorkehrungen (Beachtung der Verbote, Anzeige-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach §§ 20 bis 23 FinVermV),
  • zur Einhaltung der Verhaltenspflichten (§§ 12 bis 18 FinVermV - Aushändigung der Erstinformation, Ausweisung der Kosten et cetera),
  • zu den im Betrieb Beschäftigten (organisatorische Vorkehrungen für die Einhaltung der Pflichten nach §§ 12 bis 18 FinVermV durch den/die Beschäftigten) und
  • einen Prüfvermerk (Angabe, ob und ggf. welche Verstöße festgestellt wurden).
Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) hat für die Prüfung den IDW PS 840 n.F. entwickelt. Außerdem ergeben sich Hinweise für den Prüfungsaufbau aus der Muster-Verwaltungsvorschrift zum § 34f GewO.

4. Sind Sammelprüfungsberichte möglich?

§ 24 FinVermV sieht eine Erleichterung der Berichtspflicht für Gewerbetreibende vor, die als Untervermittler ausschließlich für eine Vertriebsgesellschaft (Strukturvertrieb) tätig sind. In diesem Fall ist eine Systemprüfung des Obervermittlers in Verbindung mit stichprobenhaften Prüfungen des Untervermittlers möglich. Jedoch muss sichergestellt werden, dass im Rahmen eines Rotationsprinzips mindestens alle vier Jahre jeder Untervermittler einer Einzelprüfung unterzogen wird. Dabei darf für den Vermittler nicht vorhersehbar sein, wann er das nächste mal der Einzelprüfung unterliegt. Neben dem Prüfbericht ist eine Ausschließlichkeitserklärung des Gewerbetreibenden vorzulegen.
Der Prüfer hat in der Systemprüfung festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Erstellung eines Systemprüfungsberichts erfüllt sind. Die Prüfung bezieht sich auf die Angemessenheit und Wirksamkeit des internen Kontrollsystems (IKS) der Vertriebsgesellschaft zur Einhaltung der Verpflichtungen gemäß § 12 bis 23 FinVermV durch die Untervermittler. Hierzu muss die Vertriebsgesellschaft einen einheitlichen Beratungsprozess, Formulare und Vertragsmuster sowie einheitliche Dokumentation vorgeben. 
Sofern ein Gewerbetreibender in einem Berichtsjahr den Obervermittler wechselt und in der Folge für eine andere Vertriebsgesellschaft tätig wird, sollte eine Ausfertigung bzw. Kopie des Systemprüfungsberichts sowie jeweils eine Erklärung des Gewerbetreibenden über den maßgeblichen Zeitraum vorgelegt werden.
Bitte beachten Sie, dass eine solche Systemprüfung nur durch einen eingeschränkteren Kreis an Prüfern durchgeführt werden darf. Nach den rechtlichen Vorgaben sind dies zum Beispiel Wirtschaftsprüfer, aber anders als bei Einzelprüfungen ist der Steuerberater dazu nicht berechtigt.

5. Negativerklärung

Sofern der Gewerbetreibende im Kalenderjahr keinerlei Finanzanlagenvermittlung oder –beratung im Sinne des § 34f Abs. 1 Satz 1 GewO durchgeführt hat, kann die Pflicht zur Vorlage eines Prüfberichts entfallen.
In diesem Fall ist kein Prüfungsbericht vorzulegen. Der Gewerbetreibende hat allerdings eine entsprechende Erklärung darüber einzureichen, dass er im Kalenderjahr keine Tätigkeit nach § 34f Abs. 1 Satz 1 GewO ausgeübt hat (sog. Negativerklärung). Die Mitwirkung eines Pflichtprüfers ist nicht erforderlich. Die Negativerklärung ist der Erlaubnisbehörde unaufgefordert und schriftlich bis spätestens 31. Dezember des Folgejahres vorzulegen. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben. Möglich ist die Verwendung der eingestellten Mustererklärungen (rechts unter Downloads).
Bitte beachten Sie: Eine Negativerklärung ist nicht möglich, wenn
  • der Gewerbetreibende für einen Obervermittler beratend/vermittelnd tätig wurde,
  • eine Anlageberatung, aber keine Vermittlung mit Provisionserlös durchgeführt wurde,
  • eine Vermittlung in nur geringem Umfang stattgefunden hat oder
  • im Rahmen der Bestandsverwaltung lediglich eine Verkaufsempfehlung abgegeben wurde.
In diesen Fällen muss ein Prüfbericht angefertigt und rechtzeitig an die zuständige Erlaubnisbehörde/IHK übermittelt werden.
Bitte beachten Sie, dass das Berichtsjahr eingetragen ist.
Die Negativerklärung ist grundsätzlich vom Gewerbetreibenden selbst abzugeben und nicht vom Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer.

6. Verstöße

Wer einen Prüfungsbericht oder eine Negativerklärung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig übermittelt, begeht nach § 26 Abs. 1 Nr. 14 FinVermV eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann. Werden in einem Prüfungsbericht Verstöße gegen die §§ 12 bis 23 FinVermV festgestellt, kann es zur Verhängung einer Geldbuße nach § 26 FinVermV kommen.
Ein mehrmaliger Verstoß gegen die Vorlagepflicht des Prüfungsberichtes kann die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Frage stellen. Dies gilt ebenso für Fälle, in denen schwerwiegende oder systematische Verstöße des Gewerbetreibenden gegen die prüfungsrelevanten Verpflichtungen oder Verbote der §§ 12 bis 23 FinVermV festgestellt werden. In diesen Fällen droht neben der Verhängung einer Geldbuße nach § 26 FinVermV auch ein Widerruf der Erlaubnis nach § 34f GewO.
Bitte beachten Sie: Nach § 24 Abs. 2 FinVermV ist die zuständige Behörde ermächtigt, eine Sonderprüfung auf Kosten des Gewerbetreibenden durch einen von ihr zu bestimmenden Prüfer anzuordnen. Eine derartige Prüfung kann unter anderem in Betracht kommen, wenn der Prüfungsbericht den Anforderungen nach § 24 Abs. 1 offensichtlich nicht genügt oder wenn sich seit dem Zeitpunkt der Übermittlung des Prüfungsberichts Anlass zu der Annahme ergeben hat, dass der Gewerbetreibende nicht mehr zuverlässig ist, oder wenn der Prüfer nicht die nach § 24 Abs. 3 oder 4 erforderliche Eignung besitzt.

7. Wo und bis wann sind Prüfungsberichte/Negativerklärungen einzureichen?

Die Prüfungsberichte/Negativmitteilungen sind bis spätestens 31. Dezember des Folgejahrs bei der zuständigen Erlaubnisbehörde vorzulegen. In den Bundesländern mit IHK-Zuständigkeit ist an die örtlich zuständigen IHKs zu adressieren. In den Bundesländern, in denen weiterhin die Stadt- und Landkreise für diese Aufgabe verantwortlich sind, müssen die Prüfungsberichte/Negativmitteilungen den entsprechenden Gewerbebehörden übermittelt werden.
In der Region Stuttgart niedergelassene Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater senden den/die jeweilige/-n Prüfbericht/Negativerklärung bitte an:
IHK Region Stuttgart
Referat 44
Jägerstr. 30
70174 Stuttgart
Stand: Juni 2022
Compliance

Eintragungspflicht für (fast) alle Unternehmen im Transparenzregister

Stand: Januar 2024
Alle transparenzpflichtigen Rechtseinheiten, und damit (fast) alle Unternehmen, sind seit dem 1. August 2021 eintragungs- und meldepflichtig gegenüber dem Transparenzregister. Sofern Eintragungen noch nicht erfolgt sind, sollten diese dringend nachgeholt werden. Ansonsten drohen Bußgelder. 
Betroffen sind gem. § 20 GwG alle juristischen Personen des Privatrechts (z.B. AG, GmbH und Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)) und eingetragenen Personengesellschaften (z.B. OHG, KG, PartG) sowie gem. §  21 GwG auch nichtrechtsfähige Stiftungen, Trusts und vergleichbare Vereinigungen. Grundsätzlich nicht betroffen sind Einzelunternehmen, eingetragene Kaufleute (e.K.) und Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR), wobei letztere durch die Reform des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) seit dem 1. Januar 2024 eintragungspflichtig werden können. Mit dem MoPeG können sich GbRs in ein neu zu schaffendes Gesellschaftsregister eintragen. Damit wird die GbR in der Form der sog. „eGbR“ zu den eingetragenen Personengesellschaften gehören und als solche ebenfalls in das Transparenzregister einzutragen sein.  
Die Pflicht gilt auch für ausländische Vereinigungen, wenn sie sich verpflichten, Eigentum an einer im Inland gelegenen Immobilie zu erwerben oder sie aufgrund eines Rechtsvorgangs eine wirtschaftliche Beteiligung innehaben.
Die ursprünglich eingeführte Mitteilungsfiktion des § 20 Abs. 2 GwG a.F. gilt seit dem Inkraftreteten des Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetzes (TraFinG Gw) nicht mehr, Übergangsfristen sind mittlerweile abgelaufen, d.h. alle Betroffenen müssen aktiv werden, unabhängig davon, ob sich die Angaben bereits aus anderen öffentlichen Registern (z. B. Handels-, Genossenschafts-, Partnerschaftsregister) ergeben. 
Die transparenzpflichtigen Einheiten sind verpflichtet, ihren wirtschaftlich Berechtigten zu ermitteln und dem Transparenzregister  aktiv mitzuteilen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, die Angaben aktuell zu halten und Änderungen ebenfalls an das Transparenzregister zu melden. Wirtschaftlich Berechtigte können nur natürliche Personen sein, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle die betreffende Vereinigung letztendlich steht. Mitteilungspflichtig sind folgende Angaben der wirtschaftlich Berechtigten: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Wohnort, Wohnsitzland, Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses sowie die Staatsangehörigkeiten. Kann nach umfassender Prüfung kein wirtschaftlich Berechtigter ermittelt werden, gilt bei juristischen Personen des privaten Rechts und eingetragenen Personengesellschaften als wirtschaftlich Berechtigter der gesetzliche Vertreter, der geschäftsführende Gesellschafter oder der Partner des Vertragspartners.
Auf der Website des Transparenzregisters finden Sie weitere Informationen. Registerführende Stelle des Transparenzregisters ist die Bundesanzeiger Verlag GmbH. Ferner hat das Bundesverwaltungsamt  als Aufsichtsbehörde Merkblätter und einen ausführlichen FAQ-Katalog veröffentlicht. Für Fragen zur Registrierung und zum Eintragungsprozess kann die registerführende Stelle unter den dort genannten Servicenummern kontaktiert werden. 
Inhalt und rechtliche Vorgaben

Arbeitsbescheinigung

Stand: September 2023
Wichtiger Hinweis für Arbeitgeber: Seit dem 1. Januar 2023 ist das elektronische Meldeverfahren BEA für alle Arbeitgeber verpflichtend. Seit diesem Stichtag ist es nicht mehr möglich, Arbeitsbescheinigungen ehemaliger Beschäftigter für die Beantragung von Arbeitslosengeld und Bescheinigungen über Nebeneinkünfte in Papierform an die Agentur für Arbeit zu übermitteln. Weitere Informationen zu der elektronischen Übermittlung finden Sie im Text.

Was ist eine Arbeitsbescheinigung und wofür wird diese benötigt?

Die Arbeitsbescheinigung wird benötigt, wenn ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis endet und der ehemalige Beschäftigte Arbeitslosengeld beantragt. Der Arbeitgeber ist nach § 312 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) verpflichtet, die Arbeitsbescheinigung auszustellen und an die Agentur für Arbeit zu übermitteln. Die Verpflichtung besteht aber nur, wenn dies vom (ehemaligen) Beschäftigten oder der Agentur für Arbeit ausdrücklich verlangt wird. Auf Grundlage der Angaben in der Arbeitsbescheinigung trifft die Agentur für Arbeit die Entscheidung, ob und in welcher Höhe der (ehemalige) Beschäftigte Anspruch auf Arbeitslosengeld hat.
Daneben gibt es die Arbeitsbescheinigung nach § 57 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Auf Verlangen der Agentur für Arbeit (Jobcenter) muss der Arbeitgeber in dieser Arbeitsbescheinigung Auskunft über alle Tatsachen geben, die für die Entscheidung über einen Leistungsanspruch nach SGB II erheblich sein können, etwa wenn Bürgergeld aufstockend zum Arbeitsentgelt beantragt wird. Zu dieser gesonderten Auskunft bzw. Bescheinigung werden Arbeitgeber in Praxis nur selten aufgefordert, weshalb im Folgenden auf diese nicht weiter eingegangen wird.
Wenn im Folgenden von „Arbeitsbescheinigung“ die Rede ist, ist hiermit die Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III gemeint.  

Wie wird die Arbeitsbescheinigung bei der Agentur für Arbeit eingereicht?

Seit dem 1. Januar 2023 ist das elektronische Meldeverfahren BEA (Bescheinigungen elektronisch annehmen) für alle Arbeitgeber verpflichtend, unabhängig von der Größe oder Branche des Unternehmens. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gilt für alle sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, die ab diesem Stichtag beendet werden.
Folgende Bescheinigungen müssen elektronisch über das BEA-Verfahren an die Agentur für Arbeit übermittelt werden:
  • Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III
  • EU-Arbeitsbescheinigung nach § 312a SGB III (für den Leistungsbezug im Ausland)
  • Nebeneinkommensbescheinigung nach § 313 SGB III (für Bezieher von Arbeitslosengeld, Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld, Übergangsgeld oder Kurzarbeitergeld, die einer Nebentätigkeit nachgehen)
Die elektronische Übermittlung der Daten an die Agentur für Arbeit über das BEA-Verfahren ist über zwei Kanäle möglich:
  • Über ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungsprogramm: viele Entgeltabrechnungsprogramme bieten eine entsprechende Funktion an
  • Alternativ kann die elektronische Ausfüllhilfe sv.net genutzt werden: hier genügt die kostenlose Standard-Version
Achtung: Die Übermittlung auf anderem Wege (etwa in Papierform oder als PFD per E-Mail) ist nicht mehr zulässig und stellt zudem rechtlich eine Ordnungswidrigkeit dar.
Eine Ausnahme von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung über BEA besteht nur für Arbeitsverhältnisse, die bis zum 31. Dezember 2022 endeten. In diesen Fällen können die Arbeitsbescheinigungen in Papierform bei der Agentur für Arbeit eingereicht (hierfür ist zwingend die Vorlage der Agentur für Arbeit zu verwenden) oder elektronisch über das BEA-Verfahren übermittelt werden. Arbeitsbescheinigungen nach § 57 SGB II können nicht über das elektronische BEA-Verfahren übermittelt werden. Diese werden von der Agentur für Arbeit als Vorlage zum Download bereitgestellt und können nur schriftlich eingereicht werden.
Nach Eingang der elektronischen Daten bei der Agentur für Arbeit über das BEA-Verfahren wird ein PDF-Dokument erzeugt. Dieses wird zu Dokumentationszwecken in der elektronischen Akte gespeichert. Gleichzeitig erhält der betreffende Arbeitnehmer im Rahmen der BEA von der Agentur für Arbeit einen Ausdruck der übermittelten Daten zugesandt. Damit entfallen seit dem 1. Januar 2023 die Informationspflicht für Arbeitgeber und das bis dahin geltende Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer gegen die elektronische Übermittlung.
Weitere Informationen zum BEA-Verfahren finden sich auf der BEA-Portalseite der Bundesagentur für Arbeit. Fragen zur elektronischen Ausfüllhilfe sv.net beantwortet der Support von sv.net. Außerdem hat die Bundesagentur für Arbeit eine kostenfreie BEA-Hotline eingerichtet, die unter der Rufnummer 0800 4 5555 27 erreichbar ist.

Was wird inhaltlich mit der Arbeitsbescheinigung bescheinigt?

Inhaltlich erstreckt sich die Bescheinigungspflicht des Arbeitgebers auf alle Tatsachen, die für die Entscheidung der Agentur für Arbeit über den Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich sein können.
Arbeitgeber werden nach folgenden Angaben gefragt:
  • Daten des Arbeitgebers und Betriebs
  • Persönliche Daten des Arbeitnehmers
  • Beschäftigungszeitraum (Beginn und Ende), Art der Tätigkeit
  • Beitragspflicht zur Sozialversicherung
  • Angaben zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Gründe für die Kündigung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, Kündigungsfristen, Befristung, Freistellung)
  • Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit
  • Gezahlte Arbeitsentgelte, sonstige Vergütungen, Sonderzahlungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (etwa eine Abfindung)
Grenzen der Bescheinigungspflicht bestehen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei rechtlichen Wertungen. Diese dürfen vom Arbeitgeber nicht abverlangt werden.
Wichtig: Die Angaben müssen wahrheitsgemäß und vollständig gemacht werden.

Gibt es eine Frist für die Übermittlung der Arbeitsbescheinigung?

Es gibt keine gesetzlich vorgesehene Frist für die Übermittlung der Arbeitsbescheinigung. Sobald der (ehemalige) Beschäftigte oder die Agentur für Arbeit die Arbeitsbescheinigung anfordern, sollte der Arbeitgeber die Bescheinigung aber zeitnah übermitteln. Die Agenturen für Arbeit setzen oftmals Fristen von zwei bis vier Wochen, die einzuhalten sind. 

Kann der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung verweigern?

Nein, der Arbeitgeber darf die Ausgabe bzw. Übermittlung der Arbeitsbescheinigung nicht verweigern. Hierbei spielen weder die Kündigungsgründe eine Rolle noch anhängige Kündigungsschutzklagen. Auch etwaige Ansprüche gegen den (ehemaligen) Arbeitnehmer sind ohne Belang. Dem Arbeitgeber steht insoweit kein Zurückbehaltungsrecht zu.

Was droht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsbescheinigung nicht übermittelt oder die Angaben fehlerhaft sind?

Fehlerhafte Angaben können vom Arbeitgeber jederzeit korrigiert werden. Im Wege des neuen BEA-Verfahrens können Arbeitgeber bei inhaltlichen Fehlern oder wenn sich nachträglich Änderungen ergeben, den Datensatz neu ausfüllen und wieder an die Agentur für Arbeit übermitteln.
Ein fahrlässiger oder vorsätzlicher Verstoß gegen die Pflicht zur (rechtzeitigen) Ausstellung und Übermittlung (in elektronischer Form!) oder zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Ausstellung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße bis zu 2.000 Euro geahndet werden kann. Beträgt das Bußgeld mehr als 200 Euro, kann die rechtskräftige Bußgeldentscheidung in das Gewerbezentralregister eingetragen werden. Solche Eintragungen können bei der Entscheidung über eine Gewerbeuntersagung relevant werden.
Weigert sich der Arbeitgeber, eine Arbeitsbescheinigung zu übermitteln, kann der Arbeitnehmer auf Übermittlung klagen.
Zudem kann der Arbeitnehmer Schadensersatz vom Arbeitgeber verlangen, allerdings nur, wenn tatsächlich durch die schuldhaft ausgebliebene oder fehlerhafte Arbeitsbescheinigung ein Schaden entstanden ist, also der Arbeitnehmer kein oder ein niedrigeres Arbeitslosengeld erhalten hat.
Auch gegenüber der Agentur für Arbeit könnte sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen, wenn er schuldhaft eine Arbeitsbescheinigung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig ausfüllt und der Agentur für Arbeit ein Schaden entsteht, weil sie Arbeitslosengeld (teilweise) zu Unrecht gezahlt hat.
Hinweis für Mitgliedsunternehmen

Warnmeldung für Wirtschaftsunternehmen im Handel

Betrügerische E-Mail-Bestellung: Zwischenhändler
Der beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg eingerichteten Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) ist eine Betrugsvariante im E-Mail-Verkehr bekannt geworden. Dabei täuschen Betrugstäter die Identität tatsächlich existierender und namhafter Firmen vor und kontaktieren in Baden-Württemberg ansässige Unternehmen.
Hinweis für Mitgliedsunternehmen

Warnung vor Fake-Rechnungen der Zentralen Zahlstelle Justiz

In letzter Zeit kommt es zu Massenaussendungen von täuschend echt aussehenden Zahlungsaufforderungen einer Zentralen Zahlstelle Justiz, angeblich von einem Amtsgericht mit offiziellem Wappen. Der angebliche Sitz ist unterschiedlich: mal Frankfurt, mal Berlin, mal Leipzig, mal Hamburg. Bei dem Frankfurter Formular ist auffallend, dass das Amtsgerichts-Wappen des Landes NRW abgedruckt ist.
Auffallend ist außerdem, dass die Kontoverbindung ins Ausland führt (italienische BAN) und das sehr kurzfristige Zahlungsziel (innerhalb weniger Tage).
Die ausführliche Meldung entnehmen Sie bitte der Webseite des Deutschen Schutzverband für Wirtschaftskriminalität (DSW).
Recht und Steuern

Modernisierung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

Stand: Februar 2024

1. Einführung

Seit 1. Januar 2024 gelten neue gesetzliche Regelungen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die rechtlichen Änderungen gelten ohne Übergangsregelung auch für vor diesem Stichtag gegründete GbR.
Die Neuregelungen können sich deshalb auf bestehende Gesellschaftsverträge auswirken und Ergänzungen oder Änderungen erfordern. Gesellschafter sollten prüfen, ob Handlungsbedarf besteht. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Eintragung der GbR in das neu geschaffene Gesellschaftsregister erforderlich oder sinnvoll ist. Die Eintragung im Gesellschaftsregister wird für manche GbR zur Voraussetzung, um handlungsfähig zu bleiben.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) wurden teils neue Regeln für die GbR eingeführt. Auch geltendes Recht, das durch Rechtsfortbildung in den vergangenen Jahrzehnten entstanden ist, wurde in den Gesetzestext des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) übernommen. Der weitgehend überarbeitete Text regelt die GbR klarer und ist leichter verständlich. 
Zwei Kernstücke der Reform sind die Regelung der Rechtsfähigkeit der GbR als Außengesellschaft und das neue Gesellschaftsregister für die eGbR.

2. Rechtsfähige und nichtrechtsfähige GbR

Die Regelungen des BGB unterscheiden jetzt ausdrücklich zwischen einer rechtsfähigen und nichtrechtsfähigen GbR. Zuvor wurde die Rechtsfähigkeit der GbR nur durch die Rechtsprechung anerkannt.
Die nichtrechtsfähige GbR (auch: Innengesellschaft) wird nicht unternehmerisch tätig, sie nimmt nicht am Rechtsverkehr teil, sondern dient den Gesellschaftern nur zur Ausgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse untereinander. Im Folgenden wird auf die Innengesellschaft nicht weiter eingegangen.
Die rechtsfähige GbR (auch: Außen-GbR, Außengesellschaft) nimmt dagegen am Rechtsverkehr teil. Sie ist Trägerin von Rechten und Pflichten. Dies bedeutet, dass die GbR selbst Vertragspartnerin ist und Schuldnerin oder Gläubigerin daraus folgender Ansprüche wird. Das Vermögen der GbR wird der Gesellschaft selbst zugeordnet, das früher geltende Gesamthandsprinzip ist somit entfallen. Die GbR ist im Zivilprozess parteifähig und kann in eigenem Namen klagen oder verklagt werden. Daneben ist die Klage gegen einzelne Gesellschafter weiterhin möglich.
Die GbR gilt als rechtsfähig, wenn sie nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll. Die Rechtsfähigkeit wird vermutet, wenn der Gegenstand der GbR der Betrieb eines Unternehmens unter gemeinschaftlichem Namen ist.
Neu ist, dass die GbR im Verhältnis zu Dritten erst entsteht, sobald sie mit Zustimmung aller Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt, spätestens aber mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister.

3. Eintragung in das Gesellschaftsregister

Das Gesellschaftsregister ist ein neu geschaffenes Register für die GbR, geführt wird es von den Amtsgerichten, die auch für die Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts- und Vereinsregister zuständig sind.
Es besteht zwar keine allgemeine Eintragungspflicht für die GbR, diese steht weiterhin als einfache, formlos zu gründende Gesellschaftsform zur Verfügung. In bestimmten Fällen wird jedoch die Eintragung in das Gesellschaftsregister zu einem faktischen Zwang, da die GbR die Registrierung vornehmen muss, um ihre Handlungsfähigkeit zu behalten.
Soweit die Eintragung nicht zwingend ist, haben die Gesellschafter grundsätzlich die Wahl, ob sie die GbR freiwillig in das neue Gesellschaftsregister eintragen und den dafür erforderlichen Formalismus in Kauf nehmen: Die notarielle Anmeldung zur Eintragung in das Gesellschaftsregister verursacht Aufwand und Kosten. Jede Änderung, z.B. im Gesellschafterbestand, der Vertretungsbefugnis oder dem Sitz der eingetragenen GbR (eGbR), muss notariell angemeldet werden. Die Rückkehr der eGbR zu einer nicht registrierten GbR durch Löschung im Gesellschaftsregister ist nicht möglich. Vielmehr muss die eGbR liquidiert werden, um die Löschung im Gesellschaftsregister herbeizuführen. Die eGbR kann aber auch ihren Status wechseln und eine andere Rechtsform annehmen, die z.B. im Handelsregister eingetragen wird.
Die Eintragung hat einige Vorteile, beispielsweise wird die Teilnahme der eGbR am Geschäftsverkehr erleichtert. Denn das Gesellschaftsregister ist als öffentliches Register für jeden kostenlos einsehbar, um wesentliche Informationen der eGbR abzurufen. Der Inhalt des Gesellschaftsregisters genießt den öffentlichen Schutz des guten Glaubens auf die Richtigkeit des Inhaltes. Mit der Registerpublizität entsteht Transparenz über die Existenz und Identität der GbR. Damit wird auch der Nachweis der Vertretungsbefugnis der Gesellschafter im Geschäftsverkehr vereinfacht. Ohne Registerpublizität kann die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter nur durch Vorlage des Gesellschaftsvertrages oder Vollmachten offenbart werden. Die Registrierung bringt somit mehr Rechtssicherheit und stärkt das Vertrauen der Vertragspartner.
Die Eintragung einer GbR im Gesellschaftsregister verändert ihren Status als Kleingewerbe im Übrigen nicht, sie wird dadurch nicht zu einem kaufmännischen Handelsgewerbe.

4. Beispiele für die faktische Eintragungspflicht

Als Faustregel gilt: Will die GbR über Rechte verfügen, für die eine Eintragungspflicht in ein öffentliches Register besteht, beispielsweise dem Handelsregister, ist die Eintragung im Gesellschaftsregister zwingend. Damit hängt die Wirksamkeit oder Durchführung bestimmter rechtlicher Handlungen von der Registrierung der GbR im Gesellschaftsregister ab. Dies gilt für folgende Sachverhalte:

4.1 Im Grundbuch eingetragene GbR

Der Erwerb, die Veräußerung oder die Verfügung über Grundstücksrechte durch eine GbR ist materiellrechtlich nur wirksam, wenn die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erfolgt. Seit 1. Januar 2024 kann die Eintragung von Grundstücksrechten im Grundbuch daher nur noch dann vollzogen werden, wenn die GbR zuvor in das Gesellschaftsregister eingetragen wurde. Dies bedeutet: Ohne Eintragung im Gesellschaftsregister ist z. B. der Eigentumserwerb an einem Grundstück nicht mehr möglich.
Zu beachten ist, dass es keine Übergangsregeln für bereits im Grundbuch eingetragene GbR gibt. Die Registrierung im Gesellschaftsregister ist auch für vor dem 1. Januar 2024  entstandene GbR zwingend, um über ihre Immobilienrechte zu verfügen.
Für eine GbR, die vor dem Stichtag im Grundbuch eingetragen wurde, besteht jedoch keine unmittelbare Pflicht, sich am 1. Januar 2024 im Gesellschaftsregister eintragen zu lassen. Die Eintragung muss aber spätestens dann erfolgen, wenn eine Veränderung im Grundbuch notwendig wird.

4.2 GbR als Gesellschafterin

Die GbR kann sich als Gesellschafterin an anderen Gesellschaften beteiligen, wie z. B. einer GbR, OHG, KG, GmbH usw. Neu ist, dass eine GbR seit 1. Januar 2024 zwingend im Gesellschaftsregister eintragen sein muss, damit ihre Gesellschafterstellung oder entsprechende Änderungen im jeweiligen Register, etwa dem Handelsregister, eingetragen werden können. Im Einzelnen gilt seit 1. Januar 2024:
  • Eine GbR kann zwar rechtlich wirksam einen Anteil an einer eingetragenen GbR, OHG oder KG erwerben. Ohne ihre Eintragung im Gesellschaftsregister wird die GbR jedoch nicht als Gesellschafterin einer eingetragenen GbR im Gesellschaftsregister, oder als Gesellschafterin einer KG oder OHG im Handelsregister eingetragen. Somit fehlt die Publizität des Gesellschaftsverhältnisses. Gefährlich kann dies dann werden, wenn eine GbR als Kommanditist an einer KG beteiligt werden soll: Ohne Eintragung der GbR in das Handelsregister droht die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter, wenn die KG am Geschäftsverkehr teilnimmt.
  • Veräußert eine nicht eingetragene GbR einen Anteil, beispielsweise an einer OHG, so dürfte die Löschung der nicht im Gesellschaftsregister eingetragenen GbR als Gesellschafterin aus dem Handelsregister der OHG möglich sein.
  • Wenn eine nicht eingetragene GbR Gesellschafterin einer OHG oder KG ist, und sich der Gesellschafterbestand der GbR ändert, muss die Änderung im Handelsregister der OHG oder KG eingetragen werden. Dies ist nur möglich, wenn die GbR zuvor im Gesellschaftsregister eingetragen worden ist.
  • Der Verkauf eines GmbH-Anteils durch eine nicht eingetragene GbR kann nicht in die Gesellschafterliste, welche im Handelsregister hinterlegt ist, eingetragen werden. Dasselbe gilt für den Erwerb eines GmbH Anteils. Dies ist problematisch, da die Gesellschafterliste Legitimationswirkung besitzt: Die GbR gilt gegenüber der GmbH erst als Gesellschafterin, wenn die Eintragung in die Gesellschafterliste erfolgt ist. So lange ist die GbR z. B. von der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung der GmbH ausgeschlossen.
Für eine GbR, die vor dem 1. Januar 2024 gegründet wurde, besteht zunächst kein unmittelbare Eintragungspflicht. Erst bei einer Veränderung der oben genannten Gesellschaftsverhältnisse muss die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen werden, damit die Aktualisierung in den anderen Registern eintragen werden kann.

4.3 Sonstige Fälle

  • Will eine GbR Namensaktien einer Aktiengesellschaft (AG) erwerben, muss diese im Gesellschaftsregister eingetragen worden sein, damit sie auch im Aktienregister als Aktionärin registriert werden kann. Der Kauf der Namensaktie ist zwar wirksam, allerdings gelten nur die im Aktienregister eingetragenen Gesellschafter als stimm- und dividendenberechtigt. Verkauft eine GbR Namensaktien einer AG, muss die GbR zuvor im Gesellschaftsregister eingetragen sein, damit sie im Aktienregister gelöscht werden kann.
  • Will eine GbR Rechte an eingetragenen Schiffen erwerben, so sieht das Gesetz die Registrierung der GbR im Gesellschaftsregister vor der Eintragung im Schiffsregister vor.
Für eine GbR, die vor dem 1. Januar 2024 gegründet wurde, besteht zunächst kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Erst bei einer Veränderung der Gesellschaftsverhältnisse muss die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen werden, um die Aktualisierung in den anderen Registern eintragen zu können.

5. Ablauf der Eintragung

Die Eintragung in das Gesellschaftsregister setzt eine notariell beglaubigte Anmeldung durch sämtliche Gesellschafter voraus. Die Anmeldung muss bestimmte Angaben zur Gesellschaft enthalten: Name der Gesellschaft, Sitz und Anschrift in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Ferner soll der Unternehmensgegenstand angegeben werden, soweit er sich nicht aus dem Namen der Gesellschaft ergibt.
Die Gesellschafter müssen ihren Namen, Vornamen, das Geburtsdatum und den Wohnort angeben. Sind Gesellschafter juristische Personen oder rechtsfähige Personengesellschaften, muss die Firma oder der Name, die Rechtsform, der Sitz und, soweit gesetzlich vorgesehen, das zuständige Register und die Registernummer angegeben werden. Die Anmeldung muss auch Angaben zur Vertretungebefugnis der Gesellschafter und die Versicherung enthalten, dass die Gesellschaft nicht bereits im Handels- oder Partnerschaftsregister eingetragen ist.
Nicht erforderlich – aber empfehlenswert – ist ein schriftlicher Gesellschaftsvertrag, eine notarielle Beurkundungspflicht besteht nicht.
Ändert sich der Name der eingetragenen Gesellschaft, der Sitz, die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter oder tritt ein Gesellschafter aus oder ein, muss dies beim Gesellschaftsregister notariell zur Eintragung angemeldet werden. Die Anmeldungen sind grundsätzlich von sämtlichen Gesellschaftern vorzunehmen. Ändert sich die Anschrift der GbR, so kann dies von der Gesellschaft selbst angemeldet werden.
Mit der Eintragung im Gesellschaftsregister und der vom Gesetz vorgesehene Einbindung des Notars entstehen Notar- und Registergebühren in Höhe von ca. 300 Euro.

6. Besonderheiten der eGbR gegenüber der GbR

6.1 Name der eGbR

Mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister ist die GbR verpflichtet, den Namenszusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen. Andere Rechtsformzusätze sind unzulässig. Sofern keine natürliche Person als Gesellschafter haftet, weil z. B. alle Gesellschafter GmbHs sind, muss zusätzlich eine Kennzeichnung der Haftungsbeschränkung erfolgen, wie z. B. GmbH & Co. eGbR.
Der Name der GbR kann aus den Namen eines oder mehrerer Gesellschafter, einer Fantasiebezeichnung oder in Kombination mit einer Sach- oder Branchenbezeichnung gebildet werden. Die Zulässigkeit des Namens der eGbR orientiert sich an den firmenrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 18 HGB. Demnach muss der Name Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft besitzen und darf nicht zu einer wesentlichen Irreführung geeignet sein. Außerdem muss sich der Name der eGbR deutlich von bereits bestehenden Unternehmen mit demselben Sitz abheben, die bereits in einem Register eingetragen wurden. Das Registergericht prüft die Zulässigkeit des Namens der eGbR nach den genannten Gesichtspunkten. Um zu vermeiden, dass das Registergericht den gewählten Namen wegen rechtlicher Mängel ablehnt, bietet die IHK Region Stuttgart für eGbR, die ihren Sitz im Kammerbezirk der IHK Region Stuttgart haben, eine kostenlose Prüfung des Namens an. Für die Prüfung steht Ihnen unser Online Service zur Verfügung.
Für die nicht eingetragene GbR besteht weiterhin keine Pflicht, einen Rechtsformzusatz zu führen. Da z. B. das Kürzel GbR über die Rechtsform aufklärt, ist die Verwendung aber empfehlenswert. Im Übrigen darf auch die GbR einen Namen führen, eine spezielle gesetzliche Regelung dazu gibt es jedoch nicht. Zur Namenbildung kommen wiederum die Namen der Gesellschafter, eine Branchenbezeichnung, eine Fantasiebezeichnung oder eine Kombination daraus in Frage. Eine Prüfung der Zulässigkeit des Namens findet nicht statt. Die Grenzen der Namenswahl ergeben sich aus dem wettbewerbsrechtlichen Irreführungsverbot und bestehenden Schutzrechten Dritter. Zu beachten ist, dass die ausgeschriebenen Vor- und Nachnamen der Gesellschafter in Geschäftsbriefen enthalten sein müssen.

6.2 Sitz der eGbR

Die Gesellschafter können einen beliebigen Ort als Sitz im Inland vereinbaren (sog. Vertragssitz), auch wenn es sich dort nicht um den Verwaltungssitz handelt, an dem die Geschäfte tatsächlich geführt werden. Dadurch wird es der eGbR möglich, die gesamte Geschäftstätigkeit ins Ausland zu verlegen.
Für die nicht eingetragene GbR gilt dieses Privileg nicht, ihr Sitz muss an dem inländischen Ort sein, an dem deren Geschäfte tatsächlich geführt werden (Verwaltungssitz).

6.3 Publizität der Vertretungsbefugnis

Bisher war Voraussetzung für die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter gegenüber Dritten, dass diese zugleich zur Geschäftsführung befugt sind. Dabei ging das BGB vom Regelfall der gemeinschaftlichen Geschäftsführung aus, falls keine abweichenden Regelungen getroffen wurden.
Künftig geht das Gesetz als Regelfall von einer Gesamtvertretungsbefugnis aus, ohne eine Verknüpfung mit der Geschäftsführungsbefugnis. Die Gesellschafter können von der Regel abweichen und andere Vertretungsregelungen vereinbaren.
Für eGbR vereinfacht sich die Teilnahme am Geschäftsverkehr: Da die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter im Gesellschaftsregister eingetragen wird, genießt diese Registerpublizität, der Rechtsverkehr kann sich somit einfach und rechtssicher über die Vertretungsbefugnis informieren. Gesellschafter der nicht eingetragenen GbR können dagegen eine bestehende Einzelvertretungsbefugnis nur gesondert nachweisen, etwa mit einer Vollmacht.

6.4 Transparenzregister Mitteilungspflicht

Mit der Registrierung der eGbR im Gesellschaftsregister ist diese verpflichtet, den bzw. die wirtschaftlich Berechtigten sowie darauf bezogene Änderungen im Transparenzregister einzutragen. Für die nicht eingetragene GbR gilt dies nicht.

6.5 Gewerbeanmeldung

Wer den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle anfängt, muss dies der zuständigen Behörde gleichzeitig anzeigen (vgl. § 14 GewO). Anzeigepflichtig sind bei Personengesellschaften wie der GbR die geschäftsführungsberechtigten Gesellschafter. Die Personengesellschaft GbR selbst ist bislang gewerberechtlich nicht anerkannt.

6.6 Steuerrecht

Nach der Gesetzesbegründung zum MoPeG sind Änderungen an den ertragsteuerlichen Grundsätzen bei der Besteuerung von Personengesellschaften nicht verbunden. Auf Ebene der Einkommensteuer bleibt es für die Personengesellschaften grundsätzlich beim Transparenzprinzip, also der ertragssteuerrechtlichen Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bleibt unverändert. Soweit in den einzelnen Steuergesetzen von Gesamthandsvermögen gesprochen wird, soll dies bei rechtsfähigen Personengesellschaften dahingehend zu verstehen sein, dass damit das Vermögen der Gesellschaft in Abgrenzung zum Vermögen des Gesellschafters (Sonderbetriebsvermögen) gemeint ist. Dessen ungeachtet wird in der Fachwelt über Auswirkungen auf die Ertrags-, Erbschaft- und Grunderwerbsteuer durch den Wegfall der Gesamthand diskutiert. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen und mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz verschiedene steuerliche Regelungen an die mit dem MoPeG zum Jahreswechsel eingetretenen Rechtsänderungen angepasst: So gilt über einen neuen § 24 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) die rechtsfähige Personengesellschaft- befristet bis zum 31. Dezember 2026- als Gesamthand. Die  §§ 5 und 6 GrEStG blieben dadurch bis auf Weiteres anwendbar. Durch die Anpassung werden laufende Nachbehaltensfristen nicht verletzt.
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts (KöMoG) besteht seit dem 1. Januar 2022 für Personenhandelsgesellschaften, wie OHG und KG, die Möglichkeit, auf unwiderruflichen Antrag zur Körperschaftsbesteuerung zu wechseln. Einzelunternehmen und andere Personengesellschaften, insbesondere GbRs, fallen dagegen bisher nicht in den Anwendungsbereich des § 1a KStG. Mit dem Wachstumschancengesetz soll eine Ausweitung der Körperschaftsteueroption erfolgen. Danach sollen künftig alle Personengesellschaften die Möglichkeit erhalten zu optieren. Mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wird erst im ersten Quartal 2024 gerechnet.
Umsatzsteuerlich ergeben sich durch das MoPeG keine Änderungen. Die Personengesellschaft ist umsatzsteuerlicher Unternehmer.

7. Kaufmannseigenschaft, Statuswechsel und Umwandlung

Die stetige Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kann dazu führen, dass die GbR und eGbR nicht mehr die optimale Gesellschaftsform ist und eine Anpassung der Rechtsform notwendig wird. Die GbR und eGbR haben dabei unterschiedliche Optionen, dazu einige Beispiele:

7.1 Vom Kleingewerbe zum Handelsgewerbe

Wächst das Unternehmen, kann aus einer anfänglich kleingewerblichen GbR ein kaufmännischer Geschäftsbetrieb werden. Die GbR wird in diesem Fall „automatisch“ zu einer OHG und muss in das Handelsregister eingetragen werden. Die Eintragungspflicht ist Folge der Kaufmannseigenschaft. Daneben ist es möglich, dass die GbR sich in einer anderen Rechtsform organisiert, z. B. einer KG oder GmbH.
Bei der eGbR löst der Wechsel des Geschäftsumfangs vom Kleingewerbe zum kaufmännischen Geschäftsbetrieb ebenfalls eine Handlungspflicht aus: Die eGbR muss bei dem Registergericht, bei dem sie eingetragen ist, einen Statuswechsel anmelden, z. B. in eine OHG oder KG. Der Statuswechsel wird im Handelsregister eingetragen. Daneben könnte sich die eGbR auch in eine andere Rechtsform umwandeln, etwa eine GmbH.

7.2 Freiwillige Eintragung als OHG im Handelsregister

Eine kleingewerbliche GbR ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich freiwillig als OHG in das Handelsregister eintragen zu lassen. Mit der Eintragung im Handelsregister wird aus der kleingewerblichen GbR ein kaufmännisches Unternehmen. Für die OHG gelten die Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB), insbesondere die kaufmännische Buchführungspflichten. Wurde die Eintragung der OHG im Handelsregister vollzogen, gibt es künftig kein Zurück mehr in die GbR, indem die OHG einfach im Handelsregister gelöscht wird. Anders als vor der Reform kann die OHG nur durch einen Statuswechsel zu einer eingetragenen GbR werden. Der Weg in die nicht eingetragene GbR ist ihr versperrt.
Möchte eine kleingewerbliche eGbR sich freiwillig als OHG oder KG im Handelsregister eintragen lassen, ist dazu wiederum die Eintragung eines entsprechenden Statuswechsels erforderlich. Auch hier gilt: Ein Zurück in die nicht eingetragene GbR ist nicht möglich.

7.3 Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel

Das Umwandlungsgesetz (UmwG) erleichtert Gesellschaften durch spezielle Regelungen ihre Rechtsform umzustrukturieren oder zu wechseln. Ein Vorteil des UmwG ist beim Formwechsel in eine andere Gesellschaftsform z. B. das Identitätsprinzip und die Gesamtrechtsnachfolge. Die rechtliche und wirtschaftliche Kontinuität des Rechtsträgers bedeuten, dass alle Aktiva und Passiva, Eigentum und Besitz sowie Rechte und Verträge des Ausgangsunternehmens „automatisch“ auf die neue Rechtsform übergehen.
Nur die eGbR ist ein umwandlungsfähiger Rechtsträger im Sinne des UmwG. Sie kann sich an einer Verschmelzung und Spaltung beteiligen und ihre Rechtform z. B. in eine GmbH umwandeln. Für die nicht registrierte GbR steht das UmwG nicht zur Verfügung, wenn eine Änderung der Rechtsform beabsichtigt ist.

8. Anpassungsbedarf für bestehende GbR-Verträge prüfen

Soweit durch die Reform nur geltendes Recht neu in das BGB aufgenommen wurde, besteht kein konkreter Handlungsbedarf für vor dem 1. Januar 2024 gegründete GbR. Beispielsweise wurden in das BGB nun ausdrückliche Regelungen zur Notgeschäftsführung, § 715a BGB, Gesellschafterklage, § 715b BGB und unbeschränkten Gesellschafterhaftung, §§ 721 – 721b BGB, aufgenommen, ohne dass dabei die geltende Rechtslage verändert wird, diese wurde lediglich konsolidiert.
Anderes gilt jedoch bei den ab 1. Januar 2024 geltenden neuen Regelungen, die eine neue Rechtslage bewirkt haben. Gesellschafter einer bestehenden GbR sollten deshalb prüfen, ob ihr Gesellschaftsvertrag noch passt. Neu sind z. B. die Folgen des Ausscheidens von Gesellschaftern, die nach altem Recht zu einer Auflösung der GbR geführt haben.
Ein Beispiel: Nach früherem Recht war der Tod eines Gesellschafters ein gesetzlicher Auflösungsgrund für die GbR. Wenn die Gesellschafter die Auflösung nicht wollten, sondern die GbR mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt werden sollte, war eine ausdrückliche Vereinbarung dazu im Gesellschaftsvertrag erforderlich. 
Seit dem 1. Januar 2024 gilt genau das Gegenteil: Der Tod eines Gesellschafters ist kein gesetzlicher Auflösungsgrund mehr, sondern führt nur zum Ausscheiden des Gesellschafters, die GbR besteht also fort. Wenn die Gesellschafter möchten, dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, muss dies im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden.
Die Neuregelung erfasst auch alte GbR-Gesellschaftsverträgen, die vor dem 1. Januar 2024 abgeschlossen wurden. Deshalb muss geprüft werden, ob Anpassungsbedarf besteht. Wurde damals bewusst keine vom Gesetz abweichende Regelung aufgenommen, weil beim Tod eines Gesellschafters die gesetzliche Rechtsfolge „Auflösung“ eintreten sollte, und soll dies auch nach dem 1. Januar 2024 für die GbR gelten, muss der Gesellschaftsvertrag um eine ausdrückliche Regelung ergänzt werden, damit die Rechtsfolge „Auflösung“ weiterhin eintritt.
Vergleichbares gilt bei der
  • Kündigung der Mitgliedschaft durch Gesellschafter
  • Kündigung durch Pfändungsgläubiger
  • Insolvenz eines Gesellschafters
Diese Auflösungsgründe gelten nach neuem Recht nicht mehr und führen nur zu einem Ausscheiden des Gesellschafters unter Fortbestand der Gesellschaft.
Gesellschafter, die nicht wollen, dass die neuen Regeln für ihren Gesellschaftsvertrag gelten, müssen eine wichtige Frist im Auge behalten, Artikel 229, § 61 EGBGB: Die vor dem 1. Januar 2024 geltenden Auflösungstatbestände sind mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung weiter anzuwenden, wenn ein Gesellschafter bis zum 31. Dezember 2024 die Anwendung dieser Vorschriften gegenüber der Gesellschaft schriftlich verlangt, bevor innerhalb dieser Frist ein zur Auflösung der Gesellschaft oder zum Ausscheiden eines Gesellschafters führender Grund eintritt. Das Verlangen kann durch einen Gesellschafterbeschluss zurückgewiesen werden.

9. Auf einen Blick: Unterschiede der GbR zur eGbR

GbR
eGbR
Keine Eintragung im Gesellschaftsregister
Eintragung im Gesellschaftsregister
Gründung ohne Formalismen und Gründungskosten
Notarielle Beglaubigung der Anmeldung zur Eintragung in das Gesellschaftsregister; Notar- und Registergebühren
Rechtsformzusatz „GbR“ ist freiwillig
Rechtsformzusatz „eGbR“ oder eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist Pflicht
Namensschutz örtlich, i. d. R. auf den Sitz beschränkt
Namensschutz örtlich i. d. R. auf den Sitz beschränkt. Der Name kann mit dem Geschäftsbetrieb veräußert und vom Erwerber fortgeführt werden. Es gelten die firmenrechtlichen Regelungen des HGB
Nachweis der Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer Vollmacht oder des Gesellschaftsvertrags
Nachweis der Vertretungsbefugnis durch Registerpublizität
Nachweis der Existenz der GbR und ihrer Gesellschafter durch Gesellschaftsvertrag und ggf. zusätzliche Erklärungen
Registerpublizität und Schutz des guten Glaubens des Gesellschaftsregisters
Teilnahme am Geschäftsverkehr ohne Vorteile der Registerpublizität
Teilnahme am Geschäftsverkehr wird durch Registerpublizität vereinfacht
Ansehen der GbR könnte gegenüber der eGbR leiden
Seriösitätsvorsprung der eGbR durch Registerpublizität
Keine Mitteilungspflicht an das Transparenzregister
Mitteilungspflicht an das Transparenzregister
UmwG nicht anwendbar
UmwG anwendbar
Sitz = Verwaltungssitz
freie Sitzwahl
Liquidation ohne notarielle Formalismen
i. d.R. notarielle Anmeldung der Liquidation, Liquidatoren und Löschung zur Eintragung in das Gesellschaftsregister

Whistleblowing: Das Hinweisgeberschutzgesetz ist da

Stand: Juli 2023

Gesetzgebungsziel und aktueller Stand 

Ziel des HinSchG ist der Schutz von Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden. Das HinSchG verbietet jegliche Repressalien gegenüber hinweisgebenden Personen (sog. Whistleblowern) und verpflichtet Unternehmen, sichere Kanäle für die Meldung von Missständen einzurichten. 
Update Juli 2023: Das HinSchG wurde am 2. Juni 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten.
Welche Vorgaben das HinSchG beinhaltet und was Unternehmen jetzt tun müssen, erfahren Sie im nachfolgenden Text. 

Wer kann Hinweisgeber sein? 

Der Bereich der Personen, der nach dem HinSchG geschützt ist, ist weit gefasst und umfasst alle natürlichen Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden (hinweisgebende Personen), insbesondere: 
  • Beschäftigte, auch bereits ausgeschiedene Beschäftigte, Stellenbewerber, Praktikanten, Leiharbeitnehmer
  • Selbstständige, die Dienstleistungen erbringen, Freiberufler, Auftragnehmer, Unterauftragnehmer, Lieferanten und deren Mitarbeiter
  • Anteilseigner und Personen in Leitungsgremien
Hinweis: Nach § 16 Absatz 1 HinSchG müssen die internen Meldekanäle mindestens den eigenen Beschäftigten sowie Leiharbeitnehmern offenstehen, die dem Unternehmen überlassen sind. Die zur Einrichtung verpflichteten Unternehmen können selbst entscheiden, ob das Meldeverfahren darüber hinaus auch (außenstehenden) Personen, die im Kontakt zum Unternehmen stehen, offenstehen soll.
Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die die hinweisgebende Person unterstützen sowie Personen, die zwar nicht selbst die Meldung erstatten, aber Gegenstand der Meldung oder sonst von der Meldung betroffen sind. 

Welche Verstöße können von Hinweisgebern gemeldet werden?

Nicht jede Meldung einer Verletzung von Rechtsvorschriften ist vom HinSchG umfasst. Der unter § 2 HinSchG geregelte Schutzbereich ist aber sehr weit gefasst. Hinweisgebende Personen genießen den Schutz des HinSchG, wenn sie Verstöße gegen folgende Vorschriften melden: 
  • Verstöße gegen Strafvorschriften: Dies umfasst jede Strafnorm nach deutschem Recht.
  • Verstöße, die mit einem Bußgeld bedroht sind (also Ordnungswidrigkeiten), wenn die verletzte Norm dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Darunter fallen beispielswese Vorschriften aus den Bereichen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Verstöße gegen das Mindestlohngesetz oder Bußgeldvorschriften, die Verstöße gegen Aufklärungs- und Auskunftspflichten gegenüber Organen der Betriebsverfassung wie Betriebsräten sanktionieren.
  • Darüber hinaus sind alle Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder umfasst, die zur Umsetzung bestimmter europäischer Regelungen getroffen wurden, sowie Verstöße gegen unmittelbar geltende EU-Rechtsakte in einer Vielzahl verschiedener Bereiche, etwa: Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Vorgaben zur Produktsicherheit, Vorgaben zur Verkehrssicherheit, Vorgaben zur Beförderung gefährlicher Güter, Vorgaben zum Umwelt- und Strahlenschutz, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Regelungen des Verbraucherschutzes, Regelungen des Datenschutzes und der Sicherheit in der Informationstechnik, Regelungen des Vergaberechts, Regelungen zur Rechnungslegung bei Kapitalgesellschaften, Regelungen im Bereich des Wettbewerbsrechts etc.
  • Zuletzt wurde der sachliche Anwendungsbereich auf Äußerungen von Beamtinnen und Beamten ausgeweitet, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen (wohl aufgrund der Geschehnisse um die “Reichsbürger-Razzia”).
Hinweis: Voraussetzung ist immer, dass sich die Verstöße auf den Beschäftigungsgeber/das Unternehmen oder eine andere Stelle beziehen müssen, mit dem oder mit der die hinweisgebende Person selbst in beruflichem Kontakt stand oder steht (§ 3 Absatz 3 HinSchG). 

Welche Unternehmen müssen zu welchem Zeitpunkt interne Meldekanäle einrichten?

Unternehmen mit in der Regel mindestens 250 Beschäftigten müssen die Vorgaben nach dem HinSchG spätestens bis zum 2. Juli 2023 umgesetzt haben. Aber: Die Bußgeldvorschrift, wonach ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro droht, wenn ein interner Meldekanal nicht eingerichtet oder betrieben wird (siehe hierzu unten “Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das HinSchG?”), tritt erst am 1. Dezember 2023 in Kraft. Solange wird also kein Bußgeld wegen fehlender Einrichtung oder fehlendem Betrieb verhängt. 
Gleiches gilt auch für Unternehmen in bestimmten Branchen (z.B. Finanzdienstleistungs- oder Versicherungsunternehmen, Auflistung in § 12 Absatz 3 HinSchG) unabhängig von der Zahl der Beschäftigten. Diese Unternehmen sind also ab bereits einem (!) Beschäftigten verpflichtet, einen internen Meldekanal einzurichten. 
Für Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten sieht das HinSchG eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 vor. Diesen Unternehmen ist es zudem nach § 14 Absatz 2 HinSchG erlaubt, Ressourcen zu teilen und mit anderen Unternehmen eine „gemeinsame Meldestelle“ zu betreiben.
Kleine Unternehmen mit in der Regel bis zu 49 Beschäftigten sind von der Pflicht zur Einrichtung eines internen Meldekanals ausgenommen. Die Schutzvorschriften des HinSchG (insbesondere der Schutz vor Repressalien nach § 36 HinSchG) dürfte aber wohl auch in diesen kleinen Unternehmen gelten, wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer einen Rechtsverstoß meldet. 

Was ist bei der Einrichtung und beim Betrieb interner Meldekanäle zu beachten?

Folgende 10 Punkte müssen berücksichtigt werden:

1. Die internen Meldekanäle müssen nach § 16 Absatz 3 HinSchG Meldungen in mündlicher oder in Textform sowie auf Wunsch in persönlicher Weise ermöglichen:

  • Meldekanäle, die Meldungen in Textform ermöglichen, können sein: IT-gestütztes Hinweisgebersystem wie etwa eine Plattform im Internet oder Intranet oder eine eigens für die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen nach dem HinSchG eingerichtete E-Mail-Adresse
  • Meldekanäle, die Meldungen ausschließlich in Schriftform ermöglichen (z.B. ein Beschwerde-Briefkasten oder Meldungen über den Postweg) dürften nicht ausreichen, weil der Gesetzeswortlaut von Meldungen “in Textform” spricht
  • Mündliche Meldekanäle können sein: Whistleblower-Hotline, Anrufbeantwortersystem
  • Auf Wunsch des Hinweisgebers sollte es über diese Kanäle auch möglich sein, innerhalb eines angemessenen Zeitraums Hinweise in einem persönlichen Treffen zu besprechen, das mit Einwilligung des Hinweisgebers auch in Form einer Videokonferenz erfolgen kann
Hinweis: Nach § 16 Absatz 1 HinSchG besteht ausdrücklich keine Verpflichtung, die internen Meldekanäle so einzurichten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen. Es wird lediglich vorgegeben, dass auch anonym eingehende Meldungen bearbeitet werden sollen
Für die Abgabe von Meldungen können die Unternehmen auch mehrere Kanäle zur Verfügung stellen.
Unternehmen müssen die interne Meldestelle nicht selbst betreiben, sondern können nach § 14 Absatz 1 HinSchG auch Dritte als interne Meldestellen beauftragen. Die Entgegennahme und Bearbeitung von Hinweisen kann somit auf externe Anbieter von Meldeplattformen bzw. auf Ombudspersonen (etwa Rechtsanwälten) ausgelagert werden, sofern diese entsprechende Garantien für die Wahrung der Unabhängigkeit und Vertraulichkeit, des Datenschutzes und der Geheimhaltung bieten.

2. Bei allen Meldewegen muss die Vertraulichkeit des Hinweisgebers sowie Dritter geschützt sein:

  • Ganz zentral ist das sog. Vertraulichkeitsgebot nach § 8 HinSchG: Die internen Meldekanäle müssen so konzipiert sein, dass die Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, sowie der sonstigen in der Meldung erwähnten Personen gewahrt wird. Die Identität dieser Personen darf nur den zur Entgegennahme der Meldung sowie zur Ergreifung von Folgemaßnahmen zuständigen Personen bekannt sein, sodass anderen Personen der Zugriff auf den internen Meldekanal verwehrt sein muss. Nur mit ausdrücklicher Zustimmung der betroffenen Personen darf deren Identität auch anderen Personen gegenüber offengelegt werden. 
  • Im Zweifel sollten alle Personen, die Zugang zum internen Meldekanal haben oder in sonstiger Weise Kenntnis von den Meldungen erlangen, durch entsprechende Erklärungen zur Vertraulichkeit verpflichtet werden (Vertraulichkeitsverpflichtungserklärungen). 
  • Vertraulichkeit bedeutet nicht Anonymität: es besteht keine Verpflichtung, anonyme Meldekanäle einzurichten. 
  • Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person oder sonstiger Person, die in der Meldung erwähnt werden, dürfen nur in Ausnahmefällen nach § 9 HinSchG herausgegeben werden, etwa in Strafverfahren auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörde. 

3. Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb des Unternehmens mit einer sehr eingeschränkten Zugriffsrechte-Zuweisung:

  • Innerhalb des Unternehmens müssen „Meldestellen-Beauftragte“ bestimmt werden (eine/mehrere Person/-en oder eine Abteilung), die die Meldungen entgegennehmen, dem Hinweisgeber innerhalb der 7-Tage-Frist den Eingang der Meldung bestätigen, die Meldung prüfen, entsprechende Folgemaßnahmen in die Wege leiten und die hinweisgebende Person innerhalb von 3 Monaten über ergriffene Folgemaßnahmen informieren.
  • Konkrete Vorgaben gibt es nicht. Maßgeblich ist die jeweilige Organisationsstruktur, Größe und Art der ausgeübten Unternehmenstätigkeit.
  • Diese Personen können insbesondere sein: Compliance-Leiter, Legal Councel, Datenschutzbeauftragter, Finanzdirektor, Auditverantwortlicher
  • Diese Personen können neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Wichtig ist aber, sicherzustellen, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenskonflikten führen und diese Personen unabhängig handeln können (§ 15 Absatz 1 HinSchG). Geschäftsführer oder Personalverantwortliche können aufgrund bestehender Interessenskonflikte grundsätzlich nicht Meldestellen-Beauftragte sein.
  • Darüber hinaus müssen die Meldestellen-Beauftragten nach § 15 Absatz 2 HinSchG die notwendige Fachkunde besitzen, damit diese die mit dem Betrieb der internen Meldestelle verbundenen Aufgaben erfüllen können. In der Regel wird es erforderlich sein, die betreffenden Personen im Hinblick auf die mit der Übernahme der Funktion verbundene Verantwortung zu schulen
Alternative: Auch externe Dienstleister können als interne Meldestellen beauftragt werden (siehe oben unter 1.). 
Hinweis: Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können Ressourcen teilen und mit anderen Unternehmen eine “gemeinsame Meldestelle” einrichten und betreiben. Die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um den Verstoß abzustellen und die Pflicht zur Rückmeldung an die hinweisgebende Person verbleiben aber bei dem einzelnen Unternehmen. 

4. Bearbeitungsfristen nach § 17 HinSchG müssen beachtet werden:

  • Innerhalb von 7 Tagen muss dem Hinweisgeber bestätigt werden, dass seine Meldung eingegangen ist.
  • Innerhalb von spätestens 3 Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung muss der Hinweisgeber über geplante oder bereits ergriffene Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese informiert werden.

5. Von der im Unternehmen zuständigen Person oder Abteilung müssen ordnungsgemäße Folgemaßnahmen ergriffen werden, diese können nach § 18 HinSchG beispielsweise sein: 

  • Einleitung interner Nachforschungen
  • Mögliche Maßnahmen zur Behebung des Problems
  • Verweis auf andere Kanäle oder Verfahren bei Meldungen 
  • Abschluss des Verfahrens aufgrund mangelnder Beweise oder anderer Gründe 
  • Befassung einer zuständigen Behörde 

6. Dokumentation der Meldungen und Datenaufbewahrung:

  • Alle eingehenden Meldungen müssen nach § 11 HinSchG im Einklang mit den Vertraulichkeitspflichten dokumentiert werden. 
  • Wie die Meldungen dokumentiert werden müssen, hängt davon ab, über welchen Kanal die Meldung eingegangen ist.
  • Das gewählte Meldesystem sollte entsprechende Anwendungen haben, dass Meldungen und Folgemaßnahmen so dokumentiert werden, dass sie gegebenenfalls als Beweismittel verwendet werden können. 
  • Die Dokumentationen müssen 3 Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden. Ausnahmsweise können die Dokumentationen auch länger als 3 Jahre aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach dem HinSchG oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist. 

7. Informationspflicht über Meldeverfahren:

  • Unternehmen müssen nach § 13 Absatz 2 HinSchG Informationen über über alternative externe Meldeverfahren an die jeweils zuständigen Behörden sowie über einschlägige Meldeverfahren von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union bereitstellen (siehe hierzu unten “Welche Möglichkeiten der Meldung hat der Hinweisgeber?”).
  • Diese Informationen müssen leicht verständlich und zugänglich sein, zum Beispiel über die Unternehmens-Website, im Intranet oder am Schwarzen Brett.
Hinweis: Sinnvoll ist natürlich auch die Information über die eigenen internen Meldemöglichkeiten, auch wenn keine gesetzliche Verpflichtung hierzu besteht. Nur dann, wenn Beschäftigte oder sonstige potenzielle Hinweisgeber wissen und verstehen, dass und warum es ein internes Meldesystem gibt, welche Verstöße sie melden können und dass ihre Hinweise vertraulich behandelt und sie keine Repressalien zu befürchten haben, werden sie eher intern einen Verstoß melden und nicht extern an eine Behörde.

8. Datenschutz:

Im Hinweisgebersystem werden personenbezogene Daten verarbeitet. Bei der Einrichtung und Durchführung des internen Meldeverfahrens sind alle rechtlichen Bedingungen des Datenschutzes einzuhalten. Alle personenbezogenen Daten, sowohl die des Hinweisgebers als auch etwaiger beschuldigter Personen, müssen im Einklang mit der EU-Datenschutzgrundverordnung sowie des Bundesdatenschutzgesetzes verarbeitet werden.
  • Aufbewahrungs-/Löschfristen müssen festgelegt werden (siehe hierzu oben unter 6.).
  • Die Erstellung einer Datenschutzerklärung für Hinweisgeber wird erforderlich sein.
  • Wenn externe Anbieter als interne Meldestellen beauftragt werden, wird der Abschluss einer Auftragsdatenverarbeitung erforderlich sein.
  • Der Prozess über den internen Meldekanal muss im Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aufgenommen werden.
  • In der Regel wird die Durchführung einer Datenschutz-Folgeabschätzung erforderlich sein.
  • Eine sichere Datenverarbeitung verlangt zudem geeignete technische und organisatorische Maßnahmen.
Der (externe) Datenschutzbeauftragte sollte daher frühzeitig eingebunden werden.
Zur Klärung von Zweifelsfragen stehen auch die Datenschutzbehörden zur Verfügung.

9. Bei der Einrichtung des Verfahrens für interne Meldungen sind Mitbestimmungsrechtliche des Betriebsrats zu beachten:

  • Zunächst haben Betriebsräte gemäß § 80 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) einen Anspruch auf Unterrichtung vor der geplanten Einrichtung eines Hinweisgeberschutzsystems. 
  • Bei der Frage des „Ob“, also ob ein Hinweisgebersystem überhaupt eingerichtet werden soll, hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Auch bei der Frage, welche Stelle (intern oder extern) mit dem Betrieb des Hinweisgebersystems betraut wird, gibt es keine zwingende Mitbestimmung.
  • Bei der Frage des „Wie“, also im Hinblick auf die Ausgestaltung von Meldekanälen und Meldeverfahren könnten Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgelöst werden. Insbesondere das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nummer 6 BetrVG, nämlich im Falle der Einrichtung und Anwendung technischer Einrichtungen, kommt in Betracht, sofern die Identifikation des Hinweisgebers möglich ist.
  • Sofern der Arbeitgeber ein über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehendes Verfahren zur Meldung und zum Umgang mit Verstößen einführt (bspw. ein Verhaltenskodex, Compliance-Richtlinien etc.), wird in der Regel auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Absatz 1 Nummer 1 BetrVG zu bejahen sein, weil Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Beschäftigten im Betrieb betroffen sind. 
  • Beteiligungsrechte des Betriebsrats ergeben sich auch aus §§ 96 ff. BetrVG hinsichtlich Schulungsmaßnahmen für die im Unternehmen zuständigen Fallbearbeiter und/oder für die Beschäftigten. 
Es empfiehlt sich die frühzeitige Einbindung des Betriebsrats im Rahmen eines Gesprächs.

10. Bei (internationalen) Konzernstrukturen:

Im Konzern sind verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten denkbar. Zum einen eine lokale Organisation, in der jedes Konzernunternehmen ein eigenes Hinweisgeberschutzsystem unterhält. Denkbar ist auch eine regionale Organisation in der Form, dass einzelne Konzerngesellschaften für eine bestimmte Region ein Hinweisgebersystem betreiben. Auch eine zentrale Lösung kommt in Betracht in der Form, dass die Meldestelle zentral in einer Einheit (in der Regel bei der Konzernmutter) angesiedelt ist.
Rechtlicher Hintergrund: Das HinSchG erlaubt es, auch einen „Dritten“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle zu beauftragen. Nach der Begründung des HinSchG kann auch bei einer anderen Konzerngesellschaft (zum Beispiel Mutter-, Schwester-, oder Tochtergesellschaft) eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ eingerichtet werden, die auch für mehrere selbstständige Unternehmen in dem Konzern tätig sein kann. Dabei ist es aber notwendig, dass die originäre Verantwortung dafür, einen festgestellten Verstoß zu beheben und weiterzuverfolgen, immer bei dem jeweiligen beauftragenden Unternehmen verbleibt. Das HinSchG unterscheidet nicht zwischen Konzerngesellschaften mit mehr oder weniger als 249 Mitarbeitern, sondern die Option der Einrichtung einer zentralen Meldestelle im Konzern ist wohl unterschiedslos für alle Konzerngesellschaften möglich.
Hinweis: Es wird darauf hingewiesen, dass eine gewisse Rechtsunsicherheit besteht. Denn nach früheren Aussagen der EU-Kommission müsse jedes Unternehmen, welches mehr als 249 Mitarbeiter beschäftigt, ein eigenes Hinweisgebersystem einrichten. Ein zentrales Hinweisgebersystem im Konzern solle nach der EU-Kommission nicht ausreichen. In Deutschland wird man die Konzernregelung sanktionslos umsetzen können. Mit Blick auf etwaige Umsetzungsunterschiede in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sollte bei international tätigen Konzernen auch das Recht des jeweiligen Staates geprüft werden.

Welche Möglichkeiten der Meldung haben Hinweisgeber?

Es wird zwischen internen und externen Meldestellen unterschieden.
Die internen Meldestellen (§§ 12 bis 18 HinSchG) müssen in Unternehmen eingerichtet werden. 
Die externen Meldestellen müssen von der öffentlichen Hand eingerichtet werden (§§ 19 bis 31 HinSchG). Eine zentrale externe Meldestellen wurde beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet. Daneben werden die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestelle mit Sonderzuständigkeiten weitergeführt.
Weitere Informationen zu den externen Meldeverfahren des Bundes erhalten Sie auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz
Den Ländern steht es frei, für die Meldungen, die die jeweiligen Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen einzurichten. 
Darüber hinaus existieren entsprechende Meldeverfahren für Meldungen an Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union. Hierunter fallen externe Meldekanäle der Kommission, des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF), der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA), der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (AESA), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). 
Der Hinweisgeber hat grundsätzlich die freie Wahl, ob er sich an eine interne Meldestelle des Unternehmens oder an eine externe Meldestelle der Behörden wendet. § 7 Absatz 1 Satz 2 HinSchG regelt jedoch einen Anreiz zur bevorzugten Nutzung der internen Meldekanäle im Unternehmen: Hinweisgeber sollten in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen
Darüber hinaus können sich hinweisgebende Personen mit ihren Informationen über Verstöße auch an die Öffentlichkeit (etwa über Presse, Social Media oder sonstige Medien) wenden, dies jedoch nur unter den engen Voraussetzungen des § 32 HinSchG. Die hinweisgebende Person ist im Falle der Meldung eines Verstoßen an die Öffentlichkeit nur dann durch das HinSchG geschützt, wenn sie sich zuvor erfolglos an eine externe Meldestelle gewendet hat oder Gefahr für die Allgemeinheit droht. 
Tipp: Es dürfte im Eigeninteresse eines jeden Unternehmens sein, dass mögliche Verstöße im Unternehmen selbst aufdeckt werden und sich hinweisgebende Personen nicht an externe Meldestellen oder gar an die Öffentlichkeit wenden. Unternehmen sollten daher selbst Anreize für die Nutzung des internen Meldekanals setzen, indem sie den internen Meldekanal möglichst anwenderfreundlich ausgestalten, die Beschäftigten entsprechend informieren (siehe hierzu oben “Was ist bei der Einrichtung und beim Betrieb interner Meldekanäle zu beachten?”, dort unter 7.), diese dazu ermutigen, den internen Meldekanal zu nutzen und eingehende Meldungen höchst vertraulich behandeln. Zu beachten ist aber, dass Unternehmen die Abgabe von Meldungen an externe Meldestellen nicht behindern dürfen. 

Wie werden Hinweisgeber geschützt?

Das HinSchG will hinweisgebende Personen dazu ermutigen, auf Missstände in Unternehmen und Behörden aufmerksam zu machen. Daher genießen hinweisgebende Personen umfangreichen Schutz vor Repressalien, ihnen kommt eine Beweislastumkehr zugute, sie können ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen und genießen Haftungsprivilegien: 
  • Zentrales Element ist das in § 36 Absatz 1 HinSchG verankerte Verbot von Repressalien: Unternehmen müssen beachten, dass sämtliche Repressalien einschließlich der Androhung und des Versuchs von Repressalien untersagt sind. Verboten sind insbesondere: Suspendierung, Kündigung, Herabstufung oder Versagung von Beförderung, Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Aussetzung, aber auch Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge, Rufschädigung, Entzug einer Lizenz oder Genehmigung, negative Leistungsbeurteilung etc.
Achtung: Repressalien sind nicht nur verboten, sondern werden auch mit hohen Bußgeldern geahndet (siehe hierzu unten “Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das HinSchG?”). 
  • Um die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen Repressalien gegen den Schädiger zu verbessern, enthält das HinSchG in § 36 Absatz 2 eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person. Bisher musste der Hinweisgeber den Zusammenhang zwischen Meldung und Benachteiligung im Streitfall nachweisen. Künftig muss das Unternehmen den (abweichenden) Grund für eine vermeintliche Benachteiligung darlegen und ggf. beweisen, wenn die Benachteiligung nach der Meldung erfolgt. Künftig wird also der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, dass etwa zwischen einer Kündigung eines Mitarbeiters und einer vorhergehenden Meldung durch den Mitarbeiter keinerlei Verbindung besteht. Die Beweislastumkehrregelung gilt jedoch mit der kleinen Einschränkung, dass die hinweisgebende Person selbst aktiv werden und geltend machen muss, dass sie die Benachteiligung infolge der Meldung erlitten hat.  
Tipp: Vor dem Hintergrund der geregelten Beweislastumkehr sollten Personalverantwortliche künftig die Gründe für arbeitsrechtliche Maßnahmen sorgfältig dokumentieren! 
  • Bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot hat die hinweisgebende Person nach § 37 Absatz 1 HinSchG einen Anspruch auf Schadensersatz. Immateriellen Schadensersatz (also Schmerzensgeld) kann die hinweisgebende Person allerdings nicht verlangen. 
Um diesen Schutz zu genießen, muss der Hinweis zutreffend sein und die Meldung muss Verstöße treffen, die in den Anwendungsbereich des § 2 HinSchG fallen (siehe hierzu oben unter “Welche Verstöße können von Hinweisgebern gemeldet werden?”). Ausreichend ist aber nach § 33 Absatz 1 Nummer 2 HinSchG auch, wenn der Hinweisgeber zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu solcher Annahme hatte. Zudem darf die Beschaffung der Information nicht als solche oder der Zugriff auf die Information nicht als solcher eine eigenständige Straftat darstellen. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Hinweisgeber gemäß § 35 HinSchG nicht verantwortlich gemacht werden. 
Ein Schutz für Hinweisgeber besteht aber nicht, wenn es sich um eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschmeldung handelt. In solchen Fällen ist der bösgläubige Hinweisgeber nach § 38 HinSchG sogar zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das HinSchG?

Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben des HinSchG werden nach § 40 HinSchG als Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße geahndet. Die Höhe des Bußgeldrahmens hängt vom jeweiligen Verstoß ab:
  • Mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 Euro kann belegt werden, wer eine Meldung oder die darauffolgende Kommunikation verhindert (oder dies versucht), wer eine verbotene Repressalie ergreift (oder dies versucht) oder wer vorsätzlich oder leichtfertig das Vertraulichkeitsgebot missachtet.
Achtung: Der Bußgeldrahmen bis zu 50.000 Euro gilt für die Unternehmensverantwortlichen. Für die Unternehmen selbst (juristische Personen und Personenvereinigungen) kann sich in bestimmten Konstellationen im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Meldung oder bei einem Verstoß gegen das Vertraulichkeitsgebot der Bußgeldrahmen aufgrund des Verweises auf § 30 Absatz 2 Satz 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten verzehnfachen und somit bis zu 500.000 Euro betragen. 
  • Wenn fahrlässig das Vertraulichkeitsgebot missachtet wird, droht ein Bußgeld in Höhe bis zu 10.000 Euro.
  • Für Unternehmen, die ihrer Pflicht zur Einführung und zum Betrieb einer internen Meldestelle nicht nachkommen, droht eine Geldbuße in Höhe bis zu 20.000 Euro.
Hinweis: Diese Bußgeldvorschrift, wonach im Falle der Nichteinrichtung oder des Nichtbetreibens eines internen Meldekanals ein Bußgeld bis zu 20.000 Euro droht, findet erst ab dem 1. Dezember 2023 Anwendung. Solange wird also kein Bußgeld wegen fehlender Einrichtung oder Nichtbetrieb verhängt.
Die restlichen o.g. Bußgelder hingegen drohen bereits seit dem 2. Juli 2023. 
Unternehmen ohne Hinweisgebersystem riskieren zudem, dass Hinweise an Behörden oder die Öffentlichkeit gelangen, wodurch Reputationsrisiken und Haftungsrisiken für das Unternehmen steigen. Aus diesem Grund dürfte es im eigenen Interesse liegen, Kenntnis von Missständen zu erlangen, ehe Ermittlungsbehörden oder die Medien davon erfahren.

Checkliste: Was müssen Unternehmen jetzt tun?

Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten müssen die obigen Vorgaben spätestens bis zum 2. Juli 2023 umgesetzt haben, wobei für den Fall, dass ein interner Meldekanal noch nicht eingerichtet oder betrieben wird, erst ab dem 1. Dezember 2023 Sanktionen in Form von Bußgelder drohen. 
Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten haben noch bis zum 17. Dezember 2023 Zeit, sollten aber schon Vorbereitungen treffen, damit dann die erforderlichen Hinweisgebersysteme schnell funktionsfähig sein werden. 
Checkliste – Folgende Punkte sollten betroffene Unternehmen jetzt klären:
  • GAP-Analyse: Existiert im Unternehmen bereits ein Hinweisgebersystem? Wenn ja, besteht Anpassungsbedarf?
  • Welche Kanäle sollen eingerichtet werden? Telefonisch, E-Mail, webbasierte Lösung, Ombudsperson? Soll eine webbasierte Lösung gewählt werden, die auch anonyme Meldungen ermöglicht (ist nicht Pflicht)? 
  • Soll der interne Meldekanal nur den eigenen Beschäftigten sowie überlassenen Leiharbeitnehmern offenstehen oder allen Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen?
  • Wie sollen Mitarbeiter und ggf. sonstige hinweisgebende Personen über mögliche Meldestellen informiert werden? Unternehmenswebsite, Unternehmens-Intranet, Schwarzes Brett?
  • Wie soll die Vertraulichkeit sichergestellt werden?
  • Wer soll innerhalb des Unternehmens zuständig sein für die Entgegennahme und Bearbeitung der Hinweise? Wer erhält die eingeschränkten Zugriffsrechte? Es darf jedenfalls nicht passieren, dass bei Eingang eines Hinweises erstmal im Unternehmen an verschiedenen Stellen nachgefragt wird, wer sich weiter um die Meldung kümmert, da dies mit dem Vertraulichkeitsgebot nicht vereinbar wäre.
  • Wie soll bei Eingang einer Meldung konkret vorgegangen werden? Wer versendet fristgerecht die Eingangsbestätigung an den Hinweisgeber, wer entscheidet über Folgemaßnahmen und wer gibt dem Hinweisgeber fristgerecht eine Rückmeldung?
  • Sind die Personen im Unternehmen, die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Hinweise zuständig sein werden, unabhängig und ausreichend qualifiziert für diese Aufgabe? Besteht bei den zuständigen Personen ausreichend juristische Expertise, um eingehende Meldungen zu bearbeiten? Benötigen diese Personen eine Schulung?
  • Soll ein externer Dienstleister mit der Entgegennahme und ggf. Bearbeitung von Meldungen beauftragt werden? Aktuell bieten sehr viele Berater und Verkäufer von Softwarelösungen ihre Dienste an.
  • Wie wird die Meldung und die Kommunikation mit dem Hinweisgeber dokumentiert?
  • Wie macht man das Hinweisgebersystem Hinweisgebern einerseits so schmackhaft, dass sie sich mit Meldungen nicht gleich an externe Behörden oder gar an die Öffentlichkeit wenden, sondern den internen Meldekanal nutzen, aber andererseits auch so, dass von missbräuchlichen Beschwerden und Denunziantentum abgeschreckt wird?
  • Wie kann der interne Meldekanal datenschutzkonform implementiert werden? Datenschutzrechtliche Fragen mit Datenschutzbeauftragtem klären und ggf. weitere Fachbereiche wie Personal, Recht und Compliance in den Prozess einbinden.
  • Welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats kommen in Betracht? Der Betriebsrat sollte frühzeitig eingebunden werden. 
  • Bei Konzernstrukturen: Soll das Hinweisgebersystem bei einer anderen Konzerngesellschaft eingerichtet werden? Nach dem deutschen HinSchG wäre dies möglich. 
  • Sind die Personalverantwortlichen bzw. ist die Personalabteilung auf die verschärften Beweislastregeln vorbereitet? Sie werden künftig beweisen müssen, dass nicht der Hinweis zu der jeweiligen arbeitsrechtlichen Maßnahme geführt hat, sondern dass es dafür andere Gründe gab. Eine entsprechende Dokumentation von Gründen für arbeitsrechtliche Sanktionen ist insofern anzuraten.
Dieser Artikel soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieser Artikel mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Arbeitsrecht

Arbeitszeiterfassung

Stand: April 2023
Nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Arbeitgeber verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen.
Die Entscheidung bringt weitreichende Folgen mit sich. Wie es zu dieser Entscheidung kam, was die Entscheidung des BAG konkret aussagt und was Arbeitgeber jetzt schon tun sollten, erfahren Sie in diesem Artikel. Zudem informieren wir Sie laufend über den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens. 
Update April 2023: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat am 18. April 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BAG umgesetzt werden sollen. Die wesentlichen Inhalte des aktuellen Gesetzentwurfs stellen wir Ihnen unter „7. Was ist vom Gesetzgeber zu erwarten? Aktueller Gesetzentwurf“ vor.

1. Bisherige gesetzliche Regelungen zur Arbeitszeiterfassung

Im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) gibt es aktuell keine Verpflichtung zur generellen Aufzeichnung der Arbeitszeit.
Nach § 16 Abs. 2 ArbZG sind Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit nach § 3 Satz 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Es galt somit bisher schon, dass Überstunden und die Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen aufgezeichnet werden müssen.
Gesonderte Aufzeichnungspflichten gelten bereits zudem u.a. für:
  • Geringfügig Beschäftigte (Minijobber), § 17 Abs. 1 Mindestlohngesetz (MiLoG)
  • Arbeitnehmer in den in § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) genannten Wirtschaftsbereichen
  • Arbeitnehmer im Straßentransport, § 21a Abs. 7 ArbZG
  • Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft, § 6 Abs. 1 Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch)
  • bestimmte Arbeitnehmer im Anwendungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), § 19 Abs. 1 AEntG
  • Bestimmte Leiharbeitnehmer, § 17c Abs. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)
Bislang war die überwiegende Auffassung, dass im deutschen Recht keine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung existiert. Für alle überraschend hat das BAG aber nun entschieden, dass bereits jetzt eine generelle Aufzeichnungspflicht besteht.

2. Wie es zur Entscheidung des BAG kam („Stechuhr-Urteil“ des EuGH)

Bereits im Jahr 2019 fällte der EuGH ein maßgebendes Urteil, wonach ein nationales Arbeitsrecht mit der EU-Grundrechtecharta unvereinbar sei, wenn Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, die tägliche Arbeitszeit jedes Mitarbeiters aufzuzeichnen (EuGH, Urteil vom 14.5.2019, Az.: C-55/18).
Nach dem EuGH müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann.
Aus dieser EuGH-Entscheidung wurde vielfach der Schluss gezogen, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben des EuGH erst noch umsetzen müsse (was bis heute nicht geschehen ist) und Arbeitgeber ohne entsprechende gesetzliche Neuregelung nicht verpflichtet seien, die gesamte Arbeitszeit aller Arbeitnehmer aufzuzeichnen.

3. Verpflichtung zur generellen Arbeitszeiterfassung nach der BAG-Entscheidung

In seinem Beschluss vom 13. September 2022 (BAG, Beschluss vom 13.9.2022, Az. 1 ABR 22/21) entschied das BAG, dass Arbeitgeber jetzt schon kraft Gesetztes verpflichtet sind, die gesamten Arbeitszeiten aller Arbeitnehmer aufzuzeichnen.
In der Entscheidung des BAG ging es um einen Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und einem Betriebsrat und die Frage, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht. Das BAG lehnte ein Initiativrecht ab. Entscheidend für alle Arbeitgeber (auch solche ohne Betriebsrat) ist aber die überraschende Begründung: 
Der Arbeitgeber sei bereits jetzt gesetzlich verpflichtet, ein Zeiterfassungssystem einzuführen, mit dem die Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers erfasst werden kann, daher stünde dem Betriebsrat kein Initiativrecht zu. Denn Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestehen nach § 87 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nur, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht existiert.
Die Pflicht zur generellen Arbeitszeiterfassung ergebe sich aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), welche europarechtskonform auszulegen sei.
§ 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet Arbeitgeber allgemein, „für eine geeignete Organisation zu sorgen und erforderliche Mittel bereitzustellen“ zur Gewährleistung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit.
Da die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten und der Ruhezeiten nach dem ArbZG arbeitsschutzrechtlichen Zwecken dient, gehöre die Arbeitszeiterfassung zu den dem Arbeitgeber obliegenden „erforderlichen Maßnahmen“ des Arbeitsschutzes, so das BAG.

4. Was Arbeitgeber jetzt schon tun müssen

Inzwischen liegen die ausführlichen Entscheidungsgründe vor. Aus diesen können folgende Vorgaben für Arbeitgeber abgeleitet werden:
  • Die Pflicht zur generellen Arbeitszeiterfassung gilt ab sofort.
  • Die Arbeitszeiterfassung muss in jedem Fall objektiv, verlässlich und für jeden Arbeitnehmer einsehbar sein.
  • Es muss ein System eingeführt werden, das Beginn, Ende und damit die Dauer der Arbeitszeit einschließlich etwaiger Überstunden erfasst.
  • Nach allgemeinem Verständnis müssen auch der Beginn und das Ende der Ruhepausen aufgezeichnet werden, auch wenn dies der BAG-Entscheidung nicht ausdrücklich zu entnehmen ist. Denn Ruhepausen sind gesetzlich vorgeschrieben, gehören aber laut ArbZG nicht zur Arbeitszeit und müssen entsprechend abgezogen werden, um die Dauer der Arbeitszeit zu ermitteln. Ein pauschaler Abzug von Pausen (beispielsweise Mittagspause 30 Minuten) genügt nicht.
  • Solange der Gesetzgeber keine konkretisierende Regelung getroffen hat, bleibt die Art und Weise der Arbeitszeiterfassung (etwa handschriftlich, über Excel-Tabellen, analoge/digitale Stechuhr, Online-Zeiterfassung über den Arbeitsplatz-PC oder -Laptop oder mobile Zeiterfassung über eine App) dem Arbeitgeber überlassen. Bei einer digitalen/elektronischen Lösung (hier gibt es kostenlose und kostenpflichtige Varianten) sollte man darauf achten, dass die Software nicht nur die Arbeitszeitdaten erfasst. Es muss eine fälschungssichere und datenschutzkonforme Software sein. Sie sollte auch verknüpfbar sein mit Systemen, die im Unternehmen bereits genutzt werden.
Hinweis: Der aktuelle Gesetzentwurf sieht vor, dass die Arbeitszeit generell elektronisch erfasst werden muss. Näheres hierzu unter „7. Was ist vom Gesetzgeber zu erwarten? Aktueller Gesetzentwurf“.
  • Laut BAG ist es nicht ausgeschlossen, die Arbeitszeiterfassung als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren. Arbeitgeber haben aber die tatsächliche und korrekte Erfassung der Arbeitszeiten sicherzustellen und (jedenfalls durch regelmäßige Stichproben) zu kontrollieren.
  • Das System darf nicht nur angeboten werden. Arbeitgeber können also ihren Mitarbeitern nicht freistellen, ob sie das Zeiterfassungssystem nutzen oder nicht. Sie müssen auch dafür Sorge tragen, dass es tatsächlich genutzt wird. 
  • Gesetzlich vorgeschrieben und damit der Mitbestimmung des Betriebsrats entzogen ist das „Ob“ der Einführung eines Zeiterfassungssystems. Bei der näheren Ausgestaltung und Durchführung (dem „Wie“) dieses Systems steht dem Betriebsrat jedenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Soll ein elektronisches Zeiterfassungssystem eingeführt werden, ist der Betriebsrat auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen. 
In Unternehmen/Betrieben, in denen die Arbeitszeiten nicht erfasst werden, sollten Arbeitgeber überlegen, welches Zeiterfassungssystem für das eigene Unternehmen kurzfristig/langfristig umsetzbar ist. Existiert bereits ein Zeiterfassungssystem, sollte dieses daraufhin überprüft werden, ob die obigen Vorgaben erfüllt sind.
Das BMAS hat im Anschluss an die BAG-Entscheidung ein FAQ veröffentlicht, in dem auf die wichtigsten Fragen zur Arbeitszeiterfassung eingegangen wird.

5. Drohen Bußgelder bei Verstößen?

Das ArbSchG sieht derzeit keine direkten Sanktionen für einen Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG vor. Ein Verstoß gegen diese Regelung stellt keine Ordnungswidrigkeit nach § 25 ArbSchG dar.
Eine bußgeldbewährte Ordnungswidrigkeit kann aber entstehen, wenn die Arbeitsschutzbehörde (dies sind die Gewerbeaufsichtsämter) einen Verstoß feststellen. Dann kann die Behörde nach § 22 Abs. 3 ArbSchG eine konkrete Anordnung zur Einrichtung eines Arbeitszeiterfassungssystems erlassen. Erst wenn der Arbeitgeber einer solchen Anordnung nicht oder nicht innerhalb einer gesetzten Frist nachkommt, kann ein Bußgeld verhängt werden.
Hinweis: Nach dem aktuellen Gesetzentwurf sollen Verstöße gegen die Rechtspflicht zur Arbeitszeiterfassung – anders als heute – mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro geahndet werden. Näheres hierzu unter „7. Was ist vom Gesetzgeber zu erwarten? Aktueller Gesetzentwurf“.

6. Ist Vertrauensarbeitszeit noch möglich?

Die Vertrauensarbeitszeit ist bislang gesetzlich nicht geregelt. Darunter versteht man in der Regel, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit weitestgehend selbst bestimmen kann. Meist wird lediglich das Volumen der wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit vertraglich festgelegt. Beginn, Ende und sonstige Lage der Arbeitszeit wird vom Arbeitgeber aber nicht vorgegeben. Vielmehr vertraut der Arbeitgeber darauf, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten erfüllt und die ihm aufgetragene Arbeit erledigt.
Vertrauensarbeitszeit im Sinne einer selbstbestimmten Lage der Arbeitszeit ist weiterhin möglich und wird auch künftig erhalten bleiben. Vertrauensarbeitszeit heißt jedoch nicht mehr, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit nicht aufzeichnen müssen, selbst wenn der Arbeitgeber ihnen insoweit vertraut. Auch hier müssen die Arbeitszeiten vollständig erfasst werden, was einen zusätzlichen organisatorischen Aufwand mit sich bringt. Zudem müssen nach wie vor die zwingenden Vorgaben des ArbZG beachtet werden.
Hinweis: Der aktuelle Gesetzentwurf sieht eine besondere Regelung für Fälle der Vertrauensarbeitszeit vor. Näheres hierzu unter „7. Was ist vom Gesetzgeber zu erwarten? Aktueller Gesetzentwurf“.

7. Was ist vom Gesetzgeber zu erwarten? Aktueller Gesetzentwurf

Das BMAS hatte angekündigt, die Entscheidung des BAG aufzugreifen und zeitnah (noch im ersten Quartal 2023) eine praktikable gesetzliche Regelung vorzuschlagen. Mit etwas Verspätung hat es am 18. April 2023 einen Referentenentwurf vorgelegt.
Folgende Neuregelungen sind darin vorgesehen:
Achtung: Die Regelungen sind noch nicht in Kraft! Dies ist aktuell nur ein Entwurf.
  • Jeder Arbeitgeber wird verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer in elektronischer Form aufzuzeichnen. Mit der Verpflichtung zur elektronischen Erfassung geht der Gesetzentwurf über die Entscheidung des BAG hinaus. 
  • Eine bestimmte Form der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Neben den gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten kommen auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung in Betracht wie etwa Apps auf einem Mobiltelefon oder die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme (z.B. Excel-Tabellen). Auch die Nutzung und Auswertung von elektronischen Schichtplänen soll möglich sein, sofern sich aus diesen Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der einzelnen Arbeitnehmer ableiten lassen und Abweichungen von den im Schichtplan festgelegten Arbeitszeiten (z.B. Urlaub, Fehlzeiten oder zusätzliche Arbeitszeiten) gesondert elektronisch erfasst werden.
  • Für kleine Unternehmen mit bis zu zehn Arbeitnehmern sieht der Gesetzentwurf eine Ausnahme von der elektronischen Aufzeichnungspflicht vor: diese können die Arbeitszeit auch händisch erfassen. Dies gilt auch für Unternehmen ohne Betriebsstätte im Inland, die bis zu zehn Arbeitnehmer nach Deutschland entsenden.
  • Darüber hinaus gilt bezüglich der Aufzeichnungspflicht in elektronischer Form eine nach Unternehmensgröße gestaffelte Übergangsregelung: Die Pflicht zur Aufzeichnung in elektronischer Form gilt erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes. Bis dahin bleibt also die händische Aufzeichnung zulässig. Für Unternehmen mit weniger als 250 Arbeitnehmern verlängert sich diese Übergangsregelung auf zwei Jahre und für Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern auf fünf Jahre.
  • Grundsätzlich sind alle Arbeitnehmer von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung erfasst. Ausgenommen sind lediglich diejenigen Personengruppen, auf die das ArbZG auch bislang nicht anwendbar war. Zu nennen sind hier insbesondere „leitende Angestellte“, wobei hier Vorsicht geboten ist: Nicht jede Führungskraft ist automatisch ein leitender Angestellter. Leitende Angestellte kennzeichnet insbesondere, dass sie zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Faktisch ist das also ein sehr kleiner Kreis. 
  • Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit müssen grundsätzlich noch am Tag der Arbeitsleistung selbst – also tagesaktuell – aufgezeichnet werden.
  • Arbeitgeber können die Aufzeichnung an die Arbeitnehmer delegieren, sie können sich aber dadurch nicht von der sie treffenden Aufzeichnungspflicht freizeichnen. Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass die Arbeitszeit tatsächlich und korrekt aufgezeichnet wird. Dafür sind regelmäßige Stichproben und Kontrollen durchzuführen. 
  • Für die Fälle der Vertrauensarbeitszeit sieht der Gesetzentwurf eine besondere Regelung vor: Vertrauensarbeitszeit bleibt weiterhin möglich. Die Arbeitszeit muss aber auch hier erfasst werden. Dabei kann der Arbeitnehmer die Arbeitszeit selbst erfassen und der Arbeitgeber auf die Kontrolle der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten. Der Arbeitgeber muss dann aber gleichwohl „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, die sicherstellen, dass Verstöße gegen das ArbZG vermieden werden. Als Beispiel benennt der Gesetzentwurf entsprechende Meldungen von Verstößen durch ein elektronisches Zeiterfassungssystem.
  • Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Arbeitszeitnachweise für mindestens zwei Jahre in deutscher Sprache aufzubewahren, um sie etwa für aufsichtsrechtliche Prüfungen, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren oder auf Verlangen des Betriebsrates vorlegen zu können.
  • Auf Verlangen der Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber diese in geeigneter Weise über die aufgezeichnete Arbeitszeit informieren und einen Ausdruck der aufgezeichneten Arbeitszeit aushändigen oder eine elektronische Kopie übermitteln.
  • Die Sozialpartner haben die Möglichkeit, in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung von bestimmten Verpflichtungen abzuweichen: In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann vorgesehen werden, dass die Aufzeichnung nicht in elektronischer Form erfolgen muss. Weiter kann geregelt werden, dass die Aufzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen kann, spätestens aber bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages. Zudem können bestimmte Arbeitnehmergruppen von der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung gänzlich ausgenommen werden.
  • Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht sind nach dem Gesetzentwurf künftig bußgeldbewehrt. Es drohen Geldbußen bis zu 30.000 Euro.
Derzeit ist das Gesetzgebungsverfahren noch in einer sehr frühen Phase. In der Folgezeit findet die Verbändeanhörung und die Ressortabstimmung statt. Sodann wird ein Gesetzentwurf von der Bundesregierung erarbeitet. Es ist recht wahrscheinlich, dass im Laufe des Verfahrens noch Änderungen an dem Entwurf vorgenommen werden. Das finale Gesetz bleibt also abzuwarten. 
Wir werden Sie in diesem Artikel über neue Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren laufend informieren.
Hinweis für Mitgliedsunternehmen

Warnung vor Formularfalle der Digi Medien GmbH

Seit Anfang Oktober 2020 ist der Schweizer Formularaussender Digi Medien GmbH, 2701 Centerville Rd., New Castle County, 19808 Wilmington, Delaware, immer wieder aktiv. Das Schreiben folgt altbekannten Mustern, bei denen blickfangmäßig nur die eingedruckten Daten überprüft und per Unterschrift bestätigt werden sollen.
Es handelt sich hierbei um eine Formularfalle. Dies sind Angebote für Brancheneinträge in Datenbanken, z. B. im Internet oder in Printmedien. Das Angebot ist dabei so aufbereitet, dass der flüchtige Leser meint, es handele sich um eine Rechnung für einen bereits erteilten Auftrag. Oftmals täuschen die Formularaussender eine bestehende Geschäftsverbindung zum Adressaten vor, in dem beispielsweise die Firmendaten des Empfängers voreingedruckt sind.
Die ausführliche Warnung entnehmen Sie bitte der Webseite des Deutschen Schutzverband für Wirtschaftskriminalität (DSW).
Rechtliche Grundlagen

Rechtstipps für den Onlinehandel

Im Onlinehandel sind rechtliche Grundlagen zu beachten. Insbesondere betrifft dies Informationspflichten, die dem Verbraucherkunden im Bestellvorgang mitgeteilt werden müssen, wie Impressum, AGB, Widerrufsbelehrung und Muster-Widerrufsformular, Zahlungs- und Versandhinweise, Datenschutzerklärung, ggf. spezielle Produkthinweise.
Kennen Händler diese Pflichten nicht, oder fehlt die Angabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Information, kann dies von Mitwettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt werden. Dies kann vermieden werden, wenn sich der Händler mit den rechtlichen Voraussetzungen für Webshops auseinandersetzt.

Worüber ist im Bestellvorgang zu informieren?

Folgende Informationen sind anzugeben:
  • Die Identität, Anschrift und Kontaktmöglichkeit des Online-Händlers („Impressum“)
  • Zwecke und Umfang der Datenverarbeitung („Datenschutzerklärung“)
  • Das Produkt (Ware oder Dienstleistung) muss im Wesentlichen beschrieben werden (z.B. Größe, Farbe, Gewicht, Material, Eigenschaften, Zustand, kompatibel/nicht kompatibel mit... etc.), ggf. bestimmte Kennzeichnungspflichten
  • Belehrung über das vierzehntägige Widerrufsrecht einschließlich Musterwiderrufsformular
  • Mindestlaufzeit eines Vertrags (z. B bei einem Abo-Vertrag)
  • Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung inklusive aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie aller über den Unternehmer abgeführten Steuern, sowie- Versand- und Zusatzkosten
  • Einzelheiten hinsichtlich Zahlung und Lieferung (z.B. Lieferzeiten/Lieferbeschränkungen) oder Erfüllung (bei Dienstleistung)
  • Information, dass ein gesetzliches zweijähriges Mängelhaftungsrecht gegenüber Verbraucherkunden besteht
  • Erläuterung des Bestellvorgangs: wann kommt der Vertrag zustande, unverzügliche Bestätigung auf elektronischem Wege (gewöhnlich per E-Mail), dass die Bestellung des Kunden erhalten wurde, Zahlungsmodalitäten, Gültigkeitsdauer befristeter Angebote, Vertragssprachen, die zur Verfügung stehen
  • Geltung von AGB (falls vorhanden). Diese müssen bei Vertragsschluss abrufbar sein und in wiedergabefähiger Form gespeichert werden können
  • Möglichkeit einer Online-Schlichtung mittels anklickbaren Link. Der Link lautet: https://ec.europa.eu/consumers/odr/ und kann im Impressum und in den AGB erscheinen
  • Der Bestellbutton auf der Bestellübersichtsseite muss deutlich auf eine kostenpflichtige Bestellung hinweisen (z.B. „Zahlungspflichtig bestellen")
Im Einzelnen sind die Informationspflichten nachlesbar in Art. 246a, § 1 EGBGB.   

Wo und wann ist im Bestellvorgang  zu informieren?

Die oben genannten Informationen sind mitzuteilen, bevor die Bestellung abgegeben wird:
  • „Impressum“, „Datenschutzerklärung“,„AGB“ und „Widerrrufsrecht“ sollten auf klar bezeichneten Unterseiten über eigene Links abgelegt und von jeder Seite im Shop anklickbar sein. Gewährleistung, Zahlungsabwicklung, Einzelheiten zum Vertragsschluss etc. lassen sich in AGB unterbringen.
  • Angaben zu Eigenschaften des Artikels oder der Dienstleistung, Preis, Versandkosten und Lieferzeit sollten direkt auf der Produktseite gemacht werden, bevor die Ware in den Warenkorb gelegt wird.
  • Auf der Bestellübersichtsseite sind unmittelbar vor Betätigung des Bestellbutton nochmal folgende Informationen zu wiederholen: die wesentlichen Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, Gesamtpreis inklusive aller Preisbestandteile, Steuern, Versandkosten, sonstige Kosten. Ggf. die Vertragsmindestdauer, Laufzeiten und Kündigungsrechte sowie der Hinweis auf AGB und die Widerrufsbelehrung. Die Kenntnisnahme von AGB und Widerrufsbelehrung kann sich der Online-Händler unmittelbar vor der Bestellung durch Anklicken einer Checkbox bestätigen lassen. Erst wenn das Häkchen gesetzt ist, sollte der Bestellbutton betätigt werden können.
  • Nach Abgabe der Bestellung sind die bisher erteilen Informationen, inklusive Widerrufsbelehrung, Musterwiderrufsformular und AGB - spätestens mit der Lieferung der Ware in Textform mitzuteilen. Die Informationen können z.B. in der Bestätigungsmail, die auf die Bestellung folgt, untergebracht werden.
Wichtig: Fremde Texte und Bilder für Artikel oder Dienstleistungen dürfen nicht einfach aus anderen Webshops oder aus anderen Quellen im Internet ohne Einwilligung des Rechteinhabers kopiert werden. Dies kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Daher entweder eigene Bilder/Texte anfertigen, oder für die Nutzung fremde Bilder oder Texte vorher die Erlaubnis des Urhebers einholen.  
Sieht die Webseite ein Kontaktformular vor, dürfen nur die für die Abwicklung der Kundenanfrage oder Bestellung erforderlichen Daten (wie Name, Lieferanschrift, und in der Regel ein Kontaktdatum wie die E-Mail-Adresse) abgefragt werden. Das Kontaktformular ist nach dem Stand der Technik zu verschlüsseln.
Einzelheiten und weiterführende Hinweise sind in der Artikelreihe zum E-Commerce-Recht abrufbar.
  1. Impressum und Datenschutz
  2. Produkt- und Preisangaben
  3. Widerrufsbelehrung
  4. Vertragsschluss und Bestellung
  5. Mängelrechte und Widerrufsfolgen


Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Minijob, kurzfristige Beschäftigung, Midijob

Stand: März 2023
Update Oktober 2022: Mit dem “Gesetz zur Erhöhung des Schutzes durch den gesetzlichen Mindestlohn und zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigungen” traten zum 1. Oktober 2022 Änderungen zum gesetzlichen Mindestlohn sowie für geringfügige Beschäftigungen und Beschäftigungen im Übergangsbereich in Kraft. Mit dem Gesetz wurde unter anderem der gesetzliche Mindestlohn einmalig auf 12 Euro angehoben und im Zuge dessen die Entgeltgrenze für Minijobs auf 520 Euro sowie die Entgeltgrenze für Midijobs auf 1.600 Euro angehoben.
Update Januar 2023: Zum 1. Januar 2023 wurde die obere Entgeltgrenze für Midijobs von monatlich 1.600 Euro auf 2.000 Euro angehoben
Die nachfolgenden Informationen beziehen sich auf das seit dem 1. Oktober 2022 geltende Recht. 

I. Definitionen

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn
  1. das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt (entgeltgeringfügige Beschäftigung, im Folgenden “Minijob”) oder
  2. die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt (zeitgeringfügige Beschäftigung, im Folgendenkurzfristige Beschäftigung”).
Bis zum 30. September 2022 betrug die Entgeltgrenze für Minijobs maximal 450 Euro. Ab dem 1. Oktober 2022 beträgt die Geringfügigkeitsgrenze maximal 520 Euro und ist dynamisch gestaltet. Näheres hierzu im Text unter II. 
Da die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung bei beiden Tatbeständen (Minijob und kurzfristige Beschäftigung) unterschiedlich ausfällt, ist zu differenzieren. 
Ein weiteres Differenzierungserfordernis ergibt sich daraus, dass es im Rahmen des Minijobs die Sondergruppe der geringfügig Beschäftigten in Privathaushalten gibt. Innerhalb der Pauschalbeiträge gibt es hier eine weitergehende Privilegierung. Auf diese besonderen Regelungen zu den Minijobs in Privathaushalten wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen. Ausführliche Informationen hierzu enthält das Gemeinsame Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zum “Haushaltsscheck-Verfahren” sowie die Internetseite der Minijob-Zentrale.
Eine Beschäftigung im Übergangsbereich (im Folgenden ”Midijob”) liegt gemäß § 20 Abs. 2 SGB IV vor, wenn das erzielte Arbeitsentgelt im Monat mehr beträgt als die Geringfügigkeitsgrenze im Minijob, aber eine bestimmte Höchstgrenze nicht übersteigt. 
Bis zum 30.September 2022 umfasste der Übergangsbereich ein Arbeitsentgelt zwischen 450,01 Euro und maximal 1.300 Euro. Vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2022 betrug das Arbeitsentgelt im Übergangsbereich zwischen 520,01 Euro und maximal 1.600 Euro. Übergangsvorschriften gelten bis längstens zum 31. Dezember 2023. Zum 1. Januar 2023 wurde die obere Entgeltgrenze auf maximal 2.000 Euro angehoben. Näheres hierzu im Text unter IV. 

II. Entgeltgeringfügige Beschäftigung (Minijob)

1. Voraussetzungen und Geringfügigkeitsgrenze

Der Prototyp eines Minijobs ist die auf Dauer angelegte und regelmäßig ausgeübte Beschäftigung in geringem zeitlichem Umfang gegen ein geringes Entgelt, das sich Hausfrauen/Hausmänner, Studierende oder Rentnerinnen/Rentner nebenbei verdienen. 
Bis zum 30. September 2022 konnte ein Minijobber regelmäßig monatlich bis zu 450 Euro verdienen (bzw. höchstens 5.400 Euro jährlich). Diese Entgeltgrenze war starr, sodass Anhebungen des gesetzliches Mindestlohns oft dazu führten, dass die wöchentliche bzw. monatliche Stundenzahl durch Arbeitsvertragsänderung reduziert werden musste. 
Seit dem 1. Oktober 2022 gibt es keine feste Entgeltgrenze mehr, sondern eine dynamische Geringfügigkeitsgrenze, die sich an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen orientiert. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird. Somit beträgt die Geringfügigkeitsgrenze ab dem 1. Oktober 2022 bei einem Mindestlohn in Höhe von 12 Euro pro Zeitstunde aufgerundet 520 Euro
Unter Berücksichtigung des gesetzlichen Mindestlohns und der Entgeltgrenze von 520 Euro dürfen Minijobber ab dem 1. Oktober 2022 maximal 43,33 Stunden pro Monat arbeiten (dies entspricht einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden). 
Wenn der gesetzliche Mindestlohn künftig steigt, wird auch die Geringfügigkeitsgrenze entsprechend steigen. Da die Geringfügigkeitsgrenze auf Basis von 10 Wochenstunden berechnet wird, bedeutet dies, dass ein Minijobber künftig immer 10 Stunden pro Woche für den Mindestlohn arbeiten kann. 
Hinweis Branchenstundenlöhne: In einigen Branchen können sich aus Tarifverträgen abweichende – höhere – Stundensätze ergeben. Ist der Branchenstundenlohn höher als der gesetzliche Mindestlohn, reduziert sich entsprechend der Umfang der Stundenzahl pro Monat. 
Achtung: Wird die Entgeltgrenze überschritten, liegt kein Minijob mehr vor, sondern eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. 

Regelmäßiges monatliches Entgelt:

Für die Prüfung der Entgeltgrenze von 520 Euro ist das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt maßgeblich. Der Begriff regelmäßig bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Beschäftigungsbeginn und bei jeder dauerhaften Veränderung in den Verhältnissen der Beschäftigung eine vorausschauende Beurteilung vornehmen muss, ob die Entgeltgrenze nicht überschritten und damit ein Minijob tatsächlich vorliegt.
Hierzu muss er alle laufenden und einmaligen Arbeitsentgelte einbeziehen, die dem Arbeitnehmer im Beurteilungszeitraum (maximal 12 Monate) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zufließen werden und durch die Anzahl der Beschäftigungsmonate des Beurteilungszeitraums (maximal 12 Monate) teilen. Das so ermittelte regelmäßige Arbeitsentgelt darf die Geringfügigkeitsgrenze von 520 Euro pro Monat nicht überschreiten. 
Einmalige Zahlungen (z.B. Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) sind zu berücksichtigen, wenn die Zahlung mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich zu erwarten ist. Zudem sind auch solche Entgeltbestandteile zu berücksichtigen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer monatlich zwar nicht auszahlt, auf die er aber einen gesetzlichen oder (tarif-)vertraglichen Anspruch hat (z.B. nicht gezahlter laufender Mindestlohn oder Tariflohn, Arbeitsvergütung für die fingierte Wochenarbeitszeit bei Arbeit auf Abruf nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG). 
Schwankt der monatliche Verdienst des Minijobbers (in einigen Monaten wird weniger, in einigen Monaten mehr als 520 Euro gezahlt), muss das regelmäßige Arbeitsentgelt geschätzt und ein Durchschnittswert errechnet werden. Wird dabei die Jahresverdienstgrenze von 6.240 Euro bei 12 Beschäftigungsmonaten nicht überschritten (6.240 Euro : 12 = 520 Euro), kann in einzelnen Monaten auch mehr als 520 Euro verdient werden. Gemeint sind hier insbesondere Arbeitsschwankungen, die für betriebliche Arbeitsabläufe typisch sind (z.B. Schwankungen des Arbeitsentgelts aufgrund anfallender Mehrarbeit wegen geplanter Urlaubsvertretungen). 
Vorsicht bei erheblichen Schwankungen: Wird der Arbeitnehmer nur wenige Monate im Jahr in Vollzeit, das restliche Jahr aber so stark reduziert beschäftigt, dass die Jahresverdienstgrenze von 6.240 Euro nicht überschritten wird, handelt es sich um eine erhebliche Schwankung und es liegt kein Minijob vor. 

Gelegentliche, unvorhersehbare Überschreitungen:

Ein gelegentliches, unvorhersehbares Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze steht dem Fortbestand eines Minijobs nicht entgegen. In diesem Ausnahmefall darf auch die Jahresgrenze von 6.240 Euro überschritten werden. Hierzu müssen aber zwei Voraussetzungen vorliegen: 
  1. Die Zahlungen müssen unvorhersehbar gewesen sein: Der Arbeitgeber hat diese daher im Rahmen der vorausschauenden Beurteilung zur Ermittlung des regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelts außer Acht gelassen. Hierzu gehört beispielsweise ein plötzlicher Mehraufwand des Minijobbers aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls eines anderen Mitarbeiters. Eine Urlaubsvertretung ist hingegen kein unvorhersehbares Ereignis. 
  2. Das Überschreiten ist gelegentlich: Gelegentlich ist ein Zeitraum von bis zu zwei Kalendermonaten innerhalb eines Zeitjahres. Der Jahreszeitraum ist dahingehend zu ermitteln, dass vom letzten Tag des zu beurteilenden Beschäftigungsmonats ein Jahr zurück gerechnet wird. Innerhalb dieses Jahreszeitraums darf also nur an zwei Kalendermonaten das Entgelt unvorhersehbar überschritten werden. Zudem ist zu beachten, dass in diesen beiden Monaten insgesamt das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze – also maximal 1.040 Euro – nicht überschritten werden darf. Ein Minijobber darf also 6.240 Euro über 12 Monate und in begründetem Ausnahmefall maximal 7.280 Euro verdienen. 
Tipp: 
Arbeitgeber sollten die Fälle des gelegentlichen, unvorhersehbaren Überschreitens in den Entgeltunterlagen für eine spätere Betriebsprüfung sorgfältig dokumentieren. 
Das gelegentliche, unvorhersehbare Überschreiten der Entgeltgrenze im Rahmen eines Minijobs ist nicht neu. Dieser Fall war aber bislang nur in den Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung erwähnt. Der Fall ist nun mit Wirkung zum 1. Oktober 2022 gesetzlich geregelt worden, wobei die Grenze von 1.040 Euro ganz neu ist. 
Nähere Einzelheiten zu der versicherungsrechtlichen Beurteilung von geringfügigen Beschäftigung sind den Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu entnehmen. Diese wurden zum 16. August 2022 aktualisiert und enthalten auch Ausführungen zu der seit dem 1. Oktober 2022 geltenden Rechtslage. 

2. Sozialversicherungsrechtliche Regelungen beim 520-Euro-Minijob

Minijobs sind in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sozialversicherungsfrei, jedoch nicht beitragsfrei. In der Rentenversicherung besteht grundsätzlich Versicherungspflicht, von der sich der Minijobber aber auf Antrag befreien lassen kann. Der Arbeitgeber muss folgende Pauschalabgaben (Stand 2023) leisten, die nicht vom Verdienst abgezogen werden dürfen: 
  • 13 % Pauschalbeitrag zur Krankenkasse, wenn der Minijobber gesetzlich krankenversichert ist (versicherungspflichtig, freiwillig- oder familienversichert). Hinweis: Der Pauschalbeitrag begründet keinen Krankenversicherungsschutz für den Minijobber. 
  • 15 % Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung, wenn sich der Minijobber von der Rentenversicherungspflicht hat befreien lassen.* 
  • 1,1 % Umlage U1 (Ausgleich für Aufwendungen bei Krankheit des Arbeitnehmers)
  • 0,24 % Umlage U2 (Ausgleich für Aufwendungen bei Schwangerschaft/Mutterschaft) 
  • 0,06 % Insolvenzgeldumlage
* Hat sich der Minijobber nicht von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreien lassen, entrichtet der Arbeitgeber einen Beitrag von 15 % und der Minijobber einen Eigenanteil in Höhe von 3,6 % zur Rentenversicherung. Eine Befreiung des Arbeitnehmers von der Rentenversicherungspflicht ist nur auf schriftlichen Antrag bei dem Arbeitgeber möglich. Der Arbeitgeber muss dann der Minijob-Zentrale die Befreiung innerhalb von sechs Wochen (42 Kalendertage) melden. Die Befreiung ist für die gesamte Dauer des Minijobs bindend und gilt für alle Minijobs, sofern mehrere vorliegen. Im Falle der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht zahlt nur der Arbeitgeber einen Pauschalbeitrag zur Rentenversicherung in Höhe von 15 %
Tipp: Es empfiehlt sich, einen entsprechenden Hinweis auf die Rentenversicherungspflicht und die Befreiungsmöglichkeit in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Auch die Minijob-Zentrale informiert detailliert über die Rentenversicherungspflicht und die Befreiungsmöglichkeiten. 
Die Pauschalabgaben muss der Arbeitgeber fristgerecht monatlich an die Minijob-Zentrale zahlen. Die gesamten Abgaben für Minijobber sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem der Minijobber die Beschäftigung ausübt. Einen Überblick über die Fälligkeits- und Übermittlungstermine bietet die Minijob-Zentrale auf ihrer Homepage
Die Minijob-Zentrale bietet zudem auf ihrer Homepage einen Minijob-Rechner zum Berechnen der zu zahlenden Abgaben samt Erläuterungen an.
Die gesetzliche Unfallversicherung hingegen kennt keine Geringfügigkeit, dort ist jeder Beschäftigte unabhängig vom Umfang seines Tätigwerdens versichert und der Arbeitgeber hat die entsprechenden Beiträge zu entrichten. Es gelten individuelle Beiträge der zuständigen Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften). 

3. Sozialversicherungsrecht beim Zusammentreffen mehrerer Beschäftigungen/Minijobs 

Grundsätzlich gilt, dass mehrere Arbeitnehmertätigkeiten zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zusammengerechnet werden. 

3.1. Minijob und Hauptberuf 

  • Wird neben einem sozialversicherungsrechtlichen Hauptberuf nur ein einziger Minijob im Umfang von bis zu 520 Euro ausgeübt, erfolgt keine Zusammenrechnung mit dem Hauptberuf, sofern die Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeübt werden. In der geringfügigen Beschäftigung müssen dann lediglich die Pauschalabgaben gezahlt werden. 
  • Wird der Hauptberuf und der Minijob bei demselben Arbeitgeber ausgeübt, gelten diese sozialversicherungsrechtlich als ein einziges Beschäftigungsverhältnis, sodass diese zusammengerechnet werden. 
  • Hat der Minijobber eine sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigung und nimmt er später noch einen oder mehrere Minijobs auf, werden diese mit der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet und sind mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung in der Regel versicherungspflichtig. 
  • Ist der Hauptberuf sozialversicherungsfrei, erfolgt keine Zusammenrechnung der Einnahmen aus diesen Tätigkeiten. Für die geringfügigen Beschäftigungen müssen Beiträge abgeführt werden, die abhängig von der Höhe der zusammengerechneten Entgelte pauschal (Entgelt bis 520 Euro) oder in normaler Beitragshöhe (Entgelte über 520 Euro) gezahlt werden. 

3.2. Mehrere Minijobs

  • Hat der Minijobber keine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung, kann er grundsätzlich mehrere Minijobs bei verschiedenen Arbeitgebern nebeneinander ausführen. Solange das addierte Arbeitsentgelt aus den verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen die Grenze von 520 Euro nicht überschreitet, sind die Pauschalbeiträge zu zahlen. 
  • Nicht zusammengerechnet werden die Entgelte aus einem Minijob und einer kurzfristigen Beschäftigung, sofern die Beschäftigung bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeübt wird. 
  • Wenn die Summe zwischen 520,01 und 1.600 Euro bzw. (ab 1. Januar 2023) 2.000 Euro liegt, liegt kein Minijob vor. Hier sind die Beiträge nach den Maßgaben über den Übergangsbereich (siehe IV.) zu berechnen. 
  • Liegt die Summe über 1.600 Euro bzw. (ab 1. Januar 2023) 2.000 Euro, unterliegt das gesamte Arbeitsentgelt der normalen Beitragspflicht. 

4. Lohnsteuer beim Minijob 

Das Entgelt aus einem Minijob ist lohnsteuerpflichtig. 
Der Arbeitgeber kann auf den Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM, sogenannte Individualbesteuerung) verzichten und stattdessen die Lohnsteuer pauschal mit 2 % (sogenannte einheitliche Pauschsteuer) erheben, sofern Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden oder die Tätigkeit versicherungsfrei ist. Der Arbeitgeber kann die 2 % Pauschsteuer im Innenverhältnis auf den Arbeitnehmer abwälzen. Die einheitliche Pauschsteuer von 2 % ist zusammen mit den Pauschalabgaben zur Sozialversicherung an die Knappschaft-Bahn-See abzuführen. 
In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber die pauschalen Rentenversicherungsbeiträge ausnahmsweise nicht entrichten, sondern muss die allgemeinen Beiträge zur Rentenversicherung abführen. Dies ist insbesondere der Fall bei Minijobs, die wegen Zusammenrechnung mit weiteren Beschäftigungen nicht bei der Minijob-Zentrale, sondern bei der Krankenkasse gemeldet werden (z.B. wenn der Beschäftigte neben dem Minijob einen weiteren Minijob und einen sozialversicherungspflichtigen Hauptberuf ausübt). In diesen Fällen besteht neben der immer möglichen Individualbesteuerung nach ELStAM die Möglichkeit, die Lohnsteuer für den Minijob mit 20 % des Arbeitsentgelts pauschal zu erheben (§ 40a Abs. 2a EStG). Anders als bei der einheitlichen Pauschsteuer sind bei der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40a Abs. 2a EStG allerdings Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer nicht enthalten. Sie fallen also zusätzlich an. Die pauschale Lohnsteuer von 20 % ist beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt anzumelden und an dieses abzuführen. 

III. Zeitgeringfügige Beschäftigung (kurzfristige Beschäftigung) 

1. Voraussetzungen 

Eine kurzfristige Beschäftigung liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis zeitlich befristet im Kalenderjahr drei Monate oder 70 Arbeitstage nicht überschreitet, nicht berufsmäßig und nicht regelmäßig wiederkehrend ist. 
Der Prototyp bzw. das gesetzliche Leitbild der kurzfristigen Beschäftigung sind saisonal ausgeübte Aushilfsbeschäftigungen wie Erntehelferinnen und Erntehelfer. 
Kurzfristige Arbeitsverträge sind in der Regel befristet. Die Befristung ist nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgt. 
Die Höhe des Arbeitsentgelts ist bei der kurzfristigen Beschäftigung grundsätzlich unerheblich. Eine Verdienstgrenze wie beim 520-Euro-Minijob gibt es nicht. Die kurzfristige Beschäftigung darf aber nicht berufsmäßig sein. Beschäftigungen, die nur gelegentlich ausgeübt werden, sind grundsätzlich von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung. Wenn der kurzfristig Beschäftigte aber mehr als 520 Euro im Monat verdient, ist die Berufsmäßigkeit gesondert zu prüfen. Ist die kurzfristige Beschäftigung die einzige Erwerbstätigkeit und ist sie zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt, liegt keine kurzfristige Beschäftigung vor. 
Nicht berufsmäßig sind in der Regel: 
  • Hausfrauen/Hausmänner
  • Rentnerinnen/Rentner
  • Schülerinnen/Schüler
  • Studierende
  • Beschäftigungen zwischen Schulentlassung und beabsichtigter Aufnahme eines Studiums oder einer Fachschulausbildung 
  • Hauptberuflich Beschäftige mit kurzfristiger Nebenbeschäftigung
Diese Personengruppen können im kurzfristigen Beschäftigungsverhältnis mehr als 520 Euro pro Monat verdienen. 
Stets berufsmäßig sind hingegen folgende Beschäftigungen: 
  • Beschäftigungen von Menschen, die Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit beziehen oder als Arbeitssuchende gemeldet sind 
  • Beschäftigungen zwischen Schulentlassung und Beginn einer Berufsausbildung, Ableistung eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres, eines Bundesfreiwilligendienstes oder eines freiwilligen Wehrdienstes 
Des Weiteren darf die kurzfristige Beschäftigung nicht auf Dauer angelegt und keine regelmäßig wiederholende Beschäftigung sein.
Rahmenvereinbarungen im Sinne der Sozialversicherung sind aber möglich. Hier vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass dieser innerhalb eines bestimmten Zeitraums (längstens für 12 Monate) im Rahmen der Zeitgrenzen der kurzfristigen Beschäftigung (maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage) tätig werden soll. Beispiel: Rahmenvereinbarung vom 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023 mit maximal 70 Arbeitstagen. Wird die Rahmenvereinbarung über den Zeitraum von 12 Monaten verlängert, liegt eine Dauerbeschäftigung und damit grundsätzlich keine kurzfristige Beschäftigung mehr vor. Rahmenvereinbarungen bei demselben Arbeitgeber sind grundsätzlich nur möglich, wenn zwischen den Rahmenvereinbarungen eine Pause von mindestens zwei Monaten liegt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Rahmenvereinbarung auch über mehrere Jahre hinweg bestehen. 
Weitere Informationen zu den Voraussetzungen der kurzfristen Beschäftigung und zu den Bedingungen für Rahmenvereinbarungen finden Sie auf der Internetseite der Minijob-Zentrale
Einzelheiten zu der versicherungsrechtlichen Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen sind den Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu entnehmen, die zum 16. August 2022 aktualisiert wurden. 

2. Änderungen bei der kurzfristigen Beschäftigung seit Januar 2022

2.1. Meldeverfahren ab Januar 2022

Seit dem 1. Januar 2022 müssen Arbeitgeber bei der Anmeldung von kurzfristig Beschäftigten zusätzlich angeben, wie diese krankenversichert sind
Der Arbeitgeber muss einen Nachweis über den Krankenversicherungsschutz (bspw. eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse oder des privaten Krankenversicherungsunternehmens oder eine Kopie der Versicherungskarte) zu den Entgeltunterlagen nehmen. 
Nähere Informationen, wie der Nachweis des Krankenversicherungsschutzes bei der Minijob-Zentrale gemeldet werden muss, finden Sie auf der Internetseite der Minijob-Zentrale

2.2. Elektronische Rückmeldung zu Vorbeschäftigungszeiten

Seit dem 1. Januar 2022 erhalten Arbeitgeber nach der Anmeldung eines kurzfristig Beschäftigten eine Rückmeldung über Vorbeschäftigungszeiten von der Minijob-Zentrale. Nähere Informationen hierzu finden Sie in dem Beitrag der Minijob-Zentrale “Kurzfristige Minijobs: Ab 2022 elektronische Rückmeldung zu Vorbeschäftigungszeiten”

3. Sozialversicherungsrechtliche Regelungen bei der kurzfristigen Beschäftigung 

Kurzfristige Beschäftigungen sind sozialversicherungsfrei, aber nicht beitragsfrei. Für den Arbeitgeber fallen aber – im Vergleich zu 520-Euro-Minijobs – geringere Abgaben an. Diese umfassen (Stand 2023):
  • 1,1 % Umlage U1 (Ausgleich für Aufwendungen bei Krankheit des Arbeitnehmers)
  • 0,24 % Umlage U2 (Ausgleich für Aufwendungen bei Schwangerschaft/Mutterschaft)
  • 0,06 % Insolvenzgeldumlage 
Diese sind an die Minijob-Zentrale zu entrichten. 
Darüber hinaus hat der Arbeitgeber den kurzfristig Beschäftigten bei der jeweils zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) anzumelden und entsprechende Beiträge zu entrichten. 

4. Sozialversicherungsrecht beim Zusammentreffen mehrerer (kurzfristiger) Beschäftigungen

Für die Prüfung, ob eine kurzfristige Beschäftigung vorliegt, muss der Arbeitgeber mögliche Vorbeschäftigungszeiten des Minijobbers berücksichtigen. Ein Minijobber darf mit mehreren kurzfristigen Minijobs in einem Kalenderjahr insgesamt maximal die Zeitgrenze von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen erreichen.
Folgt eine kurzfristige Beschäftigung auf bereits ausgeübte Beschäftigungen, sind diese als Vorbeschäftigungen zu berücksichtigten. Dabei werden alle Beschäftigungen – mit Ausnahme geringfügig entlohnter Beschäftigungen und kurzfristiger Beschäftigungen mit einem regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelt bis zur Geringfügigkeitsgrenze – berücksichtigt (siehe Geringfügigkeits-Richtlinie 2022, dort unter 2.3.3.3, Seite 62 unten). 
Bei einer Zusammenrechnung von mehreren Beschäftigungszeiten treten an die Stelle der drei Monate 90 Kalendertage. Hierbei werden volle Kalendermonate mit 30 Tagen und Teilmonate mit den tatsächlichen Tagen berücksichtigt. Umfasst ein Zeitraum keinen Kalendermonat, aber einen Zeitmonat, ist dieser ebenfalls mit 30 Kalendertagen zu berücksichtigen. (Siehe Näheres hierzu mit Beispielen Geringfügigkeits-Richtlinie 2022, dort unter 2.3.2 Seite 58 ff.)
Von dem Zeitpunkt, von dem an absehbar ist, dass die Grenze von 90 Kalendertagen oder 70 Arbeitstagen innerhalb eines Kalenderjahres überschritten wird, handelt es sich nicht mehr um eine kurzfristige Beschäftigung. 
Die Einhaltung der zulässigen Zeitgrenzen ist jeweils zu Beginn der neuen Beschäftigung unter Berücksichtigung bereits schon im laufenden Kalenderjahr ausgeübter kurzfristiger Beschäftigungen zu prüfen. 
Nicht zusammengerechnet werden: 
  • Neben einem 520-Euro-Minijob ist eine kurzfristige Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber möglich, ohne dass die Beschäftigungszeiten zusammengerechnet werden. Möglich wäre es beispielsweise, dass der Beschäftigte das ganze Jahr über einen 520-Euro-Minijob und zusätzlich für einen begrenzten Zeitraum eine kurzfristige Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausübt. 
  • Erfolgt neben einem sozialversicherungspflichtigen Hauptberuf eine kurzfristige Beschäftigung, erfolgt keine Zusammenrechnung mit dem Hauptberuf, sofern de Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeübt werden. 
  • Es besteht auch die Möglichkeit, zusätzlich zu einer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung und einem 520-Euro-Minijob eine kurzfristige Beschäftigung aufzunehmen. Die Beschäftigungen müssen aber bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausgeübt werden. 

5. Lohnsteuer bei kurzfristigen Beschäftigungen

Einkünfte aus kurzfristigen Beschäftigungen sind grundsätzlich nach den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM) des Arbeitnehmers zu versteuern. 
Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber nach § 40a Abs. 1 EStG die Lohnsteuer pauschal mit 25 % des Arbeitsentgelts zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer erheben, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
  • der Arbeitnehmer wird beim Arbeitgeber nur gelegentlich, nicht regelmäßig wiederkehrend beschäftigt
  • der Arbeitnehmer ist länger als 18 zusammenhängende Arbeitstage beschäftigt (ohne arbeitsfreie Samstage, Sonn- und Feiertage, Krankheits- und Urlaubstage)
  • der durchschnittliche Stundenlohn beträgt höchstens 15 Euro 
  • der maximale Verdienst durchschnittlich bei 120 Euro pro Arbeitstag liegt oder die kurzfristige Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt sofort erforderlich wird 
Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den kurzfristig Beschäftigten individuell oder pauschal versteuert, ist das Betriebsstättenfinanzamt zuständig. 

IV. Beschäftigung im Übergangsbereich (Midijob) 

1. Voraussetzungen 

Eine Beschäftigungen im sogenannten Übergangsbereich (früher “Gleitzone”) liegt vor, wenn sich das erzielte Arbeitsentgelt im Monat innerhalb des Bereichs bewegt, der höher ist als die Entgeltgrenze im Minijob, aber eine bestimmte Obergrenze nicht übersteigt. 
Man kann sagen: Der Midijob beginnt dort, wo der Minijob aufhört. Arbeitsverhältnisse mit einem Einkommen innerhalb dieser Entgeltzone stellen im Bereich der Sozialversicherung einen Übergang von Minijobs zu regulären Arbeitsverhältnissen dar. 
Bis zum 30. September 2022 umfasste der Übergangsbereich ein regelmäßiges Arbeitsentgelt zwischen 450,01 Euro und maximal 1.300 Euro
Ab dem 1. Oktober 2022 beträgt das regelmäßige Arbeitsentgelt im Übergangsbereich zwischen 520,01 Euro und 1.600 Euro. Anstelle der bisherigen starren Untergrenze von 450,01 Euro tritt auch hier die dynamische Untergrenze. Steigt also der Mindestlohn und wird die Geringfügigkeitsgrenze beim Minijob angepasst, erfolgt auch eine Anpassung der Untergrenze beim Midijob. Die Obergrenze von nunmehr 1.600 Euro bleibt aber starr. 
Update: Zum 1. Januar 2023 wurde die Obergrenze von 1.600 Euro auf 2.000 Euro im Monat angehoben.
Voraussetzung ist, dass das regelmäßige Arbeitsentgelt innerhalb der Entgeltzone liegt. Bei schwankenden Entgelten muss das jährliche Entgelt ermittelt und durch zwölf geteilt werden. Das gilt auch dann, wenn der Midijobber Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld erhält. 
Werden mehrere Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt, werden die Entgelte aus diesen Beschäftigungen grundsätzlich zusammengerechnet (§ 20 Abs. 2 SGB IV). Eine sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigung (Minijob oder kurzfristige Beschäftigung) bleibt hingegen unberücksichtigt. 

2. Sozialversicherungsrechtliche Regelungen beim Midijob

Midijobber sind sozialversicherungspflichtige Beschäftigte
Für die Beitragsberechnung und Beitragstragung in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung gelten aber besondere Regelungen
Der Vorteil besteht darin, dass Midijobber nur einen reduzierten Beitragsanteil zu den einzelnen Versicherungszweigen zu tragen haben, sie aber trotz der geringeren Beiträge zur Sozialversicherung die vollen Leistungen in allen Versicherungszweigen in Anspruch nehmen können. Auch die reduzierten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wirken sich nicht mehr nachteilig auf die Rentenansprüche der Midijobber aus. Denn dem Rentenkonto wird der tatsächliche Verdienst aus dem Midijob gutgeschrieben. 
Beschäftigungen im Übergangsbereich sind im Meldeverfahren gesondert zu kennzeichnen. Zusätzlich ist das Arbeitsentgelt, das ohne die Anwendung der Regelungen des Übergangsbereichs zu berücksichtigen wäre, anzugeben. 
Die Beiträge des Arbeitgebers und des Midijobbers werden über aufwendige Formeln berechnet. Wesentlich ist hierbei der Faktor F. Je nach Entgeltabrechnungszeitraum (bis 30. September 2022, vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2022, ab 1. Januar 2023) variiert die Berechnungsweise und der Faktor F. 
Um die Beiträge zu berechnen, können Midijobrechner genutzt werden, die unter anderem die Deutsche Rentenversicherung oder die Minijob-Zentrale zur Verfügung stellen. 
Bei Fragen zur Meldung und Beitragszahlungen für die Beschäftigungen im Übergangsbereich ist die Krankenkasse des Midijobbers richtige Ansprechpartnerin. Auch die Krankenkassen stellen häufig Midijobrechner zur Verfügung. 
Einzelheiten zur versicherungs-, beitrags- und melderechtlichen Behandlung von Beschäftigungsverhältnissen im Übergangsbereich sind dem Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zu entnehmen. Dieses wurde zum 16. August 2022 aktualisiert und enthält auch Ausführungen zur Rechtslage ab dem 1. Oktober 2022. 

3. Bestandsschutzregelungen längstens bis 31.12.2023

Für diejenigen Beschäftigten, für die bis zum 30. September 2022 die Regelungen für den Übergangsbereich galten und die ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt zwischen 450,01 Euro und 520 Euro erzielt haben, gilt eine Bestandsschutzregelung
Diese bleiben versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung und behalten diesen Versicherungsschutz auch ab dem 1. Oktober 2022 längstens bis zum 31.Dezember 2023, solange sich das durchschnittliche Arbeitsentgelt zwischen 450,01 Euro und 520 Euro bewegt und der Arbeitnehmer nicht die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt.
Bei der Kranken- und Pflegeversicherung ist die Besonderheit zu beachten, dass der Bestandsschutz nicht eintritt, wenn in der Krankenversicherung die Voraussetzungen für eine Familienversicherung vorliegen. 
In der Rentenversicherung gibt es hingegen keine Bestandsschutzregelung (eine solche gibt es nur für Beschäftigte in Privathaushalten). Arbeitnehmer, die über den 30. September 2022 hinaus beschäftigt sind und ein regelmäßiges Arbeitsentgelt zwischen 450,01 Euro und maximal 520 Euro verdienen, werden ab dem 1. Oktober 2022 Minijobber in der Rentenversicherung. In diesem Fall beträgt der Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung 15 % und der Arbeitnehmeranteil nur 3,6 %. 
Die Beiträge für die Bestandsschutzfälle berechnen sich nach der bis zum 30. September 2022 geltenden Berechnungsweise und nach der alten Formel.  
Die betroffenen Beschäftigten können in jedem einzelnen Versicherungszweig die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen

4. Lohnsteuer bei Midijobs

Im Lohnsteuerrecht gibt es keine Regelung im Übergangsbereich. Die Besteuerung von Midijobbern erfolgt nach den individuellen Besteuerungsmerkmalen (ELStAM). 
In den Fällen, in denen ab dem 1. Oktober 2022 in der Rentenversicherung ein Minijob vorliegt, können pauschal mit 2 % versteuert werden. Die Pauschsteuer hat der Arbeitgeber dann an die Minijob-Zentrale zu zahlen. 

V. Einzugsstellen

Die Pauschalbeiträge, Umlagen und Pauschsteuer bei 520-Euro-Minijobs sowie die Umlagen bei kurzfristigen Beschäftigungen werden zur Vermeidung aller Bürokratie an die Bundesknappschaft gezahlt:
Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
Hauptverwaltung
Pieperstraße 14-28
44789 Bochum
Telefon 0234 304-0
Telefax 0234 304-66050
Kostenloses Servicetelefon 0800 1000 480 80
Auskünfte erteilt auch die Minijob-Zentrale:
Kostenloses Servicetelefon 0355 2902-70799 erreichbar von Montag bis Freitag 7.00 - 17.00 Uhr
E-Mail: minijob@minijob-zentrale.de
Die Sozialversicherungsbeiträge bei Beschäftigungen im Übergangsbereich sind bei den jeweiligen Krankenkassen der Midijobber abzuführen. 
In den Bestandsschutzfällen (siehe oben unter IV., 3.) gibt es zwei Einzugsstellen, da zumindest für den Zweig der Rentenversicherung ein Minijob vorliegt, bei dem die Minijob-Zentrale die zuständige Einzugsstelle ist. In allen anderen Zweigen bleibt der Beschäftigte versicherungspflichtig, sofern er keine Befreiung beantragt hat. Für diese Versicherungszeige ist die jeweilige Krankenkasse des Beschäftigten die zuständige Einzugsstelle. 

VI. Studierende, Praktikanten und Auszubildende

Für Studierende gelten besondere Vorschriften zur Sozialversicherung, wenn sie neben einem Studium einer Beschäftigung als sogenannte Werkstudenten nachgehen. Bei einer Beschäftigung als echter Werkstudent entfallen für den Arbeitgeber und den Werkstudenten die Abgaben zur Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (= sogenanntes Werkstudentenprivileg). Beiträge zur Rentenversicherung müssen allerdings geleistet werden. Voraussetzung ist die Einstellung als “ordentlicher Studierender”, d.h., die Person muss an einer Hochschule, Universität oder an einer staatlich anerkannten Fachhochschule eingeschrieben sein und sie muss den Großteil ihrer Zeit in das Studium investieren. Während der Vorlesungszeit darf grundsätzlich nicht mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet werden. 
Studierende können bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen aber auch als geringfügig Beschäftigte (520-Euro-Minijobber oder kurzfristig Beschäftigte) eingestellt werden, dann gelten keine Besonderheiten (siehe Ausführungen unter II. und III).
Ein wesentlicher Unterschied zwischen einem 520-Euro-Minijobber und einem Werkstudenten ist, dass ein echter Werkstudent während den Semesterferien bis zu 40 Stunden in der Woche beschäftigt werden kann und hierbei die Höhe des Arbeitsentgelts keine Rolle spielt, währen ein Minijobber auch in den Semesterferien nur so viele Stunden eingesetzt werden kann, wie das ohne Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenze unter Einhaltung des Mindestlohns möglich ist. 
Die kurzfristige Beschäftigung ist im Gegensatz zur Einstellung als Werkstudent sozialversicherungsfrei. Für den Arbeitgeber fallen nur geringe Umlagen an. Die kurzfristige Beschäftigung ist aber im laufenden Kalenderjahr auf maximal drei Monate oder 70 Arbeitstage beschränkt, das Arbeitsverhältnis mit einem Werkstudenten hingegen nicht. 
Auch Schülerinnen und Schüler können als geringfügig Beschäftigte eingestellt werden. Auch hier gelten hinsichtlich der geringfügigen Beschäftigung keine Besonderheiten (siehe Ausführungen unter II. und III.)
Bei Praktikantinnen und Praktikanten ist zu unterscheiden, ob es sich um ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges Praktikum und ob es sich um ein Zwischenpraktikum oder um ein Vor- oder Nachpraktikum handelt. Ein vorgeschriebenes Zwischenpraktikum ist unabhängig von der Entgelthöhe versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Das Mindestlohngesetz ist nicht anwendbar. Die Ausgestaltung des Praktikums unterliegt alleine eventuellen (hoch-)schulrechtlichen Bestimmungen. Versicherungspflicht besteht hier grundsätzlich in der Unfallversicherung. Bei allen anderen Praktika fällt die sozialversicherungsrechtliche Einordnung unterschiedlich aus, je nachdem, ob es sich um Pflicht- oder freiwilliges Vor-, Zwischen- oder Nachpraktikum handelt und ob eine Vergütung gezahlt wird. 
Einzelheiten zu der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Studenten und Praktikanten finden sich im Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, zuletzt aktualisiert am 23.11.2016
Für Auszubindende kommt weder eine geringfügige Beschäftigung noch eine Beschäftigung im Übergangsbereich in Betracht. 

VII. Bußgeldbewehrte Melde- und Dokumentationspflichten

Der Arbeitgeber hat sowohl geringfügig entlohnte als auch kurzfristig Beschäftigte anzumelden. In der Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung (DEÜV) wurde festgelegt, dass Anmeldungen mit der ersten Abrechnung, spätestens jedoch 6 Wochen nach der Aufnahme der Beschäftigung zu übermitteln sind. Dieselbe Frist gilt für die Abmeldung nach Beendigung der Beschäftigung. Bei geringfügig entlohnten Beschäftigten muss der Einzugsstelle zusätzlich jede Änderung des Arbeitsentgelts mitgeteilt werden, sofern die Änderung zu einer Über- oder Unterschreitung der 520-Euro-Grenze führt. Außerdem hat der Arbeitgeber für geringfügig entlohnte Beschäftigte eine Jahresmeldung zu erstatten.
Die Meldungen werden auf dem Vordruck Meldung zur Sozialversicherung vorgenommen. 
Detaillierte Informationen erhalten Sie auf der Homepage der Minijob-Zentrale
Ein Arbeitgeber kann mit einem Bußgeld bis zu 5.000 Euro belangt werden, wenn er seiner Meldepflicht nicht, nicht rechtzeitig, nicht richtig oder nicht vollständig nachkommt.
Kommt es infolge der Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungen zur Versicherungspflicht, informiert die Bundesknappschaft die Arbeitgeber darüber. Diese sind verpflichtet, notwendige An- und Abmeldungen bei Bundesknappschaft und Krankenkassen vorzunehmen.
Nach § 17 Abs. 1 S. 1 MiLoG besteht für Arbeitgeber geringfügig Beschäftigter (sowie der in § 2a des SchwArbG bezeichneten Bereiche) die Pflicht, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen sowie Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre aufzubewahren . Einzelheiten regelt die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung. Nähere Informationen zur Aufzeichnungspflicht finden Sie auf der Internetseite der deutschen Zollverwaltung

VIII. Arbeitsrecht

Sowohl geringfügige Beschäftigungen (520-Euro-Minijobs, kurzfristige Beschäftigungen) als auch Beschäftigungen im Übergangsbereich (Midijobs) sind arbeitsrechtlich gesehen normale Arbeitsverhältnisse. Zu betonen ist insbesondere, dass nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch für diese Beschäftigungsarten alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten und sie nicht schlechter behandelt werden dürfen als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. So genießen sie auch den Kündigungsschutz, wenn das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung kommt, haben Anspruch auf Urlaub, auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder auch auf Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld. 

1. Arbeitsvertrag

Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei, d.h. mündlich, elektronisch oder schriftlich geschlossen werden. Bei mündlichem oder elektronischem Vertragsschluss muss der Arbeitgeber aber nach dem neu gefassten Nachweisgesetz die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen, die Niederschrift eigenhändig unterschreiben und dem Arbeitnehmer bereits am ersten Arbeitstag aushändigen. Dies gilt nunmehr auch bei Aushilfstätigkeiten
Informationen zum neuen Nachweisgesetz finden Sie in unserem Artikel: Änderungen des Nachweisgesetzes ab dem 1. August 2022
Bei befristeten Arbeitsverhältnissen muss die Befristungsabrede zwingend schriftlich erfolgen, § 14 Abs. 4 TzBfG. 

2. Kündigungsschutz

Auch für geringfügig Beschäftigte gelten die allgemeinen Kündigungsvorschriften aus Kündigungsschutzgesetz (KSchG), Mutterschutzgesetz (MuSchG), Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) und die Regelungen für Schwerbehinderte, wenn die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind. 
Teilzeitbeschäftigte sind bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach dem Kündigungsschutzgesetz zu berücksichtigen. Entscheidend dafür ist deren Arbeitsumfang. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden, sind sie mit dem Faktor 0,5 zu multiplizieren, zählen also als halbe Arbeitnehmer. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 30 Stunden sind sie mit dem Faktor 0,75 zu berücksichtigen.

3. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Schwangerschaft / Mutterschaft

Auch geringfügig Beschäftigte haben im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Dieser Anspruch entsteht erst, wenn das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen Bestand hat. Arbeitgeber, die in der Regel bis zu 30 Arbeitnehmer beschäftigen (ohne Auszubildende und geringfügig Beschäftigte) können gegebenenfalls an einem Ausgleichsverfahren (Umlage U 1) teilnehmen und bis zu 80 Prozent Ihrer Aufwendungen erstattet verlangen.
Auch geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf Mutterschutzlohn sowie den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz. Arbeitgeber können diese Aufwendungen im Ausgleichsverfahren bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Umlage U 2) vollumfänglich erstattet verlangen.
Zuständig für die Erstattungsansprüche ist in beiden Fällen die Arbeitgeberversicherung der Knappschaft-Bahn-See.

4. Lohnfortzahlung an Feiertagen

Ein Arbeitgeber muss nur Feiertagslohn zahlen, wenn der geringfügig Beschäftigte an diesem Feiertag aufgrund seines Arbeitsvertrages hätte arbeiten müssen (Lohnausfallprinzip).

5. Sonderleistungen

Geringfügig Beschäftigte sind wie alle Teilzeitbeschäftigten den Vollzeitarbeitnehmern gleichgestellt. Wenn ein Arbeitgeber zusätzliche Leistungen (zum Beispiel Gratifikationen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Altersvorsorge, Beihilfe, Jubiläumszuwendungen, Zulagen, Zuschläge, Fahrtkosten, Verheiratetenzuschlag oder Prämien) zahlt, hat auch ein geringfügig Beschäftigter Anspruch auf diese Leistungen, allerdings nur in anteiliger Höhe. Werden geringfügig Beschäftigte von Sonderleistungen ausgeschlossen, verstößt dies gegen das Gleichbehandlungsgebot sowie gegen das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung und ist unwirksam.
Zu beachten ist, dass unter Umständen durch die Zahlung von Gratifikationen die Geringfügigkeitsgrenze von monatlich 520 Euro bzw. die Jahresverdienstgrenze von 6.240 Euro) überschritten werden kann und hierdurch Sozialversicherungspflicht eintritt.

6. Urlaub

Geringfügig Beschäftigten steht auch bei nur geringem Umfang ihrer Arbeitszeit (bezahlter) Erholungsurlaub zu. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt nach dem Bundesurlaubsgesetz 24 Werktage, bezogen auf eine Sechs-Tage-Woche. Ein höherer Urlaubsanspruch kann sich aus dem Arbeitsvertrag oder einem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvertrag ergeben.
Sind geringfügig Beschäftigte nicht jeden Tag, sondern nur an einzelnen festgelegten Tagen in der Woche tätig sind, wird der Urlaubsanspruch entsprechend dem Verhältnis Anzahl der Arbeitstage einer Vollzeitkraft zur Anzahl der Arbeitstage der Teilzeitkraft gekürzt.

Beispiel: Eine Arbeitnehmerin arbeitet am Montag, Dienstag und Mittwoch je von 8 bis 12 Uhr. Sie hat auf Grundlage des Bundesurlaubsgesetzes (24 Urlaubstage bei Sechs-Tage-Woche) Anspruch auf 24 : 6 x 3 = 12 Werktage Urlaub.
Weitere Informationen zum Thema: Urlaub

IX. Vorlagen

Die Minijob-Zentrale bietet auf Ihrer Homepage Musterarbeitsverträge für geringfügig entlohnte Beschäftigte, für geringfügig entlohnte Beschäftigte in Privathaushalten sowie eine Checkliste / Musterpersonalbogen zum Download an.
Ein Arbeitsvertragsmuster für geringfügig Beschäftigte gibt es auch auf der Internetseite der IHK Offenbach
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass Muster stets nur eine Orientierungshilfe darstellen können und grundsätzlich auf Ihre individuellen Bedürfnisse angepasst sowie von Ihnen geprüft werden müssen.

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. 
Arbeitsrecht

Urlaub

Stand: August 2023

Vorbemerkung

Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die gesetzlichen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes (im folgenden abgekürzt: BUrlG) gewährleisten jedem Arbeitnehmer einen Mindesturlaubsanspruch und regeln die Modalitäten der Urlaubsgewährung und -vergütung.
Diese IHK-Information erläutert die wesentlichen Regelungen zum Urlaub einschließlich der besonderen Urlaubsregeln für bestimmte Arbeitnehmergruppen. 

1. Geltungsbereich des BUrlG

Urlaub ist die Freistellung von der Arbeit zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung (Urlaubsentgelt).
Anspruch auf Erholungsurlaub haben alle Arbeitnehmer einschließlich
  • der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten,
  • Teilzeitbeschäftigte,
  • Aushilfsbeschäftigte,
  • geringfügig Beschäftigte,
  • in Ferienarbeit und in Nebentätigkeit Beschäftigte etc. 
Zu beachten ist, dass im Falle der Entsendung von Arbeitnehmern das BUrlG nur dann Anwendung findet, wenn das Arbeitsverhältnis deutschem Arbeitsrecht unterliegt.
In der Praxis werden Inhalt und Umfang des Urlaubsanspruchs häufig durch vertragliche Vereinbarung für den Arbeitnehmer günstiger gestaltet. Tarifvertraglich können allerdings auch für den Arbeitnehmer ungünstigere Regelungen getroffen werden. Das heißt konkret:
Abweichende Urlaubsregelungen, die für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen vorsehen, sind stets zulässig (z.B. mehr Urlaubstage als der gesetzliche Urlaubsanspruch). Bei ungünstigeren Regelungen ist zu differenzieren: Regelungen (auch kollektiv-rechtliche), die den Mindestanspruch der §§ 1 bis 3 BUrlG beschneiden, sind nichtig. Ansonsten sind Schlechterstellungen auf tariflicher Grundlage möglich (§ 13 Abs. 1 BUrlG).
Andere Freistellungsansprüche, auf die das BUrlG keine Anwendung finden: 
Neben dem Anspruch auf Erholungsurlaub gibt es weitere Fälle, in denen Arbeitnehmer aus anderen Gründen als zur Erholung einen Anspruch auf Freistellung haben – sei es mit oder ohne Fortzahlung der Vergütung. In diesen Fällen ist das BUrlG nicht anwendbar. Solche Ansprüche können sich aus dem Gesetz, aus Tarifverträgen, betrieblichen Regelungen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ergeben. Beispiele: 
  • Bei kurzzeitiger Verhinderung des Arbeitnehmers kommt häufig ein Anspruch auf Freistellung unter Vergütungsfortzahlung nach § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht. Beispiele hierfür sind persönliche oder familiäre Ereignisse (etwa eigene Hochzeit, Geburt eines Kindes, Tod naher Angehöriger, Betreuung des kranken Kindes, Quarantäne aufgrund Virusinfektion ohne Erkrankung) oder Ladungen zu Behörden oder Gerichten im öffentlichen Interesse. Hier spricht man häufig vom “Sonderurlaub”, der aber mit dem Erholungsurlaub nach dem BUrlG nichts gemein hat. 
  • Vom Erholungsurlaub ist auch der sogenannte Bildungsurlaub abzugrenzen, der einen gesonderten, durch Landesgesetz geregelten Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zum Zwecke der Weiterbildung gewährt. Nähere Informationen zu: Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW)

2. Urlaubsdauer

2.1. Gesetzlicher Mindesturlaub nach dem BUrlG

Der jährliche Mindesturlaub beträgt gemäß § 3 BUrlG 24 Werktage. Unter Werktagen in diesem Sinne versteht man alle Kalendertage, die nicht Sonn- oder gesetzliche Feiertage sind. Das BUrlG geht also von einer 6-Tage-Woche aus. Um den Mindesturlaub für einen geringeren Arbeitsumfang/Teilzeitkräfte festzulegen, ist eine Umrechnung erforderlich (24 : 6 x tatsächliche Arbeitstage):
  • 6-Tage-Woche: 24 Urlaubstage
  • 5-Tage-Woche: 20 Urlaubstage
  • 4-Tage-Woche: 16 Urlaubstage
  • 3-Tage-Woche: 12 Urlaubstage
  • 2-Tage-Woche: 8 Urlaubstage
  • 1-Tag-Woche: 4 Urlaubstage
In allen Fällen ergibt sich so ein Jahresurlaub von vier Wochen. Dieser errechnete Mindesturlaub gilt unabhängig von den geleisteten Stunden an den Arbeitstagen. Entscheidend ist allein, an wie vielen Tagen der Arbeitnehmer in der Woche beschäftigt ist.
Beispiel: 
Ein Teilzeitbeschäftigter, der jeweils eine Stunde an fünf Tagen die Woche arbeitet, hat Anspruch auf 20 Urlaubstage. 

2.2. Gesetzlicher Zusatzurlaub für Minderjährige und Schwerbehinderte

Besonderheiten hinsichtlich des Umfangs des gesetzlichen Mindesturlaubs gelten für Jugendliche und Schwerbehinderte. 
Der Arbeitgeber hat auch Jugendlichen nach § 19 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) für jedes Kalenderjahr bezahlten Urlaub zu gewähren. Dieser beträgt mehr als der Mindesturlaub nach dem BUrlG, nämlich mindestens: 
  • 30 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 16 Jahre alt ist,
  • 27 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch nicht 17 Jahre alt ist und
  • 25 Werktage, wenn der Jugendliche zu Beginn des Kalenderjahres noch keine 18 Jahre alt ist.
Schwerbehinderte Menschen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX (= Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50) haben nach § 208 SGB IX einen Anspruch auf bezahlten zusätzlichen Urlaub von mindestens fünf Arbeitstagen basierend auf einer 5-Tage-Woche. Arbeiten sie regelmäßig mehr oder weniger als an fünf Arbeitstagen in der Kalenderwoche, erhöht oder vermindert sich der Anspruch entsprechend. Diesen Urlaub muss der Arbeitgeber immer zusätzlich gewähren, auch wenn tarif- oder arbeitsvertraglich mehr Urlaub als der gesetzliche Mindesturlaub gewährt wird. Er darf weder auf den gesetzlichen Mindesturlaub noch auf den vertraglichen Zusatzurlaub angerechnet werden. 
Personen, die schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX haben keinen Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 208 SGB IX. 
Weitere Informationen zum Thema: Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

2.3. Vertraglicher Zusatzurlaub 

Viele Arbeitgeber gewähren ihren Arbeitnehmern im Arbeitsvertrag freiwillig einen zusätzlichen Urlaubsanspruch, der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgeht. Auf den vertraglichen Zusatzurlaub findet das BUrlG grundsätzlich keine Anwendung. Für den Zusatzurlaub kann der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag vom BUrlG abweichende Regelungen treffen, etwa Regelungen über Verminderung des Zusatzurlaubs für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses, bei Arbeitsunfähigkeit oder bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte. 
Achtung: Dies setzt aber voraus, dass im Arbeitsvertrag klar zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Zusatzurlaub differenziert wird, sonst teilt der vertragliche Zusatzurlaub das gleiche rechtliche Schicksal wie der gesetzliche Mindesturlaub, es gelten also die Regelungen des BUrlG auch für den vertraglichen Zusatzurlaub. 
Ein zusätzlicher, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehender Urlaubsanspruch kann sich zudem aus einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. 
Insbesondere in Tarifverträgen, teilweise auch in Arbeitsverträgen werden Regelungen aufgenommen, nach denen der Urlaubsanspruch sich mit zunehmendem Alter der Arbeitnehmer erhöht (Staffelung nach Alter). Hier ist Vorsicht geboten vor dem Hintergrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), wonach eine Benachteiligung wegen des Alters grundsätzlich unzulässig ist. Verstößt die Regelung gegen das AGG, so wird eine Anpassung nach oben vorgenommen (BAG, Urteil vom 18.10.2016, Az. 9 AZR 123/16). Solche Regelungen können wirksam sein, wenn sie im Einzelfall gerechtfertigt sind etwa unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter (BAG, Urteil vom 21.10.2014, Az. 9 AZR 956/12). 

2.4. Berechnung der Urlaubsdauer bei wöchentlich unregelmäßiger Arbeitszeit

Bei Arbeitnehmern mit wöchentlich unregelmäßiger Arbeitszeit, wenn also von Woche zu Woche an unterschiedlich vielen Tagen gearbeitet wird, ist der Jahresdurchschnitt der tatsächlichen Arbeitstage für die Berechnung des Urlaubsanspruchs relevant. 
Der Urlaubsanspruch kann in solchen Fällen nach folgender Formel berechnet werden: 
Anzahl der tatsächlich gearbeiteten Tage im Kalenderjahr multipliziert mit den vereinbarten Urlaubstagen für Arbeitnehmer in Vollzeit. Das Produkt hieraus ist durch die Anzahl der Jahresarbeitstage bei Arbeitnehmern in Vollzeit zu dividieren. 
Bei dieser Berechnung ist bei einer 5-Tage-Woche von möglichen 260 Arbeitstagen im Jahr auszugehen (52 Wochen x 5 Tage). Bei einer 6-Tage-Woche ist hingegen von 312 Arbeitstagen im Jahr auszugehen (52 x 6 Tage). 
Beispiel 1:
Ein Arbeitnehmer arbeitet wöchentlich alternierend an zwei bzw. drei Arbeitstagen. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Anwesenheit von 130 Arbeitstagen im Kalenderjahr (52 Wochen x 2,5 Tage). Der Urlaubsanspruch im Unternehmen für Vollzeitarbeitnehmer beträgt 30 Tage auf Basis einer 5-Tage-Woche. Die Anzahl der Jahresarbeitstage bei Arbeitnehmern in Vollzeit beträgt 260 Tage (52 Wochen x 5 Tage). Daraus ergibt sich ein Urlaubsanspruch von 15 Tagen (130 x 30 : 260 = 15).
Beispiel 2:
Eine Arbeitnehmerin arbeitet in einem Jahr während 26 Wochen fünf Tage und während 26 Wochen vier Tage (26 x 5 + 26 x 4 = 234 Jahresarbeitstage). Der Urlaubsanspruch für Vollzeitarbeitnehmer beträgt 24 Tage bei einer 6-Tage-Woche. Die Anzahl der Jahreswerktage im Unternehmen beträgt 312 Tage (52 Wochen x 6 Tage). Daraus ergibt sich ein Urlaubsanspruch von 18 Tagen (234 x 24 : 312 = 18). 

2.5. Urlaubsdauer bei Veränderung der Arbeitszeit 

Die Urlaubsdauer hängt von der Anzahl der Wochenarbeitstage ab. Ändert sich im Verlauf eines Kalenderjahres die Arbeitszeit, ist der Urlaubsanspruch ggf. neu zu berechnen. 
Hierbei sind mehrere Konstellationen denkbar: 
  • Die Wochenarbeitszeit verändert sich, aber die Zahl der Arbeitstage pro Woche bleibt gleich. Hier bleibt der Urlaubsanspruch unverändert, weil nur die Anzahl der Wochenarbeitstage relevant ist, nicht jedoch die Anzahl der geleisteten Stunden pro Tag. 
Beispiel:
Ein Arbeitnehmer arbeitet halbtags von Montag bis Donnerstag. Er stockt nun auf ganztags auf, die Arbeitstage (Montag bis Donnerstag) bleiben aber gleich. Hier ändert sich an der Anzahl der Jahresarbeitstage nichts. Der Urlaubsanspruch bemisst sich nach wie vor an einer 4-Tage-Woche. Der Freistellungsanspruch bezieht sich dann aber auf den ganzen Tag und nicht nur auf halbe Tage. 
  • Die Anzahl der Arbeitstage pro Woche ändert sich ab Jahresbeginn. Hier ist der Urlaubsanspruch entsprechend anzupassen. 
Beispiel:
Eine Arbeitnehmerin arbeitete im Jahr 2022 an drei Tagen die Woche. Ab Januar 2023 arbeitet sie an vier Tagen die Woche. Der Urlaubsanspruch beträgt 20 Tage bei einer 5-Tage-Woche. Im Jahr 2022 stand ihr ein Urlaubsanspruch in Höhe von 12 Tagen zu. Ab 2023 muss der Urlaubsanspruch erhöht werden auf 16 Tage. 
  • Ändert sich die Anzahl der Arbeitstage (z.B. Wechsel von Vollzeit in Teilzeit) unterjährig, ist der Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage umzurechnen. Hier ist zu beachten, dass der bereits in der Vollzeitphase überproportional gewährte Urlaub nachträglich nicht neu berechnet werden darf. Auch dürfen Urlaubsansprüche, die im Rahmen der Vollzeitbeschäftigung erworben wurden, nicht reduziert werden. 
Beispiel:
Eine vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin arbeitet von Januar bis Ende Juni an fünf Tagen die Woche mit je acht Stunden pro Tag. Ab Juli arbeitet sie nur noch zwei Tage die Woche. Der Urlaubsanspruch im Unternehmen beträgt 30 Tage bei einer 5-Tage-Woche. Bis Ende Juni hat sich die Arbeitnehmerin bereits 20 Tage Urlaub genommen. Die restlichen 10 Urlaubstage sind auf die 2-Tage-Woche umzurechnen. Bis Ende Dezember stehen der Arbeitnehmerin nicht 10, sondern nur noch 4 Urlaubstage zu (10 x 2 : 5 = 4). 
Eigentlich hätten ihr anteilig bis Ende Juni nur 15 Urlaubstage und ab Juli bis Ende Dezember 6 Urlaubstage, also insgesamt 21 Urlaubstage zugestanden. Da ihr innerhalb der ersten sechs Monate in der Vollzeitphase bereits überproportional Urlaub gewährt wurde (20 Tage) und dieser nicht nachträglich neu berechnet werden darf, stehen ihr insgesamt 24 Urlaubstage zu. 
Hinweis: Dies ist auch bei der Berechnung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen. Wechseln Arbeitnehmer von einer Vollzeittätigkeit in eine Teilzeitbeschäftigung, so muss der in der Vollzeitphase erworbene Urlaubsanspruch entsprechend der Vollzeittätigkeit vergütet werden – auch dann, wenn dieser Urlaubsteil vom Arbeitnehmer im Zeitraum der Teilzeitbeschäftigung in Anspruch genommen wird (BAG, Urteil vom 20.03.2018, Az. 9 AZR 486/17).

2.6. Urlaubsanspruch und Zeiten der Nichtbeschäftigung bzw. des Ruhens des Arbeitsverhältnisses

Ob der Arbeitgeber den Urlaub für Zeiten kürzen kann, in denen der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt, das Arbeitsverhältnis aber rechtlich fortbesteht, hängt vom Grund für die Nichterbringung der Arbeitsleistung ab: 
  • Elternzeit: Grundsätzlich entsteht auch während einer mehrmonatigen oder mehrjährigen Elternzeit der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, weil es grundsätzlich nur auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt und nicht darauf, ob tatsächlich gearbeitet wird. Allerdings kann der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer/der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen (Ausnahme: bei Teilzeittätigkeit des Arbeitnehmers während der Elternzeit). Von dieser gesetzlichen Kürzungsmöglichkeit muss der Arbeitgeber aktiv Gebrauch machen. Die Kürzungserklärung kann vor, während und nach der Elternzeit, spätestens aber vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegeben werden. Tipp: Es empfiehlt sich, die Kürzungserklärung möglichst früh, am besten schriftlich zusammen mit der Bestätigung der Elternzeit abzugeben. 
  • Mutterschutzzeiten: Für Zeiten des Mutterschutzes sieht § 24 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ausdrücklich vor, dass die Ausfallzeiten wegen eines Beschäftigungsverbots als Beschäftigungszeiten gelten. Die Arbeitnehmerin erwirbt also in diesen Zeiten ihren vollen Urlaubsanspruch. Dieser Urlaub kann vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden. 
  • Krankheit: In Zeiten, in denen Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind, entstehen weiterhin Urlaubsansprüche. Eine Kürzung kommt lediglich hinsichtlich des vertraglichen Mehrurlaubs bei entsprechender wirksamer Arbeitsvertragsklausel in Betracht. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch darf nicht gekürzt werden. 
  • Auch gesetzliche Feiertage werden nicht auf den Urlaub angerechnet. Hier ist nicht der Wohnort des Arbeitnehmers maßgeblich, sondern der Arbeitsort. Die Bundesländer haben Feiertagsgesetze erlassen, denen die jeweils geltenden Feiertage entnommen werden können. 
  • Zeiten von Kurzarbeit “Null” dürfen bei der Urlaubsberechnung in Abzug gebracht werden (BAG, Urteil vom 30.11.2021, Az. 9 AZR 225/21). Für jeden vollen Monat der Kurzarbeit “Null” darf der Arbeitgeber somit den Urlaubsanspruch um 1/12 kürzen. 
  • Sabbatical: Der Zeitraum eines vereinbarten unbezahlten Sonderurlaubs (Sabbatical), in dem die Arbeitsvertragsparteien die Hauptleistungspflichten suspendiert haben, kann bei der Berechnung mit “null” Arbeitstagen in Ansatz gebracht werden (BAG, Urteil vom 19.3.2019, Az. 9 AZR 315/17). In Kalenderjahren, in denen der Arbeitnehmer sich durchgehend in unbezahltem Sonderurlaub befindet, entsteht daher kein Urlaubsanspruch. Erstreckt sich der Sonderurlaub nur auf einen Teil des Kalenderjahres, muss der Urlaubsanspruch nach Zeitabschnitten berechnet werden. 
  • Altersteilzeit im Blockmodell: Die Grundsätze des BAG zum unbezahlten Sonderurlaub gelten auch hier, da die Arbeitsverpflichtung einvernehmlich aufgehoben wird. Arbeitnehmer, die sich in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses befinden und im gesamten Kalenderjahr von der Arbeitspflicht entbunden sind, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub. Bei Wechsel von Arbeits- und Freistellungsphase während des laufenden Kalenderjahres muss der Urlaubsanspruch anteilig berechnet werden. 

3. Voller Urlaubsanspruch/Teilurlaub

Der volle Urlaubsanspruch wird erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben (Wartezeit, § 4 BUrlG).
Die Frist zur Berechnung der Wartezeit beginnt regelmäßig mit dem Anfang des Tages der vereinbarten Arbeitsaufnahme. Unerheblich ist dabei, ob die Wartezeit innerhalb ein und desselben Kalenderjahres erfüllt werden kann. Sie wird durch den Jahreswechsel nicht unterbrochen.
Beispiel:
Beginnt das Arbeitsverhältnis am 15.12.2022, entsteht der volle Urlaubsanspruch am 15.6.2023. 
Nach der Wartezeit entsteht der volle Urlaubsanspruch dann immer bereits mit Beginn jeden Kalenderjahres.
Beispiel:
Das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer beginnt am 1.5.2022. Er hat einen Anspruch auf 28 Urlaubstage. Erst mit Ablauf des 31.10.2022 entsteht der volle Urlaubsanspruch von 28 Tagen. Der volle Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2023 entsteht hingegen sogleich mit Ablauf des 31.12.2022. 
Achtung: Hat der Arbeitnehmer die sechsmonatige Wartezeit erfüllt und scheidet er nach dem 30.6. eines Kalenderjahres aus, steht ihm der Urlaubsanspruch für das gesamte Kalenderjahr zu! 
Anspruch auf Teilurlaub, nämlich auf je 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat (nicht: Kalendermonat) des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 BUrlG:
  • für Zeiten eines Kalenderjahres, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt; erfasst sind hiermit alle Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Juli eines Jahres begonnen wird. Dem Arbeitnehmer steht in diesem Fall für jeden vollen Monat 1/12 des Jahresurlaubs zu.
Beispiel: 
Arbeitsverhältnis beginnt am 15.11.2022. Der Urlaubsanspruch im Unternehmen beträgt 30 Tage bei einer 5-Tage-Woche. Für das Kalenderjahr 2022 hat der Arbeitnehmer einen Teilanspruch von 1/12 des Jahresurlaubs, also auf 2,5 Urlaubstage. Nach § 5 Abs. 2 BUrlG sind Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage, hier also auf 3 Urlaubstage aufzurunden. 
Achtung: Bruchteile, die weniger als 0,5 Urlaubstage betragen, dürfen nach der Rechtsprechung vom Arbeitgeber ohne gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelung nicht abgerundet werden. Sie müssen dann in ihrem genauen Umfang gewährt werden. 
  • wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet; hier sind die Fälle gemeint, in denen der Arbeitnehmer innerhalb der ersten sechs Monate des Bestehens des Arbeitsverhältnisses geht.
Beispiel: 
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.2. und wird innerhalb der Probezeit zum 31.5. gekündigt. Hier besteht ein Teilurlaubsanspruch von 4/12 des Jahresurlaubs. 
  • wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet; betroffen sind hier sämtliche Fälle, in denen zunächst ein Vollanspruch entstanden ist, das Arbeitsverhältnis dann aber bis zum Ende des 30. Juni (24 Uhr) des Kalenderjahres beendet wird.
Beispiel: 
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 1.9. und der Arbeitnehmer kündigt zum 30.4. des Folgejahres. Hier hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Teilurlaub im Folgejahr (“gekürzter Vollurlaub”). 
Die Gewährung von 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bedeutet, dass für Beschäftigungszeiten unter einem Monat überhaupt kein Urlaubsanspruch gewährt wird. Gemeint ist hier nicht der Kalendermonat. Zu beachten ist weiter, dass angefangene Monate bei der Berechnung grundsätzlich keine Berücksichtigung finden, es sei denn, vertraglich wurde etwas anderes vereinbart.
Beispiel:
Eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin, die an zwei Tagen die Woche arbeitet, scheidet nach einem Monat und zwei Wochen aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Der (Mindest-)Jahresurlaub nach dem BUrlG beträgt acht Tage für eine 2-Tage-Woche (unabhängig von der geleisteten Stundezahl). Nachdem die Beschäftigung nur einen vollen Monat angedauert hat, ist ein Urlaubsanspruch von 1/12 von acht Urlaubstagen (0,66 Urlaubstage) entstanden.
Da Bruchteile von Arbeitstagen, die bei der Berechnung mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind, besteht ein Urlaubsanspruch von einem Tag.

4. Übertragung, Verfall und Verjährung von Urlaubsansprüchen/Hinweispflichten des Arbeitgebers

Der Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr, also vor Ablauf des 31.12. gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 2 Satz 1 BUrlG). 
Eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr ist nur zulässig, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BurlG).
  • Dringende betriebliche Gründe: Dabei handelt es sich um Umstände, die in der betrieblichen Organisation, dem technischen Arbeitsablauf oder der Auftragslage ihren Grund haben und die es im Hinblick auf einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf es zwar nicht zwingend erforderlich, aber doch geboten erscheinen lassen, Urlaub nicht mehr im ablaufenden Kalenderjahr zu gewähren (z.B. Hauptsaison, Grippewelle im Betrieb etc.). 
  • In der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe: Klassischer Fall ist hier die lang anhaltende Erkrankung eines Arbeitnehmers, aufgrund derer die Gewährung des Urlaubs im Urlaubsjahr ausgeschlossen ist. 
In diesen Fällen muss der übertragene Urlaub grundsätzlich bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden, ansonsten kann er verfallen.
Vereinbarungen über weitergehende Übertragungszeiträume (z.B. Übertragbarkeit bis 30. Juni) in Arbeits- oder Tarifverträgen sind zulässig und werden häufig praktiziert. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien kann dabei auch stillschweigend – etwa durch Gewährung des Urlaubs im Übertragungszeitraum – zustande kommen. 
In bestimmten Fällen verfällt der Urlaubsanspruch aber nicht mit Ablauf des 31.12. bzw. des Übertragungszeitraums: 
  • Andauernde Arbeitsunfähigkeit: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bereits 2009 entschieden, dass der Mindesturlaubsanspruch nicht deshalb verfallen darf, weil er wegen Krankheit nicht genommen werden kann. Dauert die Erkrankung des Arbeitnehmers bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres bzw. bis zum Ende des vertraglich vereinbarten Übertragungszeitraums, verfällt dieser erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist (EuGH, Urteile vom 20.1.2009, Az. C-350/06 sowie C-520/06; BAG, Urteil vom 7.8.2012, Az. 9 AZR 353/10). 
Beispiel: 
Ein Arbeitnehmer ist seit dem 1.1.2021 arbeitsunfähig erkrankt und ab dem 20.5.2023 wieder gesund. Er hat laut Arbeitsvertrag einen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen. Bis 31.12.2023 hat er keinen Urlaub genommen. Zum Zeitpunkt der Genesung waren aus 2021 30 Urlaubstage offen, die jedoch mit Ablauf des 31.3.2023 verfallen sind (15-Monatsfrist). Dazu kommen 30 Tage Urlaub aus 2022, die noch bis zum 31.3.2024 genommen werden können und 30 Tage Urlaub aus dem aktuellen Jahr 2023. 
Hinweis: Für den vertraglichen Zusatzurlaub kann vereinbart werden, dass dieser am 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres oder mit Ablauf des Übertragungszeitraums auch dann verfällt, wenn er wegen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht genommen werden kann. Voraussetzung ist aber eine deutliche Differenzierungsklausel. 
  • Gesetzliche Erweiterung der Übertragung bei Elternzeit und Mutterschutz: Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, hat der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren (§ 17 Abs. 2 BEEG). Entsprechendes gilt auch im Falle eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG). Hat eine Frau ihren Urlaub vor Beginn eines Beschäftigungsverbots nicht oder nicht vollständig erhalten, kann sie nach dem Ende des Beschäftigungsverbots den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen (§ 24 Satz 2 MuSchG). 
Achtung: Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BAG verfallen und verjähren Urlaubsansprüche aber generell nicht, wenn der Arbeitgeber bestimmten Hinweispflichten nicht nachkommt. 
Rechtsprechung zum Verfall von Urlaubsansprüchen:
  • Der EuGH hatte im November 2018 entschieden, dass Arbeitnehmer ihre erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch zum Jahresende oder mit Ablauf des zulässigen Übertragungszeitraums verlieren, nur weil sie keinen Urlaub beantragen. Zu einem Verfall kommt es nach dem EuGH nur dann, wenn der Arbeitgeber beweist, dass der Arbeitnehmer freiwillig auf seinen Urlaub verzichtet hat, nachdem der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer durch eine angemessene Aufforderung und Belehrung tatsächlich in die Lage versetzt hat, rechtszeitig Urlaub zu nehmen (EuGH, Urteile vom 6.11.2018, Az. C-619/16 und C-684/16). Das BAG hat sich dieser Auffassung angeschlossen (BAG, Urteil vom 19.2.2019, Az. 9 AZR 541/15). 
  • Die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Nach dem BAG gelten sie aber auch für den vertraglichen Zusatzurlaub, wenn arbeitsvertraglich oder in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung keine andere Regelung getroffen wurde (BAG, Urteil vom 25.6.2019, Az. 9 AZR 546/17; BAG, Urteil vom 25.8.2020, Az. 9 AZR 214/19). Daher sollte im Arbeitsvertrag klar zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem vertraglichen Zusatzurlaub differenziert werden (s.o. 2.3.).
  • Die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten des Arbeitgebers gelten auch für den gesetzlichen Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 SGB IX. Erlangt der Arbeitgeber aber keine Kenntnis von der Schwerbehinderung des Arbeitnehmers und ist diese nicht offenkundig, kann er den Arbeitnehmer auch nicht dazu auffordern, seinen gesetzlichen Zusatzurlaub wahrzunehmen. Ohne diese Kenntnis verletzt der Arbeitgeber seine Hinweisobliegenheit nicht und der Anspruch auf den gesetzlichen Sonderurlaub verfällt. Die Hinweisobliegenheiten des Arbeitgebers entstehen, wenn er von einer Schwerbehinderung oder Anerkennung Kenntnis erlangt (BAG, Urteil vom 26.4.2022, Az. 9 AZR 367/21).
  • Zum Verfall von Urlaubsansprüchen langzeiterkrankter Arbeitnehmer: Die Frage, ob die Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweisobliegenheiten nicht nachgekommen ist, war lange Zeit ungeklärt. Grundsätzlich machen eine Belehrung und Aufforderung von Seiten des Arbeitgebers nur dann Sinn, wenn der Arbeitnehmer in der Lage ist, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hier ist nach neuster Rechtsprechung zu differenzieren. Nach dem BAG (Urteil vom 20. Dezember 2022, Az. 9 AZR 245/19) kann der Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit des Arbeitnehmers nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres auch ohne Hinweis des Arbeitgebers verfallen. Das gilt aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer vom Beginn des Urlaubsjahres bis einschließlich 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten, also durchgängig arbeitsunfähig war. Für diesen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Hinweisobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können. Wenn der Arbeitnehmer hingegen im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet hat, bevor er arbeitsunfähig geworden ist, verfällt der Urlaubsanspruch nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit durch entsprechenden Hinweis in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen.
    Dieselbe Frage stellt sich auch bei Arbeitnehmern, die ihren Jahresurlaub aufgrund voller, aber nicht dauerhafter Erwerbsminderung nicht nehmen konnten.
Rechtsprechung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen:
  • Aus Gründen der Rechtssicherheit verjähren Urlaubsansprüche nach §§ 195, 199 BGB grundsätzlich drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und Kenntnis vorlag.
  • Der EuGH hat aber kürzlich entschieden, dass der Urlaub nicht nur nicht verfällt, sondern auch nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber seine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nicht erfüllt (EuGH, Urteil vom 22.9.2022, Az. C-120/21). Das BAG hat die Vorgaben des EuGH umgesetzt und nun entschieden, dass Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern nur verjähren, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten rechtzeitig nachgekommen ist (BAG, Urteil vom 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20). Dies gelte nach dem BAG auch für die Jahre vor 2019, als das BAG erstmals entschieden hat, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer aktiv über den ausstehenden Urlaub und seinen drohenden Verfall informieren müssen. 
Praxistipps für Arbeitgeber, um den Verfall und die Verjährung von Urlaubsansprüchen zu ermöglichen:
Der Arbeitgeber sollte zu Beginn jeden Kalenderjahres und am besten ein zweites Mal in der zweiten Jahreshälfte rechtzeitig vor Ende jeden Kalenderjahres schriftlich oder in Textform (z.B. E-Mail) über Folgendes informieren: 
  • Im Betreff des Schreibens/der E-Mail sollte auf die Wichtigkeit des Inhalts hingewiesen werden (beispielsweise: “Wichtig / Achtung: Urlaub 2023, Urlaubsübertrag und Verfall”)
  • Jedem einzelnen Mitarbeiter muss konkret mitgeteilt werden, wie viele Urlaubstage einschließlich der aus Vorjahren übertragenen Resturlaubstage ihm im Kalenderjahr zustehen. Dies muss individualisiert erfolgen. Abstrakte Angaben in Verträgen oder allgemeine Rundschreiben genügen nicht. Kann der Arbeitnehmer seine Urlaubstage bspw. in einem digitalen System selbst einsehen, dürfte auch ein konkreter Hinweis genügen, wo die Anzahl der Urlaubstage eingesehen werden kann (z.B. Link zu Self-Service im Intranet). 
  • Jeder Arbeitnehmer muss aufgefordert werden, seinen Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Kalenderjahres genommen werden kann. 
  • Jeder Arbeitnehmer muss darüber belehrt werden, dass nicht entsprechend der Aufforderung beantragter und nicht genommener Urlaub mit Ablauf des 31.12.XX, spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums verfällt.
  • Vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung zur Verjährung von Urlaubsansprüchen sollte auch der Hinweis aufgenommen werden, dass Urlaubsansprüche der dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB unterliegen
Wir empfehlen Ihnen, Ihre internen Prozesse entsprechend anzupassen und beim Versand des Hinweisschreibens/Hinweismail darauf zu achten, dass dieser so rechtzeitig erfolgt, dass der (Rest-)Urlaub auch tatsächlich noch genommen werden kann. Was “rechtzeitig” bedeutet, haben die Gerichte nicht festgelegt. Jedenfalls muss der Hinweis so frühzeitig erteilt werden, dass der restliche Urlaub in der Zeit nach dem Hinweis bis zum Verfallszeitpunkt noch in vollem Umfang genommen werden kann. Es empfiehlt sich zudem, eine Zugangs- bzw. Lesebestätigung anzufordern. Zudem sollte der gesamte Vorgang entsprechend dokumentiert werden. 
Unterbleibt der Hinweis, kann man sich als Arbeitgeber grundsätzlich weder auf den Verfall noch auf die Verjährung berufen. 

5. Urlaubsgewährung

Der Urlaub ist vom Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer zu gewähren. Voraussetzung der Urlaubsgewährung ist ein entsprechender Antrag des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss diesen Urlaubswunsch bei der Festsetzung des Urlaubs vorrangig berücksichtigen und darf nur bei Vorliegen wichtiger Gründe hiervon abweichen
Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Urlaubserteilung für den vom Arbeitnehmer gewünschten Zeitraum aus zwei Gründen zu verweigern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG):
  • dringende betriebliche Belange oder
  • Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, wenn eine gleichzeitige Beurlaubung aus betrieblichen Gründen ausscheidet. Abwägungskriterien sind z.B. das Lebensalter, die Betriebszugehörigkeit, Anzahl der schulpflichtigen Kinder.
Lehnt der Arbeitgeber den Urlaubsantrag ohne rechtfertigenden Grund ab, kann der Arbeitnehmer unter Umständen einen Ersatzurlaubsanspruch als Schadensersatz geltend machen (siehe auch Punkt 5.3.).
Eine ohne einen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (BAG, Urteil vom 25.8.2020, Az. 9 AZR 612/19). 
Der Urlaub muss zusammenhängend gewährt werden, jedenfalls aber mindestens ein Urlaubsteil mit mindestens 12 aufeinanderfolgenden Tagen (§ 7 Abs. 2 BUrlG). 
Ein bereits gewährter Urlaub kann grundsätzlich nicht widerrufen werden. 

5.1. Verbot der Selbstbeurlaubung 

Der Arbeitnehmer darf seinen Urlaubsanspruch nicht eigenmächtig durchsetzen. Dieses Verbot der Selbstbeurlaubung gilt absolut. Selbst dann, wenn 
  • der Arbeitgeber den Urlaubsantrag grundlos oder zu Unrecht nicht stattgegeben hat oder 
  • bis zum Fristablauf des Urlaubsanspruchs überhaupt noch eine den Urlaubstagen entsprechende Zahl an Arbeitstagen zur Verfügung steht, 
darf der Arbeitnehmer keine Selbstbeurlaubung vornehmen. 
Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten und muss nicht nur eine ordentliche, sondern ggf. auch die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber hinnehmen. 

5.2. Betriebsurlaub

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber nicht einseitig die Lage des Urlaubs anordnen kann. Er muss hierbei die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen, soweit dem nicht dringende betriebliche Belange entgegenstehen (§ 7 Abs. 1 BUrlG). 
Die Anordnung von Betriebsurlaub ist somit eine Ausnahme und nur unter bestimmten, gesetzlich nicht näher beschriebenen Voraussetzungen möglich
  • Nach der Auffassung vieler Juristen muss der Arbeitgeber dringende betriebliche Belange geltend machen, um Betriebsurlaub anordnen zu können. Der Grund für die Anordnung von Betriebsurlaub muss seinen Ursprung im Betrieb haben, z.B. in der betrieblichen Organisation, im technischen Arbeitsablauf oder ähnlichen Umständen. Grundsätzlich müssen Umstände vorliegen, die ein normales Arbeiten nicht möglich machen (z.B. wenn die Auftragszahl in manchen Branchen beispielsweise in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr drastisch sinkt oder im Falle des Stillstands bei Saisonbetrieben außerhalb der Saison). Ob auch ohne Vorliegen eines dringenden betrieblichen Grundes die Lage des Urlaubs durch den Arbeitgeber einseitig festgelegt werden kann, sofern dies vorab im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt wurde, ist umstritten. 
  • Der Betriebsurlaub darf nur mit einer angemessen langen Ankündigungsfrist angeordnet werden, damit die Beschäftigten genügend Zeit zur Planung haben. Wie lange die Ankündigungsfrist sein muss, ist nicht näher festgelegt. Teilweise wird von einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten ausgegangen. 
  • Der Arbeitgeber darf nur einen Teil des Jahresurlaubs seiner Mitarbeiter fest verplanen. Nach der Rechtsprechung muss noch ein wesentlicher Teil des Jahresurlaubs für die Arbeitnehmer frei planbar bleiben. Das BAG hat in einem Urteil die Faustformel 3/5 Betriebsferien – 2/5 individuelle Urlaubsplanung als angemessen angesehen (BAG, Beschluss vom 28.7.1981, Az. 1 ABR 79/79). Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass auch eine andere Regelung zulässig wäre. 
  • In Betrieben mit Betriebsrat ist zwingend dessen Zustimmung betreffend Einführung und zeitlicher Festlegung des Betriebsurlaubs erforderlich (meist in Form einer Betriebsvereinbarung). In Betrieben ohne Betriebsrat kann der Arbeitgeber Betriebsurlaub dagegen im Rahmen seines Direktionsrechts einführen. 
Hat ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Betriebsurlaubs noch keinen Urlaubsanspruch erworben, etwa weil die Wartezeit noch nicht vorüber ist, müsste ihn der Arbeitgeber grundsätzlich weiterbeschäftigen. Tut er das nicht, bleibt er trotz fehlender Arbeitsleistung zur Vergütungszahlung verpflichtet. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer bereits den Urlaub zu gewähren, den er sich (gedanklich) bereits erarbeitet hat. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass weder der zu viel gewährte Urlaub noch das Urlaubsgeld zurückgefordert werden kann, wenn der Arbeitnehmer vor Ende der Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. 
Hat ein Arbeitnehmer bereits alle ihm für das entsprechende Urlaubsjahr zustehenden Urlaubstage aufgebraucht oder wurden dem Arbeitnehmer die restlichen Urlaubstage für einen Zeitraum genehmigt, bevor der Betriebsurlaub beginnt, hat der Arbeitgeber nur die Möglichkeit, den Arbeitnehmer während der Zeit des Betriebsurlaubs arbeiten zu lassen oder ihn gegen Bezahlung von der Arbeit freizustellen, da bereits gewährter Urlaub vom Arbeitgeber nicht einseitig widerrufen werden kann. 
Wurde der Betriebsurlaub zu Unrecht oder zu kurzfristig angeordnet, kann der Arbeitgeber im sogenannten Annahmeverzug geraten, wenn sich die Arbeitnehmer der Anordnung, Betriebsurlaub zu nehmen, widersetzen und ihre Arbeit anbieten. Dann muss der Arbeitgeber diese Arbeitnehmer während des Betriebsurlaubs beschäftigen oder diese gegen Bezahlung von der Arbeit freistellen, ohne dass die Tage des unzulässigen Betriebsurlaubs vom Urlaubskonto der Arbeitnehmer abgezogen werden. 

5.3. Ersatzurlaubsanspruch

Dieser steht dem Arbeitnehmer zu, wenn er seinen Urlaubsanspruch rechtzeitig geltend gemacht hat und der Arbeitgeber ihm diesen unzulässigerweise versagt hat. Erlischt dann der Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraumes, steht dem Arbeitnehmer als Schadensersatz ein Ersatzurlaubsanspruch zu, der dem geltend gemachten Urlaubsanspruch in vollem Umfang entspricht. Dieser Ersatzanspruch ist an keine Fristen gebunden.

6. Vergütung im Urlaub

6.1. Urlaubsentgelt

Urlaubsentgelt ist das Arbeitsentgelt (Vergütung), das während des Erholungsurlaubs fortgezahlt wird. Das Urlaubsentgelt ist grundsätzlich vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen (§ 11 Abs. 2 BUrlG) – wobei andere Vereinbarungen möglich sind – und bemisst sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst des Arbeitnehmers in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn (§ 11 Abs. 1 BUrlG). 
Grundsätzlich berechnet sich die konkrete Höhe des Urlaubsentgelts in folgenden Schritten: 
  1. Bestimmung der Arbeitsvergütung im Referenzzeitraum 13 Wochen vor Urlaubsantritt: Zunächst ist zu schauen, welches Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer 13 Wochen vor Urlaubsantritt erhalten hat. Hierbei wird jede Arbeitsvergütung berücksichtigt, die Gegenleistung für Arbeitstätigkeit war (auch Zulagen, Provisionen, Umsatzbeteiligungen, variable erfolgsunabhängige Vergütung). Wurde dem Arbeitnehmer in diesen 13 Wochen Vergütung für Überstunden gezahlt, muss diese Vergütung abgezogen werden. Nicht berücksichtigt werden auch nur vorübergehende Verdiensterhöhungen wie einmalige Prämien, Gratifikationen o.Ä. sowie eingetretene Verdienstkürzungen infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis. 
  2. Dieser Entgeltbetrag ist durch die Zahl der diesen Lohnzahlungen zugrunde liegenden geleisteten Stunden (einschließlich Stunden mit Entgeltfortzahlung für Arbeitsunfähigkeit, Urlaub oder Feiertage) zu dividieren. So erhält man den sog. Geldfaktor als Stundensatz.
  3. Im nächsten Schritt ist die Arbeitszeit während des Urlaubs zu bestimmen (sog. Zeitfaktor). Hierbei werden – anders als beim Geldfaktor – auch Überstunden berücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer diese hätte leisten müssen, wäre er nicht im Urlaub gewesen. Auch eine Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ist hier zu berücksichtigen. 
  4. Im letzten Schritt multipliziert man den ermittelten Geldfaktor (“Stundensatz”) mit dem ermittelten Zeitfaktor (Zahl der Urlaubsstunden). Das Ergebnis ist das zu zahlende Urlaubsentgelt. 
Alle Abreden, nach denen der Arbeitnehmer während des Urlaubs eine geringere Arbeitsvergütung erhält als während seiner Beschäftigung, sind nichtig.
Das Urlaubsentgelt ist wie das Arbeitsentgelt zu versteuern, da das Urlaubsentgelt der gesetzlichen Bestimmung nach den laufenden Bezügen für einen der Dauer des Urlaubs entsprechende Lohnzahlung entspricht. Entsprechend sind auch die Sozialversicherungsabgaben abzuführen.

6.2. Urlaubsgeld

Urlaubsgeld ist eine betriebliche Sonderzahlung, die der Arbeitnehmer neben dem zu gewährenden Urlaubsentgelt vom Arbeitgeber als freiwillige zusätzliche Leistung erhalten kann. Diese zusätzliche Vergütung kann der Arbeitnehmer jedoch nur aufgrund von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen beanspruchen. Weiterhin kann sich ein Anspruch aus betrieblicher Übung ergeben. Dies ist der Fall, wenn das Urlaubsgeld mindestens drei Mal ohne einen deutlichen Hinweis auf die Freiwilligkeit ausbezahlt worden ist.
Urlaubsgelder sind als einmalige Einnahmen in dem Lohnzahlungszeitraum für die Beitragsberechnung der Sozialversicherung heranzuziehen. Auch ein zusätzlich neben dem Arbeitslohn gezahltes Urlaubsgeld ist lohnsteuerpflichtig.

7. Erwerbstätigkeit und Krankheit im Urlaub

7.1. Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs

Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten (§ 8 BUrlG). Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass sich der Arbeitnehmer nach der Rückkehr aus dem Urlaub erholt und seine Arbeitskraft aufgefrischt hat.
Von dem Begriff Erwerbstätigkeit sind sowohl selbstständige als auch nicht selbstständige Tätigkeiten erfasst. Nicht erfasst werden hingegen sonstige Tätigkeiten, die zwar anstrengend sein mögen, aber keine Erwerbstätigkeiten darstellen (z.B. das Bauen am eigenen Haus, Hilfeleisten für einen Fremden am Hausbau, Familienmithilfe im Betrieb der/des Ehefrau/Ehemanns oder Weiterbildungen während des Urlaubs). 
Ob eine Erwerbstätigkeit dem Urlaubszweck widerspricht, ist nach den subjektiven und objektiven Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Maßgebend sind Inhalt, Art und Dauer der Erwerbstätigkeit. Eine Beschäftigung des Arbeitnehmers gegen Arbeitsentgelt oder Sachleistung während der vollen täglichen Arbeitszeit wird regelmäßig zweckwidrig sein, während ein stundenweise Aushelfen an manchen Tagen nicht gegen das gesetzliche Verbot verstoßen dürfte. 
Der Verstoß gegen § 8 BUrlG stellt eine Pflichtverletzung dar, die mit verschiedenen Personalmaßnahmen geahndet werden kann. Denkbar wäre der Ausspruch einer Abmahnung. Im Wiederholungsfall kann die Pflichtverletzung ggf. zu einer Kündigung führen. Dem Arbeitgeber kann ferner ein Anspruch auf Unterlassung der urlaubszweckwidrigen Erwerbstätigkeit zustehen, was ggf. mit einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden könnte. Schließlich kommen auch Schadensersatzansprüche in Betracht, sofern vom Arbeitgeber ein kausaler Schaden dargelegt und bewiesen werden kann. Auf die Gewährung des Urlaubs bzw. Zahlung des Urlaubsentgelts hat ein Verstoß aber keine Auswirkungen. 

7.2. Krankheit im Urlaub

Erkrankt ein Arbeitnehmer während seines Erholungsurlaubs, so ist die Erfüllung des Urlaubsanspruchs für den Zeitraum der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unmöglich. Nach § 9 BUrlG können Tage, an denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, nicht auf seinen Jahresurlaub angerechnet werden, vorausgesetzt, der Arbeitnehmer kann einen Nachweis seiner Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest erbringen. Der Erholungsurlaub wird dann für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unterbrochen und ist neu zu gewähren. Soweit ein Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung seinen Urlaub nicht spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist, nehmen kann, erlischt der Urlaubsanspruch unter der Voraussetzung, dass der Arbeitgeber seinen Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten nachgekommen ist (siehe auch oben Punkt 4.)
Fraglich ist, ob dies auch für den Fall gilt, dass der Arbeitnehmer während seiner geplanten Urlaubszeit zwar nicht erkrankt, aber aufgrund behördlicher Anordnung oder aufgrund einer landesrechtlichen Vorschrift in Quarantäne muss. Hierüber hat aktuell das BAG zu entscheiden und hat diese Frage dem EuGH vorgelegt (BAG, Beschluss vom 16.8.2022,  Az. 9 AZR 76/22).
Der Gesetzgeber hat hierauf durch die Neufassung des § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) reagiert: Tritt nach dem 16. September 2022 oder über den 16. September 2022 hinaus der Fall ein, dass ein Arbeitnehmer sich während seines Urlaubs gemäß dem IfSG absondern muss, werden die entsprechenden Urlaubstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.  
Wie mit Fällen vor dem 17. September 2022 umzugehen ist, wird letztlich der EuGH entscheiden müssen. 

8. Urlaubsabgeltung

Urlaubsabgeltung, also die Auszahlung des Urlaubs, tritt ausnahmsweise an die Stelle der Freizeitgewährung, wenn der Urlaub nicht mehr in natura gewährt werden kann. 
Eine Urlaubsabgeltung ist nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur zulässig, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Urlaubsabgeltungsanspruch entsteht erst mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis.
Für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet, hat der EuGH entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch bei Tod des Arbeitnehmers weiter bestehen bleibt und vererbbar ist. Die Erben des verstorbenen Arbeitnehmers können vom Arbeitgeber die Auszahlung des Resturlaubsanspruchs verlangen (BAG, Urteil vom 22.1.2019, Az. 9 AZR 45/16 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 6.11.2018, Az. C-570/16). 
Die Höhe der Urlaubsabgeltung entspricht der Urlaubsvergütung, die der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis erhalten hätte. Die Urlaubsvergütung ist die Fortzahlung der Arbeitsvergütung während des Urlaubs.
Der Abgeltungsanspruch verfällt nicht gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG am Jahresende oder am Ende des Übertragungszeitraums.
Er unterfällt jedoch tariflichen und arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen und der regelmäßigen dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB (BAG, Urteil vom 24.5.2022, Az. 9 AZR 461/21).
Dies hat das BAG in seiner aktuellen Entscheidung (BAG, Urteil vom 31.1.2023, Az.: 456/20) bestätigt: Danach unterliegt der Urlaubsabgeltungsanspruch weiterhin der dreijährigen Verjährungsfrist.
Diese beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Hinweis- und Aufforderungsobliegenheiten des Arbeitgebers ankommt.
Das Gericht begründet dies damit, dass es beim Urlaubsabgeltungsanspruch – anders als beim Urlaubsanspruch – nicht um die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken gehe, sondern um einen “reinen Geldanspruch”, also um die finanzielle Kompensation für Urlaub. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfalle die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. 
Das BAG stellt weiter fest, dass die Verjährungsfrist jedoch nicht beginnen kann, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Relevant in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 zum Verfall von Urlaubsansprüchen (Näheres hierzu siehe oben unter Punkt 4.). Wurde ein Arbeitsverhältnis vor der EuGH-Entscheidung beendet und werden arbeitnehmerseitig noch Urlaubsabgeltungsansprüche geltend gemacht, muss im Einzelfall geprüft werden, wann die Verjährungsfrist zu laufen begann und ob der Urlaubsabgeltungsanspruch zwischenzeitlich verjährt ist. 

9. Vermeidung von Doppelansprüchen bei Arbeitgeberwechsel

Wechselt der Arbeitnehmer in der zweiten Jahreshälfte den Arbeitgeber, hat er beim alten Arbeitgeber den vollen Mindesturlaubsanspruch für das gesamte Urlaubsjahr erworben. Zudem erwirbt er beim neuen Arbeitgeber einen Teilurlaubsanspruch. 
Um zu gewährleisten, dass ein Arbeitnehmer im Kalenderjahr nur einmal den vollen Jahresurlaub in Anspruch nehmen kann, hat der Gesetzgeber die Entstehung derartiger Doppelansprüche weitgehend unterbunden: Nach § 6 BUrlG ist der Urlaub insoweit ausgeschlossen, als dem Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Der Urlaubsanspruch beim neuen Arbeitgeber reduziert sich demnach um die Urlaubstage, die der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr bereits bei einem alten Arbeitgeber erhalten hat oder sich hat abgelten lassen. 
Aus diesem Grund ist der alte Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub bei Beendigung auszuhändigen. 
Tipp: Arbeitgeber sollten die Urlaubsbescheinigung des alten Arbeitgebers bei einer Neueinstellung verlangen, um nicht doppelten Urlaub zu gewähren. Bis zur Vorlage der Bescheinigung darf der neue Arbeitgeber Urlaubsansprüche verweigern. 
Diese Ausführungen können nur erste Hinweise geben und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert und erstellt wurden, geben sie die Rechtsprechung und Rechtsentwicklung nur auszugsweise wieder und können eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen. Eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit kann nicht übernommen werden. 
Neuerung im Arbeitsrecht

Die neue elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Stand: November 2022

I. Ab wann gilt das neue elektronische Verfahren?

Bereits seit dem 1. Oktober 2021 sind Arztpraxen grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) zu nutzen und dabei Daten an die zuständige Krankenkasse zu übermitteln, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Solange in einer Praxis die technischen Voraussetzungen für die eAU nicht verfügbar sind, muss die Praxis das Ersatzverfahren anwenden: Der Versicherte erhält eine mittels Stylesheet erzeugte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Papier in dreifacher Ausfertigung (zum Verbleib bei dem Versicherten, zur Einreichung bei der Krankenkasse und zur Vorlage beim Arbeitgeber).
Am 1. Januar 2022 startete eine Pilotphase. Seitdem sind die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet, Arbeitsunfähigkeitsdaten zum Abruf bereit zu stellen. Arbeitgeber, die bereits technisch dazu in der Lage sind, können die Arbeitsunfähigkeitsdaten elektronisch von der Krankenkasse abrufen.
Ab dem 1. Januar 2023 ist das neue elektronische Verfahren für alle Beteiligten verpflichtend. Die Krankschreibung erfolgt dann nur noch digital und die gesetzlichen Krankenkassen müssen den Arbeitgebern die Arbeitsunfähigkeitsdaten zum Abruf bereitstellen.

II. Was ändert sich ab dem 1. Januar 2023?

1. Rechtslage bei einer Arbeitsunfähigkeit bis zum 31.12.2022

Bei einer Arbeitsunfähigkeit treffen den Arbeitnehmer nach § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zwei verschiedene Pflichten:
Mitteilungspflicht: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich (spätestens am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit während der ersten Betriebsstunden) mitzuteilen (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG).
Nachweispflicht: Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber am darauffolgenden Arbeitstag (am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit) eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen, sofern der Arbeitgeber dies nicht vertraglich oder im Einzelfall durch Weisung bereits zu einem früheren Zeitpunkt verlangt. Aus dieser muss sich die Arbeitsunfähigkeit an sich als auch deren voraussichtliche Dauer ergeben ( § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG).
Arbeitnehmer, die ihrer Anzeige- und Nachweispflicht aus § 5 EFZG nachkommen und unverschuldet aufgrund einer Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert sind, erhalten für bis zu sechs Wochen eine Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Erfüllt der Arbeitnehmer seine Mitteilungs- und/oder Nachweispflicht nicht, begeht er Pflichtverletzungen, die einzeln abgemahnt werden können. Im Fall von wiederholten Verstößen kann unter Umständen eine Kündigung ausgesprochen werden. Verletzt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht, steht dem Arbeitgeber ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 7 EFZG zu, er kann also die Entgeltfortzahlung bis zur Nachweiserbringung verweigern.

2. Rechtslage nach Einführung der eAU ab dem 1. Januar 2023

Bei einer Arbeitsunfähigkeit ab dem 1. Januar 2023 gilt für die verschiedenen Beteiligten (Arbeitnehmer, Arzt, Krankenkasse, Arbeitgeber) Folgendes:
Schritt 1: Der Arbeitnehmer ist nach wie vor verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich zu melden (§ 5 Abs. 1 S. 1EFZG a.F./n.F.). An der Mitteilungspflicht ändert sich nichts.
Anstelle der Nachweispflicht tritt jedoch eine Feststellungspflicht: Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer müssen ihre Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt feststellen lassen (§ 5 Abs. 1a S. 2 EFZG n.F.). Aus einer Bringschuld der Arbeitnehmer wird also eine Holschuld der Arbeitgeber.
An den relevanten Zeitpunkten ändert sich nichts: Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert (also ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit). Der Arbeitgeber kann aber verlangen, dass der Arbeitnehmer das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer früher als im Gesetz vorgesehen ärztlich feststellen lässt (§ 5 Abs. 1a S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 3 EFZG n.F.).
Für den gesetzlich versicherten Arbeitnehmer besteht außerdem die Obliegenheit, sich eine lediglich für ihn bestimmte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform aushändigen zu lassen (Ausfertigung für den Versicherten, die auch die Diagnose enthält).
Schritt 2: Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen haben die Arbeitsunfähigkeitsdaten unmittelbar elektronisch an die Krankenkasse zu übermitteln.
Schritt 3: Die Krankenkasse ist verpflichtet, nach Eingang der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsdaten eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die insbesondere folgende Daten enthält:
  • den Namen des Beschäftigten,
  • den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit,
  • das Datum der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit,
  • die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung und
  • die Angabe, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einem Arbeitsunfall oder sonstigen Unfall oder auf Folgen eines Arbeitsunfalls oder sonstigen Unfalls beruht.
Schritt 4: Der Arbeitgeber erhält vom Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform mehr, sondern muss die Arbeitsunfähigkeitsdaten bei der Krankenkasse elektronisch abrufen.
Hierzu ist er nur berechtigt, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit gesetzlich krankenversichert und beim Arbeitgeber beschäftigt ist. Zudem darf ein Abruf immer nur dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer zuvor mitgeteilt hat, d.h., ein Abruf auf Verdacht soll nicht möglich sein. Die Mitteilungspflicht des Arbeitnehmers wird also ab dem 1. Januar 2023 eine zentrale Bedeutung haben. Sofern der Arbeitgeber keine vorzeitige Feststellung nach § 5 Abs. 1a S. 2 i.V.m. Abs.1 S. 3 EFZG n.F. verlangt, kann er regelmäßig erst am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit von einer ärztlichen Untersuchung ausgehen, sodass ein Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten erst ab dem fünften Tag der Arbeitsunfähigkeit realistisch ist. Es empfiehlt sich, die Anfrage verzögert zu stellen, weil derselbe Arbeitsunfähigkeitszeitraum nur einmal innerhalb von 14 Tagen abgefragt werden kann.

III. Wer ist von der Änderung (nicht) umfasst?

Das elektronische Verfahren ab dem 1. Januar 2023 gilt grundsätzlich für alle gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer und wenn die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch eine/n an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt oder Einrichtung erfolgt.
Die Änderungen gelten nicht:
  • für privat krankenversicherte Arbeitnehmer,
  • für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, deren Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wurde, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (also bei Krankschreibung von einem Privatarzt),
  • bei Krankschreibung von einem Arzt im Ausland (insbesondere relevant bei Grenzgängern und im Urlaub),
  • für geringfügig Beschäftigte (Minijobber) in Privathaushalten,
  • bei Krankschreibung in Rehabilitationseinrichtungen,
  • bei Krankschreibung wegen Mutter-Kind-Kur,
  • bei „Krankschreibung“ wegen Erkrankung des Kindes (für den Bezug von Kinderkrankengeld).
In diesen Fällen bleibt es bei dem bisherigen Prozedere, also bei Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform nachzulegen (Nachweispflicht).
Das elektronische Verfahren gilt zudem nicht, wenn keine abruffähige Fehlzeit vorliegt, etwa beim Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft.

IV. Was müssen Arbeitgeber tun?

Auf Arbeitgeberseite besteht folgender Handlungsbedarf:
1. Technische Voraussetzungen: Der Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer kann nur durch gesicherte und verschlüsselte Datenübertragung erfolgen. Arbeitgeber benötigen hierzu:
  • ein systemgeprüftes Entgeltabrechnungsprogramm,
  • eine elektronisch gestützte systemgeprüfte Ausfüllhilfe oder
  • ein systemüberprüftes Zeiterfassungssystem.
Arbeitgeber können auch einen Dritten (z.B. den externen Lohnabrechner) mit dem Abruf der Meldung bei der Krankenkasse beauftragen. Auch hier bedarf es einer gesicherten und verschlüsselten Datenübertragung.
2. Information der Arbeitnehmer: Der Arbeitgeber sollte die Arbeitnehmer auf betriebsübliche Art (Intranet, Schwarzes Brett etc.) über die neuen Regelungen informieren. Hierbei sollten die Arbeitnehmer auch darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie Papierbescheinigungen, die sie im Störfall ausgehändigt bekommen, zeitnah an die Krankenkasse übermitteln sollen. Es sollte zudem der Hinweis erfolgen, dass sie dem Arbeitgeber (formlos) mitzuteilen haben, wenn im Laufe des Arbeitsverhältnisses ein Wechsel der Krankenkasse stattfindet (insbesondere bei Wechsel von privat zu gesetzlich versichert und umgekehrt).
Ein Musteranschreiben für Beschäftigte stellt die BDA zur Verfügung. Bitte beachten Sie, dass Mustertexte nur eine Orientierungshilfe für eine mögliche Formulierung darstellen und diese unbedingt auf den konkreten Einzelfall anzupassen sind.
3. Anpassung der Standardarbeitsverträge für Neueintritte ab 1.1. 2023: Die Standardverträge für Neueintritte sollten angepasst werden. Hierbei ist bei der Formulierung zu berücksichtigen, dass das EFZG künftig zwischen privat und gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern unterscheidet und dass sich der Versichertenstatus während des Arbeitsverhältnisses ändern kann. Auch die vorgesehenen Ausnahmen, insbesondere für Fälle der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Nichtvertragsarzt müssen berücksichtigt werden. Die Verträge sollten zudem eine Klausel enthalten, dass die Mitteilungs- und Feststellungspflicht auch für den Fall gilt, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als in der elektronischen Bescheinigung angegeben dauert.
Hinweis: Arbeitgeber können mit gesetzlich versicherten Arbeitnehmern nicht wirksam vereinbaren, dass auch nach der obligatorischen Einführung der eAU weiterhin Bescheinigungen in Papierform vorgelegt werden müssen (§ 12 EFZG). Eine solche Regelung kann auch nicht in einer Betriebsvereinbarung oder in einen Tarifvertrag aufgenommen werden.
4. Änderung der bestehenden Arbeitsverträge? Bei bestehenden Arbeitsverträgen mit gesetzlich versicherten Arbeitnehmern und einer Regelung im Arbeitsvertrag, wonach die Nachweispflicht erst ab dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit gilt, besteht nicht zwingend Handlungsbedarf. Denn an die Stelle der bisherigen Klausel im Arbeitsvertrag, die ab dem 1.1.2023 wegen Abweichung von den Neuregelungen des EFZG gemäß § 12 EFZG unwirksam werden dürfte, treten automatisch die neuen gesetzlichen Regelungen.
Ist in den Arbeitsverträgen hingegen geregelt, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, eine ärztliche Bescheinigung über eine Arbeitsunfähigkeit generell früher vorzulegen (also vor dem vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit) und will der Arbeitgeber diese Regelung in zeitlicher Hinsicht auf die künftige Feststellungspflicht erstrecken, sollte eine entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages erfolgen. Existiert im Unternehmen ein Betriebsrat, hat dieser bei einer solchen allgemeinen früheren Feststellungspflicht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG.

V. Wie ist mit Störfällen umzugehen?

Insbesondere in der Anfangszeit wird es wahrscheinlich zu Störfällen kommen. Die Störung kann etwa bei der Übermittlung vom Arzt zur Krankenkasse oder von der Krankenkasse zum Arbeitgeber auftreten.
Wenn bereits beim Arztbesuch klar ist, dass eine Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsdaten an die Krankenkasse nicht möglich ist (weil beispielsweise die Technik ausfällt), erhält der versicherte Arbeitnehmer eine mittels Stylesheet unterschriebene Papierbescheinigung in dreifacher Ausfertigung (für den Versicherten selbst, zur Vorlage bei der Krankenkasse sowie zur Vorlage beim Arbeitgeber).
Stellt der Arzt nach dem Arztbesuch fest, dass die elektronische Datenübermittlung an die Krankenkasse nicht funktioniert und ist die Übermittlung bis zum Ende des nachfolgenden Werktags nicht möglich, muss der Arzt eine Ersatzbescheinigung auf dem Postweg an die Krankenkasse senden.
Liegen (egal aus welchen Gründen) zum Zeitpunkt des Abrufs durch den Arbeitgeber keine Daten bei der Krankenkasse vor, erfolgt zunächst eine ablehnende Mitteilung durch die Krankenkasse. In diesem Fall ist die Krankenkasse verpflichtet, innerhalb von 14 Tagen zu prüfen, ob Arbeitsunfähigkeitsdaten für den angefragten Zeitraum bei der Krankenkasse eingehen. Ist dies der Fall, wird dem Arbeitgeber der entsprechende Datensatz proaktiv durch die Krankenkasse ohne erneute Anfrage des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt.
Mit der neuen Rechtslage gehen zudem mehrere ungeklärte Folgefragen einher.
Derzeit ungeklärt ist, ob der Arbeitgeber dem gesetzlich versicherten Arbeitnehmer die Entgeltzahlung verweigern kann, wenn der Abruf der Arbeitsunfähigkeitsdaten nicht möglich ist oder es zu einer verzögerten Übermittlung kommt. Dies wird man wohl verneinen müssen, weil der Arbeitgeber nach dem unveränderten Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG die Entgeltfortzahlung nur verweigern kann, wenn der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt. Nach der obligatorischen Einführung der eAU wird den gesetzlich versicherten Arbeitnehmer diese Nachweis- bzw. Vorlagepflicht in der Regel aber nicht mehr treffen.
Problematisch ist auch der Umstand, dass der Arbeitgeber ab dem 1. Januar 2023 nicht mehr erfährt, welcher Arzt mit welcher Fachausrichtung die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hat. Grundsätzlich gilt, dass Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen hohen Beweiswert haben und der Arbeitgeber im Streitfall den Beweiswert durch “ernstliche Zweifel„ erschüttern muss. Zweifel sind insbesondere anzunehmen, wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wurde, der durch die Häufigkeit ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist. Bislang konnten Arbeitgeber in diesem Fall bei der Krankenkasse beantragen, dass eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt wird. Die eAU enthält aber weder Name noch Sitz des ausstellenden Arztes. Hier stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer ein Fragerecht hat und ob der Arbeitnehmer verpflichtet ist dem Arbeitgeber mitzuteilen, welcher Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat.
Wie mit den bislang ungeklärten Fragen umzugehen ist, bleibt abzuwarten. Rechtssicherheit wird es erst nach (höchst-)richterlichen Entscheidungen geben.

VI. Wo finde ich weitere Informationen für Arbeitgeber?

Einen kurzen Erklärfilm und Termine zu kostenpflichtigen Webinaren finden Sie auf der Internetseite der DIHK-Bildungs-gGmbH.
Der GKV-Spitzenverband stellt die Grundsätze für die Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und eine Verfahrensbeschreibung auf seiner Seite „Meldung der Arbeitsunfähigkeitszeiten (eAU)zur Verfügung.
In den Fragen und Antworten zum Datenaustausch (FAQ) des GKV-Spitzenverbands finden Sie hilfreiche Informationen.
Fußball WM 2022

Werben mit der Fußball-WM 2022 in Katar

Am 20. November ist es wieder soweit: Das Großereignis Fußball-Weltmeisterschaft steht an. In diesem Zusammenhang gibt es etwa für Unternehmen der Tourismusbranche und Gastronomie, die Spiele der WM öffentlich übertragen möchten (Public Viewing) oder Betriebe, die ihre Produkte und Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Fußball-WM vermarkten wollen, einige rechtliche Regelungen zu beachten.
Die WM ist einerseits eine Veranstaltung der FIFA (Fédération Internationale de Football Association), andererseits ein Markenprodukt ihrerseits. Die FIFA ist alleinige Inhaberin etlicher Schutzrechte im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft.
So hat ausschließlich die FIFA die Hoheit über alle kommerziellen Rechte, wie z. B. Medien-, Marketing-, Lizenzierungs- und Ticketing-Rechte. Für Unternehmen, die sich im Zusammenhang mit der WM betätigen möchten, ist daher Vorsicht geboten.
Der nachfolgende Artikel soll einen kurzen Überblick zu den wichtigsten Rechtsfragen geben und dabei helfen, teure Abmahnungen zu vermeiden.

Werben mit der WM

Achtung: Nicht nur das offizielle Logo der FIFA ist markenrechtlich geschützt, sondern auch verschiedene Symbole und Wortkombinationen. So genießen u. a. der Pokal, das offizielle Emblem der WM sowie das Maskottchen und der Slogan “Now is all” kennzeichenrechtlichen Schutz. Außerdem sind die Begrifflichkeiten “FIFA World Cup Qatar 2022”, “FIFA Fußball-Weltmeisterschaft” oder “WORLD CUP” zu kennzeichnen. Die FIFA hat für die Nutzung Richtlinien auf ihrer Homepage veröffentlicht.
Grundsätzlich gilt, dass es nur offiziellen Partnern, Sponsoren und Regionalen Unterstützern gestattet ist, mit den Schutzmarken zu werben, alle anderen Unternehmen müssen sich hierfür eine Lizenz einholen. Oftmals kann keine pauschale Aussage über die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen getroffen werden, sodass es einer Prüfung auf marken- und wettbewerbsrechtliche Risiken im Einzelfall bedarf. Daher ist jeder Unternehmer, der - ohne ein Nutzungsrecht zu besitzen – für die WM werben möchte, gut beraten, sich vorab rechtlichen Rat einzuholen, da die FIFA die Verletzung Ihrer Rechte erfahrungsgemäß sehr genau prüft und Rechtsverletzungen auch nachgeht.
Einen groben Überblick über die geschützten FIFA-Marken können Sie einer Veröffentlichung der FIFA entnehmen.
Unternehmen ist es zudem nur dann gestattet, Produkte mit offiziellen Marken (“offizielle Lizenzprodukte”) zu entwerfen und herzustellen, wenn sie Inhaber von FIFA-Rechten sind bzw. die FIFA ihnen das Recht hierzu gewährt hat. Alle anderen Unternehmen, die mit den geschützten Logos und Marken werben wollen, müssen bei der FIFA vorab eine Lizenz erwerben. Andernfalls ist es ihnen untersagt, mit den geschützten Marken zu werben oder Nachahmungen zu verwenden, die den Originalmarken zum Verwechseln ähnlich sind.
Neben der (teilweisen) Verwendung markenrechtlich geschützter Logos und Bezeichnungen ist auch jede Art von Werbung untersagt, die geeignet ist, eine unzulässige Geschäftsverbindung zur FIFA herzustellen. So darf beispielweise durch die Vermarktung von Produkten, Dienstleistungen und Veranstaltungen nicht der irreführende Eindruck erweckt werden, das Unternehmen sei offizieller Partner, Sponsor oder Lizenznehmer der FIFA-Weltmeisterschaft. Es darf auch keine unlautere Rufnausnutzung oder -beeinträchtigung, Behinderung und Herkunftstäuschung oder sonstige Verwechslungsgefahr oder Verknüpfung mit der FIFA hervorgerufen werden. Aus diesem Grund ist zum Beispiel der Verkauf und die Verlosung von WM-Tickets (WM-Eintrittskarten) durch nicht-lizenzierte Anbieter verboten.
Unterdes kann Werbung unter Bezugnahme auf die Weltmeisterschaft zulässig sein, wenn die Werbeaussage einen rein beschreibenden Charakter hat und nicht gegen die “guten Sitten” verstößt. Zulässige Begriffe können z. B. sein: “Fan-Wurst”, “Weltmeister-Produkt” oder generelle Aussagen wie “Fußball in Katar”. Eine allgemeine dekorative Gestaltung von Schaufenstern oder Innenräumen von Gasträumen zum Thema Fußball (z. B. mit Fahnen, Bällen und Toren), die ohne die offiziellen FIFA-Symbole auskommt, ist ebenfalls erlaubt.

Verkauf von Merchandising-Produkten

Darüber hinaus bedarf auch der bloße Vertrieb von Merchandising-Produkten mit offiziellen FIFA-Marken oder Symbolen einer Lizenz. Entsprechende Gestattungen können bei der FIFA über die Kontakt-Adresse retail-licensing@fifa.org angefragt werden.

Public Viewing Veranstaltungen

Bei der Ausrichtung von Public Viewing Veranstaltungen gibt es ebenfalls viele Auflagen der FIFA zu beachten. Um WM-Spiele im TV oder auf einer Großleinwand als Public Viewing anzubieten, ist auch hier die Einholung einer Lizenz grundsätzlich verpflichtend. Es wird hierbei jedoch unterschieden zwischen “gewerblichen” Veranstaltungen, die eine kostenpflichtige Lizenz benötigen und “besonderen nicht gewerblichen” Veranstaltungen, die sich an mehr als 5.000 Zuschauer richten, bei denen eine kostenfreie Lizenz erforderlich ist. 
Bei jeder gewerblichen Veranstaltung ist eine kostenpflichtige Lizenz notwendig. Von einem solchen gewerblichen Zweck wird bei einer Public-Viewing-Veranstaltung auszugehen sein, wenn für die Teilnahme eine direkte oder indirekte Eintrittsgebühr (z. B. durch erhöhte Speisen- und Getränkepreise) erhoben wird oder wenn durch die Veranstaltung anderweitige geschäftliche Vorteile (z. B. Sponsoring-Veranstaltungen) erzielt werden sollen. Die Kosten für eine notwendige Lizenz richten sich dabei nach der Anzahl der Events und der Zuschauerkapazität.
Das Reglement der FIFA in diesem Bereich ist komplex. Daher sollte sich jedes Unternehmen vorab genau über die Vorschriften erkundigen und sich im Zweifelsfall rechtlichen Rat zu den konkret geplanten Veranstaltungen einholen.
Wichtig: Für Public Viewing in an sich gewerblichen Einrichtungen wie Bars, Kneipen und Clubs, die keine direkten oder indirekten Eintrittsgelder für die Veranstaltung erheben, ist nach den Vorgaben der FIFA keine kostenpflichtige Lizenz erforderlich, wenn das Event nicht zu gewerblichen Aktionen (z. B. Sponsoring) genutzt wird. Hier sind die üblichen Regelungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Wiedergabe von Sportübertragungen zu beachten.
Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern hat auf Ihrer Webseite ergänzende Informationen rund um rechtliche Fragen zur Fußball-WM in Katar zusammengestellt. Sie finden die Informationen unter folgenden Links:

Stand: November 2022

Gesetzesänderung ab 1. August 2022

Änderungen des Nachweisgesetzes ab 1. August 2022

Stand: Juli 2022
Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen (EU-Richtlinie 2019/1152 – Arbeitsbedingungen-Richtlinie) muss der deutsche Gesetzgeber das Nachweisgesetz (NachwG) ändern, in dem verankert ist, welchen Informations- und Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nachkommen muss. Der Bundestag hat am 23. Juni 2022 den Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie beschlossen. Das Inkrafttreten der Neuregelungen ist für den 1. August 2022 geplant.
Schon bisher verpflichtet das NachwG Arbeitgeber, die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsvertrages schriftlich niederzulegen, diese Mitschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Dafür gilt bislang eine Monatsfrist nach Beginn des Arbeitsverhältnisses. Dies betrifft bislang folgende Punkte:
  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  • bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann
  • eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, der Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit
  • die vereinbarte Arbeitszeit
  • die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses 
  • ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind

Ab 1. August 2022 müssen zusätzlich noch folgende Punkte dokumentiert werden:

  • Bei befristeten Arbeitsverhältnissen ist die Angabe des Enddatums oder der vorhersehbaren Dauer des Arbeitsverhältnisses erforderlich
  • Ggf. Hinweis, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsort frei wählen kann (etwa bei Vereinbarung von mobiler Arbeit)
  • Sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung
  • Die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • Bei Arbeit auf Abruf (§ 12 Teilzeitbefristungsgesetz) sollen die Angaben ausgeweitet werden: Bereits nach derzeit geltendem Recht muss bei Arbeit auf Abruf die wöchentliche und tägliche Arbeitszeit im Arbeitsvertrag festgelegt sein, andernfalls gilt eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche als vereinbart. Künftig muss der Arbeitgeber über die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden unterrichten, einen Zeitrahmen – bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden – angeben, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist und die Frist benennen, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat
  • Sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen
  • Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  • Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden
  • Umfangreichere Pflichten zur Niederschrift bei Auslandstätigkeit und Entsendung: Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, hat der Arbeitgeber künftig nicht nur über Dauer, Währung, etwaige zusätzliche Vergütungsleistungen und Rückkehrbedingungen, sondern auch über das Einsatzland zu unterrichten. Liegt eine Entsendung im Sinne der Entsenderichtlinie vor, muss der Arbeitgeber zudem über die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer im Einsatzland Anspruch hat, und den Link zu der offiziellen nationalen Webseite, die der Mitgliedstaat betreibt, unterrichten.
Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Nachweisgesetzes weiterhin schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Das strenge Schriftformerfordernis (in Papierform mit eigenhändiger Unterschrift) gilt also ab dem 1. August 2022 fort. Die elektronische Form scheint nach dem Willen des Gesetzgebers ausgeschlossen zu sein. Zwar betrifft das Schriftformerfordernis nicht die Arbeitsverträge selbst, sondern nur die Niederschrift nach dem NachwG. Arbeitsverträge könnten daher auch weiterhin elektronisch abgeschlossen werden (abgesehen von den Befristungsabreden). Der Arbeitgeber müsste dann aber die wesentlichen Vertragsbedingungen nach dem NachwG zusätzlich in Schriftform niederlegen und dem Arbeitnehmer aushändigen. Arbeitgeber könnten der Unterrichtungspflicht aber auch dadurch nachkommen, dass sie dem Arbeitnehmer einen im Original unterzeichneten Arbeitsvertrag aushändigen, der sämtliche nachweispflichtigen Angaben enthält. 
Die neuen Pflichten gelten bei Neueinstellungen ab dem 1. August 2022. Im Gegensatz zur bisherigen Regelung muss bereits am ersten Arbeitstag dem Arbeitnehmer die Niederschrift mit den Informationen über den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, die Höhe des Arbeitsentgelts und seine Zusammensetzung sowie über die vereinbarte Arbeitszeit vorliegen. Die Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende Kollektivvereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden. Alle übrigen Informationen müssen spätestens in sieben Kalendertagen nachgereicht werden.
Für Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem geplanten Inkrafttreten des Gesetzes am 1. August 2022 bestehen, sieht der Entwurf vor, dass Arbeitnehmern nur auf Verlangen die Niederschrift mit den wesentlichen Angaben spätestens am siebten Tag nach der Anfrage ausgestellt werden muss. Informationen über den Urlaub, die betriebliche Altersversorgung, die Pflichtfortbildung, das Kündigungsverfahren und geltende Kollektivvereinbarungen müssen spätestens innerhalb eines Monats bereitgestellt werden. Sollten Beschäftigte von diesem Recht Gebrauch machen, erwartet Arbeitgeber eine große Bürokratie.
Ändern sich die wesentlichen Arbeitsbedingungen in bestehenden Arbeitsverhältnissen, dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer spätestens am Tag der Änderung unterrichtet haben. Gesetzesänderungen oder Änderungen in Tarifverträgen oder Betriebs- oder Dienstvereinbarungen müssen weiterhin nicht schriftlich angezeigt werden.
Neu ist auch die Einführung gewichtiger Sanktionen: Bislang enthält das NachwG keine Straf- oder Bußgeldvorschriften. Verstöße gegen das NachwG konnten bislang zu Beweisnachteilen auf Arbeitgeberseite führen und in seltenen Fällen Schadensersatzforderungen von Arbeitnehmern nach sich ziehen. Nun droht bei Verstößen ein Bußgeld bis zu 2.000 Euro, wenn Arbeitgeber ihrer Nachweispflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig nachkommen.

Weitere Gesetzesänderungen:

Der Gesetzentwurf zur Umsetzung o.g. EU-Richtlinie enthält neben den Änderungen des NachwG weitere Vorgaben zur materiellen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen. Diese sind jedoch nicht bußgeldbewehrt. Die wesentlichen Änderungen sind hierbei:

Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG):

  • Die Dauer der vereinbarten Probezeit muss künftig im Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Art der Tätigkeit stehen (§ 15 Absatz 3 TzBfG neue Fassung).
  • Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und die ihrem Arbeitgeber in Textform ihren Wunsch nach Veränderung von Dauer und Lage der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit anzeigen, haben einen Anspruch auf eine begründete Antwort innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige (§ 7 Absatz 3 TzBfG neue Fassung). Die Antwort kann in Textform (z.B. per E-Mail) übersandt werden.
  • Den gleichen Anspruch haben befristet beschäftigte Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate beschäftigt sind und den Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag angezeigt haben (§ 18 Absatz 2 TzBfG neue Fassung).
  • Zudem hat der Arbeitgeber (befristet) beschäftigte Arbeitnehmer bei Erörterung über die Verlängerung der Dauer oder Lage der Arbeitszeit über Arbeitsplätze zu informieren, die im Unternehmen besetzt werden sollen.

Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG):

  • Der Verleiher muss dem Leiharbeitnehmer vor jeder Überlassung Firma und Anschrift des Entleihers in Textform (z.B. per E-Mail) mitteilen.
  • Neue Informationspflichten des Entleihers, durch die den Leiharbeitnehmern die Übernahme in die Stammbelegschaft erleichtert werden soll.

Empfehlungen/Tipps:

  • Bereiten Sie sich als Arbeitgeber auf die Umsetzung dieser Regelung vor.
  • Sollten Sie Musterarbeitsverträge haben, die Sie bei der Einstellung benutzen, sollten Sie diese umgehend um die neuen Angaben ergänzen.
  • Für alle Beschäftigten, die vor dem 1. August 2022 bereits im Betrieb sind, sollten Sie überlegen, für welche Arbeitnehmergruppen ggf. Standardschreiben mit den ergänzenden Hinweisen verfasst werden können. Allerdings geht dies nur, wenn tatsächlich identische Arbeitsbedingungen bestehen. Auf Nachfragen von Bestandsbeschäftigte müssen Sie sich jedenfalls einstellen.
  • Sie sollten zu Beweiszwecken mindestens eine Kopie des dem Arbeitnehmer ausgehändigten, im Original unterzeichneten Arbeitsvertrages bzw. der Niederschrift aufbewahren. Die Kopie sollte möglichst eine Empfangsbestätigung des Arbeitnehmers enthalten, wonach der Arbeitnehmer bestätigt, das Dokument im Original erhalten zu haben.
  • Darüber hinaus sollten Sie überlegen, ob es bei Bestehen eines Betriebsrates Sinn macht, allgemeine Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, betriebliche Altersversorgung, Schichtsystem etc. in Betriebsvereinbarungen zu regeln. Darauf könnte in den Arbeitsverträgen dann Bezug genommen werden.
Arbeitsrecht

Homeoffice und mobiles Arbeiten im Ausland

Rechtsgrundlage für die Arbeit im Home-Office

Ein Recht auf Home-Office haben Arbeitnehmer nach derzeitigem Stand (August 2021) grundsätzlich nicht (vgl. aktuell gültige Corona-Arbeitsschutzverordnung).
Ansonsten darf der Arbeitnehmer nur dann im Home-Office arbeiten, wenn er dies mit seinem Arbeitgeber vereinbart. Hierfür empfiehlt sich zwingend eine schriftlich fixierte Vereinbarung.
Diese sollte mindestens folgende Punkte enthalten:
  • Beginn und Ende der Home-Office-Zeit, gegebenenfalls abweichende Regelung während der Probezeit
  • Arbeitszeiten
  • Arbeitsmittel, welche der Mitarbeiter zur Verfügung stellt und solche, die der Arbeitgeber zur Verfügung stellt
  • gegebenenfalls private Nutzungsmöglichkeiten der zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel
  • gegebenenfalls Pauschale für die Kosten für die Unterhaltung des Home-Office-Arbeitsplatzes
  • Verpflichtung zu Verschwiegenheit und Datenschutz
  • Pflicht des Arbeitnehmers zur Dokumentation der täglichen Arbeitszeit
  • Länder, von denen der Arbeitnehmer aus Home- bzw. Mobile-Office ausüben darf
  • gegebenenfalls Informationspflichten über den Aufenthalt des Arbeitnehmers
Da je nach Aufenthaltsstaat des Arbeitnehmers unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen auf den Arbeitgeber zukommen können, sollte dringend geregelt werden, in welchen Staaten der Arbeitnehmer mobil arbeiten darf.
Wenn mehrere Staaten in Frage kommen, sollte der Arbeitnehmer sich zudem verpflichten, dem Arbeitgeber seinen aktuellen Aufenthalt mitzuteilen, damit dieser die Einhaltung der jeweils gültigen rechtlichen Vorschriften sicherstellen kann. Außerdem kann er nur so gegebenenfalls seiner arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht nachkommen, zum Beispiel wenn sich die Sicherheitslage im jeweiligen Aufenthaltsstaat verschlechtert.

Aufenthaltsrechtliche Überlegungen

Ist der Arbeitnehmer zum Aufenthalt im jeweiligen ausländischen Staat berechtigt?
Bürger der Europäischen Union genießen in der EU zahlreiche Erleichterungen: Innerhalb eines anderen EU-Mitgliedsstaates ist ein Aufenthalt ohne besondere Erlaubnis möglich, Art. 7 Abs. 1 a) u. b) EU-RL 2004/38/EG. In den Staaten, die Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), aber nicht der EU sind, also Island, Liechtenstein und Norwegen, ist außerdem ein Aufenthalt von bis zu drei Monaten Dauer erlaubnisfrei möglich. Dasselbe gilt aufgrund eines bilateralen Abkommens auch für die Schweiz. Bei allen länger andauernden Aufenthalten in diesen oder sonstigen Nicht-EU-Staaten muss das jeweilige nationale Aufenthaltsrecht des Aufenthaltsstaates beachtet werden.
Mehr Informationen hierzu:
Zusätzlich sind bei der Einreise die jeweiligen Corona Bestimmungen in Erfahrung zu bringen und zu beachten. Darüber hinaus sind neben dem Aufenthaltsrecht gegebenenfalls die nationalen Meldebestimmungen einzuhalten.

Arbeitserlaubnis

Neben dem Recht zum Aufenthalt kann zudem eine Arbeitserlaubnis notwendig sein. Innerhalb der EU genießen die Unionsbürger hierbei Freizügigkeit. Das heißt, dass sie für die Arbeit in einem anderen EU-Staat keine Arbeitserlaubnis benötigen. Dies gilt ebenso für die Schweiz.
Für alle sonstigen Staaten sind die jeweiligen nationalen Vorschriften zu beachten.

Arbeitsrechtliche Überlegungen

Arbeitszeit

Auch bei der Arbeit im Home- bzw. Mobile-Office gilt das Arbeitszeitgesetz. Da eine Überwachung der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber nur sehr eingeschränkt möglich ist, sollte der Arbeitgeber seine Pflicht zur Dokumentation der täglichen Arbeitszeit daher an den Mitarbeiter delegieren. Außerhalb der Arbeitszeiten ist der Arbeitnehmer nicht zur Erreichbarkeit verpflichtet.

Arbeitsmittel und Aufwendungsersatz

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für die Einrichtung des Home-Office zuständig und trägt auch die damit verbundenen Kosten. Es ist jedoch nicht zwangsläufig notwendig, dass der Arbeitgeber alle erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung stellen muss. Der Arbeitnehmer kann auch eigene Arbeitsmittel verwenden, die entsprechenden finanziellen Aufwendungen hierfür können gegebenenfalls durch Kostenpauschalen kompensiert werden Die Einzelheiten sollten durch Vereinbarung geregelt werden.

Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz

Bei den Vorschriften zur Arbeitssicherheit und zum Arbeitsschutz müssen zwei Fälle unterschieden werden: Beim Home-Office im eigentlichen Sinne arbeitet der Arbeitnehmer von einer Wohnung aus, die nicht nur vorübergehend als Lebensmittelpunkt eingerichtet ist. Ist der Arbeitnehmer hingegen nur kurzfristig an einem Ort, zum Beispiel im Rahmen eines Aufenthalts in einem Hotel oder einer Ferienwohnung, so arbeitet er im Mobile-Office. Grundsätzlich finden die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsstättenverordnung auf beide Fälle Anwendung.

Zusätzliche Anwendung der Arbeitsschutzvorschriften des Aufenthaltsstaates

Möglich ist jedoch, dass über die deutschen Arbeitsschutzregeln hinaus auch noch die Regeln des Aufenthaltsstaates anwendbar sind. In der EU wird dieser Sachverhalt durch die Rom-I-Verordnung geregelt: Sollte der Arbeitnehmer dauerhaft in einem anderen EU-Staat arbeiten als in dem Land, in dem er angestellt wurde, so darf sein Arbeitsschutzniveau nicht unter das des Aufenthaltsstaates sinken. Das heißt, dass nationale Arbeitsschutzvorschriften anzuwenden sind, soweit diese in ihrem Schutzniveau weitergehend sind, als die Vorschriften, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Weiterhin können sich in Nicht-EU-Mitgliedsstaaten auch weitere Arbeitsschutzregelungen nach dem jeweiligen nationalen Recht ergeben. Insofern sollte der Arbeitgeber stets vorab prüfen, wie stark das Arbeitsschutzniveau des jeweiligen Aufenthaltsstaates ist.

Sozialversicherungsrechtliche Überlegungen

Europäischer Wirtschaftsraum sowie die Schweiz

Die Regelungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes unter Einbeziehung der Schweiz wurden vereinheitlicht. Die maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 883/2004 der Europäischen Union findet daher auch in der Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island Anwendung.
Es gilt der Grundsatz, dass eine Person in demjenigen Mitgliedsstaat sozialversicherungspflichtig ist, in welchem sie ihre Tätigkeit ausübt. Zudem kann eine Person für bis zu 24 Monate ins EWR-Ausland (oder die Schweiz) entsandt werden, ohne dass sich die Sozialversicherungspflicht ändert. Voraussetzung ist dabei aber, dass die Entsendung durch den Arbeitgeber veranlasst wird.
Sollte eine Person in zwei oder mehr Mitgliedsstaaten eine Beschäftigung dauerhaft ausüben, ordnet Art. 13 VO (EG) 883/04 folgendes an:
Wenn ein wesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat ausgeübt wird (mindestens 25% der gesamten Arbeit wird im Wohnsitzstaat erbracht), so ist der Arbeitnehmer im Wohnsitzstaat sozialversicherungspflichtig. Ebenso richtet sich die Sozialversicherungspflicht nach dem Wohnsitzstaat, wenn der Arbeitnehmer bei mehreren Unternehmen tätig ist, die ihre Sitze in verschiedenen Mitgliedsstaaten haben. Sollte aber nur ein unwesentlicher Teil der Tätigkeit im Wohnsitzstaat ausgeübt werden, so ist der Arbeitnehmer im Staat des Unternehmenssitzes sozialversicherungspflichtig.
Aufgrund der Corona-Pandemie ergibt sich noch eine zusätzliche Besonderheit für Grenzgänger, die in Deutschland beschäftig sind, aber in einem anderen Mitgliedsstaat wohnen:
  • Arbeitnehmer gelten auch dann weiterhin in Deutschland als sozialversicherungspflichtig, falls sie ihre Tätigkeit aufgrund der Corona-Pandemie nunmehr ganz oder teilweise im Home-Office erbringen. Als Nachweis der Versicherung gilt auch hier die A1-Bescheinigung.
Mehr Informationen auch unter:

Drittstaaten

Außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz hat die Bundesrepublik zudem Sozialversicherungsabkommen mit einer Reihe von Staaten abgeschlossen. Eine Liste dieser Abkommen kann auf der Webseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingesehen werden. Bei Staaten, mit denen kein derartiges Abkommen besteht, ist zu empfehlen, die jeweilige Rechtslage vorab in Erfahrung zu bringen. So kann ein fehlender Versicherungsschutz oder eine Doppelversicherung vermieden werden.

Steuerrechtliche Überlegungen für den Arbeitnehmer

Fraglich ist die Besteuerung von Arbeitnehmern, die sich zeitweise oder vorübergehend auch außerhalb von Deutschland aufhalten. Grundsätzlich finden für die steuerliche Behandlung sowohl die Regeln des Arbeitgeberlandes als auch des Aufenthaltsstaates Anwendung, wobei gegebenenfalls zwischen den Staaten bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten sind.
Die Pflicht zur Zahlung von Einkommenssteuer in Deutschland fällt weg, wenn der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in der Bundesrepublik hat, vgl. § 1 Abs. 1 EStG. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt außerhalb der Bundesrepublik, wenn sich der Arbeitnehmer mehr als 183 Tage im Ausland aufhält, vgl. § 9 S. 2 Abgabenordnung. Innerhalb der Europäischen Union sind Angestellte nach den meisten Doppelbesteuerungsabkommen nur in ihrem Wohnsitzland steuerpflichtig. Auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums findet sich eine Liste der Staaten, mit denen ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen wurde. Sollte kein Doppelbesteuerungsabkommen vorliegen, kann die im Ausland gezahlte Steuer gegebenenfalls auf die deutsche Steuerbelastung angerechnet werden, § 34c EStG.

Datenschutz

Auch im Home- oder Mobile-Office sind die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung einzuhalten. Daten und Unterlagen müssen vor der Einsichtnahme durch Dritte geschützt werden. Viele Informationen zum Schutz und der Sicherheit von Daten für mobiles Arbeiten finden sich beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik „Tipps für sicheres mobiles Arbeiten“.

Homeoffice als Betriebsstätte im Ausland

Wenn ein Mitarbeiter im Ausland eine Tätigkeit ausführt und hierzu zum Beispiel Verträge abschließt, so kann es sich nach dem Recht des jeweiligen Staates unter Umständen um eine Betriebsstätte handeln, was wiederum für das Unternehmen steuerliche Pflichten und Belastungen auslösen kann. Neben teils umfangreichen Registrierungs- und Deklarationspflichten können sich zudem auch Gewinnabgrenzungserfordernisse ergeben, deren Nichtbeachtung Strafen und Bußgelder nach sich ziehen kann. Insofern ist eine vorherige Prüfung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften und etwaiger Doppelbesteuerungsabkommen dringend anzuraten. Arbeitgeber sollten prüfen, ob nach den nationalen Vorschriften des Aufenthaltsstaates eine Steuerpflicht ausgelöst wird, wenn Arbeitnehmer dort mobil arbeiten möchten. Als nächstes ist zu klären, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem Aufenthaltsstaat des Mitarbeiters und dem Staat des Unternehmenssitz besteht. Wenn dies der Fall ist, so ist zu prüfen, ob die Steuerpflicht aufgrund der Regelungen dieses Doppelbesteuerungsabkommens wieder entfällt. Hierbei ist im Einzelfall die Hinzuziehung einer auf das Zielland spezialisierten Steuerberatungskanzlei zu empfehlen, insbesondere auch weil es zwischen dem Wortlaut des Doppelbesteuerungsabkommens und der praktischen Anwendung durch die Finanzverwaltung Diskrepanzen geben kann.

Leitlinien der OECD zur Interpretation der DBS im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie

Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen basieren auf dem OECD-Musterabkommen. In den im Jahr 2020 herausgegebenen Leitlinien der OECD spricht sich diese für eine großzügige Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen im Hinblick auf die zunehmende Home-Office-Arbeit aus. So sollen Personen, die nur aufgrund der COVID-19-Pandemie in einem anderen Staat arbeiten, nicht automatisch eine ausländische Betriebsstätte gründen. Allerdings sind die Staaten, die Doppelbesteuerungsabkommen nach dem OECD-Musterabkommen abgeschlossen haben, nicht an die Leitlinien der OECD gebunden. Insofern ist die Rechtslage individuell zu beurteilen und insbesondere der Standpunkt der jeweils zuständigen Steuerbehörden vorab in Erfahrung zu bringen. Die OECD-Leitlinien können aber gerade bei Staaten, deren DBA sich an dem OECD-Musterabkommen orientieren, als Argumentationshilfe dienen und gegebenenfalls dazu führen, dass die Staaten eine Neubeurteilung im Vergleich zu Sachverhalten vor der Pandemie durchführen.
Informationen zur Rechtslage und der Verwaltungspraxis in bestimmten Ländern können bei lokalen Behörden sowie den deutschen Auslandshandelskammern angefragt werden.

Recht und Steuern

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Ob Kaufvertrag, Werk- oder Dienstleistungsvertrag: die Gestaltung von Verträgen spielt in der Geschäftswelt eine fundamentale Rolle. Sei es als Existenzgründer um das Wissen des 1x1 der Vertragsgestaltung mit anderen Unternehmen oder dem Aufsetzen eigener AGB oder Ihre bisherigen Dokumente auf den aktuellen Stand der Rechtslage zu bringen. So vielfältig wie das Geschäftsleben und die Branchen kann auch die Vertragsgestaltung sein. Sollten Sie eine Auskunft hinsichtlich den gesetzlichen Anforderungen an die rechtliche Gestaltung benötigen hilft Ihnen die IHK Region Stuttgart hier weiter.
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Internationales Wirtschaftsrecht

Das neue chinesische Datenschutzgesetz PIPL

Rechtsrahmen

Die chinesische Legislative hat am 20.08.2021 das neue Gesetz zum Schutz persönlicher Daten (Personal Information Protection Law – PIPL) verabschiedet. Das Gesetz tritt zum 01.11.2021 in Kraft. Es schafft einen neuen einheitlichen Rechtsrahmen zum Schutz personenbezogener Daten und baut auf bereits bestehender Gesetzgebung auf, namentlich dem chinesischen Verbraucherschutzgesetz von 2014, dem Cybersecurity-Gesetz (CSL) von 2017, den Zivilrechtsreformgesetzen von 2017 und 2021, dem Datensicherheitsgesetz (DSL)  von 2021, sowie den bereits bestehenden sogenannten nationalen Datenschutzleitlinien.

Hintergrund

Das PIPL soll in erster Linie Tätigkeiten der Datenerhebung und Datenverarbeitung der chinesischen Privatwirtschaft und der größeren in China tätigen Internetkonzerne regulieren und dient gleichzeitig als präventives Instrument zur Schadensbegrenzung bei Datendiebstahl und bei Datenlecks – so haben die chinesischen Behörden im Jahr 2020 allein 107 größere Datenlecks registriert. Für deutsche Unternehmen hat das Gesetz Relevanz, weil es ausdrücklich auch auf ausländische Unternehmen Anwendung findet. Zudem gilt es auch dann, wenn die Daten chinesischer Kunden/Konsumenten außerhalb des Landes erhoben und verarbeitet werden.

Grundsätze

  • Mit dem PIPL wird ein einheitlicher Rechtsrahmen bezüglich der Verarbeitung personenbezogener Daten geschaffen.
  • Klare Regeln zur Rechtmäßigkeit von Datenerhebung und -verarbeitung. Gab es vorher relative Unklarheit, wann die Datenverarbeitung rechtmäßig war, legt das neue Datenschutzgesetz fest, dass eine Datenverarbeitung rechtmäßig ist, nämlich wenn
    • Eine ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen vorliegt und dieser vorher über die Vorgänge der Datenerhebung und -verarbeitung informiert wurde
    • Zur Erfüllung eines Vertrages, wenn die betroffene Person Vertragspartei ist
    • Zur Durchführung der Personalverwaltung im Unternehmen
    • Zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben oder Verpflichtungen
    • Als Reaktion auf plötzliche Zwischenfälle im Bereich der öffentlichen Gesundheit oder Schutz des Lebens, der Gesundheit oder des Eigentums von Personen unter Notfallbedingungen
    • Handlungen im öffentlichen Interesse für die Nachrichtenberichterstattung und Medienaufsicht in einem angemessenen Rahmen
    • Andere Umstände vorliegen, die sich aus spezifischen Gesetzen und Verwaltungsvorschriften ergeben
  • Staatliche Stellen sind vom Datenschutzgesetz grundsätzlich ausgenommen.
  • Die Datenverarbeitung darf nicht den Zweck haben, dass dies zur Gestaltung personalisierter Handelsbedingungen geschieht und dadurch beispielsweise personalisierte Preise generiert werden.
  • Extraterritoriale Geltung: Besonderheit ist, dass das Datenschutzgesetz nicht nur für Unternehmen in China gilt, welche in China personenbezogene Daten erheben und verarbeiten, sondern nach Artikel 3 PIPL auch extraterritorial gilt, also wenn im Ausland personenbezogene Daten von chinesischen Bürgern erhoben und verarbeitet werden, und zwar dann, wenn diese der Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen oder der Analyse des Verhaltens dienen. Von den Regelungen betroffen sein kann damit also auch ein Unternehmen, welches in China lediglich über eine Handelsvertretung tätig ist. 
Beispiel: Das Unternehmen für Kältetechnik in Rottweil ist zwar in China aktiv, hat dort aber keine eigene Tochtergesellschaft. Es unterhält jedoch direkte Kundenbeziehungen nach China und legt hierfür personalisierte Kundendaten zur Bereitstellung der Produkte an. Hierbei muss es die Regeln zur Rechtmäßigkeit der Datenerhebung nach dem PIPL einhalten, beispielsweise nur solche Daten erheben, die auch wirklich für die Durchführung der Vertragsbeziehung erforderlich sind. Im Zweifelsfall ist es ratsam, direkte Einwilligungen der betroffenen Kunden einzuholen.
  • Betroffenenrechte: Das Gesetz stattet die Betroffenen in den Artikeln 44-49 PIPL mit einem generellen Auskunftsrecht bezüglich Datenerhebung und Datenverarbeitung aus und gibt ihnen das Recht eine Kopie der Daten zu erhalten, Daten zu berichtigen und ggf. den Widerruf einer Einwilligung zu erteilen.

Internationaler Datentransfer

Für deutsche Unternehmen von besonderer Relevanz ist der grenzüberschreitende Datentransfer. Der die Volksrepublik China verlassende internationale Datentransfer wurde durch das Cybersecurity-Gesetz (CSL) stark reguliert. Namentlich geschah dies durch Artikel 37 CSL, der eine Pflicht zur Datenlokalisierung in China und dass Daten grundsätzlich innerhalb Chinas gespeichert werden müssen, vorsieht und durch Artikel 35 CSL, welcher für den Auslandsdatentransfer grundsätzlich eine Sicherheitsbewertung erforderlich gemacht hat. Das PIPL sieht nun Erleichterungen vor. Spezifisch muss nur noch eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
  • Ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen in den Auslandsdatentransfer (Artikel 39 CSL)
  • Erfolgreiche Sicherheitsüberprüfung durch die chinesischen Behörden oder eine lizensierte Agentur (Artikel 40 PIPL)
  • Verwendung von chinesischen Standarddatentransferklauseln
In der Praxis reicht jedoch regelmäßig allein die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen (Artikel 39 CSL) nicht aus. Der Rechtsrahmen des Cybersecurity-Gesetz (CSL) setzt nämlich in den allermeisten Städten und Provinzen bereits ein eigenes Erfordernis zur Einführung einer behördlichen Sicherheitsüberprüfung durch das sogenannte Multi Level Protection Scheme.
Besondere Hürden gibt es zudem beim internationalen Datentransfer persönlicher sensibler Daten wie Medizindaten und im Kontext kritischer Infrastruktur, wie Kommunikationssysteme, Energie- und Wasserversorgung, der öffentlichen Verwaltung und der Rüstungsindustrie.
Für gewisse Branchen haben die zuständigen Regulierungsbehörden bereits ein Katalog zu sogenannten „wichtigen Daten“ veröffentlicht. Falls dies der Fall ist und Sie solche wichtige Daten verarbeiten, müssen regelmäßige Risikobewertungen durchgeführt und die Berichte der zuständigen Behörde übermittelt werden.

Sanktionsmechanismen des Gesetzes

Registrieren die chinesischen Behörden eine Verletzung der neuen Datenschutzvorgaben, so können empfindliche Sanktionen verhängt werden. Diese gehen über die Einziehung der illegalen Gewinne, Geldbußen bis 50 Mio. RMB oder 5 Prozent des Vorjahresumsatzes gegenüber dem Unternehmen und Geldbußen bis 1 Mio. RMB gegenüber direkt verantwortlichen Personen. In schweren Fällen kann auch die zur Handlungsfähigkeit des Unternehmens notwendige Geschäftslizenz entzogen werden.  Genannt ist außerdem, dass verantwortliche Personen für eine bestimmte Zeit eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Aufsichtsrat oder leitender Angestellter untersagt werden kann. In der Praxis ist bislang noch nicht klar, inwiefern der Sanktionsrahmen von den Behörden auch tatsächlich ausgeschöpft wird und ob ausländische Unternehmen hier nach gleichen Grundsätzen behandelt werden.
Beispiel: Ein Unternehmen für Werkzeugtechnik aus Böblingen unterhält eine Tochtergesellschaft in Peking. Die Tochtergesellschaft nutzt personenbezogene Daten der chinesischen Kunden, um automatisch personalisierte Preise zu erstellen. Die chinesischen Behörden könnten dies als Verstoß gegen die Bestimmungen des PIPL werten. In der Konsequenz könnte der Tochtergesellschaft ein empfindliches Bußgeld oder gar der Entzug der Geschäftslizenz drohen.

Weiterführende Literatur

E-Commerce Recht –Widerrufsbelehrung

Wie lautet der Text der Widerrufsbelehrung?

Sofern Verträge „außerhalb von Geschäftsräumen” und im Fernabsatz (wie etwa der Verkauf über das Internet) geschlossen werden, steht dem Verbraucher ein vierzehntägiges Widerrufsrecht zu. Über das Widerrufsrecht hat der Unternehmer vor und nach Abgabe der Bestellung zu belehren.
Für die Widerrufsbelehrung gibt es einen gesetzlichen Mustertext, den der Unternehmer verwenden kann. Bei der Belehrung sollten Sie stets auf das gesetzliche Muster zurückgreifen, um nicht von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt zu werden. Allerdings muss es dafür unverändert übernommen werden.
Ausnahme: dort, wo das Muster Gestaltungshinweise vorgibt (diese finden sich unter dem Mustertext), sind Anpassungen zu machen.Je nachdem, ob es sich um eine Teillieferung, oder auch eine Diensteistung handelt, beginnt die Widerrufsfrist zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt zu laufen.
Achtung: Ganz ohne Vorbehalte kann das gesetzliche Muster nicht verwendet werden. Hintergrund ist, dass der Fristbeginn und somit die Widerrufsbelehrung für jede Bestell- oder Liefersituation angepasst werden muss, obwohl bei Einstellen der Widerrufsbelehrung noch nicht bekannt ist, wie viele Waren der Kunde bestellt bzw. in wie vielen Teilstücken die Bestellung erfolgt. Vergleichen Sie hierzu bitte die Gestaltungshinweise (1) des Musters Nr. a) bis e). Das Problem am gesetzlichen Muster ist, dass man die verschiedenen Varianten für den Fristbeginn nicht kombinieren, sondern nur einen der Textbausteine des Musters einsetzen darf. Der Händler müsste also für jede mögliche Liefersituation verschiedene Belehrungen vorhalten. Sie müssten also überprüfen, ob Ihr Shop Besonderheiten wie Teillieferungen aufweisen soll und die entsprechende Variante aus a) bis e) auswählen. Gegebenenfalls könnten Sie die Widerrufsbelehrung entsprechend anpassen, indem sie Gestaltungshinweis c), „die letzte Ware", auswählen. Hier könnte man auslegen, dass dieser Text auch über die Gestaltungshinweise b) und d) belehrt. Dies ist allerdings keine gefestigte Rechtsprechung, sodass ein Restrisiko einer falschen Belehrung verbleibt.
Hinweis: Das gesetzlich Muster kann nicht verwendet werden, wenn der Vertrag eine Finanzdienstleistung beinhaltet.

Wann und wo muss über den Widerruf belehrt werden?

Die Widerrufsfrist beginnt nicht zu laufen, bevor der Verbraucher nicht darüber informiert worden ist.
Über das Widerrufsrecht muss vor Abgabe der Bestellung informiert werden, z. B. auf der Bestellseite oberhalb des Bestellbuttons mit einem deutlich bezeichneten Link „Widerrufsrecht" oder „Widerruf“. Ein Link nur in der Fußzeile der Webseite, oder auf die AGB in denen die Widerrufsbelehrung enthalten ist, genügt nicht. Der Link sollte sich auch nicht zwischen den Pflichtinformationen und dem Bestellbutton befinden, da hier zusätzliche Gestaltungselemente nicht zulässig sind. Der Verbraucher muss quasi vor Abgabe der Bestellung über den Hinweis und den entsprechenden Link stolpern.
Nach Abgabe der Bestellung muss die Widerrufsbelehrung möglichst direkt, spätestens bei Lieferung der Ware, auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. als PDF oder E-Mail) zur Verfügung gestellt werden. Der Text kann in der E-Mail mit der die Bestellung bestätigt wird, auf der Rechnungsrückseite oder in den Lieferpapieren untergebracht werden. Bei einer Bestätigungs-E-Mail reicht eine Verlinkung auf eine Belehrung im Webshop nicht aus. Der Text der Widerrufsbelehrung sollte direkt in der E-Mail vollständig wiedergegeben werden. Außerdem ist darauf zu achten, dass der Text für die Widerrufsbelehrung in der Bestätigungs-E-Mail, auf den Lieferpapieren oder der Rechnung, mit dem Text auf der Webshop-Seite identisch ist.

Was passiert, wenn nicht oder nicht richtig über den Widerruf belehrt wird?

Das Widerrufsrecht erlischt bei unterlassener oder falscher Widerrufsbelehrung spätestens nach zwölf Monaten und vierzehn Tagen.

Wie ist der Widerruf zu erklären?

Der Verbraucher hat den Widerruf zu erklären. Eine Begründung darf der Händler nicht verlangen. Der Händler hat zur Ausübung des Widerrufsrechts das gesetzliche Muster-Widerrufsformular bereitzustellen. Dieses Formular darf nicht mit der Widerrufsbelehrung selbst verwechselt werden und ist immer im Online-Shop aufzunehmen, z.B. direkt unter der Widerrufsbelehrung.
Zudem kann dem Verbraucher das Angebot gemacht werden, das Formular bereits über die Webseite auszufüllen und dann online abzusenden. Dann muss dem Verbraucher unmittelbar eine Bestätigung des Widerrufs auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. per E-Mail) zugesendet werden. Der Verbraucher kann aber  auch ohne das Formular zu nutzen  widerrufen, also häufg per Post, E-Mai oder telefonisch. Das Formular muss aber trotzdem im Webshop bereitgestellt werden, auch wenn der Verbraucher es nicht benutzen muss.
Die gesetzliche Widerrufsbelehrung und das Muster-Widerrufsformular sind seit dem 28. Mai 2022 anzupassen. Die Telefonnummer ist nunmehr Pflichtangabe in der Widerrufsbelehrung. Die Fax-Nummer muss nicht mehr angegeben werden, weder in der der Widerrufsbelehrung noch im Muster-Widerrufsformular. Im Muster-Widerrufsformular ist keine Telefonnummer anzugeben. In Gestaltshinweis 5 der Widerrufsbelehrung verändert sich leicht der Wortlaut. Auch hier muss eine frühere Muster-Widerrufsbelehrung im Webshop an den neuen Wortlaut angepasst werden : “Wenn die Waren bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht normal mit der Post zurückgesandt werden können und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind: „Wir holen die Waren auf unsere Kosten ab.“

Gibt es Ausnahmen vom Widerrufsrecht?

Für manche Waren und Dienstleistungen ist von vorneherein das Widerrufsrecht gesetzlich ausgeschlossen. Diese Ausnahmen sind gesetzlich in §312g Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch abschließend geregelt. Über die Ausnahmen nach denen kein Widerrufsrecht besteht, ist in der Widerrufsbelehrung selbst, nicht in den AGB und auch nicht in einem separaten Link/Dokument, aufzuklären. Unternehmer können das Widerrufsrecht nicht in AGB oder per individuellem Vertrag ausschließen.

Achtung beim B2B-Geschäft: Gewerbliche Kunden haben grundsätzlich kein Widerrufsrecht. Können aber in einem Webshop neben Verbrauchern auch gewerbliche Kunden bestellen, dann kann gewerblichen Kunden dennoch ausnahmsweise ein Widerrufsrecht zustehen, wenn nicht erkennbar differenziert wird. Daher sollte durch einen klarstellenden Zusatz über der Widerrufsbelehrung und (sofern vorhanden) in AGB ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Widerrufsrecht nur für Verbraucher besteht.
Eine besondere Ausnahme gibt es beim Widerruf digitaler Inhalte, wie Downloads von Software, Apps, Videos, E-Books. Hier erlischt das Widerrufsrecht vorzeitig, wenn mit der Ausführung des Vertrags begonnen wird, nachdem der Verbraucher
  1. ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Verkäufer mit der Ausführung des Vertrags (praktisch also mit der Datenübermittlung beim Download) vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt,
  2.  seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht mit seiner Zustimmung zur Ausführung des Vertrags verliert, und
  3. die Bestätigung des Erlöschens des Widerrufsrechts auf dauerhaftem Datenträger gem. § 312f BGB zur Verfügung gestellt hat.
Praxistipp: Verwenden Sie eine nicht vorangekreuzte Checkbox, mit der der Verbraucher ausdrücklich zustimmt, dass der Download oder das Streaming starten soll und er weiß, dass er damit sein Widerrufsrecht verliert. Nur dann wird der Download oder das Streaming ausgelöst.
Die dritte Voraussetzung (Bestätigung des Erlöschens) gilt seit dem 28. Mai 2022. Eventuelle Texte des Händlers über das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts sind also entsprechend um diesen Punkt zu ergänzen.
Nachteilig für den Händler: wird das Widerrufsrecht nicht vorzeitig zum Erlöschen gebracht, kann der Verbraucher den digitalen Inhalt innerhalb der Widerrufsfrist zurückgeben. Er muss dafür keinen Wertersatz leisten.
Der vierte Teil der Artikelreihe beleuchtet weitere Informationspflichten, den Einbezug von AGB in den Kaufvorgang und die Gestaltung der Bestellseite (sog. „Checkout-Page”) unmittelbar vor Abgabe der Bestellung.
Dieser Artikel soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieser Artikel mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Corona

Arbeitsrechtliche Fragen rund um das Coronavirus

Stand: November 2022
Die Corona-Pandemie wirft noch immer eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Fragen auf, die wir Ihnen hier beantworten wollen.
Update: Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wurde zum 1. Oktober 2022 neu gefasst und gilt bis einschließlich 7. April 2023. In Baden-Württemberg wurde die Corona-Verordnung Absonderung mit Wirkung zum 16. November 2022 deutlich geändert. Informationen zu diesen Änderungen finden Sie im Text. 

Welche Schutzmaßnahmen müssen Arbeitgeber aktuell treffen? 

Arbeitgeber sind nach wie vor verpflichtet, auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung (§§ 5, 6 Arbeitsschutzgesetz) Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz in einem betrieblichen Hygienekonzept festzulegen und bei Bedarf zu aktualisieren. Dies sollte möglichst unter Beteiligung der Fachkraft für Arbeitssicherheit und des betreuenden Betriebsarztes erfolgen. Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nummer 7 Betriebsverfassungsgesetz zu beachten. 
Das betriebliche Hygienekonzept ist den Beschäftigten in geeigneter Weise zugänglich zu machen. 
Nach § 2 Absatz 2 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung müssen Arbeitgeber eigenverantwortlich prüfen und entscheiden, ob und welche der nachstehend aufgeführten Schutzmaßahmen, die sich bewährt haben, erforderlich sind: 
  1. die Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen zwei Personen, 
  2. die Sicherstellung der Handhygiene
  3. die Einhaltung der Hust- und Niesetikette
  4. das infektionsschutzgerechte Lüften von Innenräumen, 
  5. die Verminderung von betriebsbedingten Personenkontakten (z.B. Einteilung der Belegschaft in möglichst kleine Teams, die dauerhaft zusammenarbeiten bei gleichzeitiger Vermeidung von Kontakten zu Mitgliedern anderer Arbeitsgruppen, Vermeidung oder Begrenzung der gleichzeitigen Nutzung von Innenräumen durch mehrere Personen, Videokonferenzen statt Präsenztreffen, versetzte Zeiten für Arbeitsbeginn und -ende sowie für Pausen),
  6. das Angebot gegenüber Beschäftigten, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, wenn keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen, 
  7. das Angebot an Beschäftigte, die nicht ausschließlich von zuhause arbeiten, sich regelmäßig kostenfrei auf COVID 19 zu testen.
Kriterien für die Prüfpflicht können beispielsweise sein: 
  • Kontakthäufigkeiten und -dauern 
  • Belegungsdichte der Räume und Abstände zwischen Personen 
  • Art und Intensität der Kontakte 
  • Lüftungssituation 
  • regionales sowie branchenspezifisches Infektionsrisiko 
Die folgende Maßnahmen schreibt die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung verbindlich vor: 
  • Maskenpflicht (medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken) bei Unterschreiten des Mindestabstands von 1,5 Metern oder bei tätigkeitsbedingten Körperkontakten sowie bei gleichzeitigem Aufenthalt mehrerer Personen in Innenräumen, sofern die Gefährdungsbeurteilung ergibt, dass technische und organisatorische Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht ausreichen, 
  • Arbeitgeber hat den Beschäftigten zu ermöglichen, sich ggf. auch während der Arbeitszeit gegen COVID 19 zu impfen
  • Arbeitgeber hat die Betriebsärzte und die überbetrieblichen Dienste von Betriebsärzte, die Schutzimpfungen durchführen, organisatorisch und personell zu unterstützen
  • Arbeitgeber muss im Rahmen der Unterweisung über die Risiken einer COVID-19-Erkrankung aufklären und über die Möglichkeiten einer Schutzimpfung informieren
Weitere Hinweise für die praktische Umsetzung enthalten insbesondere: 

Ist der Arbeitgeber verpflichtet Homeoffice anzubieten?

Nach aktueller Gesetzeslage haben Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch darauf, im Homeoffice zu arbeiten, und Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Homeoffice anzubieten. 
Etwas anderes kann sich aus einer vertraglichen Regelung im Arbeitsvertrag oder aus einer Kollektivvereinbarung (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) ergeben. 
Nach der bis zum 7. April 2023 geltenden SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung hat der Arbeitgeber im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob er Beschäftigten anbietet, geeignete Tätigkeiten in ihrer Wohnung auszuführen, sofern keine betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Eine generelle Verpflichtung, arbeitgeberseitig Homeoffice anzubieten oder ein solches Angebot arbeitnehmerseitig anzunehmen, besteht aber nicht. 
Welche Rahmenbedingungen beim Homeoffice in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsschutz, Unfallversicherung, Steuern und Kosten sowie Datenschutz gelten, erfahren Sie im Artikel Homeoffice und mobiles Arbeiten der IHK Kassel-Marburg

Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt?

Ist ein Arbeitnehmer aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus tatsächlich erkrankt, gelten die gesetzlichen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber unverzüglich über seine Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer unterrichten. Sofern nichts anderes vereinbart ist, muss der Arbeitnehmer spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen bzw. die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen. 
Nach § 3 EFZG hat der Arbeitnehmer, dem aufgrund einer Krankheit die Erbringung seiner vertraglichen Arbeitsleistung nicht möglich ist, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für grundsätzlich bis zu sechs Wochen.
Dieser Anspruch besteht jedoch nur dann, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Fraglich und derzeit umstritten ist, ob der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung bei einer Covid-19-Infektion eines Mitarbeiters, der eine ihm angebotene Corona-Schutzimpfung abgelehnt hat, verweigern kann. Umstritten ist insbesondere, ob die Wertungen zu den Entschädigungszahlungen im Quarantänefall nach § 56 Absatz 1 IfSG analog für das Verschulden im Rahmen des § 3 EFZG herangezogen werden können.
Dies wird man nicht ohne Weiteres annehmen können. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss der Arbeitnehmer für das Vorliegen eines Verschuldens „in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise“ verstoßen haben. An dieses „Verschulden gegen sich selbst“ werden demnach sehr hohe Anforderungen gestellt. Zudem ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Tatsachen trägt, die den Anspruch auf Entgeltfortzahlung ausschließen. Es bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte in dieser Frage entscheiden werden.

Was gilt bei einer Infektion ohne krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit? 

Update November 2022: Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat die Isolationsregeln für COVID-19-Infizierte ab 16. November 2022 aufgehoben. Wer künftig in Baden-Württemberg positiv auf das Corona-Virus getestet wird, muss sich ab dem 16. November 2022 nicht mehr wie bisher verpflichtend für mindestens fünf Tage in häusliche Isolation begeben. Die neuen Regelungen sehen bei positiv getesteten Personen vielmehr grundsätzlich eine Maskenpflicht außerhalb der eigenen Wohnung vor. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der Internetseite der Landesregierung
Arbeitsrechtlich bedeutet dies, dass infizierte Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Arbeitsleitung im Betrieb herangezogen werden können, soweit sie nicht erkrankt sind. 
Mit Blick auf den Arbeitsschutz sollte der Arbeitgeber für diesen Fall Schutzmaßnahmen im betrieblichen Hygienekonzept festlegen (z.B. Homeoffice, sofern möglich, Anweisung der Arbeitnehmer, bei eigener Kenntnis von einer eigenen Infektion im Betrieb eine Maske zu tragen und sich von Arbeitskollegen möglichst fernzuhalten). 
Der Arbeitgeber könnte auch darauf verzichten, infizierte Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung heranzuziehen. Ist der Arbeitnehmer aber arbeitswillig und bietet er seine Arbeitsleistung an, könnte es in diesem Fall aber ggf. zu einer Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers ohne Arbeitsleistung kommen. 
Wer aufgrund einer COVID-19-Infektion in Isolation musste und während dieser Zeit nicht arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung nach § 56 Absatz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG)
Update November 2022: Mittlerweile hat Baden-Württemberg jedoch die Isolationspflicht aufgehoben, so dass für alle Arbeitnehmer, die sich ab dem 16. November 2022 mit dem Corona-Virus infizieren, kein Entschädigungsanspruch mehr besteht. Weitere Informationen hierzu finden Sie in den FAQ der Landesregierung zu Entschädigungen wegen Absonderung und Kinderbetreuung.

Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Betreuung des Kindes?

Muss der Arbeitnehmer das Kind betreuen, weil das Kind etwa am Corona-Virus erkrankt ist oder weil der Kindergarten oder die Schule aufgrund behördlicher Maßnahmen gesperrt ist, könnte er einen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben. 
Ein solcher Anspruch könnte sich zunächst aus § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergeben. Diese Vorschrift regelt einen Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer für eine “verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit” seine Arbeitsleistung unverschuldet aus Gründen nicht erbringen kann, die in seiner Person liegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er zur Pflege seines erkrankten Kindes oder zur Betreuung des Kindes im Falle einer Kita- oder Schulschließung zu Hause bleiben muss, weil eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben ist. Dieser Vergütungsanspruch ist aber zeitlich beschränkt. Die Rechtsprechung geht in der Regel von einem Zeitraum von wenigen Tagen aus (ca. fünf Tage). Dauert die Verhinderung länger, entfällt der Vergütungsanspruch nach § 616 BGB insgesamt. Die Regelung könnte zudem von vornhinein durch arbeits- oder tarifvertragliche Regelung eingeschränkt oder vollständig ausgeschlossen sein. 
Ist die zeitliche Beschränkung des § 616 BGB überschritten oder die Regelung vertraglich ausgeschlossen, können gesetzlich versicherte, berufstätige Eltern nach § 45 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) Kinderkrankengeld in Höhe von 90 Prozent ihres Nettoverdienstes bei ihrer jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse beanspruchen. Die Dauer der bezahlten Freistellung hängt davon ab, ob sich die Eltern das Sorgerecht teilen oder alleinerziehend sind. Im Jahr 2022 und 2023 besteht der Anspruch pro Elternteil und je Kind für längstens 30 Tage bzw. 60 Tage für Alleinerziehende; bei mehreren Kindern für maximal 65 Arbeitstage pro Elternteil bzw. 130 Arbeitstage bei Alleinerziehenden. 
Die Voraussetzungen für das Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V sind: 
  • Es besteht gegen den Arbeitgeber kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung (etwa aus § 616 BGB).
  • Der betreffende Elternteil ist gesetzlich krankenversichert mit Krankengeldanspruch und das erkrankte Kind ist ebenfalls gesetzlich versichert (privat versicherte Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld). 
  • Die Pflegebedürftigkeit des Kindes wird durch ärztliches Attest bestätigt. 
  • Das erkrankte Kind ist jünger als 12 Jahre oder – wenn es älter ist – behindert und hilfsbedürftig. 
  • Es besteht keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit für das erkrankte Kind, d.h., die Eltern müssen zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, die Kinderbetreuung anderweitig sicherzustellen. 
Bis einschließlich 7. April 2023 können Eltern nach der Sonderregelung des § 45 Absatz 2a SGV V auch dann Kinderkrankengeld beanspruchen, wenn ihr Kind nicht krank ist, aber andere Fälle von Betreuungsengpässen bestehen und eine Betreuung zu Hause erforderlich ist: Wenn die Einrichtung zur Betreuung des Kindes (Kindertageseinrichtung, Hort oder Kindertagespflegestelle), die Schule oder die Einrichtung für Menschen mit Behinderungen pandemiebedingt behördlich geschlossen ist, eingeschränkten Zugang hat oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt wurde. Dies gilt auch, wenn einem Kind aufgrund eines Schnelltestergebnisses der Besuch der Einrichtung oder Schule untersagt ist oder das Kind die Einrichtung auf Empfehlung von behördlicher Seite nicht besucht. 
Weitere Informationen hierzu finden Sie in den FAQ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zu Kinderkrankentagen und zum Kinderkrankengeld, auf der Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, in den FAQ der Landesregierung zu Entschädigungen wegen Absonderung und Kinderbetreuung sowie bei den zuständigen Krankenkassen

Darf der Arbeitgeber im Falle von Kurzarbeit den Urlaub kürzen?

Zu der Frage, wie sich Kurzarbeit „Null“ und anteilige Kurzarbeit auf den Urlaubsanspruch auswirkt, gibt es aktuelle arbeitsgerichtliche Entscheidungen.
Kurzarbeit Null:
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 12.03.2021 (Az. 6 Sa 824/20) entschieden, dass die klagende Arbeitnehmerin für den Zeitraum von drei Monaten, an denen sie wegen Kurzarbeit „Null“ durchgehend nicht gearbeitet hat, keine Urlaubsansprüche nach § 3 Bundesurlaubsgesetz erworben hat. Der Jahresurlaub stünde ihr daher nur anteilig im gekürzten Umfang zu, so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Folgt man dieser Rechtsprechung, verkürzt sich also für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ der Urlaubsanspruch um 1/12 kraft Gesetzes, ohne dass es hierfür einer entsprechenden Vereinbarung bedarf.
Update 30.11.2021: Dieser Fall lag dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zur höchstrichterlichen Klärung vor, welches nunmehr mit Urteil vom 30.11.2021 (Az.: 9 AZR 225/21) dem Arbeitgeber Recht gab. Noch sind die Entscheidungsgründe dieses Urteils nicht veröffentlicht. Der Pressemitteilung des BAG ist zu entnehmen, dass der Arbeitgeber den Jahresurlaub anteilig kürzen kann, wenn einzelne Arbeitstage aufgrund von Kurzarbeit vollständig ausfallen.
In einer weiteren Sache entschied das BAG, dass diese Grundsätze auch dann Anwendung finden, wenn die Kurzarbeit wirksam aufgrund einer Betriebsvereinbarung eingeführt worden ist (Urteil vom 30.11.2021, Az. 9 AZR 234/21).
Anteilige Kurzarbeit:
Wenn in einem Unternehmen keine Kurzarbeit "Null", sondern nur anteilig Kurzarbeit, etwa Kurzarbeit an einzelnen Tagen, angeordnet ist, darf der Arbeitgeber nach jüngster Entscheidung des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 08.06.2021 (Az. 3 Ca 108/21) den Jahresurlaub der Beschäftigten nicht anteilig kürzen.

Wer beantwortet mir Fragen zur Kurzarbeit und zum Kurzarbeitergeld?

Wo finde ich weitere Informationen?

Hinweis: Die Informationen und Auskünfte der IHK Region Stuttgart sind ein Service für ihre Mitgliedsunternehmen. Sie erhalten nur erste Hinweise und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für ihre inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden. Sie können eine Beratung im Einzelfall (z.B. durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Unternehmensberater etc.) nicht ersetzen.
Recht und Steuern

Gewerberaummiete in Krisenzeiten

Viele Fragen bewegen  Mieter und Vermieter gleichermaßen. Nachfolgend soll auf ein paar dieser Fragen in Krisenzeiten eingegangen werden.

1. Muss die Miete weiterhin gezahlt werden?

Der Grundsatz lautet: Ja, Verträge sind weiterhin einzuhalten. Sind alle Möglichkeiten des Dialogs zwischen Mieter und Vermieter ausgeschöpft, sprich es wurde die Möglichkeit einer Stundung oder Mietanpassung in Betracht gezogen, aber ausgeschlossen, fügt sich die nächsten Fragestellungen an.
Im Streitfall muss glaubhaft gemacht werden, dass die Miete aufgrund beispielsweise einer Pandemie nicht gezahlt werden kann. Dies geschieht in der Regel durch entsprechende Nachweise. Sollten etwaige Vereinbarungen getroffen werden, empfiehlt es sich zwingend diese schriftlich festzuhalten.

2. Was kann passieren, wenn die Miete nicht bezahlt wird?

Wenn keine Vereinbarungen über eine Stundung oder Reduzierung der Miete getroffen wurden, die Miete aber trotz Fälligkeit nicht bezahlt wurde, befindet sich der Mieter in Verzug. Der Vermieter kann somit Verzugszinsen geltend machen. Für eine außerordentliche Kündigung genügt es, wenn der Mieter bereits für zwei aufeinanderfolgende Fälligkeitszeiträume mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug gerät.

3. Was hat es mit der „Störung der Geschäftsgrundlage“ auf sich?

Der Bundestag hatte bereits 2020 beschlossen eine Änderung in § 7 zu Art. 240 EGBGB vorzunehmen. In dieser Änderung wurde klargestellt, dass die Corona-Pandemie zu einer Störung der Geschäftsgrundlage im Gewerbemietverhältnis führen kann (Bundesgesetzblatt, Teil I, vom 30.12.2020, Seite 3332). Gleiches ist entsprechend auf Pachtverhältnisse anzuwenden
Folgende Regelung zur Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen wurde in § 7 Abs. 1 zu Art. 240 EGBGB Störung aufgenommen:
Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die Vermutung ist zum Beispiel in Fällen widerleglich, in denen der Mietvertrag zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, in dem eine pandemieartige Ausbreitung des Coronavirus in der breiten Öffentlichkeit bereits absehbar war.
Die Vermutung gilt nur für ein Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB. Die weiteren Merkmale des § 313 Abs. 1 BGB bleiben unberührt.
Vereinfacht ausgedrückt enthält § 313 BGB einen Rechtsanspruch auf Anpassung eines Vertrags nur dann, wenn alle folgenden vier Voraussetzungen gegeben sind:
  1. Schwerwiegende Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss
  2. Die Störung darf nicht in den Risikobereich einer Partei fallen
  3. Die unveränderte Vertragsdurchführung muss unzumutbar sein und
  4. Die Parteien hätten diesen Vertrag so nicht geschlossen, wenn sie diese Konstellation vorausgesehen hätten.
Das Fehlen oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage führen nicht zur Auflösung des Vertrages sondern zur Anpassung seines Inhalts an die veränderten Verhältnisse. Maßgebliches Kriterium ist die Zumutbarkeit; eine Interessensabwägung ist erforderlich. Die Anpassung trifft nicht kraft Gesetzes ein. Die Parteien haben zunächst über die Anpassung zu verhandeln. Führen die Verhandlungen zu keinem Ergebnis oder verweigert der andere Teil seine Mitwirkung kann das Gericht angerufen werden. Die Klage setzt voraus, dass der Kläger sich erfolglos um eine vertragliche Anpassung bemüht hat. Die Vertragsauflösung kommt nur in Betracht, wenn die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar ist. Dies ist grundsätzlich der Fall wenn eine Anpassung sinnlos oder undurchführbar ist. Die bloße Verweigerung einer Partei genügt hier nicht.
Im Streitfall ist die Krux, dass das Vorliegen aller Voraussetzungen durch diejenige Partei zu beweisen ist, die sich auf die Regelung beruft. Vor Gericht muss also dargelegt und unter Beweis gestellt werden, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Die Beweislage erschwert sich durch die Frage: Ab wann ist das unveränderte Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar? Hier muss auf die Risikozuweisung und Zumutbarkeit abgestellt werden.
Zu beachten ist zudem, dass allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte vorrangig gegenüber § 313 BGB gelten – ein Umstand, der nicht geändert werden soll.

4. Anpassung des Vertrages – Was sagt die höchstgerichtliche Rechtsprechung?

Wie der Bundesgerichtshof am 12.01.2022 entschied, begründet eine hoheitliche Betriebschließungsanordnung eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB (hierzu mehr unter Punkt 4). Allerdings kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wie viel Miete zu bezahlen ist. Eine pauschale 50:50-Lösung wurde vom BGH abgelehnt.

Die Maßnahmen im ersten Lockdown 2020 hätten die sog. „große Geschäftsgrundlage“ gestört. Darunter ist die Erwartung der Vertragsparteien zu verstehen, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrags nicht ändern. Diese Erwartung sei “schwerwiegend gestört“ worden.

Das Auftreten einer solchen Situation allein berechtige allerdings noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Es kommt auch darauf an, dass den Vertragspartnern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten an dem unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Bei der Betrachtung der jeweiligen Umstände muss darauf geachtet werden, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um drohende Verluste zu minimieren. Ebenfalls relevant sind ggf. ausgezahlte staatliche Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile. Auch mögliche Leistungen aus Betriebsversicherungen müssen von den Gerichten berücksichtig werden. Außen vor bleiben hierbei jedoch staatliche Unterstützungsmaßnahmen auf Basis eines Darlehens.

Bei einer möglichen Auseinandersetzung muss nun anhand dieser Maßstäbe von den Gerichten geprüft werden, welche konkreten wirtschaftlichen Auswirkungen die Geschäftsschließung für die Mieterinnen und Mieter haben und ob diese dann gegebenenfalls eine Anpassung des Vertrags erforderlich machen.

Die Pressemitteilung finden Sie auf der Webseite des Bundesgerichtshofs. Dort steht Ihnen das Urteil auch als Download zur Verfügung.

5. Welche anderen Möglichkeiten der Vertragsauflösung bestehen?

Dadurch, dass es sich hier um Geschäfte unter Unternehmern handelt, gelten auch besondere Regelungen. Die Grundsätze, die beispielsweise aus der Wohnraummiete Anwendung finden, können teilweise abbedungen werden. Auch hier ist die Devise: Schauen Sie zuerst, welche Regelungen in Ihrem Mietvertrag getroffen wurden.
Die zweite Möglichkeit nach der Anpassung des Vertrages würde im Rücktritt vom Vertrag bestehen. Hier sind jedoch gesetzlich einige Anforderungen zu stellen, die in vielen Fällen nicht erfüllt werden (vgl. §§ 326 Abs. 5, 323 BGB). Es muss zudem für die Vertragsparteien unmöglich sein, über die Krisenzeit hinaus am Vertragsverhältnis festhalten zu können. Hier wird auf die Zumutbarkeit abgestellt. Es wird daher auch teilweise angenommen, dass beispielsweise die Pandemie für beide Vertragsparteien zumutbar war. Hier kommt es wieder auf die Betrachtung des Einzelfalles an. Ein Recht zur Kündigung wird aber vorrangig für die Mietparteien als Möglichkeit in Betracht kommen.
Dementsprechend wäre die dritte Möglichkeit die Lösung durch Kündigung des Mietvertrages. In der Regel kommt die ordentliche Kündigung zur Anwendung. Bitte beachten Sie auch hierzu: Regelungen im Vertrag gehen vor. Bei der Geschäftsraummiete kommt § 580a Abs. 2 BGB zu tragen: Spätestens am 3. Werktag eines Kalenderviertels zum Ablauf des nächsten Kalenderviertels ist die Kündigung zulässig. Bei Pachtverträgen kommt § 584 Abs. 1 BGB zur Anwendung: Die Kündigung ist zum Schluss eines Pachtjahres zulässig; Sie hat spätestens am 3. Werktag des halben Jahres zu erfolgen, mit dessen Ablauf die Pacht enden soll. Von diesen Bestimmungen bleibt das Recht zur außerordentlichen Kündigung unberührt.
Hinweis: Sollten Sie Maßnahmen treffen wollen, sollten Sie sich unbedingt vorab juristischen Rat einholen. Bitte lassen Sie zuvor von einen Rechtsanwalt Ihren Vertrag prüfen, um entsprechende Maßnahmen einleiten zu können.
Aktuelles aus der Lohnsteuer

Sachbezugswerte 2024

Stand: Januar 2024
Der Bundesrat hat am 24. November 2023 der 14. Verordnung zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung zugestimmt. Mit BMF-Schreiben vom 7. Dezember 2023 wurden die neuen Sachbezugswerte veröffentlicht.
Damit wird der Monatswert für Verpflegung ab dem 1. Januar 2024 auf 313 Euro steigen. Für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten an Arbeitnehmer sind ab diesem Zeitpunkt für ein Frühstück 2,17 Euro und für ein Mittag- oder Abendessen 4,13 Euro anzusetzen.
Der Monatswert für Unterkunft und Miete beträgt ab dem 1. Januar 2024 278 Euro.
Erstmalige Anwendung der Sachbezüge 2024
Die neuen Sachbezugswerte 2024 können bereits ab dem ersten Abrechnungsmonat des Jahres 2024 angewendet werden.
Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl es mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Recht und Steuern

Änderungen im Kaufrecht seit 2022

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 25.06.2021 sowie zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 25.06.2021 die Novellierung des Kaufrechts und somit Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beschlossen.
Die Änderungen gelten vorwiegend für Verträge, die seit dem 1. Januar 2022 abgeschlossen wurden.
Die Regelungen gelten vorwiegend für den Bereich Verbraucherverträge (B2C). Jedoch haben die Änderungen im BGB auch Auswirkungen auf Geschäfte unter Unternehmern (B2B).
Unser Merkblatt Neue Händlerpflichten bei digitalen Inhalten geht besonders auf die Bereitstellung von Waren mit digitalen Elementen und Dienstleistungen sowie über den Handel mit digitalen Waren ein.
Die wichtigsten Elemente sind die Neuregelung des Sachmangelbegriffs in § 434 BGB-neu, die Einführung einer Sache mit digitalem Inhalt in den §§ 475b ff. BGB-neu inklusive einer Aktualisierungspflicht und die Verlängerung der Beweislastumkehr in § 477 BGB-neu. Daneben sieht das Gesetz weitere Anpassungen vor. Hierzu gehören unter anderem die konkretisierenden Ergänzungen der Sonderbestimmungen für Garantien, die Neugestaltung des Ausschlusses von Mängeln bei Kenntnis des Käufers und die praktische Streichung des Fristsetzungserfordernisses bei Verbrauchsgüterkäufen.
Nachfolgend haben wir die Änderungen im BGB für Sie in einer Übersicht dargestellt.
§ 308 - Abtretungsverbot
Um Verbrauchern die Übertragbarkeit ihrer Ansprüche zu sichern, soll das AGB-Recht in § 308 Nr. 9 BGB-neu geändert werden: Danach soll ein neues Klauselverbot für Abtretungsverbote eingefügt werden. Bei auf Geld gerichteten Ansprüchen soll hiernach die Abtretung künftig nicht mehr durch AGB allgemein ausgeschlossen werden können. Verbraucher sollen ihre Ansprüche gegen den Unternehmer an Dritte abtreten können. Das Inkrafttreten ist bereits auf den 01.10.2021 datiert. Es sollten umgehend bestehende Verträge und AGB angepasst werden.

§ 309 - Laufzeitklauseln
Ein weiteres Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit soll in § 309 Nr. 9 BGB-neu hinzugefügt werden. Demnach sollen Laufzeitvereinbarungen künftig als Erstlaufzeiten von über einem Jahr bis zu zwei Jahren sowie Verlängerungen von über drei Monaten bis zu einem Jahr nur bei Beachtung zusätzlicher Anforderungen wirksam vereinbart werden können. Zudem soll die Kündigungsfrist für den Verbraucher auf einen Monat verkürzt werden.

Demnach sollen automatische Vertragsverlängerungen von mehr als drei Monaten nur noch dann zulässig sein, wenn Unternehmen ihre Vertragspartner vorher auf ihre Kündigungsmöglichkeit hingewiesen haben. Eine stillschweigende Vertragsverlängerung ist künftig nur noch dann erlaubt, wenn diese auf unbestimmte Zeit erfolgt und eine Kündigung jederzeit mit Monatsfrist möglich ist.

§ 312k - Kündigung von Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr
Verträge, die über das Internet abgeschlossen werden, sollen künftig auch online gekündigt werden können. Im Gesetz wurde nunmehr verankert, dass dafür ein „Kündigungsbutton“ auf der Webseite eines Unternehmens platziert werden muss. Stichtag für das Inkrafttreten ist der 01.07.2022.

§ 434 - Sachmangelbegriff
Nach der Neufassung des § 434 BGB ist eine Sache zukünftig frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang sowohl den subjektiven (Beschaffenheitsvereinbarung) als auch den objektiven Anforderungen (Branchenüblichkeit und Kundenerwartung) entspricht. Daneben werden Anforderungen an die Montage, bei Waren mit digitalen Inhalten an die Installierbarkeit, geregelt (§ 475b Abs. 2 BGB). Das objektive Fehlerverständnis ist bereits auch jetzt im Sachmangelbegriff zu finden. Die Vereinbarung über die Beschaffenheit obliegt den Parteien. Andererseits wird die Bedeutung des Sachmangelbegriffs durch Merkmale, wie z.B. die gewöhnliche Verwendbarkeit oder die übliche Beschaffenheit und den Montageanforderungen weiter geprägt. Dementsprechend wird zukünftig mehr denn je auf die durchschnittliche Käufererwartung abgestellt. Eine vertragliche Abweichung wird künftig nur noch unter hohen Anforderungen möglich sein (vgl. § 476 Abs. 1 S. 2 BGB-neu).

§ 439 - Nacherfüllung
In § 439 BGB wird für den Fall der Nachlieferung eine Verpflichtung zur Rücknahme des mangelhaften Gegenstandes auf eigene Kosten ergänzt. D. h. in § 439 Abs. 5 BGB wird die Obliegenheit des Käufers aufgenommen, dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung am Erfüllungsort der Nacherfüllungsverpflichtung zur Verfügung zu stellen. § 439 Abs. 6 BGB wird dahingehend ergänzt, dass es die Pflicht des Verkäufers ist, die im Wege der Nacherfüllung ersetzte Sache auch zurückzunehmen.

§§ 445a, 445b, 478 BGB - Lieferantenregress
Es wurde die Erweiterung des Regresses auf die Rücknahmekosten hinzugefügt, neben der Ersatzpflicht des Lieferanten für Aufwendungen des Verkäufers gegenüber dem Käufer wegen Verletzung einer Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB sowie die Abschaffung der Höchstgrenze der Ablaufhemmung von 5 Jahren seit Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer nach § 445b Abs. 2 BGB.

§ 475 – Anwendbare Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf
Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten bei Kenntnis von Mängeln wird durch § 442 BGB im Kaufrecht grundsätzlich ausgeschlossen. In § 475 Abs. 3 BGB-neu sollen nunmehr für den Verbrauchsgüterkauf abweichende Vereinbarungen ergänzt werden. Damit können Verbraucher künftig auch Mängelrechte geltend machen, obwohl sie den Mangel bei Vertragsschluss kannten.

Nach § 475 Abs. 5 BGB-neu muss die Nacherfüllung für den Verbraucher nicht nur unentgeltlich, sondern auch innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen.

Hinzu kommt die Einführung von Sonderbestimmungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach Rücktritt (§ 475 Absatz 6-neu). Darin erfolgt eine Definition grundlegender Mindestanforderungen für die Rückabwicklung des Kaufvertrags nach der Vertragsbeendigung wegen eines Mangels der Kaufsache: Verkäufer hat Kosten der Rückgabe der Sache zu tragen; Verkäufer den Kaufpreis zurückzuerstatten, sobald er die Sache zurückerhält bzw. der Käufer den Nachweis über die Rücksendung erbringt.

§§ 475b - 475e  – Regelungen des Verbrauchsgüterkaufvertrags über digitale Produkte
Bitte beachten sie nunmehr die Abgrenzung zwischen den Mangelbegriffen und die Neustrukturierung des Gewährleistungsrechtes:
  • Analoge Kaufsache, §§ 434 ff. BGB-neu
  • Kaufsache mit digitalem Element, §§ 434 ff., 475b ff., 327 ff. BGB-neu
  • Digitale Produkte, §§ 327d ff. BGB-neu
Daher vorab zur Kontrollfrage – Wo befindet sich der Mangel: An der Ware selbst (Hier tritt die kaufrechtliche Gewährleistung ein nebst Verbrauchsgüterkaufrecht) oder im Gegenzug an den enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkten, sodass die nachfolgenden Vorschriften entsprechend Anwendung finden.

§ 475b Abs. 1, 2 BGB:
Definiert den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen: Eine Ware, die digitale Produkte in einer solchen Weise enthält oder mit diesen verbunden ist, dass sie ihre Funktionen ohne Letztere nicht erfüllen kann, vgl. § 327a Abs. 3 Nr. 1 BGB-neu. Ein Beispiel hierzu kann dem Gesetzesentwurf entnommen werden: Wird in der Werbung angegeben, dass ein Smart-TV eine bestimmte Video-Anwendung enthält, so ist diese Video-Anwendung als Bestandteil des Kaufvertrags anzusehen.

§ 475b Abs. 3, 4 BGB:
Auch nach Gefahrübergang ist die Bereitstellung von Aktualisierungen erforderlich, soweit dies vereinbart oder üblicherweise zu erwarten ist. Ein Unterlassen stellt einen Sachmangel darf. Für die Frage, über welche Dauer der Verbraucher legitimierweise Aktualisierungen erwarten kann, können Werbeaussagen, die zur Herstellung der Ware verwendeten Materialien sowie der Kaufpreis zählen. Je höherwertig die Ware ist, desto länger darf mit Aktualisierungen gerechnet werden. Eine Rolle spielt dabei auch die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer von Waren der gleichen Art.

§ 475b Abs. 5 BGB:
Schließt unter Umständen die Haftung des Unternehmers aus, wenn der Verbraucher die Aktualisierung nicht installiert.

§ 475c BGB:
Nach § 475c II BGB haftet der Unternehmer dann während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für zwei Jahre nach Ablieferung der Ware dafür, dass diese den Anforderungen des § 475b II BGB an die Sachmangelfreiheit entspricht.

§ 475d BGB:
Die Voraussetzungen für den Rücktritt und die Minderung werden gesenkt. Nach § 475d BGB ist eine aktive Fristsetzung des Verbrauchers nicht mehr erforderlich. Der Verbraucher kann bereits zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, wenn er den Verkäufer vom Mangel unterrichtet und dieser in einer angemessenen Frist nicht nacherfüllt hat. Außerdem ist im Falle eines besonders schwerwiegenden Mangels ein sofortiger Rücktritt möglich. Auch bei den Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 281 BGB bedarf es der Fristsetzung dann nicht.

§ 475e BGB:
Enthält Regelungen zur Verjährung, insbesondere wichtige Fälle der Ablaufhemmung zur effektiven Geltendmachung der Verjährung bzw. zur Prüfung der Sache im Falle der Nacherfüllung.

§ 476 - Abweichende Vereinbarungen zum Verbrauchsgüterkauf
Die Einführung besonderer Anforderungen an die Vereinbarung einer Abweichung von objektiven Anforderungen an die Kaufsache wird eingeführt, § 476 Absatz 1 BGB-neu. Um den Parteien die Möglichkeit einzuräumen, beim Kauf gebrauchter Sachen die Haftungsdauer rechtssicher durch Vereinbarung zu verkürzen, soll § 476 BGB entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs angepasst und den Parteien erlaubt werden, sich auf eine Gewährleistungsfrist, die den Zeitraum von einem Jahr nicht unterschreiten darf, zu einigen. Allerdings werden die formellen Voraussetzungen für eine entsprechende Vereinbarung erheblich erhöht. Auch insoweit soll erforderlich sein, dass der Verbraucher über die kürzere Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt und diese ausdrücklich und gesondert im Vertrag vereinbart wird. Jedoch besteht weiterhin beim Verbrauchsgüterkauf neuer Sachen ein Verbot von haftungsbeschränkenden Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers, § 476 Abs. 1 Nr. 2 BGB-neu.

§ 477 - Beweislastumkehr
Die Verlängerung der Beweislastumkehr bei Mängeln wird von 6 Monate auf ein Jahr angehoben, § 477 Absatz 1 BGB-neu. Bei gebrauchten Sachen soll wieder eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr zugelassen werden. Verkäufer müssen beim B2C-Kauf künftig nicht – wie bisher – nur in den ersten sechs Monaten, sondern zwölf Monate nach Übergabe der Kaufsache beweisen, dass die Kaufsache mangelfrei war. Die Beweislastverlängerung im B2C-Geschäft hat damit eine empfindliche Verschärfung zulasten des Verkäufers erfahren. Die gesetzliche Vermutung kann zwar – wie bisher – widerlegt werden, etwa wenn der Verkäufer nachweisen kann, dass der Mangel durch unsachgemäße Behandlung oder durch Verschleiß entstanden ist. Eine solche Beweisführung kann aber aufwendig und schwierig sein. Die Verdoppelung der Frist auf ein Jahr wird den Handel deshalb aller Voraussicht nach mit mehr Streitfällen und höheren Kosten belasten.

§ 479 - Garantien
Die Bestimmungen für Garantien wurden weiterhin ergänzt. Nach § 479 Abs. 3 BGB muss eine Garantie künftig mindestens den Umfang des gesetzlichen Nacherfüllungsanspruchs haben.

Handelsunternehmen sind gefordert, die zahlreichen neuen gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen. Das betrifft nicht nur die vorgenannten Neuerungen. Auch bei der Garantie, dem Verkauf von gebrauchten Waren, Unternehmerrückgriff sowie in verschiedener anderer Hinsicht sind neue gesetzlichen Vorgaben zu beachten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten deshalb überprüft, das Verkaufspersonal geschult, das Beschwerdemanagement angepasst und die Vertragsverhältnisse in Bezug auf Hersteller und/oder Lieferanten mit Blick auf die Neuregelungen angepasst werden. Um Rechtsnachteile zu vermeiden, sollten die notwendigen Maßnahmen möglichst bereits seit dem Inkrafttreten des neuen Kaufrechts zum 1. Januar 2022 umgesetzt worden sein.
To-Do`s zur Umsetzung der neuen Regelungen:
  • Update bestehender Geschäftsmodelle, Verträge, Widerrufsbelehrungen und AGB
  • Aktualisierungen sicherstellen durch Informationen an den Verbraucher nebst entsprechenden Anpassungen der bestehenden Lieferverträge
  • Prozesse, Wertschöpfungskette anpassen hinsichtlich der neuen Bedingungen
Rechtsfragen und Antworten

Urlaub in Coronazeiten

Fallende Inzidenzzahlen und die Tatsache, dass einige Urlaubsregionen nicht mehr als Risikogebiete gelten, haben bei nicht wenigen Arbeitnehmer den Wunsch nach einem Urlaub im Ausland ausgelöst. Nun stellen sich viele Fragen: Darf der Arbeitnehmer sein Urlaubsland frei wählen? Was passiert, wenn sich der Arbeitnehmer nach dem Urlaub in Quarantäne begeben muss? Ist der Arbeitnehmer bei der Rückkehr zu einem Corona-Test verpflichtet? Und in welchen Fällen ist der Arbeitgeber von seiner Lohnfortzahlungspflicht befreit? Der Artikel gibt einen Überblick zu den wichtigsten Rechtsfragen in Zusammenhang mit Urlaubsreisen des Arbeitnehmers in Zeiten von Corona.

Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Urlaub im Risikogebiet verbieten?

Sind Urlaubstage erst einmal vom Arbeitgeber genehmigt, ist ihre Gestaltung prinzipiell private Angelegenheit des Arbeitnehmers. Dies gilt auch für die Wahl des Urlaubslands und ergibt sich aus dem im Grundgesetz verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG). Der Grundsatz gilt auch, wenn das Urlaubsland nach Einstufung des Robert Koch-Instituts ein sogenanntes Hochrisikogebiet oder Virusvariantengebiet ist (die maßgebliche Liste finden Sie auf der Seite des Robert Koch Instituts) und eine behördliche Reisewarnung des Auswärtigen Amts ausgesprochen wurde. Die Bundesregierung warnt zwar immernoch vor Reisen ins Ausland – derzeit besteht jedoch keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche den Urlaub im ausländischen Hochrisiko- oder Virusvariantengebieten verbietet. Es gibt aber arbeitsrechtliche Schranken: Insbesondere dann wenn der Urlaub im Virusvariantengebiet verbracht wird, muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber zwingend über den Aufenthalt informieren. Bei Konkretisierung des Urlaubs, spätestens jedoch bei der Rückkehr nach Deutschland muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber in Kenntnis setzen. Tut er dies nicht, kann diese Pflichtverletzung eine Abmahnung oder bei einem schweren Verstoß sogar die Kündigung zur Folge haben. Rechtsgrundlage für die Pflicht, den Arbeitgeber zu informieren, sind die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 618 BGB) und § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG, welcher den Arbeitgeber berechtigt, alle Fragen stellen, deren Beantwortung für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.

Muss der Arbeitnehmer nach dem Urlaub im Risikogebiet in Quarantäne? Muss er sich auf Corona testen lassen?

Zahlreiche beliebte Urlaubsländer sind derzeit als Hochinzidenzgebiet oder Virusvariantengebiet eingestuft. Die Rückkehr nach Deutschland ist dann in der Regel – insbesondere für ungeimpfte Personen – mit Einreiseanmeldung, Testnachweis und ggf. mit Quarantäne verbunden. In einem gesonderten Artikel zur Corona-Einreiseverordnung informieren wir über die konkreten Regelungen. Den Arbeitnehmer – abseits der gesetzlichen Regelungen – vor der Rückkehr in den Betrieb noch einmal zusätzlich zur gesetzlichen Regelung zum Corona-Test zu verpflichten, kann nicht verlangt werden. Es steht dem Unternehmer jedoch frei, den Arbeitnehmer noch einmal ausdrücklich auf bestehende Testmöglichkeiten hinzuweisen. Dem Arbeitnehmer ist es dann jedoch selbst überlassen, dieses Angebot anzunehmen oder abzulehnen.

Gibt es besondere Vorschriften bei der Einreise ins Urlaubsland?

Für zahlreiche Urlaubsländer gibt es noch gewisse Einreiseeinschränkungen. Eine Online-Vorabanmeldung der Einreise und ein Negativtest sind derzeit nicht unüblich. Über die jeweiligen aktuellen Vorschriften informiert das Auswärtige Amt.

Muss Lohn weitergezahlt werden wenn der Arbeitnehmer in Quarantäne ist und von dort aus nicht arbeiten kann?

Befindet sich der Arbeitnehmer aufgrund Verordnung oder behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne und kann dort nicht seine vertragsgemäße Arbeitsleistung erbringen, verliert er grundsätzlich seinen Lohnanspruch. Da ihm seine Arbeitsleistung unmöglich ist, geht der reguläre Lohnanspruch unter und mangels  Krankheitsfall liegt auch kein Fall der Entgeltfortzahlung vor. Sonderregelungen trifft das Infektionsschutzgesetz: Das Infektionsschutzgesetz sieht in § 56 IfSG einen Entschädigungsanspruch vor, den der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer als Lohnersatz zu zahlen hat. Der Arbeitgeber bekommt das Geld wiederum von der Verwaltung ersetzt. Der Entschädigungsanspruch hat allerdings zur Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer allein durch die genannten behördlichen Maßnahmen einen Verdienstausfall erleidet. Ist der Arbeitnehmer jedoch in ein Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet gereist und war sich dessen bewusst, so soll es keinen Entschädigungsanspruch geben: “Nach § 56 Abs. 1 S. 3 IfSG erhält keine Entschädigung, wer seine Quarantäne durch die Nichtbefolgung öffentlicher Empfehlungen mitverursacht hat”, so der Wortlaut des Gesetzes. In Ausnahmefällen soll es trotzdem einen Entschädigungsanspruch geben, insbesondere bei dringenden medizinische Behandlungen, bei behördlichen Terminen oder bei familiären Notfällen wie einer Beerdigung. Normale Urlaubsreisen oder Geburtstagsfeiern gehören jedoch ausdrücklich nicht dazu.

Der Arbeitnehmer erkrankt im Urlaub an Corona. Muss Lohn gezahlt werden?

Abgesehen davon, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber im Krankheitsfall unverzüglich über die Infektion informieren muss, gilt folgendes: Wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, hat er grundsätzlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz. Dieser Anspruch erlischt nur dann, wenn den Arbeitnehmer an der Erkrankung ein Verschulden trifft. Der Entschluss, den Urlaub im Risikogebiet zu verbringen kann zumindest in Verbindung mit anderen Sorgfaltspflichtverletzungen wie beispielsweise der Teilnahme an großen Veranstaltungen im Urlaubsland oder vergleichbarem Verhalten ein solches Verschulden darstellen. Die Rechtsprechung setzt an den Verschuldensbegriff jedoch recht hohe Anforderungen.

Was passiert, wenn der Arbeitnehmer nicht zurückfliegen kann?

Wenn der Arbeitnehmer aufgrund der weltweiten Reisebeschränkungen nach einem privaten Auslandsaufenthalt an der Rückreise gehindert ist und seine Tätigkeit nicht rechtzeitig wieder aufnehmen kann, fällt dies in seinen eigenen Risikobereich. Solche objektiven Leistungshindernisse sind als Wegerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen. Lohnansprüche gibt es deshalb grundsätzlich nicht. Eine Alternative zur arbeitgeberseitigen Einstellung der Lohnzahlung kann zunächst der Abbau von etwaigen (Rest-)Urlaubstagen oder Zeitguthaben sein.

Welche Konsequenzen hat es, wenn das Land während des Urlaubs bezüglich Risikoeinstufung hochgestuft wird?

Es gibt immer wieder neue Corona-Hotspots im In- und Ausland. Ein Land, welches heute noch als „sicher“ gilt, kann schon morgen vom RKI als Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiet eingestuft werden. Ist das Urlaubsland jedoch zum Zeitpunkt des Reiseantritts nicht als Hochinzidenz- oder Virusvariantengebiet aufgeführt, fällt der Umstand grundsätzlich nicht in die Risikosphäre des Arbeitnehmers. Etwaige Risiken wie Lohnfortzahlung im Quarantänefall und Lohnfortzahlung im Infektionsfall hat damit prinzipiell der Arbeitgeber zu tragen, schließlich kann dem Arbeitnehmer in der Regel kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. Wichtig ist jedoch immer eine Einzelfallbetrachtung. Wenn sich bereits vor Antritt der Reise abzeichnet, dass sich das Infektionsgeschehen stark verschärft, könnte sich dies zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken.

Praxistipps für Arbeitgeber

  • Die Belegschaft sollte auf die amtliche Liste der Risikogebiete hingewiesen werden. Zudem ist zu kommunizieren, dass im Falle der Urlaubsreise in ein Risikogebiet eine häusliche Quarantäne droht und möglicherweise der Entgeltanspruch entfallen kann.
  • Die Informationspflicht des Arbeitnehmers sollte vom Arbeitgeber genutzt werden, um abzuklären, ob die Reise wirklich notwendig ist. Wenn ja, dann sollte der Arbeitnehmer hinsichtlich Sicherheitsmaßnahmen sensibilisiert werden.
  • Urlaubsrückkehrer können zum Ausfüllen eines Fragebogens aufgefordert werden, in welchem bei der Rückkehr nach Deutschland die Reise in ein Risikogebiet und das Vorliegen von Krankheitssymptomen abgefragt wird. Die Frage nach dem konkreten Urlaubsland ist hier jedoch nicht zulässig. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte in diesen Prozess gegebenenfalls der Betriebsrat eingebunden werden.
Stand: August 2021
Rechtsfragen im Zusammenhang mit Urlaubsreisen in Risikogebiete erfordern häufig eine Einzelfallbetrachtung. Gern stehen Ihnen das Servicecenter Recht und das Servicecenter Recht International auf Anfrage mit einer Einschätzung der Rechtslage zur Verfügung.

Datenschutz

Datenübermittlungen ins Vereinigte Königreich

Seit Ablauf der Übergangsphase zum 31. Dezember 2020 ist das Vereinigte Königreich (VK) nicht mehr Teil des europäischen Binnenmarktes und der Zollunion.
Das VK gilt seitdem als sogenanntes Drittland im Sinne der DatenschutzGrundverordnung (DSGVO), d.h. ohne ein Abkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und Großbritannien, und ohne einen Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission im Hinblick auf ein der EU angemessenes Datenschutzniveau, wird das VK datenschutzrechtlich so behandelt, wie jeder andere Drittstaat (z.B. die USA) auch. Eine Übermittlung personenbezogener Daten ins VK wäre grundsätzlich nicht ohne zusätzliche Datenschutzgarantien (z.B. den Abschluss von EU-Standardvertragsklauseln) zulässig, damit ein der EU gleichwertiges Datenschutzniveau hergestellt werden kann.
Bisher war bis zum 30. Juni 2021  eine Übergangsregelung für Datenübermittlungen zwischen der EU und dem VK vorgesehen ohne dass weitere Datenschutzgarantien, wie Standardvertragsklauseln, getroffen werden müssten.
Am 28. Juni 2021 sind zwei Angemessenheitsbeschlüsse der Europäischen Kommission zum Datentransfer ins VK in Kraft getreten: einer im Rahmen der DSGVO und einer im Rahmen der Richtlinie zum Datenschutz bei der Strafverfolgung.
In einer Pressemitteilung teilte die EU-Kommission mit, dass im VK die rechtlichen Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten weiterhin vorhanden seien. Dort gelte für sie ein Schutzniveau, das dem Schutznivea des EU-Rechts. der Sache nach gleichwertig sei. Personenbezogene Daten können demnach ungehindert aus der Europäischen Union in das Vereinigte Königreich übermittelt werden.
Die Geltungsdauer der Angemessenheitsbeschlüsse ist auf vier Jahre begrenzt.
Wie bisher ist bei Datenübermitttlingen ins VK allerdings weiterhin zu berücksichtigen:
  • Die Datenübermittlung ins VK als Nicht-EU-Land sowie die vorhandenen Garantien, oder die Ausnahmen auf die man sich bezieht (Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission), sind im internen Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten zu dokumentieren. 
  • In der Datenschutzerklärung ist über die Datenübermittlung nach VK und über die vorhandenen Garantien oder Ausnahmen (Angemessenheitsbeschluss der EU-Kommission) zu informieren.
  • Wenn eine betroffene Person ein Auskunftsersuchen stellt, ist sie auch über die Datenübermittlung ins Drittland zu unterrichten.
Zum grundsätzlichen Verständnis bei Datenübermittlungen in Drittstaaten noch einmal folgende Zusammenfassung:
Unter die Übermittlung fällt nicht nur das Senden von Daten an den Empfänger, sondern auch die Möglichkeit des Zugriffs (z.B. das Auslesen einer Datenbank).Neben einer – wie bisher auch notwendigen –  Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten (z.B. die Anbahnung oder Durchführung von Vertragsverhältnissen oder eine Einwilligung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a beziehungsweise b DSGVO), bedarf es zur Herstellung eines angemessenen Datenschutzniveaus im Drittland bestimmter datenschutzrechtlicher Garantien. 
Solche Garantien sind insbesondere:
  1. Der Abschluss von EU-Standardvertragsklauseln. Dabei handelt es sich um Standardverträge zum Datenschutz, die unverändert zu übernehmen sind. Diese sind von der  durch die Europäische Kommission an die Anforderungen der DSGVO angepasst und am 4. Juni 2021 veröffentlicht worden. Dabei gibt es verschiedene Varianten des Datentransfers, die sich in einem Dokument befinden, und in vier verschiedene Module gegliedert sind, welche die Datenübermittlung zwischen unterchiedlichen Beteiligten regeln (z.B. die Übermittlung von personenbezogene  Daten zwischen Unternehmer und dem Auftragsverarbeiter und umgekehrt, die Übermittlung zwischen zwei Verantwortlichen, oder zwischen zwei Auftragsverarbeitern).
  2. Unternehmensinterne verbindliche Datenschutzvorschriften (sogenannte “Corporate Binding Rules”, das heißt konzernweite Regelungen für eine unternehmensinterne Datenübermittlung in Drittländer; die Einführung solcher Standards ist allerdings ein langfristiger und kostenintensiver Prozess).
  3. Individuell zwischen den Parteien ausgehandelte Datenschutzklauseln, die allerdings der Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde bedürfen.
Da die Corporate Binding Rules und individuelle Datenschutzverträge zeit- und kostenaufwendig sind,  ist es in der Regel gerade für kleinere und mittlere Unternehmen praktikabler auf die EU-Standardvertragsklauseln zurückzugreifen.
Ausnahmsweise ist eine Datenübermittlung auch ohne Garantien zulässig, wenn der Betroffene in den Datentransfer in das Drittland  eingewilligt hat und über das fehlende angemessene Datenschutzniveau informiert wurde. Eine Übermittlung ist auch möglich, soweit die Daten für vorvertragliche Maßnahmen oder zur Vertragsabwicklung erforderlich sind. In Betracht kommen insbesondere alltägliche Fälle in denen der Betroffene die vorvertraglichen oder vertraglichen Maßnahmen veranlasst hat. Beispielsweise die Reservierung von Hotels und internationaler Beförderungsleistungen, die Abwicklung internationaler Überweisungen durch die Bank, oder der Versand bestellter Ware zur Vertragserfüllung.




  

Recht und Steuern

Umsetzung zweite Stufe Mehrwertsteuerdigitalpaket ab 1. Juli 2021

Stand: Januar 2024
Globalisierung und Digitalisierung haben in den letzten Jahren zu einer extremen Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs geführt. Der Onlinehandel floriert. Dem gegenüber steht ein teils mit diesen Strukturen nicht kompatibles Umsatzsteuerrecht, welches zu Steuerausfällen und Wettbewerbsverzerrungen geführt hat. Bereits in 2016 hatte die EU-Kommission einen Aktionsplan für einen einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum vorgestellt. Daraufhin hatte der Rat der EU ein zweistufiges Paket zur Umsatzbesteuerung des grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehrs (Dienstleistungen und Lieferungen) in Kraft gesetzt.  Der deutsche Gesetzgeber hat das zweite digitale Mehrwertsteuerpaketes mit dem Jahressteuergesetz 2020 in nationales Recht umgesetzt.  Ziel ist die wirksame Umsetzung der Besteuerung nach dem Bestimmungslandprinzip. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Änderungen, welche zum 1. Juli 2021 in Kraft getreten sind. Insbesondere für den Versandhandel ergeben sich weitreichende Folgen.

1. Welche Unternehmen sind von den Regelungen betroffen?

Betroffen sind Unternehmen, die grenzüberschreitende Lieferungen und Leistungen an Nichtunternehmer mit Wohnsitz im EU-Ausland erbringen (sog. business to consumer – B2C). Diese Unternehmen werden in Fällen umsatzsteuerpflichtig, in denen sie die neue Liefer- und Leistungsschwelle in Höhe von 10.000 € überschreiten. Im Falle von Fernverkäufen (früher: Versendungsverkäufe) ersetzt die neue Geringfügigkeitsschwelle die bis zum 30. Juni 2021 geltenden teils unterschiedlichen Lieferschwellen der EU-Länder. Nähere Informationen zur alten und neuen Rechtslage bei Fernverkäufen enthalten unser Artikel Lieferungen an Nichtunternehmer im EU-Binnenmarkt (Rechtslage seit 01.07.2021).

2. Was ist das OSS-Verfahren?

Beim OSS („One Stop Shop“)-Verfahren handelt es sich um ein spezielles Besteuerungsverfahren, durch dessen Nutzung umsatzsteuerliche Registrierungen im EU-Ausland vermieden werden. Er erweitert den MOSS (Mini One Stop Shop), mit Hilfe dessen bislang nur Umsätze aus elektronischen Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Wohnsitz in der EU gemeldet worden waren. Nunmehr können Unternehmer auch Umsätze aus weiteren Dienstleistungen an EU-Verbraucher sowie aus Fernverkäufen (früher Versendungskäufe) melden. Die Nutzung des OSS ermöglicht die zentrale Erklärung der ausländischen Umsatzsteuer beim in Deutschland dafür zuständigen Bundeszentralamte für Steuern (BZSt). Auch die Bezahlung der Umsatzsteuer erfolgt über das BZSt. Die OSS-Meldungen erfolgen quartalsweise. Die Nutzung des OSS ist freiwillig. Ausführliche Informationen zur Neuregelung und zur Registrierung findet man auf der Homepage des Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).

3. Welche Unternehmen können das OSS -Verfahren nutzen?

Das OSS-Verfahren können sowohl EU-Unternehmen als auch Unternehmen nutzen, die nicht in der EU ansässig sind (Drittlandsunternehmen).

3.1. OSS Nicht-EU-Verfahren (§ 18i UStG)

Das OSS Nicht-EU-Verfahren können im Drittland ansässige Unternehmer nutzen, die innergemeinschaftliche Dienstleistungen an Nichtunternehmer in der EU erbringen. Dazu gehören nicht nur wie bisher elektronische Dienstleistungen, sondern alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet. Beispiele: grundstücksbezogenen Leistungen, Veranstaltungs- und Bildungsleistungen, Vermittlungsleistungen.

3.2. OSS EU-Verfahren (§ 18j UStG)

Das OSS EU-Verfahren können Unternehmen nutzen, die im Inland, in der EU und im Drittland ansässig sind und
  • innergemeinschaftliche Dienstleistungen an Nichtunternehmer erbringen
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe tätigen
  • als Betreiber einer Plattform Teil einer fiktiven Lieferkette sind
Beispiele:
  • Unternehmer D mit Sitz in Deutschland betreibt einen Onlineshop und beliefert Privatkunden in der EU. Er überschreitet die Lieferschwelle in Höhe von 10.000 €.
  • Unternehmer U aus den USA betreibt in Deutschland ein Lager, aus welchem er Privatkunden mit Sitz in der EU beliefert.
  • Online Händler S verkauft über den Onlinemarktplatz des Plattformbetreibers A Waren an Endkunden in Frankreich. A hat die Lieferschwelle von 10.000 € überschritten. Es wird ein Reihengeschäft zwischen Online Händler S, Plattformbetreiber A und Endkunde fingiert. Die Lieferung von S an A ist aufgrund einer Sonderregelung von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 4c UStG). Bei der Lieferung von A an den französischen Endkunden handelt es sich um einen in Frankreich steuerbaren Fernverkauf. A kann am OSS-Verfahren teilnehmen, um seine Steuerschulden zu deklarieren.
Wichtig:
  • Die Teilnahme am OSS kann nur einheitlich für alle EU-Mitgliedstaaten erfolgen.
  • Lokale innerdeutsche Lieferungen sind nicht über das OSS-Verfahren zu melden.
  • Lieferungen an Unternehmer sind nicht über das OSS-Verfahren zu melden.

4. Was ist der IOSS?

Am Import-One-Stop-Shop-Verfahren können sowohl Drittlandsunternehmen als auch EU-Unternehmen teilnehmen, wenn sie:
  • Waren mit einem Warenwert in Höhe von höchstens 150 € einführen
  • Und die Waren keiner Verbrauchsteuer unterliegen
Die Einfuhr ist in diesem Fall von der Umsatzsteuer befreit. Die Befreiung von der Umsatzsteuer für Waren in Kleinsendungen mit einem Wert bis zu 22 Euro entfällt. Ausführliche Informationen zum IOSS enthält der Artikel Abschaffung der 22-Euro Schwelle.

Weitere Fragen?
Für Mitgliedsunternehmen der IHK Region Stuttgart stehen die unter 'Kontakt' genannten Ansprechpartner gerne zur Verfügung. Freiberuflern und Privatpersonen können wir diesen Service leider nicht bieten. Unternehmen aus anderen Kammerbezirken bitten wir, bei ihrer jeweiligen IHK vor Ort nachzufragen.




Internationale Liefergeschäfte

UN-Kaufrecht

Wer international ein- oder verkauft, kommt nicht umhin, sich mit dem sogenannten UN-Kaufrecht zu befassen. Denn dieses speziell für Distanzgeschäfte konzipierte internationale Kaufrecht kommt bei fast allen Exportgeschäften, aber auch in sehr vielen Importfällen, zum Tragen. Manchmal sogar, ohne dass die Parteien das wissen.
Das UN-Kaufrecht oder in Englisch „United Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG)“ wurde 1980 verabschiedet und ist mittlerweile von allen führenden Wirtschaftsnationen ratifiziert. Da stetig Staaten hinzukommen, sollten Unternehmen sicherheitshalber die offizielle Liste der Ratifizierungen der UNCITRAL prüfen.
Mit dem UN-Kaufrecht existiert eine international vereinheitlichte und von vielen Staaten anerkannte Grundlage für die vertragliche Gestaltung von Warenkaufverträgen. Allerdings erstreckt sich der Regelungsgehalt des UN-Kaufrechts nicht auf sämtliche Aspekte der Vertragsbeziehung, sondern setzt den Schwerpunkt auf das Zustandekommen des Vertrages, die Rechte und Pflichten der Parteien und einige wenige für internationale Kaufverträge praxisrelevante Themen, wie beispielsweise Höhere Gewalt. Für alle übrigen rechtlichen Fragen ist dann das jeweils von den Vertragsparteien vereinbarte oder sonst gültige nationale Recht maßgeblich.
Verhältnis des UN-Kaufrechts zum deutschen Recht
In Deutschland trat das UN-Kaufrecht am 1. Januar 1991 in Kraft und ist seitdem Teil der nationalen Rechtsordnung. Damit kommt es nicht darauf an, ob UN-Kaufrecht ausdrücklich zwischen den Vertragsparteien vereinbart wird.
Während das BGB und das HGB für nationale Kaufverträge Anwendung finden, gilt das UN-Kaufrecht als Bestandteil des nationalen Rechts automatisch für internationale Warenkaufverträge, solange keine abweichende Parteivereinbarung (insbesondere der Ausschluss des UN-Kaufrechts) getroffen wird.
Die Bedeutung des UN-Kaufrechts für deutsche Exporteure und Importeure wird auch durch den Umstand belegt, dass bereits heute der weitaus größte Teil der deutschen Importe und Exporte mit Geschäftspartnern abgewickelt wird, die in Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts ansässig sind.
Was das UN-Kaufrecht ist, wann es einschlägig ist und was sonst noch in diesem Zusammenhang wissenswert ist, haben wir in einer Broschüre (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 408 KB) für Sie zusammengefasst.
Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des UN-Kaufrechts in Deutschland gab Germany Trade & Invest den Artikel „UN-Kaufrecht in Deutschland“ heraus. Darin werden unter Anderem die Praxisrelevanz für Warenexporte und die flexible Einsetzbarkeit diskutiert.
Reform des Insolvenzrechts

Präventive Restrukturierung

Stand: Januar 2021
Zum 1. Januar 2021 ist ein neues Sanierungsgesetz,  das sog. Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft getreten, das bedeutende Änderungen mit sich bringt. Das haben Bundestag und Bundesrat am 18. Dezember 2020 beschlossen.
Neu ist dabei der sog. präventive Restrukturierungsplan, der im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) geregelt ist und der die bislang bestehende Lücke zwischen einer außergerichtlichen Sanierung und einem formellen Insolvenzverfahren nach Insolvenzordnung (InsO) schließen soll. Zukünftig können Sanierungsmaßnahmen auch außerhalb einer Insolvenz- und gegen den Willen einzelner Gläubiger- umgesetzt werden.
Die Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens können Unternehmen nutzen, bei denen die Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht eingetreten ist. "Drohend" ist die Zahlungsunfähigkeit künftig dann, wenn das Unternehmen voraussichtlich innerhalb der kommenden zwei Jahre zahlungsunfähig werden wird. Hierzu wird u.a. § 18 InsO geändert. Ebenso angepasst wird der Begriff der Überschuldung nach § 19 InsO.
Wichtigstes Element des StaRUG ist der sog. Restrukturierungsplan, eine Art Gesamtvergleich mit den Gläubigern des Schuldners. Die Gestaltung und Verhandlung dieses Restrukturierungsplans kann im Grundsatz von dem Schuldner eigenverantwortlich und ohne Einbindung eines Gerichts gesteuert werden. Der darstellende Teil enthält das Restrukturierungskonzept, das auf Grundlage des Plans und mit der Bewirkung der im gestaltenden Teil vorgesehenen Rechtsfolgen verwirklicht werden soll. Über diesen Plan stimmen die Planbetroffenen, also insbesondere die Gläubiger ab. Hierfür werden die betroffenen Gläubiger in Gruppen eingeteilt. Die Wirksamkeit des Plans erfordert nicht die Zustimmung aller Gläubiger. Es reicht aus, wenn eine Mehrheit von 75 Prozent in jeder Gläubigergruppe erzielt wird. Einzelne Gruppen können überstimmt werden, wenn die Mehrheit der Gruppen dem Plan zustimmt. Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen kann also gegen den Willen einzelner Gläubiger umgesetzt werden.
Sollte die Geschäftführung ein Verfahren nach dem StaRUG in Betracht ziehen, bedarf es einer gewissen Vorbereitungszeit, die je nach Komplexität unterschiedlich lange sein kann. Um die Sanierungsmöglichkeiten des StaRUG nicht zu verpassen und Haftungsrisiken vorzubeugen, muss die Geschäftsführung die Liquiditätsentwicklung des Unternehmens genau im Auge behalten und für mindestens 24 Monate planen. Folgerichtig sieht das StaRUG auch die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems bei haftungsbeschränkten Unternehmen vor.
Zudem wurde mit dem SanInFoG das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz geändert und unter anderem die Insolvenzantragspflicht für den Monat Januar 2021 für Unternehmen ausgesetzt, bei denen die Auszahlung der seit dem 1. November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch aussteht. Die Aussetzung gilt aber nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.


Fachkräfteinwanderung

Vereinfachter Arbeitsmarktzugang für britische Staatsangehörige

Der Bundesrat hat am 18. Dezember 2020 der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung und der Aufenthaltsverordnung“ zugestimmt, wonach Briten in § 41 Aufenthaltsverordnung und in § 26 Abs.1 Beschäftigungsverordnung aufgenommen werden, d.h. sie werden aufenthalts- und beschäftigungsrechtlich zu den sogenannten „Best-Friends“-Staaten gehören.
Seit dem 1. Januar können britische Staatsangehörige, die nach Deutschland einreisen, unter erleichterten Bedingungen einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung erhalten. Das Vereinigte Königreich wird in die Liste der priviligierten Staaten aufgenommen, deren Staatsangehörige jede Beschäftigung unabhängig von einer Qualifikation ausüben dürfen. Die Vorrangprüfung und die Prüfung der Gleichwertigkeit der Beschäftigungsbedingungen werden von der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt.
Weitere Informationen sowie die Verordnung, welche am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, finden Sie auf der Seite des Bundesrats.

Änderungen im Maklerrecht

Gesetz zur Verteilung der Maklerkosten bei Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser

Die Immobilienwirtschaft wird, wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich, von zyklischen Schwankungen beeinflusst, was sich einerseits auf die Neubauinvestitionen und andererseits auf den Immobilienbestand auswirkt. Gleichzeitig ist die Immobilienbranche äußerst heterogen in Bezug auf regionale Trends. Neben Gebieten mit gestiegenen Kaufpreisen für Wohnimmobilien wie der Region Stuttgart, sind auch Regionen zu beobachten, in denen die Kaufpreise in den vergangenen Jahren gesunken sind. Diese unterschiedlichen Marktbedingungen fanden bislang zum Teil auch Ihren Niederschlag in unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten im Hinblick auf die Maklerprovision.
Künftig gelten bei vielen Immobilienverkäufen bundesweit einheitliche gesetzliche Regelungen für die Maklercourtage. Das ergibt sich aus dem durch den Bundestag am 14. Mai 2020 beschlossenen Gesetzesentwurf der Bundesregierung über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf am 5. Juni 2020 zugestimmt. Das Gesetz war Teil des am 18. August 2019 vereinbarten Wohn- und Mietenpakets der Bundesregierung.
In der Region Stuttgart wurden die Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäusern bislang bereits üblicher Weise gleichermaßen vom Käufer und vom Verkäufer getragen, so dass die nunmehr beschlossene gesetzliche Regelung zur Aufteilung der Maklerprovision zwischen Käufer und Verkäufer - zumindest in Baden-Württemberg - an sich bereits üblich war.
In Zukunft gilt:
  • Die gesamten Maklerkosten dürfen nicht mehr einseitig dem Käufer aufgebürdet werden, wenn auch der Verkäufer den Makler beauftragt hat. Wer einen Makler beauftragt, muss künftig mindestens 50 Prozent des gesamten Maklerlohns selbst tragen.
  • Eine Vereinbarung zur Übernahme der Maklerprovision ist nur wirksam, wenn die Partei, die den Makler beauftragt hat, zur Zahlung der Provision mindestens in gleicher Höhe verpflichtet bleibt. Die maximale Obergrenze 50 % der insgesamt zu zahlenden Maklerprovision ist damit verbindlich. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.
  • Zudem muss der Auftraggeber des Maklers künftig nachweisen, dass er seinen Anteil an der Maklerprovision in voller Höhe bezahlt hat, bevor er von der anderen Partei die Zahlung der übrigen Maklerprovision verlangen kann. Wird der Makler aber sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer gleichermaßen tätig (“Doppelbeauftragung”), gibt es hingegen keine Regelungen zur Zahlungsreihenfolge.
  • Im Falle einer Doppelbeauftragung kann der Makler eine Vergütung künftig nur von beiden Parteien zu gleichen Teilen verlangen.
  • Wird der Makler aufgrund einer Vereinbarung mit einer Partei für diese unentgeltlich tätig, so kann er auch von der anderen Partei keine Vergütung beanspruchen.
  • Die Neuregelung zur Verteilung der Maklerprovision ist auf Fälle beschränkt, in denen der Käufer der Immobilie ein Verbraucher ist.
  • Die Neuregelung gilt nicht für die Maklerverträge über Gewerbeimmobilien und Mehrfamilienhäuser sowie nicht für die Vermittlung von Mietverträgen.
  • Darüber hinaus gilt künftig ein Textformerfordernis für Maklerverträge über die Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (zum Beispiel eine E-Mail).
Das neue Gesetz über die Verteilung der Maklerkosten wurde am 23. Juni 2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 23. Dezember 2020 in Kraft getreten.
 In Fällen, in denen der Maklervertrag bereits vor dem 23. Dezember 2020 geschlossen, der Verkauf jedoch erst danach abgeschlossen wurde, sind die bis zum 23. Dezember 2020 geltenden Regeln anzuwenden. Die neu eingeführten Vorschriften betreffen also nur Maklerverträge, die ab dem 23. Dezember 2020 geschlossen werden.
Verkehrswirtschaft

Kabotagebeförderungen im Straßenverkehr

ACHTUNG: Entgegen der weit verbreiteten Wahrnehmung unterliegen nicht nur genehmigungspflichtige Fahrten (mit im gewerblichen Güterkraftverkehr eingesetzten Fahrzeugen, die eine zulässige Höchstmasse (zHm) von mehr als 2.500 kg aufweisen) den Kabotagebestimmungen. Auch leichtere Fahrzeuge, die von ausländischen Unternehmen für Binnenbeförderungen (für Dritte gegen Entgelt) eingesetzt werden, darunter insbesondere die mehr und mehr eingesetzten „(Plane-Spriegel-) Sprinter mit oder ohne Schlafkabine”, unterliegen den unten beschriebenen Einschränkungen. Dazu etwa folgender Hinweis zu den rechtlichen Gegebenheiten auf der Website des Bundesamtes für Güterverkehr:
„Vom Geltungsbereich der Vorschriften, die für Kabotagebeförderungen gelten, sind gemäß der Bestimmungen der Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 auch Fahrzeuge mit einem zGG von bis zu 3,5 t umfasst. Da auch Unternehmen, die unter die Freistellung nach Artikel 1 Absatz 5 c) (Kraftfahrzeuge bzw. Kraftfahrzeugkombination bis 3,5 t zGG) fallen, gemäß Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Kabotagebeförderungen durchführen können, gelten auch für diese Fahrzeuge die Voraussetzungen wie für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 t zGG.”*
Uns zugetragene Hinweise deuten darauf hin, dass die Kontrollbehörden derartige Fahrzeuge verstärkt auf die Einhaltung der Kabotagevorschriften kontrollieren. Dazu noch der Hinweis, dass auch die Bestimmungen des HGB zum Frachtgeschäft oder des CMR nicht erst dann gelten, wenn ein Fahrzeug mit einer zHm von mehr als 2.500 kg eingesetzt wird.

Grundsätze

Seit Mai 2010 sind die Regelungen über die Kabotage (Artikel 8 und 9 der Verordnung (EG) 1072/2009) in der gesamten EU in Kraft getreten. Somit ist EU-weit einheitlich geregelt, unter welchen Rahmenbedingungen welche Anzahl an Kabotagebeförderungen innerhalb welchen Zeitraumes durchgeführt werden dürfen und wie dies belegt werden muss.
Konkret dürfen im Anschluss an eine beladene grenzüberschreitende Beförderung, die vollständig im „Kabotageland“ entladen wurde, drei Kabotagebeförderungen innerhalb von sieben Kalendertagen durchgeführt werden („3 in 7 – Regel”). Die Sieben-Tage-Frist beginnt zu laufen, sobald die Güter der grenzüberschreitenden Beförderung vollständig entladen wurden. Wenn diese Entladung beispielsweise um 10:30 Uhr am Mittwoch stattgefunden hat, beginnt um 00:00 Uhr am Donnerstag die Sieben-Tage-Frist zu laufen. Deren Ende liegt dann am folgenden Mittwoch um 24:00 Uhr. Zur Fristenberechnung beachten Sie bitte die Ausführungen im Abschnitt “Was hat sich sich durch das “Mobilitätspaket I” geändert?”
Unter welchen Rahmenbedingungen eine Beförderungen in Deutschland als einzelne Kabotagebeförderung angesehen wird, ist im Folgeabschnitt beschrieben. In anderen EU-Mitgliedstaaten gelten in aller Regel abweichende Definitionen.
Die drei erlaubten Kabotagebeförderungen innerhalb der sieben Tage können in dem Staat, in dem die grenzüberschreitend beförderten Güter vollständig entladen wurden, durchgeführt werden (= Aufnahmemitgliedstaat). Der Frachtführer kann sich aber auch dafür entscheiden, einzelne der drei Kabotagebeförderungen oder alle drei Kabotagebeförderungen in anderen Mitgliedstaaten durchzuführen. Dafür gibt es die „1 in 3 – Regel”, die es ermöglicht, eine Kabotagebeförderung innerhalb von drei Tagen nach der unbeladenen Einfahrt in einen Mitgliedstaat durchzuführen. Dabei ist zu beachten, dass die „1 in 3 – Regel” lediglich innerhalb der „3 in 7 – Regel” angewendet werden darf. Ein bulgarischer Frachtführer könnte also nach der Entladung der grenzüberschreitend nach Deutschland beförderten Güter zunächst eine Kabotagebeförderung in Deutschland erbringen (eine von drei innerhalb von sieben Tagen), dann leer nach Frankreich fahren und dort eine Kabotage durchführen (die zweite von den erlaubten drei Kabotagebeförderungen innerhalb sieben Tagen, die er spätestens innerhalb von drei Tagen nach der unbeladenen Einfahrt nach Frankreich durchgeführt haben muss) und im Anschluss leer nach Belgien einfahren, um dort die dritte Kabotagebeförderung durchzuführen – die dritte der erlaubten drei, die innerhalb von sieben Tagen nach der Entladung in Deutschland und innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt nach Belgien durchgeführt worden sein muss. Im Anschluss an diese belgische Kabotagebeförderung kann das Land leer verlassen werden oder der bulgarische Frachtführer nimmt im Belgien eine grenzüberschreitende Beförderung in irgendeinen Mitglied- oder Drittstaat auf.
Sobald das Kontingent an Fahrten (drei bzw. eine) oder Tagen (sieben bzw. drei innerhalb sieben) aufgebraucht ist, muss eine beladene oder leere grenzüberschreitende Fahrt stattfinden (sofern der Frachtführer sein Fahrzeug nicht zum Stehzeug umfunktionieren möchte).

Was ist eine Kabotagebeförderung?

Infolge des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 31. Mai 2021 (Aktenzeichen 18 K 8314/18) ist für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland relativ eindeutig, wodurch eine einzelne Kabotagebeförderung gekennzeichnet ist. Grundsätzlich handelt es sich um „1” Beförderung, wenn ein Gut zwischen einem bestimmten Absender (= Vertragspartner des Frachtführers) und einem bestimmten Empfänger (= Begünstigter des Frachtvertrages; kann aber auch selbst Absender sein) befördert wird. 
Im konkreten Urteil wurde ein ausländischer Frachtführer durch einen in Deutschland ansässigen Auftraggeber damit beauftragt, Güter (hier: Gas) an mehr als drei wirtschaftlich unabhängige Abnehmer (Entladestellen) zu liefern. Nach Ansicht des Bundesamtes für Güterverkehr und bestätigt durch das genannte Urteil sind dies in Deutschland mehr als drei Kabotagebeförderungen.
Hätte es sich lediglich um einen Empfänger gehandelt, dem die Güter an mehr als einer Entladestelle angeliefert worden wären, würde es sich um „1” Kabotagebeförderung handeln (Beispiel: Erste Entladestelle ist die Zentrale der Hans Wurst KGaA, zweite Entladestelle ist das 5 km entfernte Außenlager der Hans Wurst KGaA und dritte Entladestelle ein 10 km entfernter Showroom der Hans Wurst KGaA). Ist die Hans Wurst KGaA gleichzeitig Absender als auch Empfänger, spielt die Anzahl der Be- und/oder Entladestellen keine Rolle (wobei hier dann die Ladekapazität des Fahrzeugs eine entscheidende Rolle spielen dürfte).
Wenn die von der Hans Wurst KGaA bestellte Ware jedoch nicht nur an dieses Unternehmen, sondern teilweise auch an die Hans Wurst Vertriebsgesellschaft mbH geliefert wird, handelt es sich um zwei verschiedene Empfänger und somit um zwei Kabotagebeförderungen.
Entscheidend ist also in erster Linie die frachtvertragliche Basis und wenn überhaupt nachrangig die Ladekapazität des Fahrzeugs oder andere Bezugsgrößen.
Hier die gegenüber der Klägerin im o.g. Verfahren zum Ausdruck gebrachte Auffassung des BAG zum Thema „1” Kabotagebeförderung bzw. „1” Beförderungsvorgang im Wortlaut: „Ein einzelner Beförderungsvorgang liege vor, wenn das Transportgut im Auftrag eines bestimmten Absenders an einen bestimmten Empfänger verbracht werde. Dies gelte unabhängig davon, ob Teile der Sendung an verschiedenen Orten übernommen und an verschiedenen Ablagestellen abgeliefert würden. Mehrere Kabotagebeförderungen lägen hingegen vor, wenn für mehrere Absender Fracht befördert oder diese an mehrere Empfänger geliefert werde. Unerheblich sei, ob ein Transport, bei dem der Absender identisch sei und das Transportgut am selben Ort zur selben Zeit aufgenommen werde, in einer Summe vergütet werde oder nicht.”

Welche Nachweise müssen vorgelegt werden?

Dass die rechtlichen Vorgaben eingehalten wurden, muss durch entsprechende Beförderungspapiere nachgewiesen werden. Üblicherweise genügt dazu ein Frachtbrief, der mindestens folgende Angaben umfassen muss (vgl. Artikel 8 Absatz 3 der VO (EG) Nr. 1072/2009):
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Absenders
  • Name, Anschrift und Unterschrift des Verkehrsunternehmers (Frachtführer)
  • Name und Anschrift des Empfängers sowie nach erfolgter Lieferung dessen Unterschrift und das Datum der Lieferung
  • Ort und Datum der Übernahme der Ware sowie die Lieferadresse
  • die übliche Beschreibung der Art der Ware und ihrer Verpackung sowie bei Gefahrgütern ihre allgemein anerkannte Beschreibung, die Anzahl der Packstücke sowie deren besondere Zeichen und Nummern
  • die Bruttomasse der Güter oder eine sonstige Mengenangabe
  • das amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs und des Anhängers
Der vor der ersten Kabotagebeförderung stattgefundene grenzüberschreitende Transport muss in Form eines CMR-Frachtbriefes nachgewiesen werden. Bei unbeladener Einfahrt in das „Kabotageland“ gibt es einen solchen natürlich nicht, was auch das Indiz dafür wäre, dass nur eine Kabotagefahrt innerhalb von drei Tagen erlaubt ist. Dann sind aber die Nachweise für die originäre grenzüberschreitende Lastfahrt (und ggf. bereits durchgeführte Kabotagebeförderungen) zu erbringen, da nur infolge dieser Beförderung die Erlaubnis zur Kabotage überhaupt erworben wurde.

Was hat sich durch das „Mobilitätspaket I”geändert?

Durch das am 31. Juli 2020 veröffentlichte „Mobilitätspaket I” ergeben sich ab dem 21. Februar 2022 Änderungen bei den Kabotagereglungen. Konkret sind die neuen Regelungen in der Verordnung (EU) 2020/1055 hinterlegt, die insbesondere die Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009 und (EG) Nr. 1072/2009 ändert.
Über den Februar 2022 hinaus bleibt es bei der zuvor beschriebenen „3 in 7” bzw. „1 in 3”-Regelung hinsichtlich der Anzahl der erlaubten Kabotagebeförderungen. Neu wird sein, dass nach „Verbrauch” des Kabotagepensums, wenn also entweder die X Beförderungen oder die X Tage erbracht wurden bzw. abgelaufen sind, mit dem Fahrzeug innerhalb von vier Tagen nach Ende der Kabotagebeförderungen keine weiteren Kabotagebeförderungen in diesem sogenannten Aufnahmemitgliedstaat mehr durchgeführt werden dürfen. Diese „Abkühlphase” soll sicherstellen, dass Kabotage nicht systematisch - also dauerhaft - betrieben wird.
Aufgrund wirtschaftlicher Interessen bzw. Zwänge wird das Fahrzeug mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit also nach den erlaubten Kabotagefahrten den Aufnahmemitgliedstaat beladen oder unbeladen verlassen und etwa für weitere grenzüberschreitende Beförderungen oder Kabotagetransporte in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden müssen.
Da die Neuerungen aus der VO (EU) 2020/1055 in zahlreichen Details unklar formuliert sind, hat die EU-Kommission auf der Webseite der Generaldirektion Mobilität und Verkehr einen Fragen-Antworten-Katalog zu den neuen Kabotagevorschriften veröffentlicht. Darin werden sowohl die bisherigen Regelungen als auch die Neuerungen angesprochen. 
Bitte beachten Sie, dass nach Meinung der EU-Kommission bei der Berechnung der Fristen die Vorgaben der VO (EWG, Euratom) 1182/71 angewendet werden sollen. Verkürzt ausgedrückt sind deshalb bei der Fristenberechnung Samstage, Sonntage und Feiertage grundsätzlich nicht mehr zu berücksichtigen. Außerdem müssen Zeiträume, die mindestens zwei Kalendertage umfassen, mindestens zwei Arbeitstage (Montag bis Freitag) umfassen. Einige Beispiele zur Fristenberechnung sind im oben verlinkten Fragen-Antworten-Katalog enthalten.
Dokumentation, Mitführungspflichten und Kontrollen
Weiterhin muss im Umfang der obigen Auflistung für jede Kabotagebeförderung ein Nachweis vom Unternehmen erbracht werden können. Hinzu kommt, dass sich die Nachweispflicht auch auf die der ersten Kabotagebeförderung vorhergehenden vier Tage ausweitet, um die neu eingeführte Abkühlphase kontrollierbar zu gestalten.
Der Fahrer ist verpflichtet, die Nachweise, die explizit auch in elektronischer Form (insbesondere eCMR) vorgelegt werden können, mitzuführen. Dokumente, die im Unternehmen, nicht aber beim Fahrer vorliegen, können in Straßenkontrollen seitens des Fahrers angefragt und „vor dem Abschluss der Straßenkontrolle” (???!!!) vom Unternehmen bereitgestellt werden.
Um die Kontrollierbarkeit zu verbessern ist zudem vorgesehen, dass künftig auch die über einen Fahrtenschreiber aufgezeichneten Informationen ausgewertet werden, weshalb es von großer Bedeutung war, die Pflicht zur Aufzeichnung von Grenzübertritten seit dem 20. August 2020 bei analogen und seit 02. Februar 2022 bei digitalen Fahrtenschreibern gesetzlich zu fixieren. Wenn über die ab 21. August 2023 neu eingeführte Version 2 der intelligenten Fahrtenschreiber auch Be- und Entladevorgänge erfasst werden sollten (bislang fehlt es an einer gesetzlichen Verpflichtung dazu für den Fahrer) und diese neueste Version in der Folge bis August 2025 in allen grenzüberschreitend eingesetzten Fahrzeugen eingebaut sein müssen, wird eine bislang weit aufklaffende Kontrollierbarkeitslücke zusehends geschlossen.
Beim Risikoeinstufungssystem hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Unternehmen bzw. Verkehrsleiter wurde durch das Mobilitätspaket auch die Verstoßkategorie „Kabotage” hinzugefügt, was eine weitere Motivation für künftig rechtskonformeres Verhalten sein dürfte.
Die Mitgliedstaaten werden zudem verpflichtet, mindestens zwei Mal pro Jahr untereinander abgestimmte spezifische Kabotagekontrollen durchzuführen, an denen sich im Einzelfall mindestens zwei Mitgliedstaaten beteiligen müssen.
Änderungen beim Vor- und Nachlauf im grenzüberschreitenden Kombiverkehr?
Bis Februar 2022 wird der rein innerstaatliche Straßentransport im Vor- und Nachlauf zu einem grenzüberschreitenden kombinierten Verkehr nicht als gesonderter Kabotagetransport eingestuft, sondern als Teil der grenzüberschreitenden Beförderung betrachtet. Den Mitgliedstaaten wird künftig die Möglichkeit eingeräumt, diese Transporte unter spezifischen Voraussetzungen auch als Kabotagetransport einzustufen. Es wird sich zeigen, wie sich Bund und Länder in der Sache positionieren und ob es an dieser Stelle zum Paradigmenwechsel kommt.

Was ist darüber hinaus zu beachten?

Bitte beachten Sie, dass auch der Auftraggeber einer Transportdienstleistung, die mit einem Fahrzeug mit einer zHm von mehr als 3.500 kg erbracht wird, aus dem Güterkraftverkehrsrecht heraus haftungsrechtliche Konsequenzen befürchten muss, wenn er nicht überprüft hat, ob das beauftragte Unternehmen die rechtlichen Voraussetzungen zur Durchführung der konkreten Transporte erfüllt (will sagen: im Besitz einer entsprechenden GÜLTIGEN Genehmigung ist). Unter der Überschrift „Kontrollpflichten des Auftraggebers” haben wir die wesentlichen Informationen zusammengetragen.
Auch im Fahrpersonalrecht bestehen für nahezu alle in der Transportkette Beteiligten im Einzelfall Verantwortlichkeiten und Haftungsfallen.
Ebenso sollten ergänzend die Informationen des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) beachtet werden. Auf der Website des BAG ist auch der Buß- und Verwarnungsgeldkatalog zum Güterkraftverkehrsrecht hinterlegt. Bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Vorschriften können diesem zufolge Bußgelder von bis zu 2.500 Euro erhoben werden.
* Die zitierten Ausführungen des BAG basieren noch auf der bis 20. Mai 2022 geltenden Rechtslage, dernach im grenzüberschreitenden Einsatz eine Genehmigung erst dann notwendig war, wenn das Fahrzeuge (oder die Zugfahrzeug-Anhänger-Kombination) eine zulässige Höchstmasse (zHm) von mehr als 3,5 t aufgewiesen hatte. Seit 21. Mai 2022 beträgt die Tonnagegrenze hinsichtlich der Genehmigungspflicht mehr als 2,5 t zHm.
Stand: Juni 2022

Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer Firma

Sie möchten eine neue Firma oder eine Änderung der Firma beim Handelsregister anmelden und klären, ob die Firma eintragungsfähig ist?
Über unseren  Onlineservice „Firmenprüfung” können Sie die firmenrechtliche Zulässigkeit der Firma einfach und kostenlos von uns prüfen lassen, wenn der Sitz des Unternehmens im Kammerbezirk der IHK Region Stuttgart liegt. Diesen Service bietet die IHK auch für die Prüfung des Namens einer eGbR an, die im Gesellschaftsregister eingetragen wird. Gegenstand der firmenrechtlichen Prüfung ist die Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft (Namensqualität), eine mögliche Irreführungseignung und die deutliche Unterscheidbarkeit der Firma von anderen Firmen mit demselben Sitz. Sie erhalten eine schriftliche Stellungnahme, die dem Registergericht vorgelegt werden kann. Das Registergericht entscheidet über die Eintragungsfähigkeit einer Firma nach eigenem Ermessen. Die Stellungnahme der IHK Region Stuttgart trägt dazu bei, Komplikationen im Eintragungsverfahren zu vermeiden und die Eintragung zu beschleunigen.

Ihre Vorteile:
  • Der Onlineservice steht Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.
  • Sie erhalten eine Stellungnahme im PDF-Format per E-Mail.
  • Ist die Firma rechtlich problematisch, hilft Ihnen die IHK, eine Lösung zu finden.
  • Die Eintragung in das Handelsregister kann beschleunigt werden.
  • Der Service ist für Sie komplett kostenfrei.

Transparenz auf Online-Plattformen

Mit der “Platform to Business-Verordnung” (P2B VO) soll das Kräfteverhältnis zwischen Online-Vermittlungsdiensten bzw. Online-Suchmaschinen und Unternehmern ausgeglichen werden. Online-Marktplätze verfügen über eine große Verhandlungsmacht und spielen im E-Commerce eine immer zentralere Rolle. Neben den klassischen Handelspattformen wie Amazon und ebay erfasst die Verordnung auch Reiseportale, Preisvergleichsportale, Online-Suchmaschinen, App Stores oder soziale Netzwerke in denen Unternehmen gegenüber Verbrauchern ihre Waren oder Dienstleistungen anbieten. Vor allem kleine und mittelständische Händler und Unternehmen sind auf solche Online-Portale als Vertriebskanäle angewiesen. Durch die P2B VO sollen die Unternehme mehr Rechte erhalten und bezüglich der Geschäftsbedingugen der Plattformbetreiber mehr Transparenz hergestellt werden.

Anwendungsbereich

Anwendung findet die P2B VO für Anbieter von Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen unabhängig vom Niederlassungsort oder Wohnsitz, d.h. grundsätzlich auch auf Anbieter mit Sitz außerhalb der Europäischen Union (EU). Die gewerblichen Nutzer bzw. Nutzer mit Unternehmenswebeite müssen ihre Niederlassung bzw. ihren Wohnsitz in der EU haben und über die Plattform Waren oder Dienstleistungen an in der EU befindlichen Verbraucher anbieten.
Sie findet keine Anwendung auf:
  • sogenannte Peer-to-Peer Online-Vermittlungsdienste ohne Beteiligung gewerblicher Nutzer,
  • reine Business-to-Business Online-Vermittlungsdienste, die nicht Verbrauchern angeboten werden,
  • Online-Zahlungsdienste und Online-Werbebörse

Transparente Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Anforderungen, die Plattformanbieter künftig beachten müssen sind insbesondere AGB und Informationspflichten.
Die AGB müssen nach Art. 3 Abs. 1 der P2B VO
  •  klar und verständlich formuliert sein,
  • zu jedem Zeitpunkt der Geschäftsbeziehung (auch vor Vertragsabschluss) zwischen Plattform und gewerblichen Nutzer leicht verfügbar sein,
  • die Gründe benennen, bei deren Vorliegen die Nutzung der Plattformanbieter vollständig oder teilweise ausgesetzt, beendet oder auf andere Weise eingeschränkt werden kann,
  • Informationen über zusätzliche Vertriebskanäle oder etwaige Partnerprogramme enthalten, über die der Plattformanbieter die vom gewerblichen Nutzer angebotenen Waren und Dienstleistungen zusätzlich vermarkten könnte (z.B. die Hervorhebungen von Produkten auf der Startseite der Plattform oder konkrete Werbung in Newslettern), und
  • allgemeine Informationen zu den Auswirkungen auf das geistige Eigentum der gewerblichen Nutzer (z.B. Urheberrechte bei Nutzung von Produktbildern).
Achtung: über geplante Änderung der AGB sind die gewerblichen Nutzer frühzeitig, spätestens aber 15 Tage vor Umsetzung der Änderung, zu informieren. Die gewerblichen Nutzer können entweder durch eine schriftliche Erklärung oder eine eindeutige bestätigende Handlung auf diese Frist verzichten. Über die geplanten Änderungen der AGB ist mittels einem dauerhaften Datenträger zu informieren. Im Falle von Änderungen der AGB hat der gewerbliche Nutzer künftig ein Kündigungsrecht. AGB, die den genannten Bedingungen nicht entsprechen, sind nicht rechtsverbindlich.

Offenlegen von Rankingparametern

Künftig müssen die AGB der Plattformen und die Anbieter von Online-Suchmaschinen die Hauptparameter erläutern, die das Ranking (also die Platzierung oder das Hervorheben von Produkten oder Dienstleistungen) bestimmen und die Gründe für ihre Gewichtung gegenüber anderen Parametern angeben. Das gleiche gilt für Online-Suchmaschinen. Diese müssen über die Rankingmechanismen klare und eindeutig formulierte Erläuterungen bereitstellen, die öffentlich leicht verfügbar sind. Können Plattformnutzer gegen Entgelt das Ranking beeinflussen, ist darüber zu informieren wie sich derartige Entgelte auf das Ranking auswirken. Darunter fallen auch sogenannte indirekte Entgelte, wie die Nutzung von Zusatzdiensten oder Premiumfunktionen. Offenzulegen sind:
  • die Merkmale der Waren und Dienstleistungen, die Verbrauchern über Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen angeboten werden,
  • die Relevanz dieser Merkmale für diese Verbraucher,
  • im Falle von Online-Suchmaschinen die Gestaltungsmerkmale der Website, die von Nutzern mit eigener Website verwendet werden.
Details über die Funktionsweise der Rankingmechanismen und Algorithmen brauchen nicht offengelegt werden.

Verfahren für außergerichtliche Streitbeilegung

Plattformen müssen ein leicht zugängliches und kostenloses internes und System für die Bearbeitung von Beschwerden gewerblicher Nutzer einrichten. Die AGB müssen auf Zugang und Funktionsweise des Beschwerdesystems Bezug nehmen. Die Wirksamkeit des Beschwerdesystems ist einmal jährlich öffentlich auszuwerten. Außerdem sind in den AGB einen oder mehrere Mediatoren anzugeben, mit denen die Plattformen bereit sind zusammenzuarbeiten, um mit gewerblichen Nutzern eine außergerichtliche Streitbeilegung zu erzielen, wenn die Beschwerde nicht nach dem internen Beschwerdesystem gelöst werden kann.

Weitere Anforderungen

Bietet der Plattformanbieter auch selbst Waren und Dienstleistungen auf seiner Plattform an, kann daraus eine unterschiedliche Behandlung zwischen seinem Angebot und dem der gewerblichen Nutzer entstehen. Daher müssen die AGB eine etwaige unterschiedliche Behandlung erläutern.
Schränken Plattformbetreiber gewerbliche Nutzer in ihrer Möglichkeit ein, Verbrauchern dieselben Waren und Dienstleistungen auf anderen Vertriebskanälen, z.B. auf einer konkurrierenden Plattform, einzustellen, oder wird gewerblichen Nutzer untersagt auf der eigenen Webseite zu besseren Konditionen anzubieten als auf der Plattform (sog. Bestpreisklauseln), müssen die AGB die Gründe hierfür angeben und diese öffentlich leicht verfügbar machen.
Von datenschutzrechtlicher Seite ist in den AGB zu informieren:
  • über das Bestehen oder das Fehlen eines Zugangs zu personenbezogenen oder sonstigen Daten, die gewerbliche Nutzer oder Verbraucher für die Nutzung der betreffenden Plattform  zur Verfügung stellen oder die im Zuge der Bereitstellung der Plattform generiert werden, und
  • ob der Plattformbetreiber Zugang zu diesen Daten hat, sowie gegebenenfalls darüber, zu welchen Kategorien dieser Daten und zu welchen Bedingungen er Zugang hat.
Die P2B VO gilt ab dem 12. Juli 2020 unmittelbar und verbindlich in jedem europäischen Mitgliedstaat. Bußgelder bei Nichteinhaltung der vorgenannten Anforderungen sieht die Verordnung nicht unmittelbar vor. Allerdings sollen die Mitgliedstaaten eigene Vorschriften erlassen, die bei Verstößen anwendbar sind, und deren Umsetzung sicherstellen
Plattformbetreiber sollten jedenfalls bereits jetzt ihre AGB auf Anpassungsbedarf überprüfen und ggf. erforderliche Änderungen veranlassen.
Die einzelnen Anforderungen können nochmals in der P2B VO nachvollzogen werden.

Voraussetzungen, Antragstellung und Abrechnung

FAQs zur Kurzarbeit

Stand: Juli 2023
Update Juli 2023:
Alle Sonderregelungen zum erleichterten Bezug von Kurzarbeitergeld sind zum 30. Juni 2023 ausgelaufen. Seit dem 1. Juli 2023 gelten wieder die regulären Voraussetzungen, die vor der Pandemie galten: 
  • Mindestens ein Drittel der Beschäftigten in einem Betrieb müssen einen Entgeltausfall von mehr als 10 % haben.
  • Sofern eine Regelung im Betrieb besteht, die den Aufbau von Minusstunden im Rahmen eines Arbeitszeitkontos zulässt, müssen grundsätzlich Minusstunden aufgebaut werden, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann. Nur wenn der Arbeitsausfall bereits vor Juli 2023 eingetreten ist, müssen für diesen Arbeitsausfall ausnahmsweise keine Minusstunden gebildet werden.
  • Leiharbeitnehmer erhalten kein Kurzarbeitergeld mehr.
Weitere Informationen hierzu finden Sie im nachfolgenden Text.

I. Fragen zu den Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes

1. Was versteht man unter Kurzarbeit?

Kurzarbeit beschreibt die vorübergehende Herabsetzung der betriebsüblichen Arbeitszeit unter gleichzeitiger entsprechender Kürzung des Arbeitsentgelts. Wird der Betrieb vollständig eingestellt, spricht man von „Kurzarbeit auf Null“.
Kurzarbeit führt zu einer (teilweisen) Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis: der Arbeitnehmer wird von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung (teilweise) befreit, verliert aber entsprechend seinen Vergütungsanspruch.

2. Was ist Kurzarbeitergeld (KUG)?

Kurzarbeitergeld (KUG) wird von der Agentur für Arbeit als teilweise Ersatz für den durch den vorübergehenden Arbeitsausfall entfallenen Lohn gezahlt. Der Arbeitgeber wird dadurch bei den Personalkosten vorübergehend entlastet, wodurch Kündigungen der Beschäftigten vermieden werden können.

3. Kann der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit anordnen?

Nein. Kurzarbeit kann nicht ohne Weiteres einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Die Anordnung der Kurzarbeit ist nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst. Kurzarbeit muss daher arbeitsrechtlich zulässig eingeführt werden
  • durch Tarifvertrag,
  • durch Betriebsvereinbarung,
  • durch Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag oder
  • durch einzelvertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern.
Wenn kein Betriebsrat und keine tarifvertragliche Regelung zur Kurzarbeit existiert, müssen alle Arbeitnehmer, die von der Kurzarbeit betroffen sind, dieser zustimmen. Der Arbeitgeber und die Arbeitnehmer müssen eine vertragliche Vereinbarung treffen, die schriftlich festgehalten und folgende Punkte beinhalten sollte:
  • Bestimmung von Beginn und Dauer der Kurzarbeit ggf. mit Ankündigungsfrist
  • Umfang der Kurzarbeit (Umfang der Arbeitszeit während der Kurzarbeitsphase)
  • Regelung, wonach der Arbeitgeber jederzeit durch einseitige Erklärung berechtigt ist, die Kurzarbeit mit einer Ankündigungsfrist (z.B. von 3 Tagen) vorzeitig zu beenden, wenn die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit nicht mehr vorliegen
  • Höhe des KUG
  • Ggf. Regelung zur Reduzierung von Guthaben auf Arbeitszeitkonten oder Aufbau von Minusstunden vor Beginn der Kurzarbeit
  • Ggf. Regelung zur Kürzung des Urlaubsanspruchs entsprechend der verkürzten regelmäßigen Arbeitszeit für die Dauer der Kurzarbeit
  • Ggf. Regelung bezüglich des vorhandenen Resturlaubs aus dem Vorjahr vor Beginn der Kurzarbeit
Hinweis: Im Dokument „Anzeige über Arbeitsausfall“ wird explizit nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen zur Einführung der Kurzarbeit gefragt. Die entsprechende Vereinbarung (z.B. Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern) ist in Kopie beizufügen.

4. Was sind die Voraussetzungen für den Bezug von KUG?

Damit Arbeitgeber für ihre Beschäftigten KUG erhalten können, müssen folgende Mindestvoraussetzungen nach § 95 SGB III vorliegen:
  • In einem Betrieb muss ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen (siehe Fragen 5. bis 12.),
  • die betrieblichen Voraussetzungen müssen vorliegen, d.h. in dem betroffenen Betrieb muss mindestens ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt sein (siehe Frage 13.),
  • die geforderten persönliche Voraussetzungen bei den Beschäftigten, für die KUG beantragt wird, müssen vorliegen, insbesondere eine ungekündigte versicherungspflichtige Beschäftigung (siehe Fragen 14. bis 17.) und
  • der Arbeitsausfall muss der Agentur für Arbeit angezeigt werden (siehe II. Frage 1.).

5. Wann liegt ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vor?

Ein Arbeitsausfall mit Entgeltausfall ist erheblich, wenn
  • er auf wirtschaftlichen Gründen oder auf einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  • er vorübergehend ist,
  • er nicht vermeidbar ist und
  • in dem betroffenen Betrieb im Anspruchszeitraum (im jeweiligen Kalendermonat) mindestens ein Drittel der Beschäftigten wegen des Arbeitsausfalls ein um mehr als 10 % vermindertes Bruttomonatsentgelt erzielt.
Hinweis: Bis zum 30. Juni 2023 hat es ausgereicht, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen waren. Diese Sonderregelung zum erleichterten Bezug von KUG wurde nicht weiter verlängert, sodass ab dem 1. Juli 2023 wieder die reguläre Ausfallquote von einem Drittel der Beschäftigten gilt.

6. Wann beruht ein Arbeitsausfall auf wirtschaftlichen Gründen?

Der Begriff „wirtschaftliche Gründe“ ist im Gesetz nicht näher definiert. Allgemein gehören hierzu alle Störungen, die sich durch Marktveränderungen oder -verschiebungen aus der Teilnahme des Betriebs am Wirtschaftsleben ergeben.
Wirtschaftliche Gründe für einen Arbeitsausfall können beispielsweise ein:
  • Auftrags-/Nachfragerückgänge aufgrund der Konjunkturlage oder von Rezession (z.B. wenn aufgrund des Kriegsgeschehens in der Ukraine Zulieferer ausfallen oder Absatzmärkte wegfallen)
  • Strukturelle Veränderungen in einzelnen Branchen oder Regionen der Wirtschaft (z.B. neue Produkte verdrängen alte, weltwirtschaftliche Konkurrenz)
  • Grundlegende und allgemeine Änderungen in der technischen und organisatorischen Produktionsweise (z.B. Verwendung neuer Materialien oder die Einführung neuer Produktionsformen)
  • Störungen in der arbeitsteiligen Organisation der Wirtschaft oder der wirtschaftlichen Infrastruktur (z.B. fehlende Transportmöglichkeiten, Rohstoff- oder Werkstoffmangel)
Aber nicht alle wirtschaftlichen Gründe für einen Arbeitsausfall führen zu einem Anspruch auf KUG. Das KUG ist keine Versicherung gegen das allgemeine Betriebsrisiko. Grundsätzlich soll der einzelne Unternehmer das Wirtschafts- und Betriebsrisiko selber tragen.
Folgende Ursachen scheiden als wirtschaftliche Gründe aus:
  • rein betriebsinterne Ursachen (z.B. Umorganisation oder Rationalisierungsmaßnahmen zur Ertragssteigerung)
  • Ursachen, welche im Wesentlichen auf Managementfehlern und wirtschaftlichen Fehleinschätzungen beruhen
  • Akzeptanzverlust eines Produkts (wenn ein Produkt z.B. auf Grund allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen aus der Mode kommt)
  • Preissteigerungen (aktuell insbesondere beim Gas und anderen Energieträgern) sind für sich genommen keine wirtschaftlichen Gründe. Die Bundesagentur für Arbeit ordnet Preissteigerungen als übliches, allgemeines Marktrisiko ein. Ein wirtschaftlicher Grund für einen Arbeitsausfall kommt erst dann in Betracht, wenn infolge der Weitergabe von Preissteigerungen an den Kunden und ein darauffolgendes Ausbleiben der Kunden ein Arbeitsausfall entsteht.
Die Beurteilung, ob ein anerkannter wirtschaftlicher Grund oder ein allgemeines Markt- bzw. Betriebsrisiko vorliegt, kann im Einzelfall schwierig sein.
Hinweis: In den FAQ und in dem One Pager der Bundesagentur für Arbeit finden sich Aussagen zu einzelnen aktuellen Fallbeispielen zur Orientierung.
7. Wann beruht ein Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis?
Ein unabwendbares Ereignis ist ein außergewöhnliches, zeitlich begrenztes Ereignis, das von außen auf den Betrieb einwirkt und das unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls auch durch äußerste Sorgfalt weder abzuwehren noch in seinen schädlichen Folgen zu begrenzen ist, insbesondere:
  • Unglücksfälle (z.B. Brände, Explosionen, Epidemien, ggf. auch Cyberangriffe)
  • Ungewöhnliche, dem üblichen Witterungsverlauf nicht entsprechende Witterungsgründe (z.B. extreme Regenfälle, Überschwemmungen, orkanähnliche Stürme)
  • behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen (z.B. behördlich angeordnete Betriebsbeschränkungen oder Betriebsstilllegungen, behördliche Straßensperrungen, regulierende staatliche Maßnahmen bei der Belieferung mit Gas, Strom oder Wasser, Sanktionen bzw. Handels-Embargos gegen bestimmte Länder, wenn der Betrieb unmittelbar von diesen betroffen ist)
In der Anzeige der Kurzarbeit muss der Arbeitgeber konkret darlegen, wie sich das unabwendbare Ereignis im Betrieb ausgewirkt und inwiefern dies einen Arbeitsausfall verursacht hat (z.B. welche Tätigkeiten nicht mehr ausgeführt werden können).
Hinweis: In den FAQ und in dem One Pager der Bundesagentur für Arbeit finden sich Aussagen zu einzelnen aktuellen Fallbeispielen zur Orientierung.

8. Wann ist der Arbeitsausfall vorübergehend?

KUG kann nur gezahlt werden, wenn der Arbeitsausfall vorübergehend ist. Das bedeutet, dass mit der Rückkehr in Vollarbeit in absehbarer Zeit gerechnet werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit hat in ihren Fachlichen Weisungen zum Kurzarbeitergeld geregelt, dass ein Zeitraum noch als vorübergehend anzusehen ist, der der jeweiligen maximalen Bezugsdauer entspricht. Es muss also grundsätzlich damit gerechnet werden, dass sich die wirtschaftliche Situation in den nächsten zwölf Monaten verbessert und zur Vollarbeit zurückgekehrt wird. Eine Kurzarbeit über zwölf Monate wird grundsätzlich nicht mehr als „vorübergehende“ Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit verstanden.
Ein typischer Fall für das Fehlen des vorübergehenden Arbeitsausfalls ist derjenige, wenn der Arbeitgeber die Entscheidung getroffen hat oder konkrete Schritte unternimmt, einen Betrieb oder eine Betriebsabteilung stillzulegen oder eine Betriebsänderung mit einem erheblichen Personenabbau durchzuführen. In diesen Fällen kann die Gewährung von KUG den Verbleib in Beschäftigung nicht mehr sichern. Ein Arbeitsausfall ist auch nicht vorübergehend, wenn der Betrieb vor der Schließung noch für eine Übergangszeit fortgeführt wird. Zu einer anderen Beurteilung kann es aufgrund einer noch sehr weit in der Zukunft liegenden Betriebsstillegung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung kommen, sofern der Grund für den derzeitigen Arbeitsausfall nicht im Zusammenhang mit der in der Zukunft liegenden Betriebsschließung steht.

9. Wann ist der Arbeitsausfall nicht vermeidbar?

Nur ein Arbeitsausfall, der nicht vermeidbar ist, begründet einen Anspruch auf KUG. Gemäß § 96 Abs. 4 SGB III muss der Arbeitgeber vor Einführung der Kurzarbeit alle zumutbaren Vorkehrungen treffen und auch während der Kurzarbeit alles in seiner Kraft Stehende tun, um den Arbeitsausfall zu verhindern. Es dürfen aber nur Maßnahmen vom Arbeitgeber abverlangt werden, die wirtschaftlich vernünftig und finanziell vertretbar sind.
Bevor KUG beantragt wird, sollte daher geprüft werden, ob beispielsweise andere notwendige Tätigkeiten vorgezogen und erledigt werden können (z.B. Arbeiten auf Lager, Aufräum- oder Instandsetzungsarbeiten) oder ob Kurzarbeiter (sofern arbeitsrechtlich zulässig) in andere Betriebsabteilungen umgesetzt werden können (ggf. nur temporär).
Als vermeidbar – mit der Folge, dass das KUG versagt wird – gilt insbesondere ein Arbeitsausfall, der
  • überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht,
  • durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann oder
  • bei Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen (also bei Vorhandensein eines Arbeitszeitkontos) ganz oder teilweise verhindert werden kann.

10. Muss vor Beantragung von KUG Urlaub abgebaut werden?

Urlaub kann auch während der Kurzarbeit genommen werden und wird vom Arbeitgeber mit dem üblichen Urlaubsentgelt vergütet. Vor der Anzeige von Kurzarbeit bzw. Beantragung von KUG muss der Arbeitgeber grundsätzlich prüfen, ob ein Arbeitsausfall durch Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise vermieden werden kann. Er kann jedoch nicht einseitig Urlaub anordnen, sofern Urlaubswünsche der Arbeitnehmer entgegenstehen (z.B. Urlaubswünsche wegen Schließzeiten von Kitas, Schulferien, Urlaubsmöglichkeiten des Partners, Erholungsbedürftigkeit etc.). Die Urlaubswünsche der Beschäftigten gehen grundsätzlich vor.
Tipp: Betriebe in Kurzarbeit sollten vorrangige Urlaubswünsche der Beschäftigten dokumentieren (z.B. durch eine Urlaubsplanung oder Urlaubslisten).
Wenn keine vorrangigen Urlaubswünsche der Beschäftigten bestehen, gilt grundsätzlich:
  • Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr: Dieser kann so geplant werden, wie es im Betrieb üblich ist. Besteht im Betrieb keine Urlaubsplanung, muss gegen Ende des Jahres der Antritt von Urlaubsansprüchen zur Vermeidung von Kurzarbeit festgelegt werden, sofern der Urlaub nicht in das folgende Urlaubsjahr übertragen werden kann.
  • Resturlaubsansprüche aus dem Vorjahr: Der Arbeitgeber hat mit dem Beschäftigten den Antritt dieses Urlaubs in Zeiten mit Arbeitsausfall zu vereinbaren.  Dieser Urlaub muss zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden.
Hinweis Urlaubskürzung bei Kurzarbeit:
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 30. November 2021 in zwei Fällen (Az. 9 AZR 225/21 und Az. 9 AZR 234/21) entschieden, dass Arbeitnehmer grundsätzlich keine Urlaubsansprüche für einzelne Arbeitstage erwerben, die wegen Kurzarbeit vollständig ausfallen („Kurzarbeit Null“). Der Arbeitgeber kann den Jahresurlaub daher anteilig kürzen.
Für jeden vollen Monat der „Kurzarbeit Null” darf der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch also um 1/12 kürzen.
Für die Umrechnung des Urlaubs kann auch folgende Formel verwendet werden:
(Anzahl der tatsächlich gearbeiteten Tage) * (vereinbarte Urlaubstage für Arbeitnehmer in Vollzeit) / (Anzahl der Jahresarbeitstage bei Arbeitnehmern in Vollzeit)
Bei einer 5-Tage-Woche geht man von möglichen 260 Jahresarbeitstagen aus (52 Wochen x 5 Tage).
Wurde allerdings von dieser Kürzungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht und wurde dem Arbeitnehmer zu viel Urlaub gewährt, können die überzähligen Tage nicht mit dem Urlaub im kommenden Jahr verrechnet werden; auch kann in diesem Fall das Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.
Erfolgt eine arbeitsrechtlich zulässige Kürzung des Urlaubsanspruchs auf Grundlage von durch Kurzarbeit vollständig ausgefallenen Arbeitstagen nach der Entscheidung des BAG vom 30. November 2021, wird diese durch die Agenturen für Arbeit bei der Ermittlung des Anspruchs auf KUG berücksichtigt, d.h. der ursprüngliche Urlaubsanspruch muss nicht zur Vermeidung von Kurzarbeit eingebracht werden, sondern nur der Urlaubsanspruch im gekürzten Umfang.
Die Kürzung des Urlaubsanspruchs hat der Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit in geeigneter Form anzuzeigen (Mitteilung der Kürzung und Einreichung geänderter Arbeitszeitnachweise).

11. Inwieweit müssen Überstunden vor Beantragung von KUG abgebaut bzw. Minusstunden aufgebaut werden?

Ein Arbeitsunfall gilt als vermeidbar (mit der Folge, dass KUG nicht ausgezahlt wird), wenn er bei Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann. Der Arbeitgeber muss also zunächst prüfen, ob ein Arbeitsausfall durch flexible Arbeitszeitregelungen vermieden werden kann.
Abbau bestehender Plusstunden/Überstunden:
Diese Anforderung zielt zunächst auf den Abbau bestehender Arbeitszeitguthaben, sofern eine entsprechende Regelung im Unternehmen besteht (Arbeitszeitguthaben). Plusstunden/Überstunden müssen also grundsätzlich erstmal abgebaut werden, bevor KUG beantragt wird.
Bestimmte Arbeitszeitguthaben sind aber privilegiert bzw. geschützt und müssen zur Vermeidung von Kurzarbeit nicht eingesetzt werden. Dies gilt nach § 98 Abs. 4 Satz 3 für:
  • Geschützte Wertguthaben nach § 7c SGV IV (insbesondere vereinbarte vollständige oder teilweise Freistellungen von der Arbeitsleistung für Pflegezeiten, Elternzeiten, Zeiten einer beruflichen Qualifizierung oder Zeiten vor einer Rente wegen Alter).
Ob es sich um geschützte Wertguthaben i.S.d. § 7c SGB IV handelt, kann u. a. danach beurteilt werden, ob hierfür der nach § 7e SGB IV zu vereinbarende Insolvenzschutz eingerichtet wurde. Weitere Informationen zum Thema „Wertguthaben“ sind der Broschüre “Wertguthaben” des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu entnehmen. 
  • Arbeitszeitguthaben, deren Umfang 10 % der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit des Arbeitnehmers übersteigt
  • Arbeitszeitguthaben, die länger als ein Jahr unverändert bestanden haben.
  • Arbeitszeitguthaben, die vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit bestimmt sind und 50 Stunden nicht übersteigen.
  • Arbeitszeitguthaben, die zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-KUG angespart sind und 150 Stunden nicht übersteigen.
Aufbau von Minusstunden:
Das Gesetz verlangt zudem den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden (Minusstunden), bevor das KUG gezahlt werden kann. Auch dafür muss aber generell eine Regelung im Betrieb bestehen, die den Aufbau von Minusstunden im Rahmen eines Arbeitszeitkontos zulässt. Ist dies ausgeschöpft, kann für darüberhinausgehende Arbeitsausfälle das KUG gezahlt werden.
Update Juli 2023: Bis zum 30. Juni 2023 wurde auf den Aufbau von Minusstunden verzichtet. Seit dem 1. Juli 2023 gilt wieder die reguläre Anforderung, dass Arbeitgeber zunächst die Möglichkeit nutzen müssen, negative Arbeitszeitsalden aufzubauen. Nach der Presseerklärung der Bundesagentur für Arbeit vom 10. Juli 2023 gibt es allerdings eine Ausnahme: Wenn der Arbeitsausfall bereits vor Juli 2023 eingetreten ist, müssen für diesen Arbeitsausfall weiterhin keine negativen Arbeitszeitsalden gebildet werden.

12. Wie errechnet sich die Ausfallquote (ein Drittel der Beschäftigten / 10 % Entgeltausfall)?

Nach § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III muss der Arbeitsausfall einen Mindestumfang (sog. Ausfallquote) erreichen, damit von einem „erheblichen Arbeitsausfall mit Entgeltausfall“ gesprochen werden kann. Die maßgebliche Ausfallquote ist erreicht, wenn
  • im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum)
  • mindestens ein Drittel der im Betrieb (oder in der Betriebsabteilung) beschäftigen Arbeitnehmer (bis 30. Juni 2023 mindestens 10 %)
  • von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind.
Ist das Drittelerfordernis erreicht, können auch diejenigen ungekündigten, versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, deren Gehaltsausfall 10 % oder weniger beträgt, KUG erhalten.
Die Ausfallquote von einem Drittel errechnet sich aus allen im Betrieb (oder in der Betriebsabteilung) beschäftigten Arbeitnehmern. Hierzu gehören auch Arbeitnehmer, die der Versicherungspflicht nicht unterliegen (z.B. Minijobber). Auch erkrankte und beurlaubte Arbeitnehmer sind grundsätzlich mitzuzählen. Nicht mitzuzählen sind Auszubildende.

13. Welche betrieblichen Voraussetzungen müssen für das KUG erfüllt sein?

In dem Betrieb (nicht: Unternehmen) muss mindestens ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer beschäftigt sein.
Existieren mehrere räumlich getrennte Betriebsstäten, liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die Betriebsstätten einer einheitlichen Leitung mit Arbeitgeberfunktion unterliegen und die Entfernung zwischen den Betriebsstätten nicht größer als 50 km ist.
Als Betrieb gilt auch eine Betriebsabteilung, sodass KUG auch gezahlt werden kann, wenn sich der Arbeitsausfall auf einen Teil des Betriebs beschränkt und die Betriebsabteilung eigenständig die Voraussetzungen für das KUG (insbesondere die Ausfallquote) erfüllt.

14. Welche Mitarbeiter haben Anspruch auf KUG (persönliche Voraussetzungen)?

Anspruch auf KUG haben alle ungekündigten Arbeitnehmer, die sozialversicherungspflichtig sind und bei denen der Entgeltausfall durch die kurzarbeitsbedingte Verkürzung der Arbeitszeit gegeben ist.
Auch ausländische Arbeitnehmer haben Anspruch auf KUG, sofern sie im Bundesgebiet beitragspflichtig beschäftigt sind und der kurzarbeitende Betrieb im Bundesgebiet liegt.
Grundsätzlich keinen Anspruch auf KUG haben:
  • Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis während der Kurzarbeit aufgrund Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages endet
  • Geringfügig Beschäftigte (Minijobber)
  • Werkstudenten
  • Arbeitnehmer, die das Lebensalter für den Anspruch auf Regelaltersrente vollendet haben und denen die Altersrente als Vollrente zuerkannt ist (Rentner)
  • Arbeitnehmer, denen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zuerkannt ist
  • Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit
  • langzeiterkrankte Arbeitnehmer, die Krankengeld von der Krankenkasse beziehen
  • Arbeitnehmer, die im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses an einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen und Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung oder auf Übergangsgeld bei Weiterbildung haben
  • Leiharbeitnehmer
Hinweis: Vom 1. Oktober 2022 bis zum 30. Juni 2023 bestand die Möglichkeit, auch für Leiharbeitnehmer KUG zu beziehen. Seit dem 1. Juli 2023 haben Leiharbeitnehmer keinen Anspruch mehr auf KUG.
Sonderfall Auszubildende:
Auszubildenden gegenüber kann in der Regel keine Kurzarbeit angeordnet werden.
Der Ausbildungsbetrieb ist verpflichtet, alle Mittel auszuschöpfen, um die Ausbildung weiter zu gewährleisten, zum Beispiel durch:
  • Umstellung des Ausbildungsplans durch Vorziehen anderer Lerninhalte
  • Versetzung in eine andere Abteilung oder eine Lehrwerkstatt
  • Durchführung besonderer Ausbildungsveranstaltungen (Durchführung von Projektarbeiten, Nutzung von Lernplattformen, Ausarbeitung von Handouts/Anleitungen (z. B. für Office-Anwendungen, Handling von speziellen Warengruppen, etc.)
Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, kann Kurzarbeit auch für Auszubildende in Frage kommen.
Zu beachten ist, dass Auszubildende zunächst für sechs Wochen Anspruch auf Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG haben, erst danach besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

15. Darf ich während der Kurzarbeit neue Arbeitnehmer einstellen?

Grundsätzlich gilt für die Bewilligung von KUG, dass der Arbeitnehmer vor Beginn des Arbeitsausfalls versicherungspflichtig beschäftigt sein muss. Arbeitnehmer, die erst nach Beginn der Kurzarbeit eingestellt werden, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf KUG, weil der Arbeitsausfall durch Nichteinstellung vermeidbar gewesen wäre.
Eine Neueinstellung nach Einführung der Kurzarbeit birgt zudem das Risiko, dass die Agentur für Arbeit einen „erheblichen Arbeitsausfall“ insgesamt als nicht mehr gegeben ansieht, wenn der Arbeitsausfall dadurch hätte vermieden werden können, dass die Position der Neueinstellung von einem in Kurzarbeit befindlichen Arbeitnehmer hätte ausgeübt werden können.
Eine Ausnahme besteht dann, wenn zwingende Gründe für eine Arbeitsaufnahme während der Kurzarbeit bestehen. Solche können beispielsweise vorliegen, wenn der Arbeitsvertrag geschlossen wurde, ehe die Kurzarbeit absehbar war und der Arbeitseintritt nunmehr in die Zeit der Kurzarbeit fällt oder wenn der Arbeitnehmer über spezifische Fachkenntnisse verfügt, die für einen neuen Auftrag benötigt werden oder wenn diese für die Weiterführung des Betriebs notwendig sind und die bisherigen Beschäftigten des Betriebs diese Tätigkeit nicht übernehmen können.
Hinweis: Es empfiehlt sich, vor dem Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen und den Sachverhalt mit dieser zu klären, um den Bezug bzw. etwaige Rückzahlungsverpflichtungen von KUG nicht zu riskieren.
Weitere Ausnahmen zur möglichen Arbeitsaufnahme während der Kurzarbeit gelten für vormalige Auszubildende, die im Anschluss an ihre Ausbildung eingestellt werden, sowie Arbeitnehmer, die aus einer Freistellungsphase (z.B. Elternzeit) zurückkehren.

16. Darf ich Arbeitnehmer, deren befristeter Arbeitsvertrag ausläuft, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen?

Auch befristet Beschäftigte können KUG nach § 98 SGB III erhalten. Problematisch sind aber die Fälle, in denen die Befristung auslaufen wird, bevor die Kurzarbeit endet. Aber auch in diesen Fällen besteht zumindest die Möglichkeit einer Fortsetzung, sodass auch hier Kurzarbeit möglich sein kann.

17. Was geschieht bei Kündigungen während der Kurzarbeit?

Sobald eine Kündigung zugegangen ist, entfällt mit sofortiger Wirkung der Anspruch auf KUG. Das gilt sowohl für Kündigungen durch den Arbeitgeber als auch für Kündigungen durch den Arbeitnehmer. Sprich, ab Ausspruch der Kündigung erhalten Arbeitnehmer kein KUG nach § 98 Abs. 1 Ziff. 2 SGB III. Dieser schreibt vor, dass das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst sein darf.
Ab Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, also bis zum tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses, hat der Arbeitnehmer wieder Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung, die Frage ist jedoch in welcher Höhe. Klarheit besteht, wenn die Höhe des Vergütungsanspruchs für diesen Fall vertraglich geregelt ist. Einige Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge enthalten eine ausdrückliche Regelung zur Höhe der Vergütung nach Ausspruch einer Kündigung während Kurzarbeit. Fehlt eine solche ausdrückliche Regelung, kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht:
  • Es bleibt bei der entsprechend der Kurzarbeitsvereinbarung reduzierten Arbeitszeit und der Arbeitnehmer erhält lediglich die Vergütung für seine tatsächlich geleistete Arbeit; hiernach würde der Arbeitnehmer bei „Kurzarbeit Null“ keine Vergütung erhalten.
  • Die Kurzarbeit wird hinfällig und der arbeitsvertraglich vereinbarte Lohnanspruch lebt in voller Höhe wieder auf.
  • Der Arbeitgeber zahlt eine entsprechend der reduzierten Arbeitszeit verminderte Vergütung und einen Zuschlag in Höhe des weggefallenen KUG.
Eine aktuelle höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage fehlt bisher.

II. Fragen rund um die Beantragung von Kurzarbeitergeld

1. Wie erfolgt die Anzeige auf Arbeitsausfall und der Antrag auf KUG?

Wichtig: Es ist zunächst zu unterscheiden zwischen der Anzeige auf Arbeitsausfall und dem Antrag auf Kurzarbeitergeld. Es gelten jeweils unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen. Es ist somit ein zweistufiges Antragsverfahren.
Stufe 1: Kurzarbeit anzeigen
Zunächst ist der Arbeitsausfall bei der gemäß § 99 Abs. 1 SGB III zuständigen Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen.
Bei Betrieben mit mehreren Standorten kann auf Anfrage ein sog. „Schlüsselkunden-Berater“ durch die Agentur für Arbeit beauftragt werden, der die Koordinierung in Kurzarbeitsfragen zwischen den eingebundenen Agenturen für Arbeit und den betroffenen Betrieben des Unternehmens übernimmt.
Das Formular für die Anzeige finden Sie auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit unter „Downloads“.
Der Anzeige ist eine etwaige Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Die Voraussetzungen für den Bezug von KUG sind ausführlich darzulegen und glaubhaft zu machen. Dies gilt insbesondere für folgende Punkte:
  • Ursachen des Arbeitsausfalls
  • Umfang des Arbeitsausfalls; Vergleichswerte, die die Unterauslastung belegen
  • Angaben zu Produkten/Dienstleistungen; Hauptauftraggeber beziehungsweise Hauptauftragnehmer
  • Angaben zur vorübergehenden Natur des Arbeitsausfalls
  • Zur Verteilung der verkürzten Arbeitszeit sind ggf. entsprechende Arbeitspläne oder andere geeignete Unterlagen beizufügen
Die Agentur für Arbeit prüft die Anzeige und erlässt nach Prüfung der Voraussetzungen einen Anerkennungs- oder Ablehnungsbescheid.
KUG kann frühestens von dem Kalendermonat an geleitstet werden, in dem die Anzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist.
Stufe 2: monatliche Beantragung der Erstattung von KUG
Nach Erlass des Anerkennungsbescheids muss der Arbeitgeber das KUG selber berechnen und es an die Arbeitnehmer auszahlen. Für jeden Monat müssen die Arbeitgeber Arbeitszeitnachweise führen und die geleisteten Arbeits-, Ausfall- und Fehlzeiten der Beschäftigten dokumentieren.
Sodann beantragt der Arbeitgeber schriftlich oder elektronisch bei der Agentur für Arbeit monatlich die Erstattung des KUG. Ein „Sammelantrag“ für mehrere Monate ist nicht möglich.
Das erforderliche Antragsformular und die Abrechnungsliste befinden sich auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit unter „Downloads“.  
Achtung: Der Antrag muss spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten gestellt werden, sonst ist der Erhalt von KUG ausgeschlossen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die die Leistungen beantragt werden.
Zuständig ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk die für den Betrieb zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt.
Hinweis bei mehreren Betriebsstätten/Standorten: Bei Vorhandensein einer zentralen Lohnabrechnungsstelle ist ein „gebündelter“ Antrag möglich. Falls nicht vorhanden, ist die Antragstellung für den einzelnen Betrieb notwendig.
Elektronisches Verfahren „KEA“ möglich: Mit „KEA“ können Betriebe und Lohnabrechnungsstellen die Anträge und Abrechnungslisten direkt aus der Lohnabrechnungssoftware an die Agentur für Arbeit übermitteln. Damit ist eine vollständige und medienbruchfreie Übertragung aus systemgeprüften Entgeltprogrammen oder Ausfüllhilfen verschlüsselt direkt an die Agenturen für Arbeit möglich. Weitere Informationen zum Verfahren „KEA“ erhalten Sie auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit.

2. Wie lange kann KUG bezogen werden?

Die Bezugsdauer beträgt gemäß § 104 Abs. 1 SGB III maximal 12 Monate. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann bei außergewöhnlichen Verhältnissen auf dem gesamten Arbeitsmarkt eine Verlängerung der Bezugsdauer per Verordnung festlegen.
Hinweis: Die maximale Bezugsdauer für das KUG wurde zuletzt befristet bis zum 30. Juni 2022 auf bis zu 28 Monate verlängert. Diese Sonderregelung endete zu diesem Zeitpunkt. Seit dem 1. Juli 2022 beträgt die Bezugsdauer wieder grundsätzlich 12 Monate.
Ist die maximale Bezugsdauer ausgeschöpft, kann erst nach einer dreimonatigen Unterbrechung wieder KUG bezogen werden, sofern die Voraussetzungen wieder erfüllt sind. In diesem Fall bedarf es einer erneuten Anzeige des Arbeitsausfalls.

3. Wie wirken sich Unterbrechungen der Kurzarbeit aus?

Grundsätzlich ist eine Unterbrechung der Kurzarbeit möglich und kann sogar zu einer Verlängerung der Bezugsdauer führen. Wenn innerhalb der Bezugsdauer die Kurzarbeit für einen oder zwei zusammenhängenden Kalendermonaten unterbrochen wird, verlängert sich die Bezugsdauer gemäß § 104 Abs. 2 SGB III um diesen Zeitraum. Entsprechende Unterbrechungen können auch mehrfach während eines Bezugszeitraums eintreten. Der Arbeitsausfall muss in diesen Fällen nicht neu angezeigt werden. Soll die Bezugsdauer entsprechend verlängert werden, bedarf es einer Verlängerungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit.
Dauert die Unterbrechung der Kurzarbeit weniger als einen Kalendermonat, hat dies für die Bezugsdauer keine Auswirkungen. Hier ist jedoch zu beachten, dass die Ausfallquote (ab 1. Juli 2023: mindestens ein Drittel der Beschäftigten müssen einen Entgeltausfall von 10 % haben) für den gesamten Monat vorliegen muss.
Wird die Kurzarbeit für drei Monate oder länger zusammenhängend unterbrochen, wird dadurch der ursprüngliche Bezugszeitraum unterbrochen. Für eine danach folgende neue Kurzarbeitsphase bedarf es einer neuen Anzeige des Arbeitsausfalls und es müssen sämtliche Bezugsvoraussetzungen für KUG erneut vorliegen.

III. Fragen rund um die Höhe und Berechnung von Kurzarbeitergeld

1. Wie hoch ist das KUG?

Die Höhe des KUG beträgt für Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind im Sinne des Steuerrechts 67 % und für die übrigen Arbeitnehmer 60 % der sog. Nettoentgeltdifferenz.
Aufgrund der Corona-Krise galten bis zum 30. Juni 2022 erhöhte Leistungssätze, diese wurden aber nicht weiter verlängert.

2. Wie berechnet sich das KUG?

Für die Ermittlung des KUG ist die Nettoentgeltdifferenz maßgeblich.
Zur Berechnung der Nettoentgeltdifferenz müssen zunächst die Bruttobeträge für das Sollentgelt und das Istentgelt festgestellt werden.
Das Sollentgelt ist das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall im Anspruchszeitraum erzielt hätte. Arbeitsentgelte für Mehrarbeit oder einmalig gezahlte Entgelte bleiben dabei unberücksichtigt. Das Sollentgelt wird bis zur geltenden Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung (2023 = 7.300 Euro – Rechtskreis West und 7.100 Euro – Rechtskreis Ost) berücksichtigt.
Besonderheiten bei flexibler Arbeitszeit: Maßgeblich ist, welche Stundenzahl für den aktuellen Monat gegolten hätte, wenn keine Kurzarbeit eingetreten wäre, beispielsweise durch einen Schichtplan. Lässt sich das nicht bestimmen, kann die Arbeitszeit der gleichen Monate im Vorjahr herangezogen werden.
Besonderheit bei Provisionen: Provisionen zählen zum Arbeitsentgelt, sofern sie versicherungspflichtig sind. Ist es nicht möglich, das Sollentgelt mit hinreichender Sicherheit zu bestimmten, z.B. bei Personen deren Höhe des Arbeitsentgelts ausschließlich von dem Arbeitsergebnis und nicht von der Arbeitszeit abhängt, ist als Sollentgelt das Arbeitsentgelt maßgebend, das der Arbeitnehmer in den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn des Arbeitsausfalls durchschnittlich erzielt hat.
Das Istentgelt ist das im jeweiligen Anspruchszeitraum tatsächlich bei Kurzarbeit erzielte beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt. Bei der Ermittlung dieses Werts werden alle dem Arbeitnehmer zustehenden Entgeltteile (einschließlich Arbeitsentgelt für Mehrarbeit) berücksichtigt. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bleibt auch bei der Ermittlung des Istentgelts unberücksichtigt.
Beide Beträge sind jeweils auf den nächsten durch 20 Euro teilbaren Betrag zu runden. Sodann werden diesen gerundeten Bruttobeträgen des Soll- und Istentgelts jeweils ein pauschaliertes Nettoentgelt zugeordnet. Die pauschalierten Nettoentgelte sind aus der von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes unter Berücksichtigung der Leistungssätze 1 und 2 sowie der Lohnsteuerklasse des Arbeitnehmers herauszusuchen.
Hinweis: Dem Leistungssatz 1 sind Arbeitnehmer zuzuordnen mit einem Kinderfreibetrag (mit einem Zähler von mindestens 0,5 auf der Lohnsteuerkarte) oder bei denen ein zu berücksichtigendes Kind durch eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit nachgewiesen ist.  Für alle anderen Arbeitnehmer gilt der Leistungssatz 2.
Der Wert des pauschalierten Nettoentgelts aus Istentgelt ist vom pauschalierten Nettoentgelt aus Sollentgelt abzuziehen. Die Differenz ergibt das KUG.
Zu weiteren Einzelheiten lesen Sie bitte die Hinweise zum Antragsverfahren der Bundesagentur für Arbeit

3. Kann der Arbeitgeber freiwillige Aufstockungsbeträge zahlen, um das KUG zu bezuschussen?

Ein Anspruch auf die Aufstockung des Kurzarbeitergehalts durch den Arbeitgeber besteht nicht. Häufig kann jedoch gerade das Angebot des Arbeitgebers, das KUG aufzustocken, für die Unterzeichnung der individualvertraglichen Ergänzungsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit ausschlaggebend sein.
Zu beachten ist hierbei, dass dieser Aufstockungsbetrag generell steuerpflichtig ist. Beitragspflicht besteht nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 SvEV dagegen nur, wenn der Aufstockungsbetrag zusammen mit dem KUG 80 % des ausgefallenen Arbeitsentgelts übersteigt. Wird ein höherer Aufstockungsbetrag gezahlt, ist nur der übersteigende Betrag beitragspflichtig.

4. Wer trägt die Kosten für die Sozialversicherung?

Bezieht ein Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld, bleibt sein Versicherungsverhältnis in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehen.
Für die tatsächlich geleistete Arbeit gelten die üblichen Beitragssätze für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Beiträge zur Sozialversicherung müssen auch weiterhin – mit dem Lohn – vom Arbeitgeber abgeführt werden. 
Soweit KUG gezahlt wird, sind Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung allein vom Arbeitgeber zu tragen. Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sind nicht zu entrichten, da das KUG eine Geldleistung der Agentur für Arbeit ist. Bemessungsgrundlage für die Beiträge aus KUG ist ein „fiktives Arbeitsentgelt“. Das fiktive Arbeitsentgelt ist die Differenz zwischen dem durch die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung gedeckelte Sollentgelt (also das Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall erzielt hätte) und dem Istentgelt (also dem Bruttoarbeitsentgelt, welches tatsächlich erzielt wurde). Auf dieses fiktive Arbeitsentgelt müssen Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung gezahlt werden. Allerdings nicht in voller Höhe, sondern lediglich zu 80 %.
Während der Pandemie wurden die Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden (teilweise) pauschaliert von der Agentur für Arbeit erstattet, zuletzt in Höhe von 50 % bis zum 31. März 2022. Seit dem 1. April 2022 werden keine Sozialversicherungsbeiträge mehr erstattet.
Eine einzige Ausnahme gilt noch bis zum 31. Juli 2024: Wird die Kurzarbeit mit einer förderfähigen beruflichen Weiterbildung verbunden, können die Sozialversicherungsbeiträge bis zu 50 % erstattet werden, wenn die Weiterbildung bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Zusätzlich können auch Lehrgangskosten erstattet werden; die Höhe hängt von der Betriebsgröße ab. Die genauen Voraussetzungen für eine finanzielle Unterstützung für die Weiterbildung während Kurzarbeit finden Sie auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit.

5. Wie wirkt sich ein Hinzuverdienst/eine Nebenbeschäftigung auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes aus?

Wenn die Nebentätigkeit schon vor Beginn der Kurzarbeit durchgeführt wurde, ergeben sich keine Auswirkungen, erfolgt also keine Anrechnung auf das Kurzarbeitergeld.
Bei Kurzarbeitern, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld eine weitere Beschäftigung aufnehmen, gilt Folgendes: Das daraus erzielte Entgelt ist als sogenanntes "Istentgelt" (tatsächlich erzieltes Entgelt) bei der Berechnung des KUG zu berücksichtigen und dem erzielten Entgelt aus der Hauptbeschäftigung hinzuzurechnen.
Aufgrund der Corona-Krise galt befristet bis zum 30. Juni 2022 eine Hinzuverdienstregelung, wonach ein während der Kurzarbeit aufgenommener Minijob anrechnungsfrei blieb beim KUG. Diese Regelung wurde nicht weiter verlängert. 
Seit dem 1. Juli 2022 gilt: Der Zuverdienst aus einem seit Beginn der Kurzarbeit neu aufgenommenen Minijob wird auf das KUG angerechnet. 

6. Der Arbeitnehmer hat zwei sozialversicherungsrechtliche Teilzeitjobs - Muss er den Arbeitgeber informieren?

Die primär sozialversicherungsrechtliche Anzeigepflicht einer weiteren (insbesondere geringfügigen) Beschäftigung stellt zugleich eine Arbeitsvertragspflicht des Arbeitnehmers als Nebenpflicht dar.
Arbeitnehmer sind bei Aufnahme eines Nebenjobs während des Bezugs von KUG verpflichtet, das daraus erzielte Einkommen durch eine Nebeneinkommensbescheinigung (Vordruck der Agentur für Arbeit) nachzuweisen. Der Arbeitgeber hat das Einkommen aus einem Nebenjob bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes zu berücksichtigen und die Nebeneinkommensbescheinigung der Abrechnungsliste für das KUG beizufügen.
Den entsprechenden Vordruck findet man auf der Internetseite der Agentur für Arbeit.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers umfasst u.a. die Nachfrage über die Ausübung einer Nebentätigkeit und insbesondere dessen Umfang im Hinblick auf die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes. Sie müssten also in jedem Fall schriftlich nachweisen, dass Sie den einzelnen Mitarbeiter aufgefordert haben, Auskunft über die Nebentätigkeit zu erteilen (im besten Fall schriftlich!). Allein auf diese Weise lässt sich ein entsprechendes Haftungsrisiko bzgl. der Angaben gegenüber der Agentur für Arbeit minimieren.

IV. Fragen rund um die Abschlussprüfung zum Kurzarbeitergeld

1. Was bedeutet die Abschlussprüfung beim KUG?

Nach Beendigung der Kurzarbeit erfolgt die Abschlussprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit. Hier werden betriebliche Unterlagen geprüft und es erfolgt eine endgültige Festsetzung des KUG. Die Abschlussprüfungen gehören also zum normalen Ablauf des Verfahrens bei Kurzarbeit. Die Ankündigung der Abschlussprüfung bedeutet somit nicht, dass von irgendwelchen Unregelmäßigkeiten auszugehen ist. Die Abschlussprüfung ist vielmehr in jedem Fall der Kurzarbeit vorgesehen. Hier haben sich auch in der Corona-Pandemie keine Besonderheiten ergeben. Die Bundesagentur für Arbeit informiert die Unternehmen schriftlich über den genauen Zeitpunkt und die benötigten Unterlagen.
Zweck der Abschlussprüfung ist es, sicherzustellen, dass KUG in der korrekten Höhe beantragt und ausgezahlt wurde. Außerdem soll den Betrieben Rechtssicherheit gegeben werden. Sollten etwaige Unstimmigkeiten vorliegen und diese noch nicht behoben worden sein, kann eine Korrektur noch im Rahmen der Abschlussprüfung stattfinden.

2. Was kann Gegenstand einer Abschlussprüfung sein?

Grundsätzlich können alle Voraussetzungen des Bezugs von KUG überprüft werden. Die konkreten Prüfinhalte variieren von Arbeitsausfall zu Arbeitsausfall.
Geprüft werden kann insbesondere:
  • Ob die Kurzarbeit etwa durch Einbringung von Urlaub oder Abbau von Arbeitszeitguthaben verhindert werden konnte
  • Ob die erforderliche Ausfallquote vorlag
  • Ob die Kurzarbeit arbeitsrechtlich zulässig eingeführt wurde (Betriebsvereinbarung / einzelvertragliche Regelung mit dem Arbeitnehmer)
  • Ob die Arbeitsverhältnisse der KUG-Bezieher ungekündigt waren
  • Ob der richtige Leistungssatz zur Berechnung des KUG herangezogen wurde
  • Etc.

3. Welche Unterlagen werden regelmäßig für die Abschlussprüfung benötigt?

Die KUG-Abschlussprüfung wird durch ein Schreiben der Agentur für Arbeit eingeleitet, in dem der Arbeitgeber aufgefordert wird, der Agentur für Arbeit bis zu einer bestimmten Frist die im Schreiben aufgeführten Unterlagen zu übersenden.
Wichtiger Hinweis: Die Frist zur Einreichung der Unterlagen ist unbedingt einzuhalten oder es ist eine Fristverlängerung zu beantragen. Wenn Sie die Frist einfach verstreichen lassen, droht die Rückforderung des gesamten KUG!
Für jeden Kalendermonat, für den die Bundesagentur für Arbeit Ihnen KUG und Sozialversicherungsbeiträge erstattet hat, sind folgende Unterlagen regelmäßig durch das Unternehmen bereit zu halten:
  • Lohnkonto
  • Arbeitszeitnachweise
  • Auszahlungsnachweise
  • Entgeltabrechnungen
Daneben werden Unterlagen zu den rechtlichen Grundlagen der Arbeitsentgeltansprüche und der Vereinbarung der Kurzarbeit geprüft. Dies sind vor allem:
  • Arbeitsverträge der Bezieherinnen und Bezieher von KUG
  • für den Betrieb maßgebliche Tarifverträge
  • Einzelvereinbarungen mit Arbeitnehmern oder Betriebsvereinbarung mit einem Betriebsrat über die Einführung von Kurzarbeit
  • Kündigungsschreiben
Auch der Umfang des Arbeitsausfalles kann Gegenstand der Abschlussprüfung sein. Hierfür wird insbesondere geprüft:
  • ergriffene Maßnahmen zur Vermeidung oder Reduzierung der Kurzarbeit (z.B. Nutzung von Arbeitszeitkonten, Einbringung von Resturlaubsansprüchen)
  • Auftragsbücher
  • betriebswirtschaftliche Auswertungen
Im Einzelfall kann die Agentur für Arbeit weitere Unterlagen anfordern.
Benutzen Sie auch gerne zur Vorbereitung der Abschlussprüfung die Checkliste der Bundesagentur für Arbeit: Checkliste zur Vorbereitung der Abschlussprüfungen und weitere aktuelle Informationen.
Die Unterlagen können Sie auch über den eServices der Bundesagentur für Arbeit digital hochladen. Der Vorteil ist, dass keine Unterschrift erforderlich ist und Sie eine formale Eingangsbestätigung erhalten.
V. Wo gibt es weitere Informationen zur Kurzarbeit?
Weitere Hinweise und Informationen können Sie unter den folgenden Websites aufrufen:
Bei Fragen zu Beantragung oder zu Modalitäten der Abrechnung des KUG können sich Arbeitgeber an die zuständige Agentur für Arbeit oder an den gebührenfreien Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit unter der Rufnummer 0800 4 5555 20 wenden.
Diese Ausführungen können nur erste Hinweise geben und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt recherchiert und erstellt wurden, geben sie die Rechtsprechung und Rechtsentwicklung nur auszugsweise wieder und können eine individuelle Beratung durch einen Rechtsanwalt nicht ersetzen. Es kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
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Recht und Steuern

11 Fragen zu AGB

Stand: September 2022

1. Warum sollte man sich mit AGB und diesem Artikel auseinandersetzen?

Wer kennt das nicht: „Ich habe die Allgemeinen Geschäfts- und die Lieferbedingungen zur Kenntnis genommen und akzeptiere sie“. Dies findet sich vielerorts im täglichen Geschäftsverkehr als sogenanntes „Kleingedruckte“ oder umgangssprachlich als „AGBs“ wieder. Doch die Verwendung birgt für Unternehmer nicht nur Chancen, sondern auch etliche Risiken. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinfachen zwar den Geschäftsverkehr für die Unternehmen, jedoch sollten die verwendeten Klauseln einer genauen Überprüfung unterzogen und konkret auf ihr Unternehmen zugeschnitten werden. Daher ist es wichtig, sich grundlegend über die Verwendung und Einbeziehung von AGB zu informieren, um auch die richtige Anwendung in der Praxis gewährleisten zu können. In diesem Artikel bekommen Sie daher einen Überblick über die am häufigsten auftretenden Probleme bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Er soll als Hilfestellung bei der Einbeziehung von AGB in den Vertragsverhältnissen dienen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Hinweise unverbindlich erfolgen und eine juristische Beratung nicht ersetzen können. Nur ein spezialisierter Jurist kann die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von einzelnen Klauseln überschauen. Wir raten Ihnen deshalb ab AGB ungeprüft zu verwenden oder diese nach Muster-AGB oder fremden AGB selbst zu erstellen. 

2. Was sind Allgemeine Geschäftsbedingungen überhaupt?

AGB sind vorformulierte Bedingungen des Vertrages, die bei Abschluss von einer Vertragspartei (vom Verwender) der anderen Partei gestellt werden. Eine Vorformulierung setzt voraus, dass die Vertragsbedingungen nicht für jeden Fall individuell ausgehandelt worden sind, sondern kategorisch für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden sind. Laut Rechtsprechung kommt es aber auf die tatsächliche mehrfache Verwendung nicht an. Es genügt, wenn der Vertrag das Potenzial hat, für eine Vielzahl von Geschäften zu wirken. In der Praxis wird für die meisten formularhaften Verträge mittlerweile davon ausgegangen, dass diese als AGB gewertet werden.
Hinweis: Nicht jedes Unternehmen benötigt AGB. Daher obliegt es jedem Unternehmen, freiwillig AGB zu erstellen. AGB erleichtern zwar den Abschluss und die Abwicklung einer großen Zahl gleichartiger Verträge, jedoch bleibt es jedem Verwender selbst überlassen, ob er sich vorformulierter Vertragsbedingungen bedienen möchte – oder nicht.

3. Auf welche Geschäfte kann ich AGB anwenden? Gibt es hierzu Ausnahmen?

Die Regelungen zur Anwendung von AGB gelten für fast alle Vertragstypen. Eine Ausnahme bilden jedoch Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 310 Abs. 4 BGB).
Aufgrund ihrer Verbraucherschutzfunktion gelten die Vorschriften vorwiegend bei der Verwendung gegenüber Verbrauchern (vgl. § 310 Abs. 3 BGB). Werden AGB gegenüber Unternehmen verwendet, finden die Regelungen grundsätzlich nur eingeschränkte Anwendung (vgl. § 310 Abs. 1 BGB). Jedoch tendiert die Rechtsprechung immer mehr zu einer differenzierten Betrachtung der gesetzlichen Vorgaben, sodass beispielsweise mittlerweile auch die Klauselverbote in den §§ 308, 309 BGB eine Indizwirkung für Unternehmerverträge (B2B) bilden.
Verbraucher oder Unternehmer – Wie wird hier unterschieden?
  • Verbraucher  sind natürliche Personen, die Geschäfte zu privaten Zwecken abschließen, also die weder gewerblicher oder beruflicher Natur sind (§ 13 BGB).
  • Unternehmer  schließen in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit Geschäfte ab (§ 14 BGB).
    Hierunter fallen auch nicht im Handelsregister eingetragene Kleingewerbetreibende.
Wieso wird hier unterschieden?
  • Der Gesetzgeber nimmt an, dass ein Unternehmer durch dessen Rechtsform und Wisssen als Geschäftsmann über mehr Wissen verfügt als eine Privatperson.
  • Dementsprechend genießen Verbraucher auch größeren rechtlichen Schutz gegen die Ausnutzung derer Unwissenheit.

4. Was passiert wenn eine Klausel streitig ist und diese einzeln ausgehandelt werden soll?

Als Grundsatz ist zu beachten, dass individuelle Vertragsvereinbarungen Vorrang haben vor AGB (§ 305b BGB), da die AGB lediglich das individuell Vereinbarte ergänzen. Eine individuelle Vereinbarung liegt vor, wenn die Vertragsparteien den betreffenden Punkt gemeinsam mündlich besprochen und ausgehandelt oder sich schriftlich darauf geeinigt haben. Es kommt darauf an, dass eine Partei eine Klausel auch wirklich zur Disposition gestellt hat und die Gegenseite daran interessiert ist, diese einvernehmlich aushandeln zu wollen, damit diese als Individualvereinbarung anerkannt wird.
Hinweis: Handschriftliche Zusätze und Ergänzungen zu einem Formularvertrag gelten grundsätzlich nicht als Individualvereinbarung, wenn der Inhalt der Klausel im Wesentlichen bestehen bleibt. Ebenso kann dies bei Leerstellen und Mehrfach-Optionen im Formularvertrag der Fall sein.
To-Do’s bei der individuellen Vereinbarung einer kritischen Klausel
  • Klausel hinterfragen: deren Charakter, Inhalt und Zweck
  • Klausel einzeln aushandeln und – wenn möglich – dabei auf die jeweilige vertragliche Beziehung und den beidseitigen Interessen fokussieren
  • Gespräche und Verhandlungen über die jeweilige Klausel sind zu protokollieren
  • Änderungen und Versionen der Klausel sind aufzubewahren

5. Wie werden AGB wirksam in Verträge einbezogen?

An dieser Stelle sei noch einmal der Hinweis erlaubt, dass hier zwei Seiten betrachtet werden müssen: einmal Verträge mit Unternehmern (I.)und andererseits mit Verbrauchern (II.)siehe Unterscheidung in Frage 3.

(I.) Unternehmerverträge (B2B)

Bei der Einbeziehung von AGB im unternehmerischen Verkehr müssen grundsätzlich die AGB vor Vertragsschluss dem Vertragspartner nicht übersandt oder vorgelegt werden. Der Geschäftspartner muss lediglich deutlich erkennen können, dass auf die AGB verwiesen wurde und ihm die Kenntnisnahme auch eingeräumt wird – siehe Unterscheidung in Frage 6.

(II.) Verbraucherverträge (B2C)

Folgende Grundsätze müssen bei Verträgen mit Verbrauchern eingehalten werden:
a)    Ausdrücklicher Hinweis
b)   Zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme
c)    Einverständnis des Vertragspartners
a)  Ausdrücklicher Hinweis
Vor Abschluss des Vertrages muss ein ausdrücklicher Hinweis (mündlich oder schriftlich) an den Verbraucher erfolgen, dass der Vertrag unter Einbeziehung von AGB geschlossen werden soll.
Ein Hinweis in einem Vertragsformular, Angebotsschreiben oder Bestellschein muss so gefasst sein, dass er einem Durchschnittskunden ins Auge fällt und selbst bei flüchtiger Betrachtung muss dem Verbraucher bewusst sein, dass AGB verwendet werden.
Tipp: Verwenden Sie für den Hinweis mindestens die gleiche Schriftgröße wie für den übrigen Vertragstext und heben ihn durch Fettdruck hervor.
Nur soweit der Hinweis nach Art des Vertragsschlusses unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, reicht auch ein deutlich sichtbarer Aushang am Ort des Vertragsschlusses aus. Dies gilt bei Verträgen des täglichen Lebens, die typischerweise mündlich oder mit Hilfe eines Automaten abgeschlossen werden.
Beispiele: Aushang von AGB im Einzelhandel, in Reinigungen, Gaststätten oder Parkhäusern.
b)  Möglichkeit der Kenntnisnahme
Der Verbraucher muss die Möglichkeit haben, vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen.
  • Sind beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss anwesend, ist die tatsächliche Kenntnisnahme der AGB durch den Verbraucher erforderlich.
Beispiele: Bei Massengeschäften geschieht dies durch den deutlich sichtbaren Aushang der AGB; z.B. in Kaufhäusern, Reinigungen oder Gaststätten.
  • Wird der Vertrag nur auf dem schriftlichen Weg abgeschlossen, genügt die Übersendung der AGB. Die bloße Aufforderung, die AGB bei dem Verwender einzusehen, reicht grundsätzlich aber nicht aus, da sonst der Vertragspartner über das Zumutbare hinaus belastet wird.
Beispiele: Die AGB können bereits vor Vertragsschluss auf den an dem Kunden übersandten Katalogen, Preislisten, Prospekten oder im Vertragsformular selbst abgedruckt sein.
  • Wird der Vertrag per Telefon geschlossen, muss dem Vertragspartner auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme gewährt werden. Unproblematisch ist dies, wenn der Vertragspartner bei Vertragsabschluss einen Katalog, eine Preisliste oder ähnliches mit aufgedruckten AGB des Verwenders bereits vorliegen hat. Ansonsten reicht regelmäßig auch bei einem telefonischen Vertragsabschluss der ausdrückliche Hinweis des Verwenders auf die Einbeziehung der AGB.
  • Bei dem Vertragsabschluss im Internet  ist ein besonders deutlicher Hinweis auf die AGB zu geben sowie die Möglichkeit, die AGB per Klick abzurufen. Zudem ist es empfehlenswert, die AGB zusätzlich als kostenlosen Download zur Verfügung zu stellen.
Hinweis: Bei Vertragsabschlüssen mittels Fernkommunikationsmitteln, wie beispielsweise Telefon, Telefax, E-Mail, Internet sind bei Verbraucherverträgen unbedingt auch die Regelungen über Fernabsatzverträge in den §§ 312b ff. BGB zu beachten. Hierbei handelt es sich um Informationspflichten des Unternehmers und dem Widerrufsrecht des Verbrauchers.
c)  Einverständnis des Vertragspartners
Der Vertragspartner muss mit der Einbeziehung der AGB in den Vertrag einverstanden sein. Eine Einigung über jede einzelne Klausel ist allerdings nicht erforderlich.
Hinweis: Beim Vertragsabschluss im Internet sollte zudem mittels nicht vorausgefüllter Checkbox die Einbeziehung und Geltung der AGB sichergestellt werden.

6. Wie unterscheidet sich die Einbeziehung von AGB bei Verträgen unter Unternehmern (B2B)?

Für die wirksame Einbeziehung von AGB in Verträge mit Unternehmern gelten grundsätzlich weniger strenge Anforderungen (§ 310 Abs. 1 BGB). Eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Vertragspartner ist aber dennoch erforderlich. Es genügt dafür bereits ein Hinweis des Verwenders auf seine AGB, durch welchen dem Vertragspartner die Möglichkeit gegeben wird, in zumutbarer Weise, auch aufgrund eigener Initiative, Einsicht in diese zu erlangen.
Beispiele:
  • Hinweis des Verwenders auf seine AGB ohne Widerspruch des anderen Vertragspartners.
  • „Auf erstes Anfordern zur Verfügung stellen“ – Dabei ist der Hinweis auf Abrufbarkeit der AGB im Internet ausreichend.
  • Im Rahmen von laufenden Geschäftsbeziehungen kann die Einbeziehung automatisch erfolgen, wenn die AGB des Verwenders bisher regelmäßig Vertragsbestandteil wurden und der Vertragspartner nicht widerspricht. Jedoch ist ein einmaliger früherer Vertragsabschluss oder eine nur kurze Dauer der Geschäftsbeziehungen nicht ausreichend.
Hinweis: Um die stillschweigende Einbeziehung der AGB zu verhindern, muss der andere Vertragspartner widersprechen.

7. Welche Grundregeln müssen beachtet werden? Wo sind bei AGB die Grenzen in der Ausgestaltung gesetzt?

Bei der Ausgestaltung der AGB gilt es jedoch einige gesetzliche Vorgaben zu beachten (§§ 305 ff. BGB). Diese Vorschriften wurden durch die Rechtsprechung im Laufe der Zeit immer weiter fortentwickelt.
Was ist dabei grundsätzlich zu beachten?
(I.)    Die Klauseln dürfen sich nicht widersprechen
(II.)   Die Klauseln dürfen für die andere Partei nicht überraschend sein
(III.)  Die Klauseln müssen klar und präzise formuliert werden
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass hierbei die Grundsätze von AGB eine wichtige Rolle einnehmen: Sie dürfen den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen (sog. Inhaltskontrolle), sollen transparent über den Geschäftsvorgang und gegenseitige Rechte und Pflichten informieren (sog. Transparenzgebot).

(I.) Sich widersprechende Klauseln

Insbesondere im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen ergibt sich häufig das Problem sich widersprechender AGB, da jede Vertragsseite versucht ihre eigenen AGB in den Vertrag mit einzubeziehen. Widersprechende AGB stehen aber grundsätzlich der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegen, wenn die Parteien einverständlich mit der Vertragsdurchführung beginnen. In diesem Fall gelten nur die übereinstimmenden Teile der AGB als vereinbart.
Soweit die AGB bei Unternehmern nicht übereinstimmen, gilt hinsichtlich des wirksam gewordenen Vertragsinhalts folgendes:
  • Zunächst werden die widersprüchlichen AGB insoweit Vertragsbestandteil, als sie für die andere Vertragspartei günstig sind. Dies ist in der Praxis wohl eher die Ausnahme, da die AGB jeweils im Interesse des Verwenders erstellt wurden.
  • Alle übrigen nicht übereinstimmenden AGB werden nicht Vertragsinhalt. Wenn sich nach Auslegung des Vertrages und Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien keine Regelung ermitteln lässt, tritt an Stelle der kollidierenden AGB die gesetzliche Regelung (§ 306 Abs. 2 BGB).

(II.) Überraschende Klauseln

Klauseln in wirksam einbezogenen AGB werden dann nicht Bestandteil des Vertrages, wenn sie nach den besonderen Umständen des Vertragsschlusses so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner nicht mit ihnen zu rechnen brauchte (§ 305c Abs. 1 BGB). Eine Klausel ist als überraschend anzusehen, wenn der Vertragspartner gewissermaßen durch sie überrumpelt wird.
Maßgebliche Kriterien sind hierfür insbesondere die dem Vertragsschluss vorausgegangenen Verhandlungen, das äußere Erscheinungsbild und die Unüblichkeit der Klausel für Verträge der betreffenden Art. Dabei ist zu beachten, dass abhängig von der Art des Vertragspartners auf die Verständnismöglichkeiten des jeweiligen Durchschnittsvertragspartners abzustellen ist.

(III.) Unklare Klauseln

Sind in AGB unklare oder mehrdeutige Klauseln enthalten, so geht dies zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB). Der Verwender sollte daher unbedingt darauf achten, dass er sich in den AGB unmissverständlich und klar ausdrückt.
Beispiele:
  • Die Klausel in einem Kfz-Mietvertrag, dass der Mieter oder ein Fahrer eine gültige Fahrerlaubnis mit einjähriger Fahrpraxis nachweisen muss ist unklar, da nicht deutlich wird, ob dies eine ununterbrochene einjährige Fahrpraxis erfordert oder ob ein Jahr Gesamtfahrpraxis während mehrerer Jahre Fahrerlaubnis ausreicht.
  • Die von einem Händler in einem Gebrauchtwagen-Kaufvertrag verwendete Klausel „Der Verkäufer sichert zu, dass das Kfz, soweit ihm bekannt, eine Gesamtfahrleistung von x Kilometer ausweist”, ist zu Lasten des Verwenders als Zusicherung aufzufassen.
  • Eine Klausel in einem Onlineauktionsangebot ist unwirksam, wenn ein „Spaßbieter“ eine Vertragsstrafe in Höhe von 20 % des Kaufpreises zu zahlen hat, da der Begriff „Spaßbieter“ mehrdeutig ist.

8. Was passiert bei streitigen AGB? Wer entscheidet über dessen Zulässigkeit?

Hier spielen vor allem die Grundsätze der AGB-Gestaltung eine Rolle (vgl. Frage 7). Die gesetzliche Inhaltskontrolle in den §§ 307, 308, 308 BGB regeln, welche Inhalte in AGB nicht zulässig sind. Die Inhaltskontrolle erfolgt durch die Gerichte, wenn innerhalb eines Rechtsstreites ein Vertragspartner dem Verwender unterstellt, dass eine oder mehrere Klauseln in den verwendeten AGB unwirksam seien.
Auch hier sei an dieser Stelle die Unterscheidung von Verbraucher- und Unternehmerverträge geboten:

(I.) In Verbraucherverträgen

Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit von Verträgen gegenüber Verbrauchern ist durch einen umfangreichen Katalog unzulässiger oder nur bedingt zulässiger Klauseln (§ 308 f. BGB) und durch die Inhaltskontrolle (§ 307 BGB) stark eingeschränkt.
Eine AGB-Klausel, die gegen den Katalog der § 308 f. BGB verstößt, ist unwirksam. Auch eine gegen § 307 BGB verstoßende Klausel in AGB ist unwirksam. Die Inhaltskontrolle spiegelt das Gebot von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr wider und dient als Auffangtatbestand für Klauseln, die nicht in den Katalog der § 308 f. BGB genannt sind. Bei dem Gebot von „Treu und Glauben” sollen die staatliche Grundprinzipien und Wertvorstellungen der Grundrechte eingehalten werden.
Hinweis: Zu der Anwendung von § 307 BGB gibt es eine fast unüberschaubare Einzelfall-Rechtsprechung, die hier an dieser Stelle nicht abschließend dargestellt werden kann.

(II.) In Verträgen mit Unternehmern

Bei der Verwendung von AGB gegenüber Unternehmern sind gemäß § 310 Abs. 1 BGB die detaillierten Klauselverbote in § 308 f. BGB grundsätzlich nicht anwendbar. Eine Inhaltskontrolle der AGB erfolgt hier generell nur über die Generalklausel § 307 BGB.
Hinweis: Die Klauselverbote des § 308 f. BGB sind jedoch im Rahmen der Interessenabwägung des § 307 BGB in der Regel ein Indiz für die Unwirksamkeit einer Klausel auch bei Unternehmern.

9. Muss in den AGB eine bestimmte Form für Erklärungen bei Verbrauchern eingehalten werden?

Bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Regelungen wurde der Wortlaut des § 309 Nr. 13 BGB geändert. Hiernach ist zwingend vorgeschrieben, dass die Form von Anzeigen und Erklärungen die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind nicht mehr an die Schriftform gebunden ist. Wo die Schriftform bislang eine eigenhändige Unterschrift erforderte, ist im Rahmen der nunmehr ausreichenden Textform eine lesbare Erklärung des Erklärenden auf einem dauerhaften Datenträger, d.h. per E-Mail oder Fax möglich. Dies gilt insbesondere für Verbraucherverträge.
Beispiel: Die Gesetzesänderung wirkt sich auch auf arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln aus, weshalb Arbeitgeber ihre Arbeitsvertragsmuster anpassen und im Hinblick auf die Regelung zu Ausschlussfristen formulieren sollten, dass gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht fristgerecht gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht werden.

10. Was geschieht bei falscher Verwendung von AGB?

Sind die AGB insgesamt oder einzelne AGB-Klauseln nicht Vertragsbestandteil geworden oder gemäß den §§ 307 ff. BGB unwirksam, so bleibt der Vertrag insgesamt grundsätzlich wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB). Anstelle der verwendeten AGB gelten dann die gesetzlichen Bestimmungen (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Schließung der vertraglichen Lücke und die Anwendung von Gesetzesrecht kann nicht durch Hinweise auf Ersatz-AGB verhindert werden.
Hinweis: In extremen Fällen kann der Vertrag wegen der fehlerhaften AGB insgesamt unwirksam sein (§ 306 Abs.  3 BGB), wenn die Fortbestehung des Vertrages für die andere Partei eine unzumutbare Härte darstellen würde.

11. Wo gibt es weitere Informationen und Muster-AGB?

Musterformulierungen für AGB finden Sie auf der Internetseite der IHK Frankfurt am Main.
Weiterhin sind im Buchhandel und bei Onlinedienstleistern verschiedene branchenspezifische AGB erhältlich.
Darüber hinaus finden Sie im Themenpapier der IHK Berlin „Das Kleingedruckte – Wissenswertes zum Thema AGB” weitere Formulierungsbeispiele einzelner Klauseln.
Hinweis: Musterverträge und Muster für Allgemeine Geschäftsbedingungen können nur ein Anhaltspunkt sein, die auf die individuellen Verhältnisse angepasst werden müssen. Soweit sich dies nach der Art des Geschäfts anbietet, wird im Zweifel empfohlen, die Vertragsklauseln jeweils im Einzelnen auszuhandeln. Außerdem sind entsprechende Muster vor der Verwendung immer auf den jeweiligen Stand der Rechtsentwicklung hin zu überprüfen.

Recht und Steuern

Verjährung von Ansprüchen


Stand: Januar 2023

1. Allgemeines

Gerade im Stadium als Existenzgründer oder auch als (Jung-) Unternehmen ist es wichtig, sich mit dem Thema Verjährung auseinanderzusetzen, da sich durch eine drohende Verjährung die rechtliche Durchsetzbarkeit eines an sich bestehenden Anspruchs bzw. einer offenen Forderung ändert.
Ein verjährter Anspruch bleibt zwar im Grunde bestehen, jedoch muss der Schuldner ihn nicht mehr erfüllen. Der Schuldner kann sich sodann auf das Vorliegen der Verjährung berufen und die Erfüllung des Anspruchs verweigern.
Das Gesetz sieht eine Regelverjährung (2.) vor, zu der es zahlreiche Ausnahmen (3.) gibt. Die Verjährung kann unter bestimmten Umständen gehemmt (4.) oder sogar zum Neubeginn (5.) gebracht werden.
Merke:
  • Unter der Verjährung versteht man die eintretende Unmöglichkeit, einen Anspruch durchzusetzen.
  • Die Verjährung tritt zeitlich durch Fristablauf ein.
  • Der Anspruch ist gesetzlich definiert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§194 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), also von jemanden ein Handeln oder Nichthandeln zu fordern.
  • Ein schuldrechtlicher Anspruch kann auch als eine Forderung bezeichnet werden.

2. Die Regel- (Verjährung)

Die Regelverjährungsfrist beträgt 3 Jahre (§ 195 BGB), sofern keine Sonderverjährungsregeln anzuwenden sind.
Vertragliche Ansprüche unterliegen der Regelverjährung, beispielsweise solche aus Kaufverträgen, Werkverträgen oder Mietverträgen.
Beispiele für die Regelverjährung:
Lieferansprüche aus Kauf- oder Werkverträgen, Ansprüche auf Erfüllung aus Aufträgen oder Dienstleistungsverträgen, Zahlungsansprüche aus sämtlichen Verträgen.
Die regelmäßige Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres,
  • in dem der Anspruch entstanden ist und
  • der Gläubiger Kenntnis von den Umständen erlangt hat die den Anspruch begründen.
Beispiel:
  • B liefert am 12. September 2018 an A bestellte Ware.
  • Am 18. September 2018 stellt B der A diese Lieferung in Rechnung.
  • A zahlt trotz mehrfacher Mahnschreiben, vom 28. Oktober 2018, 15. Dezember 2018, 23. Februar 2019 nicht.
  • Die Verjährung des Zahlungsanspruchs von B beginnt am 31. Dezember 2018 zu laufen und würde am 31. Dezember 2021 enden.
  • Mahnschreiben hemmen oder unterbrechen die Verjährung nicht .
Unabhängig davon, ob Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vorliegt, verjähren diese Ansprüche spätestens 10 Jahre nach Entstehung des Anspruchs.

3. Die Ausnahmen (Sonderverjährung)

Sonderverjährungsfristen finden sich – falls vorhanden – in speziellen, den jeweiligen Anspruch regelnden Normen, wie Handelsgesetzbuch, Aktiengesetz oder auch Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB). Nachfolgend sollen zwei ausgewählte Sonderverjährungsvorschriften kurz aufgezeigt werden.

a) 30-jährige Verjährung

Statt der dreijährigen Regelverjährung gilt beispielsweise für die nachfolgenden Anspruchsarten eine 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197, § 199 Abs. 2 BGB) mit unterschiedlichem Beginn der Fristenläufe.
Anspruchsart
Fristbeginn
Herausgabeansprüche aus Eigentum und anderen dinglichen Rechten
mit Entstehung
Rechtskräftig festgestellte Ansprüche (Urteile)
mit der Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden
mit der Errichtung des vollstreckbaren Titel
Schadensersatzansprüche, die auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen
mit Eintritt des schadensauslösenden Ereignisses

b) Gewährleistungsansprüche bei Mängeln

Eine weitere Sonderregel gilt für die Verjährung von Ansprüchen bei Vorliegen einer mangelhaften Sache (§ 438 BGB).
Anspruch
Verjährungsfrist
Mängelansprüche
2 Jahre
arglistig verschwiegene Mängel
3 Jahre
Mängelansprüche an Bauwerken
5 Jahre
Mangel besteht im dinglichen Recht eines Dritten   
30 Jahre
Bei Kaufverträgen beginnt die Verjährungsfrist abweichend von der Regelverjährung nicht zum Ende des Jahres, sondern regelmäßig mit Übergabe bzw. Ablieferung der Kaufsache.
Sollte der Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen worden sein (sog. Verbrauchsgüterkaufvertrag), sind ergänzend die Sonderregelungen des § 475 e BGB zu beachten.

c) Vertragliche Regelungen

Zudem kann abweichend von den gesetzlichen Verjährungsregelungen vertraglich ein anderer Verjährungsbeginn oder eine andere Verjährungsfrist vereinbart werden. Der Gestaltungsfreiheit sind hier jedoch etwa im Verhältnis zu Verbrauchern Grenzen gesetzt. So ist die Abkürzung besonderer und vom Gesetzgeber als zwingend erachteter Verjährungsfristen nicht möglich (insbesondere hinsichtlich von Mängelgewährleistungsansprüchen von Verbrauchern).

4. Die Unterbrechung (Hemmung der Verjährung)

Die Hemmung der Verjährung bedeutet, dass mit Eintritt des Hemmungsgrundes die Verjährung zum Stillstand kommt und nach dessen Wegfall weiterläuft. Der Zeitraum, währenddessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. 
Die Verjährung ist insbesondere gehemmt bei Rechtsverfolgungsmaßnahmen. Die Wichtigsten sind (§ 204 I 1 Nr. 1-14 BGB):
  • Klageerhebung
  • Mahnverfahren
  • Streitverkündung
  • Insolvenzverfahren
Wichtig: Außergerichtliche Mahnungen (Zahlungsaufforderungen) führen zu keiner Hemmung der laufenden Verjährung von Ansprüchen.

Eine Ausnahme hiervon bilden die Vollstreckungsmaßnahmen, die auch weiterhin den Neubeginn der Verjährung auslösen.
Die Hemmung endet 6 Monate nach rechtskräftiger Entscheidung oder anderweitiger Erledigung des eingeleiteten Verfahrens. Bei Nichtbetreiben des Verfahrens gilt die letzte Verfahrenshandlung als entscheidendes Datum für die sechsmonatige Frist.
Hemmende Wirkung können daneben auch schwebende (und ernsthafte) Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubiger entfalten. In diesem Fall ist die Verjährungsfrist solange gehemmt, bis eine Partei die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert (§ 203 BGB).

5. Restart (Neubeginn der Verjährung)

Neubeginn der Verjährung (früher: Unterbrechung) bedeutet, dass nach dem Ereignis, welches zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führt, die volle Verjährungsfrist neu zu laufen beginnt. Unterbrechende Ereignisse sind nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 212 BGB):
  • die Anerkennung des Anspruchs durch den Schuldner gegenüber dem Gläubiger durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise
  • eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung, die vorgenommen oder beantragt wird.

Diese Kurzinformation erläutert die in der unternehmerischen Praxis wichtigsten Verjährungsfristen, ohne das Gesamtsystem des umfangreichen Verjährungsrechts erschöpfend darzustellen. Die IHK-Information wurde mit großer Sorgfalt erstellt, jedoch kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden.

Compliance

Neues Geldwäschegesetz verabschiedet: Handlungsbedarf für Unternehmen

Der Bundesrat hat in der Sitzung am 29. November 2019 dem Gesetzentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Vierten EU-Geldwäscherichtlinie in der vom Bundestag am 14. November 2019 beschlossenen Fassung zugestimmt. Die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist am 19. Dezember 2019 erfolgt. Damit treten die Änderungen zum 1. Januar 2020 in Kraft. Da es keine Übergangsfristen gibt, sollten Unternehmen nun möglichst rasch ihren Handlungsbedarf prüfen.
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
  • Der Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten wird erweitert, z. B. um Finanzanlagenvermittler (§ 34 f GewO), Honoraranlagenvermittler (§ 34 h GewO), Mietmakler (ab Netto-Kaltmiete 10.000 Euro), Kunstvermittler (Auktionator, Galerist), Kunstlagerhalter, elektronische Geldbörsen und Kryptowährungen.
  • Bei Güterhändlern ist die Pflicht zum Risikomanagement an Bargeldgrenzen gekoppelt. Wenn sie Barzahlungen über 10.000 Euro tätigen oder entgegennehmen, ist ein wirksames Risikomanagement vorgeschrieben (§ 4 GwG). Für Edelmetallhändler, Juweliere und Antiquitätenhändler wird diese Bargeldgrenze auf 2.000 Euro herabgesetzt (§ 4 Absatz 5 GwG).
  • Das Risikomanagement erfordert eine Risikoanalyse (§ 5 GwG) und interne Sicherungsmaßnahmen (§ 6 GwG, z. B. Kundenidentifizierung). Im Rahmen der Risikoanalyse ist auch die Nationale Risikoanalyse des Bundesministeriums der Finanzen zu berücksichtigen. Eine Verlinkung zu den ausführlichen Inhalten der Ersten Nationalen Risikoanalyse finden Sie auf der Website des Zolls.
    Hinweis: Nicht nur bei Bargeldzahlungen oberhalb dieser Grenze sind Kunden zu identifizieren, sondern auch in sonstigen Fällen, wenn ein Verdacht auf Geldwäsche besteht.
  • Bei Geschäftsbeziehungen oder Transaktionen mit Hochrisikoländern bestehen verstärkte Sorgfaltspflichten (§ 15 Absatz 3 GwG). Eine Liste dieser Länder ist auf der Seite des Zolls veröffentlicht.
  • Bestimmte Dienstleister, die für Dritte tätig werden (z. B. § 2 Nr.13 GwG) müssen sich zukünftig bei der Aufsichtsbehörde registrieren (§ 51 Absatz 5b GwG). Die genaue Ausgestaltung der Registrierung ist noch nicht bekannt.
  • Der Verschuldensmaßstab bei Verstößen gegen geldwäscherechtliche Pflichten wird z. T. von leichtfertig zu fahrlässig herabgesetzt und damit auch die Schwelle zur Verhängung von Bußgeldern. Die IHKs haben diese Änderung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens deutlich kritisiert, ebenso die abermalige Ausweitung der Ordnungswidrigkeiten.
  • Das Transparenzregister wird für die gesamte „Öffentlichkeit“ zugänglich. Nach einer Online-Registrierung kann jedermann dort Einsicht nehmen. Bei Gefahr für Leib oder Leben eingetragener Personen kann eine Beschränkung beantragt werden (§ 23 GwG). Fallen Verpflichteten Unstimmigkeiten im Transparenzregister bei den Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten auf, sind sie unverzüglich zu einer Meldung an das Transparenzregister verpflichtet (§ 23 a GwG). Andernfalls droht ein Bußgeld. Die IHKs sehen diese Pflicht zur Erfüllung eigentlich staatlicher Leistungen kritisch; es bleibt abzuwarten, wie die Aufsichtsbehörden den Vollzug gestalten. Neu ist im Transparenzregister die Angabe der Staatsangehörigkeit. Juristische Personen des Privatrechts (wie GmbHs) und eingetragene Personengesellschaften (u.a. OHG, KG) die von der Fiktionswirkung anderer Register profitieren (z.B Handelsregister), müssen nichts veranlassen, obwohl in diesen Registern keine Staatsangehörigkeit aufgeführt ist. Besteht hingegen ein Eintrag im Transparenzregister, sollte die Staatsangehörigkeit der wirtschaftlich Berechtigten unverzüglich nachgepflegt werden, um dem Vorwurf unvollständiger Angaben vorzubeugen. Gleiches gilt für Stiftungen, Trusts und Treuhänder, wo es mangels anderer Register keine Mitteilungsfiktion gibt und der Eintrag im Transparenzregister obligatorisch ist.
  • Neu eingeführt wird eine Registrierungspflicht für alle Verpflichteten nach dem GwG bei der FIU, und zwar unabhängig von einer ebenfalls dort abzugebenden Verdachtsmeldung (§ 45 Absatz 1 GwG). Diese Pflicht besteht erst ab dem 1. Januar 2024, eine vorzeitige Registrierung ist dennoch empfehlenswert: Neben allgemeinen Informationen haben Verpflichtete dort im „Internen Bereich“ auch Zugriff auf branchenspezifische Typologiepapiere (z. B. Immobiliensektor, Kfz, Glücksspiel), deren Kenntnis die Aufsichtsbehörden voraussetzen. Außerdem ist im Ernstfall die unverzügliche Abgabe einer Verdachtsmeldung möglich, ohne dann erst noch den Registrierungsprozess durchlaufen zu müssen. Die Registrierung ist auf der Seite der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen möglich.
Als Aufsichtsbehörden für Verpflichtete des Nichtfinanzbereichs aus der Region werden die Regierungspräsidien Baden-Württembergs zu gegebener Zeit aktuelle Informationen zu den gesetzlichen Neuerungen anbieten.
Datenschutzrecht / DSGVO

Bestellung einer/s betrieblichen Datenschutzbeauftragten

I. Wann muss ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden?

Ab der Anzahl von zwanzig Mitarbeitern, die im Betrieb ständig und automatisiert personenbezogene Daten verarbeiten, ist verpflichtend ein Datenschutzbeauftragter zu benennen. Zu den Mitarbeitern zählen hierbei Voll- und Teilzeitkräfte, Leiharbeitnehmer, Auszubildende, freie Mitarbeiter und Praktikanten sowie Beschäftigte im Home-Office oder in Tele-Arbeit.
Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeiter regelmäßig und „automatisiert“ Daten verarbeiten, also zum Beispiel Kundenbetreuer, Callcenter-Mitarbeiter oder Personalabteilung, und zwar per PC, Tablet, Smartphone. Nicht gemeint sind Personen, die keinen oder nur selten mit personenbezogenen Daten umgehen, wie Lager-Arbeiter, Reinigungskräfte oder LKW-Fahrer.
Sinken die Mitarbeiter kurzzeitig auf eine Anzahl unterhalb der Grenze von zwanzig Mitarbeitern führt dies nicht zum Wegfall der Bestellpflicht. Entscheidend ist der durchschnittliche Personalbestand innerhalb eines Geschäftsjahres.
Auch bei weniger Mitarbeitern ist ein Datenschutzbeauftragter zu benennen, wenn die Haupttätigkeit des Unternehmens darin besteht, regelmäßig und systematisch personenbezogene Daten zu beobachten, zum Beispiel: datengesteuerte Marketingaktivitäten wie verhaltensbasierte Werbung, Scoring zu Zwecken der Kreditvergabe oder Versicherungsprämien, Standortverfolgung, künstliche Intelligenz, Daten in Alltagsgegenständen (z.B. smarte Haushaltsgeräte und Autos). Wenn besonders sensible Daten verarbeitet werden, wie Gesundheitsdaten, ist stets ein Datenschutzbeauftragter zu bestellen.
Wichtig: Im Übrigen kann das Unternehmen jederzeit freiwillig einen Datenschutzbeauftragten bestellen. Keinen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, muss nicht weniger Arbeit bedeuten. Der Datenschutz muss trotzdem eingehalten werden. Prüfen Sie deshalb genau, ob ein freiwillig bestellter Datenschutzbeauftragter für Entlastung im Unternehmen sorgen kann, indem er sich um die Aufgaben aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) kümmert.
Die Position des Datenschutzbeauftragten kann innerhalb des Betriebs durch einen eigenen Mitarbeiter besetzt werden (auch als „Teilzeit“-Tätigkeit neben seinen eigentlichen Aufgaben), wenn er die persönlichen und fachlichen Voraussetzungen dafür besitzt. Es kann auch ein externer Datenschutzbeauftragter bestellt werden. Für eine Unternehmensgruppe kann ein gemeinsamer Datenschutzbeauftragte benannt werden. Dieser muss jedoch von jeder Niederlassung aus leicht erreichbar sein.

II. Wer kann Datenschutzbeauftragter sein?

Die Position des Datenschutzbeauftragten kann innerhalb des Betriebs durch einen eigenen Mitarbeiter besetzt werden (auch als „Teilzeit“-Tätigkeit neben seinen eigentlichen Aufgaben), wenn dieser persönlich und fachlich geeignet ist. Es kann auch eine externe Person, zum Beispiel ein Rechtsanwalt, als Datenschutzbeauftragter bestellt werden. Für eine Unternehmensgruppe kann ein gemeinsamer Datenschutzbeauftragter benannt werden. Dieser muss jedoch von jeder Niederlassung aus leicht erreichbar sein.
Eine Person, die in einen Interessenkonflikt geraten könnte oder sich am Ende selbst kontrolliert, darf nicht zum Datenschutzbeauftragten bestellt werden (dies sind insbesondere Mitglieder der Unternehmensleitung, IT- und Personalleiter sowie IT- Administratoren).  

III. Anforderungen an Bestellung, Stellung und Aufgaben

1. Fachliche Voraussetzungen

  • Der Datenschutzbeauftragte muss aufgrund der beruflichen Qualifikation und des Fachwissens benannt werden. Zu den Fachkundevoraussetzungen gehört ein Verständnis der datenschutzrechtlichen Vorschriften, sowie  grundsätzliche Kenntnisse der Informations- und Telekommunikationstechnologie und der Datensicherheit. Diese Mindestkenntnisse müssen bereits zum Zeitpunkt der Bestellung vorliegen.
  • Eine Form und bestimmte Dauer für die Bestellung besteht nicht; die Bestellung sollte aus Nachweisgründen in Textform erfolgen. Hierfür gibt es ein Muster:
Muster: Interne Bestellung zum/zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten

Herrn/Frau
Name
Anschrift
Hiermit bestellen wir Sie im gegenseitigen Einvernehmen und mit sofortiger Wirkung/zum … zum/zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten gem. Art. 37 ff. EU-Datenschutz-Grundverordnung, § 38 BDSG.
In Ihrer Funktion als Datenschutzbeauftragte/r sind Sie der Geschäftsleitung unmittelbar unterstellt (Achtung Hinweis: Diese Regelung ist nicht verpflichtend in den gesetzlichen Vorschriften vorgesehen, kann aber von dem Unternehmen so getroffen werden).
Zuständiges Mitglied der Geschäftsleitung ist Herr/Frau ... . Ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte/r ergeben sich aus der EU-Datenschutzgrundverordnung und dem Bundesdatenschutzgesetz, die wir in der Anlage konkretisiert haben.
In Ihrer Aufgabe als betriebliche/r Datenschutzbeauftragte/r sind Sie weisungsfrei. Über Ihre Tätigkeit werden Sie der zuständigen Geschäftsleitung (Zeitraum angeben: z. B.: 1x jährlich) Bericht erstatten.
Ort, Datum
Unterschrift: ... (Unternehmensleitung)
Mit der Bestellung bin ich einverstanden: ... (Unterschrift der/des Datenschutzbeauftragten)
Hinweis: Dieses Muster – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart –gibt nur erste und unverbindliche Hinweise und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Muster mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit nicht übernommen werden.
Die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten sind zu veröffentlichen (z.B. in der Datenschutzerklärung auf der Unternehmenshomepage) und sind der jeweiligen Landesdatenschutzbehörde zu melden. Hierfür gibt es ein elektronisches Formular bei den Aufsichtsbehörden.

2.    Stellung

  • Der Datenschutzbeauftragte ist weisungsunabhängig bzgl. seiner Aufgabenerfüllung. Er darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben weder abberufen noch benachteiligt werden.
  • Es ist frühzeitg in alle datenschutzrechtlichen Fragen einzubinden. Zur Aufgabenerfüllung ist ihm das notwendige Zeitbudget sowie die nötige Unterstützung (Fortbildung, finanzielle, materielle und personelle Ausstattung) zu gewähren.
  • Dem Datenschutzbeauftragten ist Zugang zu allen personenbezogenen Daten und damit zusammenhängenden Verarbeitungsvorgängen zu geben.
  • Der Datenschutzbeauftragte ist zur Wahrung der Geheimhaltung und Vertraulichkeit bei der Erfüllung seiner Aufgaben verpflichtet. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Identität von betroffenen Personen, die sich an den Datenschutzbeauftragten gewandt haben.
  • Dem Datenschutzbeauftragten steht ein besonderer Kündigungsschutz zu. Das Arbeitsverhältnis darf während der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter und nach Beendigung für ein Jahr nicht gekündigt werden, es sei denn die Kündigung erfolgt aus wichtigem Grund.

3.    Aufgaben

Der Datenschutzbeauftragte hat folgende Aufgaben zu erfüllen:
  • Beratung bei datenschutzrechtlichen Fragen.
  • Überwachung und Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften (DSGVO, BDSG sowie weitere Rechtsvorschriften) sowie der unternehmenseigenen Datenschutzbestimmungen und Schulung von Mitarbeitern.
  • Kommunikation mit der Datenschutzaufsichtsbehörde.
  • Ansprechpartner für betroffene Personen und Mitarbeiter zu allen mit der Verarbeitung ihrer Daten und mit der Wahrnehmung ihrer Rechte zusammenhängenden Vorgänge.
Über diese Aufgaben hinaus nimmt er eine beratende und unterstützende Funktion ein.
Insbesondere sind hier zu nennen:
  • Unterstützung des Verantwortlichen bei der Etablierung von Prozessen bzw. Dokumentationen zur Erfüllung datenschutzrechtlicher Pflichten, Unterstützung bei der Meldepflicht- und Benachrichtigungspflicht bei Datenschutzverletzungen sowie Erfüllung der Betroffenenrechte (Recht aus Auskunft, Berichtigung, Einschränkung der Datenverarbeitung, und Löschen von Daten).
  • Unterstützung bei der Erstellung eines Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten. 
Bei der Erfüllung seiner Aufgaben entscheidet der Datenschutzbeauftragte selbst, welche Verarbeitungsvorgänge er aufgrund des damit jeweilig verbundenen Risikos vorrangig prüft.

IV. Haftung

Nach den Leitlinien der sogenannten Artikel-29-Datenschutzgruppe (unabhängiges Beratungsgremium der Europäischen Kommission in Fragen des Datenschutzes) vom April 2017 trägt der Datenschutzbeauftragte im Falle der Nichteinhaltung der DSGVO keine persönliche Verantwortung. Es ist Sache des Verantwortlichen sicherzustellen und nachzuweisen, dass die datenschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Wird es versäumt den Datenschutzbeauftragten zu bestellen, kann dies mit einem Bußgeld belegt werden (entsprechend der DSGVO mit bis zu 10 Millionen Euro oder 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes).


IHK hilft

Einstieg ins internationale Geschäft

Sie wollen Ihre Produkte ins Ausland exportieren oder Waren aus anderen Ländern importieren, suchen Geschäftspartner im Ausland oder wollen dort eine Produktionsstätte aufbauen? Wer sich international engagieren möchte, muss sich gut informieren. Wir unterstützen Sie beim Einstieg in das internationale Geschäft.

Außenhandel

Erfahren Sie,
  • was beim Export von Waren zu beachten ist.
  • wann Sie Zoll zahlen müssen.
  • warum ausländische Kunden wissen möchten, in welchem Land Ihre Waren hergestellt wird.

Vertrieb im Ausland

Erfahren Sie,
  • wie Sie Käufer für Ihr Produkt finden.
  • welche länderspezifischen Besonderheiten es gibt.
  • welche rechtlichen und steuerlichen Gegebenheiten zu beachten sind.

Investieren im Ausland

Erfahren Sie,
  • was Sie bei der Dienstleistungserbringung im Ausland beachten sollten.
  • welche Förderungen oder Finanzierungshilfen es für Ihre Auslandsinvestitionen gibt.
IHK hilft

Geschäftsessen, Geschenke und Incentives steuerlich behandeln

Sie laden Geschäftspartner zum Mittagessen ein? Sie möchten Ihren Kunden zur Pflege des Geschäftskontakts etwas schenken oder Ihre Mitarbeiter für ihr Engagement belohnen?
Inwieweit können Sie Bewirtungskosten, Geschenke und Incentives als Betriebsausgaben absetzen und wie sind sie zu besteuern? Bei Geschenken stellt sich auf Seiten des Zuwendenden die Frage, ob und in welcher Höhe er die entstandenen Ausgaben als Betriebsausgaben absetzen kann – auf der Seite des Empfängers, ob er die Zuwendung als Einnahme oder geldwerten Vorteil versteuern muss. Bei Einladungen zum Essen geht es neben der Frage „Arbeitsessen oder Privatvergnügen“ um die Anforderungen an die Bewirtungsbelege.
Hier finden Sie Informationen zur steuerlichen Behandlung von
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Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland

Mit der zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs steigt die Anzahl an grenzüberschreitenden Leistungserbringungen. So entsenden Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Ausland, beispielsweise für vorübergehende Dienstleistungserbringungen wie Montagen, Reparaturen, Projektbetreuungen oder auch für längere Zeit.
Die bürokratischen und rechtlichen Anforderungen für die Betriebe sind durch Meldepflichten erheblich gestiegen – auch innerhalb der Europäischen Union. Um möglichen Fallstricken und Bußgeldern zu entgehen, haben wir Ihnen die wichtigsten Informationen zu Melde- und Steuerpflichten beziehungsweise Lohn- und Versicherungsvorgaben für einzelne Zielländer zusammengestellt.
Detaillierte Informationen, was Sie in den einzelnen Ländern beachten sollten, finden Sie in unserem Artikel „Entsendung von Mitarbeitern”.
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Rechtliche Konflikte mit anderen Unternehmen lösen

Streitige Auseinandersetzungen sind unvermeidlich. Im Wirtschaftsleben sollte es darum gehen, entstandenen Streit vorgerichtlich zu erledigen. In einem außergerichtlichen Verfahren können die Parteien gemeinsam eine gütliche Einigung erarbeiten.
Die Gütestelle für kaufmännische Streitigkeiten kann in allen Streitigkeiten angerufen werden, die sich aus der
gewerblichen Tätigkeit beider Parteien ergeben. Sie kann auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern gewerblich tätiger Gesellschaften eingeschaltet werden. Das Güteverfahren zielt darauf ab, mit Hilfe einer neutralen, unparteiischen Person, der sogenannten Güteperson, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln und auf diese Weise eine interessengerechte Vereinbarung herbeizuführen.
Zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten in der gewerblichen Wirtschaft hat das Land Baden-Württemberg bei der IHK Region Stuttgart eine Einigungsstelle errichtet. Die Einigungsstelle wird auf Antrag tätig und bezweckt die Herbeiführung eines gütlichen Ausgleichs in Rechtsstreitigkeiten, in denen ein Anspruch auf Grund des UWG beziehungsweise des Unterlassungsklagegesetzes geltend gemacht wird.
IHK hilft

Geistiges Eigentum schützen

Sie haben eine Idee, die Sie umsetzen möchten. Doch wie können Sie Ihr geistiges Eigentum schützen?
Schutz bieten gewerbliche Schutzrechte. Unterschieden werden technische Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster), Designschutz (Eingetragenes Design) sowie Namens- und Kennzeichenschutz (Marke). Die IHK informiert und berät Unternehmen zu allen Fragen im Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten wie Anmeldung, Kosten und Recherche. Generelle Erstinformationen zum Thema finden Sie auf unserer Seite „Patente & Co.”.
Ein Tipp: Teilen Sie Ihre Idee nicht mit jedem. Möglicherweise kann diese Mitteilung dann neuheitsschädlich bei der Beantragung möglicher Schutzrechte (zum Beispiel eines Patents) sein.
Dienstleistungserbringung im Ausland

Entsendung nach Italien

Für Unternehmen, die Mitarbeiter zur Abwicklung geschlossener Dienstleistungsverträge nach Italien entsenden, gibt es verschiedene Anzeige- und Meldepflichten. Was im Einzelfall zu tun ist, muss rechtzeitig vor Beginn der Tätigkeit in Italien überprüft werden.

1. Meldepflicht

Für den Einsatz von Mitarbeitern in Italien müssen sich die Unternehmen auf dem Internetportal des italienischen Arbeitsministeriums registrieren. Das italienische Arbeitsministerium bietet darüber hinaus nützliche Informationen (in englischer Sprache). Zudem muss der Einsatz spätestens am Tag zuvor bis Mitternacht auf dem Internetportal ciclavoro.gov.it gemeldet werden.

2. Arbeitsbedingungen in Italien

Beim Einsatz von Mitarbeitern in Italien müssen die italienischen Arbeitsbedingungen beachtet werden, wie zum Beispiel:
  • Höchstarbeitszeit und Mindestruhezeiten
  • Mindestlöhne und Überstundenvergütung
  • bezahlter Mindestjahresurlaub
  • Maßnahmen zum Sicherheits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz
  • Vorschriften der Nicht-Diskriminierung
Informationen zu den Arbeitsbedingungen finden Sie auf der Internetseite des italienischen Arbeitsministeriums in italienischer und englischer Sprache. Dort finden Sie auch die branchenspezifischen Tarifverträge, die allerdings nur in italienischer Sprache verfügbar sind.

3. Aufbewahrung von wichtigen Unterlagen

Die folgenden Unterlagen (samt Kopie in italienischer Sprache - in gedruckter oder elektronischer Form) sind vom Entsendeunternehmen während der Entsendung und darüber hinaus für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung der Entsendung aufzubewahren:
  • Arbeitsvertrag
  • Lohnzettel
  • Stundenzettel, aus denen Anfang, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit hervorgehen
  • Nachweis über die Zahlung von Gehältern oder gleichwertige Unterlagen
  • Öffentliche Mitteilung über den Beginn des Arbeitsverhältnisses oder gleichwertige Unterlage
  • Zertifikat über die anzuwendenden Sozialsicherheitsvorschriften (A1-Bescheinigung)
Zudem ist während des Einsatzes und zwei Jahre nach dessen Abschluss ein Ansprechpartner („referente”) mit Anschrift und Wohnsitz in Italien für die Zustellung von Dokumenten und Unterlagen zu benennen. Für eventuelle Rückfragen der italienischen Behörden muss dieser die italienische Sprache beherrschen. Ebenso ist für die Zeitspanne des Einsatzes ein weiterer, vertretungsberechtigter Ansprechpartner zu benennen, der zu Verhandlungen mit den Sozialpartnern befugt ist.

4. Mögliche Sanktionen

Die Nichteinhaltung der neu festgesetzten Verpflichtungen ist mit Strafe bedroht. Die Nichtanmeldung einer Entsendung wird mit einer Geldbuße in Höhe von 180 bis 600 Euro pro entsandte Arbeitnehmer bestraft. Bei Verstößen gegen die Aufbewahrungspflichten fallen Geldbußen in Höhe von 600 bis 3.600 Euro pro entsandte Arbeitnehmer an. Werden keine Ansprechpartner ernannt, fallen Geldbußen in Höhe von 2.400 bis 7.200 Euro an. Die Strafen dürfen nicht höher als 180.000 Euro sein.
Auch die Kolleginnen und Kollegen der Auslandshandelskammer in Italien helfen bei Fragen zum italienischen Recht gerne weiter.
Mehrwertsteuerrecht in der Schweiz

Mehrwertsteuergesetz in der Schweiz

Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes gilt seit 1. Januar 2018

Am 1. Januar 2018 trat in der Schweiz die vom Parlament beschlossene Teilrevision des Mehrwertsteuergesetzes in Kraft. Neu ist für die obligatorische Steuerpflicht eines Unternehmens nicht mehr nur der Umsatz im Inland maßgebend, sondern der Umsatz im In- und Ausland. Unternehmen, die weltweit einen Umsatz von mindestens 100.000 Schweizer Franken erzielen, werden ab dem ersten Franken Umsatz in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig. Ob ein Unternehmen ab 2018 oder 2019 mehrwertsteuerpflichtig wird, hängt von mehreren Faktoren, beispielsweise dem Ort der Lieferung oder Ort der Dienstleistung, ab.
Zuvor konnten ausländische Unternehmen bis zu einem Umsatz von 100.000 Franken in der Schweiz ihre Leistungen ohne Mehrwertsteuer erbringen, was zu Wettbewerbsnachteilen für das inländische Gewerbe insbesondere in den Grenzregionen geführt hatte.
Weitere Neuerungen – reduzierter Mehrwertsteuersatz für elektronische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher, Margenbesteuerung für Sammlerstücke und andere – traten ebenfalls am 1. Januar 2018 in Kraft.

Neuerung bei der Versandhandelsregelung seit dem 1. Januar 2019

Seit dem 1. Januar 2019 ist eine neue Versandhandelsregelung in Kraft. Versandhandelsunternehmen werden somit ab 2019 steuerpflichtig, wenn sie mit einfuhrsteuerfreien Kleinsendungen mindestens einen Umsatz von 100.000 Franken pro Jahr in der Schweiz erzielen.
Kleinsendungen sind Lieferungen, bei denen der Steuerbetrag nicht mehr als 5 Franken beträgt. Bei dem seit dem 01.01.2024 geltenden regulären Steuersatz von 8,1 Prozent fallen unter Kleinsendungen folglich Artikel mit einem Warenwert von bis zu 62 Franken beziehungsweise bei einem reduzierten Steuersatz von 2,6 Prozent Artikel mit einem Warenwert von bis zu 193 Franken. Die Versandhandelsunternehmen werden die Mehrwertsteuer ihren Kundinnen und Kunden selbst in Rechnung stellen. Dafür entfallen bei den Kundinnen und Kunden die vom Zoll bei der Einfuhr erhobenen Steuern und Gebühren. Bitte beachten Sie, dass die Steuerpflicht für Versandhandelsunternehmen seit dem 1. Januar 2019 gilt, wenn diese in den vorangegangenen 12 Monaten Umsätze aus Kleinsendungen in Höhe von mindestens 100.000 Franken erzielt haben und zu erwarten ist, dass sie auch im Jahr 2019 Kleinsendungen ausführen werden. Weitere nützliche Informationen stellt die Eidgenössische Steuerverwaltung auf ihrer Internetseite bereit.

Neue Rundfunkgebührenregelung seit dem 30. August 2018

Am 30. August 2018 gab die Eidgenössische Steuerverwaltung bekannt, dass Unternehmen ohne Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz eine Unternehmensabgabe für Radio und Fernsehen nicht entrichten müssen. Beitragspflichtig sind lediglich Unternehmen mit Sitz, Wohnsitz oder Betriebsstätte in der Schweiz, die im Schweizer Mehrwertsteuerregister eingetragen sind und einen jährlichen Gesamtumsatz von mindestens 500.000 Franken (ohne Mehrwertsteuer) erzielen.

Anmeldung bei der Steuerverwaltung notwendig

Allgemein gilt, wer zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet ist, muss sich unaufgefordert innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Steuerpflicht bei der Schweizerischen Steuerverwaltung anmelden und außerdem
  • einen in der Schweiz niedergelassenen Fiskalvertreter bestellen,
  • eine Sicherheitsleistung in Höhe von 3 Prozent des erwarteten Inlandsumsatzes in der Schweiz erbringen (Bankbürgschaft bei einer in der Schweiz ansässigen Bank oder durch Bareinzahlung auf das Konto der Schweizerischen Steuerverwaltung) und
  • in der Regel vierteljährlich Steuerabrechnungen einreichen.

Bei Versäumnis: Straflose Selbstanzeige

Wurde eine rechtzeitige Registrierung im Schweizer Mehrwertsteuerregister versäumt, so besteht die Möglichkeit einer straflosen Selbstanzeige (Art. 102 MwStG). Voraussetzungen dafür sind:
  • Keine positive Kenntnis der Widerhandlung durch die Schweizerischen Behörden
  • Aktive Mitwirkung durch den Steuerpflichtigen hinsichtlich Festsetzung der geschuldeten Steuer und Rückzahlung

Weiterführende Informationen

Die neue Geoblocking-Verordnung

1. Was ist Geoblocking?

Mittels „Geoblocking“ werden Internetinhalte für Kunden aus anderen EU-Staaten gesperrt, oder sie erhalten andere Konditionen als ein Kunde aus einer anderen Region.
Zum Beispiel möchte ein Kunde aus Frankreich bei einem deutschen Onlinehändler einen günstig angebotenen Artikel erwerben. Stattdessen wird er automatisch auf eine französische Version der Webseite weitergeleitet, auf der er den gewünschten Artikel nicht oder nur zu einem höheren Preis erwerben kann.

2. Was bezweckt die Geoblocking-Verordnung?

Die EU sieht in dem oben beschriebenen Fall eine Ungleichbehandlung von Kunden aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung, in anderen EU-Ländern Waren oder Dienstleistungen zu erwerben oder auf digitale Onlineinhalte zuzugreifen. Die Verordnung verbietet Onlinehändlern den Kunden den Zugang zu einer Webseite aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Orts der Niederlassung  zu sperren und ihn von bestimmten Angeboten auszuschließen. Die Verordnung gilt sowohl mit Verbrauchern als auch für B2B-Geschäfte, wenn der Käufer auch Endkunde der Leistung ist.

Was passiert durch die neuen Regelungen konkret:

  • Händler dürfen Kunden nur noch mit deren ausdrücklicher Zustimmung auf eine länderspezifische Webseite (zum Beipsiel die französische Shopversion einer deutschen Online-Shoppingseite) umleiten.
  • Beschränkungen oder unterschiedliche Behandlung von Kunden für elektronisch erbrachte Dienste (zum Beispiel Cloud Services, Webhosting) sowie touristische Dienstleistungen, die lokal am Standort erbracht werden (zum Beispiel Autovermietung, Hotelunterbringung, Veranstaltungstickets) darf es künftig ebenfalls nicht mehr geben.
  • Verboten sind ungleiche Bedingungen für Kauf, Lieferung und Zahlung, wegen der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Niederlassungsortes soweit diese nicht durch objektive Gründe gerechtfertigt werden können, wie beispielsweise höhere Versandkosten. 
  • Untersagt wird die Ungleichbehandlung in Bezug auf Zahlungsarten. Akzeptiert ein Händler eine Zahlungsart (zum Beispiel Zahlung mit einer bestimmten Kreditkarte), muss er diese Zahlungsart auch Kunden aus anderen Mitgliedsländern ermöglichen.
Die Verordnung verbietet nicht, das Betreiben verschiedener Länderversionen eines Onlineshops mit unterschiedlichen Konditionen, wie höhere Versandbedingungen, unterschiedliche Preise oder Sonderangebote/Aktionen, die nur für eine bestimmte Shopversion zugänglich sind.  
Diese länderspezifischen Konditionen müssen dann aber von jedem Kunden eines Mitgliedstaates in Anspruch genommen werden können. Ein beispielsweise französischer Kunde muss auf der deutschen Shopseite auch zum gleichen Preis einkaufen können wie deutsche Kunden.
Der deutsche Händler darf sein Liefergebiet festlegen. Er muss seine Ware nicht an einen Kunden aus einem Mitgliedstaat liefern, wenn das Land des Wohnsitzes oder der Niederlassung nicht vom Liefergebiet des Händlers erfasst ist. Er muss aber einen Kunden dessen Land nicht zum Liefergebiet gehört ermöglichen, dass er
  • eine Lieferadresse in Deutschland oder in einem anderen Staat  innerhalb des Liefergebiets angibt;
  • die Lieferung selbstständig organisiert, indem er selbst eine Spedition beauftragt; oder
  • die Ware in einem stationären Geschäft des Händlers abholt (sofern der Händler dies Kunden, die zum Liefergebiet gehören, anbietet)

3. Gibt es Ausnahmen von der Geoblocking-Verordnung?

Das Verbot gilt nicht, wenn es für eine Sperrung, Beschränkung oder unterschiedliche Behandlung rechtlich zwingende Gründe gibt, beispielsweise Jugendschutzgründe, Buchpreisbindung.
Ausgenommen von der Verordnung sind Gesundheitsleistungen und soziale Dienste, Finanzdienstleistungen,  Beförderungsleistungen sowie Streaming oder Download-Angebote für urheberrechtlich geschützte Werke.
Die Verordnung gilt nicht für Anbieter elektronisch erbrachter Dienstleistungen, wenn sie von der Mehrwertsteuer befreit sind.

4. Was ist zu tun?

Händler müssen insbesondere
  • bestehende technische Zugangssperren beseitigen
  • die Einwilligung in die Weiterleitung auf länderpezifische Webseiten technisch einrichten
  • die Selbstabholung ermöglichen, wenn diese Option auch für inländsiche Kunden besteht
  • technische Einstellungen beseitigen, welche die Zahlungs- oder Lieferbedingungen automatisch anpassen aufgrund der IP-Adresse, des eingetragenen Wohnorts, der Sprachauswahl oder des Zahlungsmittels
  • Allgemeine Geschäftsbedingungen überprüfen, ob diese den Kunden wegen seiner  Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder der Niederlassung diskriminieren. Hierzu wird die Einholung rechtsanwaltlichen Rates empfohlen.
  • unterschiedliche Bedingungen für einen Zahlvorgang aufgrund Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Ort der Niederlassung unterlassen
Händler sollten des Weiteren
  • das Liefergebiet auf der Unternehmenswebseite und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen deutlich kenntlich machen
  • Eingabemasken für Bestell- und Kundenformulare anpassen, sodass eine von der Rechnungsadresse abweichende Lieferadresse in den Mitgliedstaat, der vom Händler beliefert wird, oder ausländische Kontaktdaten, angegeben werden können.
Zuständig für die Durchsetzung der Verodnung ist die Bundesnetzagentur. Sie kann bei Verstößen gegen die Anbieter Anordnungen erlassen und Zwangsgeld festsetzen (bis zu 500.000 Euro) sowie Bußgelder bis zu 300.000 verhängen.
Bei Verstößen gegen die Verordnung können auch Abmahnungen von Mitbewerbern oder abmahnberechtigten Verbänden drohen.

International

Vergütung von Reisezeiten bei einer Auslandsentsendung

Mit der Frage, inwieweit die Wegezeit einer Dienstreise auch Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes darstellt und damit beispielsweise in die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit einzubeziehen ist, hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits zu verschiedenen Fallkonstellationen befasst.
Ob Reisezeiten, die über die arbeitsvertraglich vereinbarte reguläre Arbeitszeit hinausgehen als Arbeitszeit zu vergüten sind, ist Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des BAG. Am 17. Oktober 2018 wurde über die Vergütung von Reisezeiten bei Auslandsentsendungen entschieden (BAG, Urt. v. 17.10.2018, 5 AZR 553/17).

1. Sachverhalt

Der technische Mitarbeiter eines Bauunternehmens war über einen Zeitraum von zwölf Wochen nach China entsandt. Anstelle eines Direktflugs in der Economy-Class buchte das Bauunternehmen auf Wunsch seines Mitarbeiters einen Business-Class-Flug mit Zwischenstopp in Dubai. Für jeden der insgesamt vier Reisetage erhielt der Mitarbeiter gemäß seinem Arbeitsvertrag jeweils acht Stunden vergütet. Mit seiner Klage verlangt der Arbeitnehmer die Vergütung weiterer 37 Stunden, also die vollständige Entlohnung seiner tatsächlichen Reisezeit.

2. Entscheidung des BAG

Nachdem die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, wurde ihr durch das Landesarbeitsgericht (LAG) stattgegeben. Infolge der Revision der Beklagten hatte nun das BAG zu entscheiden. Dieses stellte fest, dass im Rahmen einer vorübergehenden Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland sowohl die Reise zur auswärtigen Arbeitsstätte, als auch die Reise von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgten. Dementsprechend sei in der Regel die erforderliche Reisezeit wie Arbeitszeit zu vergüten. Erforderlich sei dabei grundsätzlich die Reisezeit im Rahmen eines Economy-Class-Flugs.
Die Aussagen des BAG betreffen damit die Vergütung von Reisezeiten sowie die erforderliche Reisezeit.

2.1 Vergütung von Reisezeiten

Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend zur Arbeit ins Ausland, sind die für die Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie die eigentliche Tätigkeit zu vergüten soweit keine anderweitigen Vergütungsregelungen getroffen worden sind.
Das BAG macht deutlich, dass zwischen der arbeitszeitrechtlichen Beurteilung und der Vergütungspflicht zu differenzieren ist. Erstere schützt den Arbeitnehmer vor einer übermäßigen Inanspruchnahme und dient damit dem Schutz von Körper und Gesundheit, letztere sichert eine angemessene Vergütung des Arbeitnehmers.
2.1.1 Reisezeiten als Teil der gesetzlichen Vergütungspflicht des Arbeitgebers
2.1.1.1 Grundsatz
„Grundsätzlich erbringt der Arbeitnehmer mit dem - eigennützigen - Zurücklegen des Wegs von der Wohnung zur Arbeitsstelle und zurück keine Arbeit für den Arbeitgeber.“  (BAG)
Begrifflich handelt es sich insofern um Wegezeiten. Diese werden nicht als Arbeit vergütet.
2.1.1.2 Ausnahme: Tätigkeiten des Arbeitnehmers außerhalb des Betriebs
Hat der Arbeitnehmer hingegen Tätigkeiten außerhalb des Betriebs zu erbringen, gehören diesbezüglich erforderliche Fahrten zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Dienstreisen bilden demnach eine Ausnahme vom Grundsatz unabhängig davon, ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers erfolgen.
2.1.1.3 Ausnahme: Entsendungen
Dies gilt in gleicher Weise für Reisen die wegen einer vorübergehenden Entsendung zur Arbeit ins Ausland erforderlich sind. Auch solche sind fremdnützig, jedenfalls sofern sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen.
2.1.2 Arbeitszeitliche Einordnung ohne Bedeutung
Ohne Bedeutung für die Bestimmung der Vergütung ist hingegen die Frage, ob es sich bei der Reisezeit um Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 ArbZG handelt. Das ArbZG sichert als öffentlich-rechtliche Schutznorm vor einer übermäßigen Inanspruchnahme des Arbeitnehmers. Die Einordnung einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit führt aber nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht.
2.1.3 Vergütung von Reisezeiten
Aus der Einordnung von Reisezeiten als Arbeitszeit ergibt sich jedoch noch keine Aussage über die Höhe der Vergütung.
Die Parteien können über die Vergütung von Reisezeiten durch Arbeits- oder Tarifvertrag gesonderte Vergütungsregelungen treffen. Dabei kann eine Vergütung von Reisezeiten auch ganz ausgeschlossen werden, sofern hierdurch nicht der nach § 1 Abs. 1 MiLoG zustehende Anspruch auf Mindestlohn unterschritten wird. Ist hingegen eine konkrete Vereinbarung über die Vergütung nicht getroffen, richtet sich diese nach der für die eigentliche Tätigkeit vereinbarten Vergütung.

2.2 Erforderlichkeit von Reisezeiten

Zu vergüten ist die erforderliche Reisezeit. Deren Bestimmung richtet sich nach den folgenden Grundsätzen.
2.2.1 Vorgabe des Reiseverlaufs durch den Arbeitgeber
Wird der Reiseverlauf und die Reisemittel durch den Arbeitgeber bestimmt, ist diejenige Reisezeit erforderlich, die der Arbeitnehmer benötigt, um entsprechend dieser Vorgaben das Reiseziel zu erreichen.
2.2.2 Beteiligung des Arbeitnehmers an der Reiseplanung
Anders ist dies hingegen, wenn der Arbeitnehmer an dem Reiseverlauf bzw. an der Wahl der Reisemittel beteiligt wird. Der Arbeitnehmer ist dann aufgrund der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers verpflichtet, im Rahmen des Zumutbaren, die kostengünstigste Möglichkeit zu wählen.
Im konkreten Fall hält das BAG bei einer Flugreise diejenige Reisezeit für erforderlich, die bei einem Direktflug in der Economy-Class anfällt, es sei denn ein solcher ist wegen besonderer Umstände dem Arbeitnehmer nicht zumutbar.
2.2.3 Weitere Bestandteile der Reisezeit
Zu den Bestandteilen der eigentlichen Beförderungszeit gehören auch solche Zeiten die mit der Beförderung zwingend einhergehen. Beispielhaft ist hier auf die Wegezeiten zum und vom Flughafen abzustellen sowie die Zeiten für das Einchecken und die Gepäckausgabe.
Nicht dazu gehört jedoch eigennütziger Zeitaufwand des Arbeitnehmers im Zusammenhang mit der Reise beispielsweise für das Kofferpacken und Duschen.

3. Fazit

Das Urteil gibt Auskunft über die Frage der Vergütung und der Erforderlichkeit von Reisezeiten bei Auslandsentsendungen als auch bei Dienstreisen. Das BAG stellt insofern Reisezeiten im Rahmen von Entsendungen denjenigen im Rahmen von Dienstreisen gleich. Die zu vergütende Reisezeit bestimmt sich nach den Zeiten die zur Wahrnehmung der Reise effektiv erforderlich sind. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl der Reisemittel und den Verlauf der Reise so ist letzterer im Hinblick auf die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme gehalten die kostengünstigste Möglichkeit zu wählen. Offen bleibt, ob im Rahmen einer Gesamtkalkulation die Wahl eines kostenintensiveren aber schnelleren Verkehrsmittels möglich ist, indem ein niedrigerer Vergütungsanspruch die höheren Beförderungskosten ausgleicht.
In der Praxis ist dem Unternehmer – die Rechtsprechung des BAG kennend – zu empfehlen, direkt mit seiner Belegschaft klare und transparente Vergütungsregeln zu treffen. Auf diese Weise können etwaige Unsicherheiten bereits im Vorfeld entschärft werden. Das Bundesarbeitsgericht lässt nämlich weiterhin die Möglichkeit von abweichenden Regelungen von der gesetzlichen Vergütungspflicht der erforderlichen Reisezeit zu, sofern mit der gesonderten Vergütungsregelung nicht der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn unterschritten wird.
Recht und Steuern

Bekanntmachung Muster Lohnsteuerbescheinigung 2024

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder hat das Bundesfinanzministerium (BMF) das Muster für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2024 bekannt gemacht. Ein BMF-Schreiben vom 08.09.2023, basierend auf dem Schreiben vom 09.09.2019 , enthält einige Ausfüllhinweise.
Abweichend zum BMF-Schreiben vom 09.09.2019 gilt für die elektronische Lohnsteuerbescheinigung ab 2024 Folgendes:
  • Gem. § 41b Absatz 2 Satz 1 EStG ist ab dem Jahr 2023 ausschließlich die Identifikationsnummer als Ordnungsmerkmal anzugeben. Die Verwendung der eTIN ist nicht mehr zulässig.
  • Die Sozialversicherungsbeiträge, die auf einen nicht besteuerten Vorteil nach § 19a EStG entfallen, sind unter Nummer 22 bis 27 des Ausdrucks zu bescheinigen, da diese als Sonderausgaben abziehbar sind.
  • Ist ein Dritter gemäß § 38 Absatz 3a Satz 1 EStG zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, hat er der zuständigen Finanzbehörde für jeden Arbeitnehmer eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung zu übermitteln (§ 41b Absatz 1 Satz 2 EStG).
  • Die Angabe des vom Arbeitgeber ausgezahlten Kindergeldes in Nummer 33 ist nicht mehr zulässig (Aufhebung von § 72 EStG zum 1. Januar 2024).

Aktuelle Regelungen für Verpackungen

Informationen zum aktuellen Verpackungsgesetz (VerpackG)

Wozu dient die „Zentrale Stelle Verpackungsregister“?

Die „Zentrale Stelle Verpackungsregister“ übernimmt eine Vielzahl von Vollzugsaufgaben. Dazu gehört das Recht, den Katalog Systembeteiligungspflicht zu erarbeiten und für verbindlich zu erklären, quasi schon im Vorgriff auf entsprechende Anfragen von ratsuchenden Herstellern.
Zu den Aufgaben gehört die Einrichtung eines bundesweiten öffentlich einsehbaren Registers (LUCID) aller bei einem dualen System unter Vertrag stehenden Unternehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass sich Unternehmen durch „Trittbrettfahren“ ihren Pflichten aus dem Verpackungsrecht entziehen.

Die Systembetreiber

BellandVision GmbH
vertrieb@bellandvision.de
www.bellandvision.de
INTERSEROH Dienstleistungs GmbH
verkaufsverpackungen-online@interseroh.com
www.lizenzero.de
EKO-PUNKT GmbH & CO. KG
info-koeln@eko-punkt.de
www.eko-punkt.de
Noventiz Dual GmbH
info@noventiz-dual.de
www.noventiz.de
Landbell AG für Rückhol-Systeme
info@landbell.de
www.landbell.de
Reclay Systems GmbH
t.pangaribuan@reclay.de
www.reclay-group.com
PreZero Dual GmbH
vertrieb@prezerodual.com
www.prezero.com/dual
Zentek GmbH & Co. KG
dualessystem@zentek.de
www.zentek.de
Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH
anfrage@gruener-punkt.de
www.verpackgo.de

Umgang mit Verpackungen in Europa (01/2023)

Die jeweiligen Regelungen über den Umgang mit Verpackungen variieren jedoch von Land zu Land. Unternehmen, die verpackte Waren in diesen Ländern in Verkehr bringen, müssen deshalb sehr unterschiedliche Anforderungen beachten. Hier sei beispielsweise Österreich mit dem “Bevollmächtigter für Verpackungen” und Italien mit der “Kennzeichnungspflicht” nur exemplarisch genannt
Die DIHK-Broschüre „Umgang mit Verpackungen in Europa” (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1293 KB) soll einen Überblick über die jeweiligen Anforderungen an Inverkehrbringer von Verpackungen in den verschiedenen EWR-Staaten schaffen.

Hinweise der Zentralen Stelle für Händler, Versandhändler, Imker und Landwirte

Mit dem Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes (VerpackG) hat die zuständige „Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR)“ einige weitere Hinweise veröffentlicht.

Merkblatt Versandhändler

Sie richten sich zum einen an Versandhändler; dabei wird auf typische Fallkonstellationen wie die Nutzung von „Fullfillment Centern“ sowie das „Dropshipping/Streckengeschäft“ eingegangen. Im erstgenannten Fall wird der Versandhändler, im zweiten Fall der Produzent als nach VerpackG Verpflichteter eingestuft. Das Merkblatt ist auf der Homepage Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zu finden.

Merkblatt:  Überblick für Handelsunternehmen

Der Letztvertreiber in Deutschland muss sicherstellen, dass die Pflichten des Verpackungsgesetzes erfüllt werden, ansonsten unterliegt die Ware in Deutschland einem automatischen Vertriebsverbot. Das Merkblatt ist auf der Homepage Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zu finden.

Merkblatt: Hinweise für das gewerbsmäßige Inverkehrbringen

Außerdem werden auf den Seiten Hinweise zum gewerbsmäßigen Inverkehrbringen gegeben, was vor allem für den Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse hilfreich ist. Denn hier wird auf das Einkommenssteuerrecht Bezug genommen, wodurch z. B. Imker mit bis zu 30 Bienenvölkern häufig als nicht betroffen eingestuft werden können. Das Merkblatt ist auf der Homepage Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) in der FAQ-Rubrik zu finden.

Merkblatt: Hinweise und Definition zu den gleichgestellten Anfallstellen

Das Verpackungsgesetz (VerpackG) zielt auf die privaten Endverbraucher (private Haushalte) und diesen nach der Art der dort typischerweise anfallenden Verpackungsabfälle vergleichbare Anfallstellen. Vergleichbare Anfallstellen sind. z. B. Gaststätten, Hotels, Raststätten, Kantinen und Verwaltungen. Eine vollständige Übersicht der vergleichbaren Anfallstellen finden Sie auf der Homepage Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR).
Weitere Informationen zu allen Themenpapieren finden Sie auf der Homepage der Zentralen Stelle Verpackungsregister.
Photovoltaik

Betrieb einer PV-Anlage zum Ende der Förderdauer

Viele PV-Anlagen Besitzer stehen vor Fragen zu rechtlichen Rahmenbedingungen, Stromspeichern, Reinigung und Wartung, Versicherung, steuerlichen Fragen und nicht zuletzt der IHK-Mitgliedschaft.
In dem Merkblatt des DIHK wird auf Gefahren, die von einer PV-Anlage ausgehen können eingegangen, genauso wie zu der Melde- und Prüfpflicht auf dem Marktstammdatenregister Portal, das seit Dezember 2018 online ist.
In diesem Merkblatt finden Sie Hinweise, was zu beachten ist. Viele Tipps können aber auch für Anlagenbesitzer sinnvoll sein, deren Förderdauer noch nicht abgelaufen ist.

IHK-Service-Tipp

Was müssen Unternehmen zur Datenschutzgrundverordnung wissen und beachten?

Seit dem 25. Mai 2018 gilt in allen EU-Staaten die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Unternehmen müssen sich an die Regelungen der Verordnung halten, wenn sie personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und speichern. Personenbezogene Daten sind alle Informationen, die sich direkt oder indirekt (zum Beispiel über eine Kennung) auf eine Person beziehen lassen.
  • Wir haben für Sie die wichtigsten und häufigsten Fragen und Antworten (FAQs) zur DSGVO zusammengestellt, so dass Sie einfach und konkret erfahren, was Sie in Ihrem Betrieb tun müssen.
  • Wichtig ist: Unternehmen aller Größen müssen ihre Datenverarbeitungsvorgänge an die neuen Vorgaben der DSGVO anpassen. Kleine Unternehmen sind lediglich von einzelnen wenigen Pflichten ausgenommen. Genaueres dazu lesen Sie im Artikel „Datenschutz für kleine Unternehmen und Existenzgründer“.
  • Weitere Informationen zu einzelnen Details der DSGVO finden Sie im Themenbereich Datenschutz.
Die IHK Region Stuttgart bietet Informationsveranstaltungen zu Datenschutzthemen an, nimmt  Stellung zu Gesetzesentwürfen zum Datenschutz und regt Verbesserungen im Interesse der Wirtschaft an.
IHK hilft

Ausländische Mitarbeiter beschäftigen

Dieser Artikel wird aktuell überarbeitet. Eine erste Übersicht zum Thema finden Sie im Artikel Fachkräfte aus Drittstaaten – wer darf kommen?
Wer Mitarbeiter aus anderen EU-Staaten oder aus Drittländern außerhalb der EU beschäftigt, muss einige Regeln beachten. Die IHK informiert und hilft bei der Überwindung bürokratischer Hürden für die Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter.
Für die Beschäftigung ausländischer Mitarbeiter gelten besondere Regelungen. Insbesondere qualifizierte Fachkräfte können seit März 2020 leichter einwandern. Darüber informieren wir Sie in unserem Merkblatt Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer. Auch Flüchtlinge können unter bestimmten Voraussetzungen beschäftigt werden.
Wer Unterstützung bei der Suche nach ausländischen Fachkräften benötigt, findet hier entsprechende Anlaufstellen oder kann sich an den Welcome Service Region Stuttgart wenden.
Wer Jugendliche mit Flucht- oder Zuwanderungsgeschichte ausbilden möchte, findet Unterstützung bei den Kümmerern des Projekts „Integration durch Ausbildung – Perspektiven für Zugewanderte“ bei der IHK.

Überwachungspflichten auch beim Auftraggeber

Haftung bei Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeitverstößen

Auf Basis des Artikel 10 der VO (EG) Nr. 561/2006 wurden im § 20a der Fahrpersonalverordnung (FPersV) Regelungen vorgenommen, durch die alle am Zustandekommen und an der Durchführung eines Transports oder einer Personenbeförderung Beteiligten, also auch die Auftraggeber, in die Verantwortung zur Einhaltung der Lenk- und Ruhezeitvorschriften eingebunden werden. Die Auswirkungen dieser Verantwortungsausweitung werden in der Praxis regelmäßig unterschätzt.
Nach dem Willen des Gesetzgeber sollen auch Unternehmer, Verlader, Spediteure, Reiseveranstalter, Hauptauftragnehmer, Unterauftragnehmer und Fahrervermittlungsagenturen dafür Sorge tragen, dass die Beförderungspläne nicht gegen die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verstoßen. Somit ist der Kreis der Verantwortlichen wesentlich erweitert. Besonders betont wird die Verantwortung des (ausführenden) Unternehmers, die Fahrten so zu planen, dass die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben sichergestellt ist. Auch aus dieser Vorschrift folgt, dass der Fahrer vom Unternehmer grundlegend eingewiesen und regelmäßig überprüft werden muss, also insbesondere dahingehend, ob die Sozialvorschriften verinnerlicht sind und auch eingehalten werden*.
Gemäß FPersV müssen die an der Beförderungskette beteiligten Unternehmen die Einhaltung der Vorschriften gewährleisten und sich dazu abstimmen und zusammenarbeiten. Auftraggeber haben sogar dafür Sorge zu tragen, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen die Vorschriften einhält, was vor dem Vertragsabschluss und während der Vertragslaufzeit bedingt, sich regelmäßig darüber zu vergewissern und darauf hinzuwirken, dass das beauftragte Verkehrsunternehmen aufgrund seiner personellen und sachlichen Ausstattung sowie seiner betrieblichen Organisation in der Lage ist, die vorgesehenen Transportaufträge unter Einhaltung der Vorschriften durchzuführen. Offen ist in diesem Zusammenhang, wie sich diese fahrpersonalrechtlichen Anforderungen beziehungsweise Vorschriften mit anderen rechtlichen Regelungen, vor allem dem (Mitarbeiter-) Datenschutz, vereinbaren lassen. Egal in welcher Form ein solcher Informationsfluss stattfindet, sollte stets eine entsprechende Dokumentation stattfinden und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben sichergestellt sein.
Verstoßauswertung und Verbesserungsmaßnahmen sind besonders wichtig
Insbesondere wenn die Verstöße über einen längeren Zeitraum hinweg stattfinden oder wenn die Organisation einer Beförderung einen Verstoß „erzwingt”, sind neben Bußgeldern auch verwaltungsrechtliche und auch strafrechtliche Konsequenzen zu erwarten. Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das Risikoeinstufungsverfahren, das Unternehmen des gewerblichen Güterkraftverkehrs beziehungsweise Personenverkehrs** im Fokus hat. In diesem Überwachungs- und Sanktionierungssystem spielen neben dem Fahrpersonalrecht viele weitere Rechtsgebiete eine Rolle (unter anderem Arbeitszeitrecht, Marktzugangsrecht, Gefahrgutrecht, Berufskraftfahrerqualifikationsrecht, Straßenverkehrsrecht (Maße und Gewichte)).
Um im Fahrpersonalrecht den Anforderungen nachzukommen, ist neben einer rechtskonformen und konservativen bzw. die jeweiligen verkehrlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Disposition vor allem das Auswerten ausgelesener Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten eine wesentliche Pflicht des Unternehmens. Die Daten müssen auf Verstöße, Kenntnis- oder Bedienfehler und auch auf Manipulationsanzeichen hin überprüft werden. Dazu ist in aller Regel eine leistungsfähige Software einzusetzen. Neben vielen weiteren Punkten sollten bei der Verstoßauswertung und fahrzeugbezogenen Kontrollen auch folgende Fragestellungen eine Rolle spielen:
  • Gibt es „unbekannte” Zeiten und Fahrten, die ohne gesteckte Fahrerkarte durchgeführt wurden? Warum finden solche Fahrten statt? Dazu sind die Massenspeicher- und die Fahrerkartendaten „übereinanderzulegen”.
  • Tauchen unbekannte Fahrzeuge (also Kfz-Kennzeichen) in den Daten auf? Handelt es sich um Nebentätigkeiten der Fahrer, von denen der Unternehmer nichts weiß?
  • Sind Fahrerkartendaten vorhanden, die es eigentlich nicht geben dürfte? Werden Fahrerkarten illegal eingesetzt? Sind Fahrerkartendaten eines Fahrers vorhanden, der in diesem Zeitraum abwesend (Urlaub oder Krankheit) oder anderweitig, zum Beispiel im Lager, eingesetzt war?
  • Sind die Massenspeicherdaten von gegebenenfalls eingesetzten Mietfahrzeugen vorhanden?
  • Bestehen Verdachtsmomente für Manipulationen an Fahrtenschreibern (einschlägige Störungs- oder Ereignismeldungen, sprunghaft ansteigende Geschwindigkeiten, anderweitig unplausible Daten, ...)?
  • Sind bei den Fahrtenschreibern, die über ein zweites Geschwindigkeitssignal verfügen müssten, diese Informationen vorhanden? Wenn nicht – Warum?
Sofern eine Ursache für Verstöße identifiziert werden kann, sind (unverzüglich/zeitnah/kurzfristig) wirksame Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die geeigent erscheinen, die Verstoßursache zu beseitigen. Adressaten dieser Maßnahmen können insbesondere Unternehmensleitung, Verkehrsleiter, Fuhrparkleiter, Disponenten und Fahrer des Unternehmens sein.
Maßnahmen können auch Gespräche mit Kunden/Verladern sein, die Änderungen in den Abläufen zum Ziel haben. Oder eine Schulung der im Unternehmen Verantwortlichen bezüglich der Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeitvorschriften. Bei Fahrern und Disponenten besteht zudem oft die Möglichkeit, oberflächliches Wissen durch Detailwissen zu ersetzen. Stets spielt für die Fahrer die Kenntnis der richtigen Bedienung des im Einzelfall verwendeten Fahrtenschreibers eine wichtige Rolle – die Präzisierung der Unternehmerpflichten in diesem Zusammenhang im Artikel 33 der VO (EU) Nr. 165/2014 sollte sehr ernst genommen werden.
Die Auswertung sollte monatlich erfolgen
Anhaltspunkte für diese recht kurzen Fristen sind etwa im Artikel 10 Absatz 2 der VO (EG) Nr. 561/2006 oder im just angesprochenen Artikel 33 der VO (EU) Nr. 165/2014 im Absatz 1 nachzulesen. Klare gesetzliche Vorgaben bestehen nicht - unsere Empfehlung orientiert sich an einer Auslegung des Begriffs „regelmäßig” im Sinne der Obliegenheiten eines ordentlichen Kaufmanns.
Alle Prozessschritte, Erkenntnisse und Maßnahmen (samt ihrer Umsetzung) sind zu dokumentieren. Alles, was nicht dokumentiert ist, hat (bis zum Beweis des Gegenteils) nicht stattgefunden ...
Ob es sinnvoll ist, Fahrern Verstoßauswertungen zur Unterschrift vorzulegen***, muss jeder Verantwortliche selbst entscheiden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dürfte jedem klar sein, dass dieser Vorgang für sich gesehen keine Maßnahme zur Beseitigung von Verstoßursachen darstellt.
Nach den §§ 8 und 8a des Fahrpersonalgesetzes können Bußgelder von bis zu 30.000 Euro festgesetzt werden. Dies ist natürlich der Maximalsatz, der bei geringfügigen oder erstmaligen Verstößen sicher nicht zum Ansatz kommen wird. Finden Pflichtverletzungen im Bereich der Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig statt, können die Behörden eine Ahndung über den § 130 OWiG anstreben, dessen Strafrahmen Bußgelder von bis zu einer Million Euro vorsieht.  Den „Bußgeldkatalog” für fahrpersonalrechtliche Verstöße, der auch sehr viele interessante Hintergurndinformationen und Berechnungsbeispiele bereithält, finden Sie auch auf der Website des BAG. Verstöße gegen arbeitzeitrechtliche Vorschriften werden, soweit der Arbeitnehmer diese nicht vorsätzlich (entgegen der Weisungen des Arbeitgebers) begangen hat, grundsätzlich nur gegenüber dem Arbeitgeber geahndet. Für fahrpersonalrechtliche Verstöße, für die neben dem Unternehmer auch der Fahrer Verantwortung trägt (was den Regelfall darstellt), wird der Unternehmer gegenüber dem Fahrer in aller Regel mit dem dreifachen Bußgeldbetrag konfrontiert.
Grundsätzlich erscheint es ratsam, sich als Unternehmen proaktiv mit den zuständigen Aufsichtsbehörden in Verbindung zu setzen und einen möglichst vertrauensvollen und professionellen Austausch zu pflegen.
Stand: September 2020
* Bei „Berufskraftfahrern”, also Personen, deren Haupttätigkeit im Lenken aufzeichnungspflichtiger Fahrzeuge besteht, sollten die Daten innnerhalb kurzer Fristen (in aller Regel wöchentlich) ausgelesen werden. Das hat insbesondere damit zu tun, dass beispielsweise die Lenkzeit in der Doppelwoche reglementiert ist und eine rechtskonforme Disposition nur dann möglich ist, wenn dem Unternehmen die Daten der Vorwoche bzw. der relavanten Zeiträume bekannt sind. Bei Fahrern die unregelmäßig/nur selten/nur in geringem Umfang aufzeichnungspflichitge Fahrten durchführen, können die Auslesefristen auch länger sein. Das gesetzliche Maximum von 28 Kalendertagen seit dem letzten aufgezeichneten Ereignis muss aber in jedem Fall eingehalten werden. Weiterführende Informationen zum Thema Auslesen von Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten finden Sie im spezifischen Artikel. Die Überprüfung der Daten im Sinne einer detaillierten Auswertung sollte monatlich erfolgen. Dazu gehört in den entsprechenden Abständen auch das „Übereinanderlegen” von Fahrerkarten- und Massenspeicherdaten.
** Unternehmen, die Güter im Sinne eines Werkverkehrs befördern oder Personen im Rahmen rein nationaler Regelungen bzw. aufgrund von Freistellungen ohne Genehmigung befördern, unterliegen nicht dem spezifischen Risikoeinstufungsverfahren. Hier sind jedoch (Teil-) Gewerbeuntersagungen möglich.
*** Wenn, dann bitte als qualifiziertes Dokument in dem Sinne, dass die Beteiligten/Betroffenen auf dem Papier schriftlich darlegen, warum es zum Verstoß gekommen ist und welche Maßnahme deshalb nun ergriffen wird.
Die Wellnesspauschale macht den Unterschied!

Informationen zur EU-Pauschalreiserichtlinie

So werden Hotels schnell zu Reiseveranstaltern

Mit der Umsetzung der europäischen Pauschalreiserichtlinie in nationales Recht wurde der Begriff „Veranstaltung“ neu gefasst. Wichtig ist, das eigene Angebot mit Blick auf die geltende Rechtslage zu prüfen.
Grundsätzlich ist eine Pauschalreise ein „Paket“ von mindestens zwei Reiseleistungen. Die Gesetzgebung unterscheidet dabei nach Beförderung, Beherbergung, Vermietung von Kraftfahrzeugen sowie den „weiteren touristischen Leistungen“. Wenn zum Beispiel eine Übernachtung und ein Mietwagen zu einem Paket-Preis angeboten werden, ist das Angebot rein rechtlich eine Reiseveranstaltung. Das gilt auch für Geschäftsreisen, sofern diese nicht über einen Rahmenvertrag gebucht wird.

Reiseveranstaltende haben Informations- und Haftungspflichten

Unter „weitere touristischen Leistung“ fallen zum Beispiel Stadtführungen, Eintrittskarten oder Wellnessbehandlungen. Jedoch erkennt die Legislative an, dass es sich zum Beispiel bei einer günstigen Eintrittskarte im Paket mit einer teureren Übernachtung lediglich um eine relativ unbedeutende Zusatzleistung handeln kann. Entscheidend für die Einstufung als Pauschalreise ist für diesen Sonderfall, ob eine weitere Leistung wesentlich für das Angebot ist. Hier greift ein Schwellenwert von 25 Prozent. Liegt der anteilige Wert der weiteren Leistung am Gesamtpreis darüber, greift die Ausnahme nicht und dem Anbieter droht der Veranstaltungsstatus.

Vorsicht bei den Begriffen Paket, Pauschale oder Arrangement

Wenn Leistungen aus Kundensicht als Pauschalreise aufgefasst werden könnten, riskieren Anbieterinnen und Anbieter als reiseveranstaltendes Gewerbe eingestuft zu werden. Das passiert besonders leicht bei Bezeichnungen wie: Paket, Pauschale oder Arrangement. Um hier sicherzugehen, sollten Namensgebungen bei Angeboten wie „Wellness-Pauschale“ oder „Romantik-Arrangement“ vermieden werden.
Als Veranstaltungsunternehmen übernimmt man gegenüber dem Kunden eine besondere rechtliche Stellung. Das zeigt sich insbesondere bei der Haftungsfrage, die sich auf Leistungen von Dritten erstrecken kann. Auch ist eine Insolvenzabsicherung erforderlich. Der Kunde muss gegen den Ausfall des veranstalteten Unternehmen abgesichert werden, sofern der Reisepreis vor Beendigung der Reise bezahlt wird. Es gibt dazu spezielle Versicherungsverträge, über deren Abschluss der Kunde mit der Übergabe eines Sicherungsscheins informiert werden muss.

Insolvenzabsicherung auch bei „verbundenen Reiseleistungen“

Um nicht als Reiseveranstaltungsunternehmens zu gelten, wurden in der Vergangenheit auch gerne separate Verträge für verschiedene Leistungen einer Reise abgeschlossen. Die Gesetzgebung hat hierfür den Status Vermittlung „verbundener Reiseleistungen“ geschaffen. Sofern z. B. ein Hotel diese Lösung wählt, ist die Haftung nicht so ausgeprägt wie für ein  Veranstaltungsbetrieb. Die Insolvenzabsicherung wird dennoch erforderlich. Anbietende müssen insbesondere darauf achten, Kunden durch getrennte Buchungsschritte klar zu machen, dass es sich um separate Verträge handelt.
Corona schärfte Rücktrittsrecht und Insolvenzsicherung

Die Pandemie hatte insbesondere Einfluss auf die Auslegung der im BGB (§ 651 h) festgehaltenen Vorschrift zum Rücktritt vor Reisebeginn. Im Mittelpunkt stand die Frage, wann man von unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe ausgehen darf. Denn dann kann ein entschädigungsloses Rücktrittsrecht des Reisenden (§ 651 h III BGB) bestehen.

Darüber hinaus wurde im Zuge der Corona-Pandemie ersichtlich, dass die bestehenden Regelungen zur Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht ungenügend waren. Das neue Reisesicherungsfondsgesetz, das im Juni 2020 beschlossen und im Juni 2021 verabschiedet wurde, schloss diese Lücke, die zulasten der Pauschalreisenden gegangen war.

Vor Vertragsschluss ein entsprechendes Informationsblatt übergeben

Die Gesetzgebung hat Informationspflichten geschaffen. Diese betreffen z. B auch den Status des vermittelnden Unternehmens für „verbundene Reiseleistungen“. Dafür wäre dann dem Kunden vor Vertragsschluss ein entsprechendes Informationsblatt zu übergeben. Darüber hinaus ist der Kunde auch umfassend über die Reise zu informieren, zum Beispiel über die Eignung des Angebots für Menschen mit eingeschränkter Mobilität.

Informationen zum Reisevertragsrecht

Mit Blick auf diese Entwicklungen hat die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) ihre Infoblätter zum Reisevertragsrecht auf den aktuellen Stand gebracht. Insbesondere die Punkte „Stornierungen im Pandemiefall“ und der neue „Reisesicherungsfond“ wurden aufgenommen.

Immobilienwirtschaft

Regeln für Immobiliardarlehensvermittler

Wer braucht eine Erlaubnis nach § 34 i GewO?

Seit dem 21. März 2016 müssen gewerbsmäßige Vermittler von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen, die davor unter die Erlaubnispflicht nach § 34 c Abs. 1 Satz 1 GewO zur Darlehensvermittlung gefallen sind und die Tätigkeit weiter ausüben möchten, eine Erlaubnis nach § 34 i GewO beantragen. Die Erlaubnis betrifft nur die Vermittlung von Immobiliar-Verbraucher-darlehensverträgen. Für Immobilienmakler gilt weiter die bisherige Erlaubnis nach § 34 c GewO. Neben der  persönlichen gewerblichen Zuverlässigkeit und den geordneten Vermögensverhältnissen muss zudem nachgewiesen werden, dass eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (oder eine gleichwertige Garantie) in Höhe von mindestens 460.000 EUR für jeden einzelnen Schadensfall und insgesamt mindestens 750.000 EUR pro Kalenderjahr für alle Schadensfälle besteht, eine ausreichende Sachkunde vorliegt und der Gewerbetreibende seine Hauptniederlassung oder seinen Hauptsitz im Inland hat und seine Tätigkeit als Immobiliardarlehensvermittler auch im Inland ausübt. Möchte ein Immobiliardarlehensvermittler in einem EU-Mitgliedstaat tätig werden, muss er bei der ersten Geschäftstätigkeit seine zuständige Behörde darüber informieren, die ihrerseits die im jeweils betroffenen Mitgliedstaat zuständige Behörde davon unterrichtet.

Was gilt für Angestellte eines Immobiliardarlehensvermittlers?

Der Immobiliardarlehensvermittler darf Personen, die bei der Vermittlung oder Beratung im kundenbezogenen und im nichtkundenbezogenen Bereich mitwirken oder in leitender Position für diese Tätigkeit verantwortlich sind, nur dann beschäftigen, wenn deren Zuverlässigkeit und Sachkunde geprüft wurde. Personen, die unmittelbar bei der Vermittlung und Beratung mitwirken, also direkten Kundenkontakt haben, müssen zudem ins Register eingetragen werden.

Was ist eine ausreichende Sachkunde?

Als Nachweis der Sachkunde dient das erfolgreiche Ablegen einer Sachkundeprüfung, sofern nicht durch gleichgestellte Abschlüsse die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden. Die Sachkundeprüfung „Geprüfte/r Fachmann/-frau für Immobiliardarlehensvermittlung IHK“ wird von den Industrie- und Handelskammern abgenommen. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem praktischen Teil. Nach der Verordnung über die Immobiliardarlehensvermittlung (ImmVermV) können alternativ zur Sachkundeprüfung folgende Abschlüsse sowie deren Vorläufer oder Nachfolger als gleichgestellte Berufsqualifikationen anerkannt werden:
  • Abschlusszeugnis als Immobilienkaufmann/ -frau, als Bank- oder Sparkassenkaufmann/-frau, als Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen „Fachrichtung Finanzberatung“ wenn die Abschlussprüfung auf der Grundlage der bis zum 31. Juli 2014 geltenden Fassung der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann/zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen abgelegt wurde oder die Abschlussprüfung auf der Grundlage der ab dem 1. August 2014 geltenden Fassung der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann/zur Kauffrau für Versicherungen und Finanzen abgelegt wurde und der Antragsteller die Wahlqualifikationseinheit private Immobilienfinanzierung und Versicherungen gewählt hat,
  • als geprüfter Immobilienfachwirt/-wirtin (IHK),
  • als geprüfter Bankfachwirt/-wirtin (IHK), als geprüfter Fachwirt/-wirtin für Finanzberatung (IHK) oder als geprüfter Fachwirt/-wirtin für Versicherung und Finanzen (IHK),
  • als Finanzfachwirt/-wirtin (FH) mit einem abgeschlossenen weiterbildenden Zertifikatsstudium an einer Hochschule, wenn zusätzlich eine mindestens einjährige Berufserfahrung im Bereich der Immobiliardarlehensvermittlung vorliegt,
  •  als geprüfter Fachberater/- beraterin für Finanzdienstleistungen (IHK), wenn zusätzlich eine mindestens zweijährige Berufserfahrung im Bereich der Immobiliardarlehensvermittlung vorliegt.
  • Zudem wird eine Prüfung, die ein mathematisches, wirtschafts- oder rechtswissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder Berufsakademie erfolgreich abschließt, als Nachweis anerkannt, wenn die erforderliche Sachkunde beim Antragsteller vorliegt. Dies setzt in der Regel voraus, dass zusätzlich eine mindestens dreijährige Berufserfahrung im Bereich der Immobiliardarlehensvermittlung nachgewiesen wird.
  • Ferner wird ein zwischen Dezember 2012 und dem 21. März 2016 abgelegter Abschluss zum/-r „Bauspar-und Finanzfachmann/-frau (BWB)“ als Sachkundenachweis nach § 20 ImmVermV anerkannt, wenn dieser nach dem Standard des gemeinsamen Lernzielkatalogs der deutschen Bausparkassen des Berufsbildungswerks der Bausparkassen e.V., der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, der Sparkassenakadamie Niedersachsen, der Sparkassenakad emie Schloss Waldthausen, der Sparkassenakademie Baden-Württemberg, der Wirtschaftsakademie Schleswig Holstein/Niederlassung Lübeck oder der Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (BFZ) gemeinnützige GmbH, abgelegt wurde.

Was beinhaltet das Register?

In das von den Industrie- und Handelskammern geführte Register müssen sich seit dem 21. März 2016 alle Inhaber einer Erlaubnis nach § 34i GewO und unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden oder dafür verantwortlichen Personen unverzüglich nach Aufnahme ihrer Tätigkeit eintragen. Das Register ist im Internet öffentlich einsehbar und beinhaltet zahlreiche Angaben, insbesondere den Namen und die betriebliche Anschrift des Vermittlers. Sie finden das Vermittlerregister unter: www.vermittlerregister.info Die zuständige Behörde kann jede in das Gewerbezentralregister einzutragende, nicht mehr anfechtbare Entscheidung wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der Gewerbeordnung oder der Immobiliardarlehensvermittlerverordnung durch Eintragung in das Register bekannt machen.

Was gilt für Honorar-Immobiliardarlehensberater?

Eine eigene Erlaubnispflicht für Honorar-Immobiliardarlehensberater gibt es im Gegensatz etwa zum Honorar-Finanzanlagenberater nach § 34 h GewO nicht. Auch für die Honorar-Immobiliardarlehensberatung wird die Erlaubnis nach § 34 i GewO benötigt. Die Ausübung der Tätigkeit sowohl als Immobiliar-darlehensvermittler wie auch als Honorar-Immobiliardarlehensberater ist nicht gleichzeitig möglich, beide schließen sich gegenseitig aus. Honorar-Berater dürfen keine Tätigkeit als Vermittler und Vermittler dürfen keine Tätigkeit als Honorar-Berater ausüben. Daher ist eine Angabe im Registerantrag zu machen, welche der beiden Tätigkeiten ausgeübt werden soll. Bitte beachten Sie: Als Honorar-Immobiliardarlehensberater müssen Sie eine hinreichende Anzahl von auf dem Markt angebotenen Verträgen heranziehen und dürfen vom Darlehensgeber keine Zuwendungen annehmen und von ihm in keiner Weise abhängig sein (§ 34 i Abs. 5 GewO). Fließen trotz Honorarberatung Provisionen, sind diese an den Kunden weiterzugeben.

Wo beantragt man die Erlaubnis nach § 34 i GewO?

Die Erlaubnis ist in Baden-Württemberg bei der jeweils zuständigen Industrie- und Handelskammer zu beantragen. Hierfür stehen auf der Internetseite die notwendigen Antragsformulare sowie Checklisten für die notwendigen Unterlagen bereit. In unserem Artikel „Immobiliardarlehensvermittler: Infos, Formulare und Checklisten“ finden Sie die notwendigen Formulare.
Stand: Januar 2022
Wassergefährdende Stoffe - Einstufung

Verordnung zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)

Die seit 1. August 2017 gültige (Bundes-) Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) sieht u. a. Neuerungen bei der (Selbst-)Einstufung von Stoffen und Gemischen durch die betroffenen Anlagenbetreiber vor. Betroffen von der AwSV sind insbesondere Unternehmen, die über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen verfügen (z. B. Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Behandeln, Verwenden, Umschlagen von wassergefährdenden Stoffen).
Stoffe und Gemische müssen gemäß AwSV entsprechend ihrer Gefährlichkeit in Wassergefährdungsklassen (WGK 1, 2 oder 3) oder als „allgemein wassergefährdend“ oder „nicht wassergefährdend“ eingestuft werden:
§ 3 Abs. 1 AwSV regelt die Einstufung von Stoffen und Gemischen in Wassergefährdungsklassen WGK 1, WGK 2 oder WGK 3.
  •     WGK1: „schwach wassergefährdend“
  •     WGK 2: „deutlich wassergefährdend“
  •     WGK 3: „stark wassergefährdend“
Für bestimmte Stoffe und Gemische gilt zudem die Einstufung als „allgemein wassergefährdend“ (§ 3 Abs. 2 AwSV) oder als „nicht wassergefährdend“ (§ 3 Abs. 3 AwSV).
Das Umweltbundesamt hat auf seiner Homepage Informationen zur Einstufung von Stoffen gemäß AwSV sowie weitere Informationen zur AwSV bereitgestellt.
 
Neuregelungen

Arbeitnehmerüberlassung

Stand: Juni 2021

Arbeitnehmerüberlassung

Die bei Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) einzuhaltenden Bestimmungen legt insbesondere das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fest. ANÜ liegt vor, wenn ein Arbeitgeber (Verleiher) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) Dritten (Entleihern) zur Arbeitsleistung überlässt, die eingesetzten Leiharbeitnehmer in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen (§ 1 Absatz 1 Satz 2 AÜG). Sie erschöpft sich also in der Zurverfügungstellung geeigneter Arbeitskräfte, die der Dritte nach eigenen betrieblichen Erfordernissen in seinem Betrieb einsetzt.
Dabei ist und bleibt der Verleiher Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Zwischen diesen beiden Parteien besteht ein Arbeitsvertrag. Damit ein Einsatz in Arbeitnehmerüberlassung durch den Arbeitgeber einseitig angeordnet werden kann, muss sich die Berechtigung hierzu aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Anderenfalls kann dies nur einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden, beispielsweise mittels einer Vertragsergänzung.
Zwischen Verleiher und Entleiher besteht ein Überlassungsvertrag (Einzelarbeitnehmerüberlassungsvertrag oder auch Rahmenvertrag mit einzelnen Ergänzungen zu den eingesetzten Leiharbeitnehmern).
Nicht jeder Einsatz von Fremdpersonal ist Arbeitnehmerüberlassung. Zur Abgrenzung der verschiedenen Formen hat die Bundesagentur für Arbeit ein Merkblatt auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt.
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bietet zudem umfassende Informationen zur Arbeitnehmerüberlassung und dem Erlaubnisverfahren in ihren  fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (FW AÜG). Diese können auf der Homepage der BA abgerufen werden. Die fachlichen Weisungen haben zwar für die Arbeitsgerichte keine bindende Wirkung, jedoch sollten Verleihunternehmen diese Weisungen beachten, um ihre Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis nicht zu gefährden.
Zudem bietet die BA verschiedene Merkblätter und Formulare zur Arbeitnehmerüberlassung in ihrem Downloadbereich an.

Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung

Die Arbeitnehmerüberlassung ist erlaubnispflichtig. Ein Einsatz von Leiharbeitnehmern, ohne dass der Verleiher die erforderliche Erlaubnis besitzt, führt zur Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung (§ 9 Absatz 1 Nr. 1 AÜG) und unter Umständen zur gesetzlichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer (§ 10 Absatz 1 AÜG).
Zudem stellt dieser Verstoß eine Ordnungswidrigkeit dar, die zu einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro führen kann, die sowohl dem Verleiher, als auch dem Entleiher auferlegt werden kann (§ 16 Absatz 1 Nr. 1, 1a AÜG).
Grundsätzlich sind folgende Unterlagen für die erstmalige Erteilung einer Verleiherlaubnis vorzulegen:
  • bei anderen als natürlichen Personen Gesellschaftsvertrag / Satzung / Statut,
  • Führungszeugnis für Behörden (Belegart O) für den Antragsteller oder - bei anderen als natürlichen Personen - für die Vertreter nach Gesetz / Satzung / Gesellschaftsvertrag,
  • Auskunft aus dem Gewerbezentralregister (Belegart 9) für den Antragsteller und - bei anderen als natürlichen Personen - für die Vertreter nach Gesetz / Satzung / Gesellschaftsvertrag sowie für die juristische Person,
  • Auszug aus dem Handelsregister, soweit eine Eintragspflicht besteht; dann Verzicht auf Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag,
  • Bescheinigung der Krankenkassen, bei denen die Mehrzahl der Arbeitnehmer versichert sind, soweit bereits Beiträge abzuführen waren,
  •  Bescheinigung der Berufsgenossenschaft (Unfallversicherungsträger) - auf gesondertem Vordruck,
  • Nachweis über liquide Mittel, z. B. sofort verfügbare Guthaben oder Kreditbestätigungen über Kontokorrentkredit. Hinsichtlich der Bonität müssen mindestens 10.000,- € nachgewiesen werden. Dies gilt bei einer beabsichtigten Beschäftigung von bis zu fünf Leiharbeitnehmern. Bei mehr als fünf Leiharbeitnehmern sind für jeden 2.000,- € an liquiden Mitteln nachzuweisen;
  • Muster eines Arbeitsvertrages (bzw. Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag bei Einsatz eines Stammarbeitnehmers als Leiharbeitnehmer in sog. Mischbetrieben) und Muster eines Überlassungsvertrages.
Zudem müssen Sie individualvertraglich im Arbeitsvertrag oder einer ergänzenden Vereinbarung zum Arbeitsvertrag mit Ihrem Arbeitnehmer die Zulässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung vereinbaren. Jedem Arbeitnehmer ist zudem ein Merkblatt zur Arbeitnehmerüberlassung auszuhändigen. Gegebenenfalls in einer Sprache, die Ihr Arbeitnehmer versteht.
 Zuständig für das Erlaubnisverfahren für Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Saarland ist die
Agentur für Arbeit Nürnberg
90300 Nürnberg
Telefon: 0911 529-4343
Telefax: 0911 529-4004343
Montag bis Freitag von 8 - 13 Uhr, zusätzlich Donnerstag von 13 - 16 Uhr
E-Mail: Nuernberg.091-ANUE@arbeitsagentur.de
 Weitere Informationen hierzu können der Fachlichen Weisung sowie dem Merkblatt Informationen zur Arbeitnehmerüberlassung der BA entnommen werden.

Neuregelungen seit 1. April 2017 - Kurzübersicht

Zur Reform der Arbeitnehmerüberlassung wurden insbesondere folgende Regelungen getroffen:
  • Zeitarbeitnehmer können künftig bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten bei einem Entleiher eingesetzt werden.
  •  Zeitarbeitnehmer werden nach neun Monaten hinsichtlich des Arbeitsentgelts mit den Stammarbeitnehmern beim Entleiher gleichgestellt (Equal Pay).
  • Verleiher und Entleiher haben die Überlassung von Zeitarbeitnehmern in ihrem Vertrag ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen, bevor sie Zeitarbeitnehmer tätig werden lassen. Vor der Überlassung haben sie die Person des Zeitarbeitnehmers unter Bezugnahme auf diesen Vertrag zu konkretisieren.
  • Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher.
  • Das Informationsrechts des Betriebsrats über den Einsatz von Zeitarbeitnehmern im Betrieb wird gesetzlich klargestellt.
  • Bei einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung werden der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht besser gestellt als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt.
Zu den wichtigsten Neuregelungen im Einzelnen wie folgt:

Höchstüberlassungsdauer 18 Monate

Ein Zeitarbeitnehmer darf nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate an denselben Entleiher überlassen werden. Die 18-Monatsfrist hat keine Auswirkungen auf bestehende und bis zum 30 März 2017 abgeschlossene Verträge. Die 18 Monate fangen erst mit 1. April 2017 an zu zählen. Die 18-monatige Überlassungshöchstdauer ist die maximal zulässige Einsatzdauer des einzelnen Zeitarbeitnehmers und ist daher „arbeitnehmerbezogen“ und nicht „arbeitsplatzbezogen“ zu verstehen.  Vorherige Einsatzzeiten desselben Zeitarbeitnehmers bei demselben Entleiher werden angerechnet, egal ob der Einsatz auf verschiedenen Arbeitsplätzen im Betrieb erfolgt. Der Verleiher darf denselben Zeitarbeitnehmer nach Ablauf der 18 Monate nicht auf einen anderen Arbeitsplatz beim selben Entleihunternehmen überlassen. Er darf aber demselben Entleiher nach Ablauf der 18 Monate einen anderen Zeitarbeitnehmer überlassen, ohne dass die vorangegangene Überlassung angerechnet wird. 
Nach den 18 Monaten muss die Unterbrechungszeit bei demselben Entleiher mindestens 3 Monate übersteigen (also 3 Monate und 1 Tag), damit der gleiche Zeitarbeitnehmer wieder eingesetzt werden darf.  Zur Überbrückung der Unterbrechungszeit ist die Überlassung in einem anderen Konzernunternehmen des Entleihers möglich. Urlaub oder Krankheit zählen nicht als Unterbrechung.
Von der maximal zulässigen Einsatzdauer von 18 Monaten kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden.  Es muss sich um einen Tarifvertag der Einsatzbranche handeln. Tarifgebundene Unternehmen (also Mitglieder eines Arbeitgeberverband) können durch Tarifvertag der Einsatzbranche oder durch Betriebsvereinbarung - wenn der Tarifvertrag der Einsatzbranche eine Öffnungsklausel vorsieht - die Überlassungsdauer erhöhen. Eine zeitliche Grenze ist nicht zu beachten. Nicht-tarifgebundene Unternehmen können im Geltungsbereich eines Tarifvertrags der Einsatzbranche durch Betriebsvereinbarung eine tarifvertraglich abweichende Überlassungshöchstdauer inhaltsgleich übernehmen. Sieht der Tarifvertrag keine Regelung zur Überlassungsdauer aber eine Öffnungsklausel vor, kann durch Betriebsvereinbarung die Höchstüberlassungsdauer von 18 auf maximal 24 Monate angehoben werden. Entleiher ohne Tarifbindung und ohne Betriebsrat können nicht von den 18 Monaten abweichen.
  • Achtung: Bei einer Überschreitung der 18 Monate wird das Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Verleiher unwirksam. Es entsteht automatisch ein Arbeitsverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer und Entleiher, wobei der Entleiher Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge wird. Der Zeitarbeitnehmer darf  dem innerhalb eines Monats nach Überschreitung der Höchstüberlassungsfrist schriftlich widersprechen und bleibt Arbeitnehmer des Zeitarbeitsunternehmens (sogennante Festhaltenserklärung). Ein provisorischer, im Voraus erklärter Widerspruch ist unwirksam.
  • Ein Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer ist eine Ordnungswidrigkeit des Zeitarbeitsunternehmens und kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro je Einzelfall geahndet werden.
  • Es droht der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Zeitarbeitsunternehmens bei Nichteinhaltung der Höchstüberlassungsdauer.

Gleichstellung bei den Arbeitsbedingungen („Equal Treatment“) und Arbeitsentgelt („Equal Pay“)

Nach 9 Monaten ununterbrochener Einsatzdauer hat ein Zeitarbeitnehmer mit Vertrag ab 1. April 2017 einen Anspruch auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts wie ein vergleichbarer festangestellter Mitarbeiter des Einsatzunternehmens, sogenanntes „Equal Treatment” und „Equal Pay”. Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 werden nicht berücksichtigt. Die 9 Monate fangen somit erst ab dem 1. April 2017 an zu zählen. Wie bei der 18-monatigen Höchstüberlassungsdauer gilt eine Unterbrechungszeit, die mindestens 3 Monate übersteigt, das heißt nach einer Einsatzunterbrechung von 3 Monaten und 1 Tag, wird die 9-monatige Frist neu berechnet.
Bei der Berechnung des „Equal Pay”-Anspruchs sollen alle Bruttovergütungsbestandteile der Lohnabrechnung des vergleichbaren Stammmitarbeiters (Einstiegsstufe) des Einsatzunternehmens berücksichtigt werden: Grundvergütung, Zulagen, Sonderzahlungen (Prämien, 13. Monatsgehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Provisionen), Arbeitgeberzuschüsse, Sachbezüge.
Eine Abweichung vom „Equal Pay” (nicht „Equal Treatment”) nach 9 Monaten ist bei Einsätzen in Unternehmen mit einem Branchenzuschlagstarif möglich. Spätestens nach 15 Monaten muss mit den Branchenzuschlägen ein Entgelt erreicht werden, das dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer der Einsatzbranche angeglichen ist. Die stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt muss spätestens nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen beginnen.
Achtung: Eine Nichtgewährung einer Arbeitsbedingung oder des gleichen Entgelts ist eine Ordnungswidrigkeit des Zeitarbeitsunternehmens und kann mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 Euro je Einzelfall geahndet werden. Bei Nichteinhaltung droht der Entzug der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Zeitarbeitsunternehmens.
Stichtage: Die Fristen zur Höchstüberlassungsdauer und zum „Equal Treatment”/„Equal Pay” sind ab dem Stichtag 1. April 2017 zu berechnen. Das bedeutet, das Erreichen der Höchstüberlassungsdauer ist erstmals am 30. September 2018 und „Equal Treatment”/„Equal Pay” ist erstmals ab dem 1. Januar 2018 möglich.

Vertragliche Dokumentationspflichten

Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher muss schriftlich geschlossen werden und ist ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu bezeichnen. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist vor Einsatzbeginn zu unterzeichnen. Darüber hinaus sind die Zeitarbeitnehmer vor Überlassung im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag oder unter Bezug auf diesen Vertrag (zum Beispiel per Liste als gesonderte Dokumentation) konkret zu bezeichnen. Es besteht hierfür keine Übergangsfrist. In Alt-Arbeitnehmerüberlassungsverträgen sind die eingesetzten Zeitarbeitnehmer seit dem 1. April 2017 konkret zu bezeichnen (zum Beispiel durch eine Anlage zu diesem Vertrag). Vor Überlassung ist der Leiharbeitnehmer durch den Verleiher darauf hinzuweisen, dass er als Leiharbeitnehmer tätig wird. Ein Verstoß des Verleihers als auch des Entleihers kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

Streikbrecher-Verbot

Der Entleiher darf keine Zeitarbeitnehmer tätig werden lassen, wenn sein Betrieb unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Es sei denn, die Zeitarbeitnehmer führen während des Arbeitskampfs keine Tätigkeiten von streikenden Mitarbeitern aus (zum Beispiel Einsatz in einer anderen Abteilung oder einem nicht bestreikten Bereich).
Ein Verstoß kann mit einem Bußgeld bis zu 500.000 Euro geahndet werden.

Information des Betriebsrats des Entleihers

Zeitarbeitnehmer beim Entleiher sind künftig bei Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes (Ausnahme: § 112a BetrVG: Erzwingbarer Sozialplan) mitzuzählen. Bei Überlassungszeiten von mehr als sechs Monaten zählen Zeitarbeitnehmer auch bei anderen Mitbestimmungsgesetzen mit.
Zukünftig muss der Entleiher seinen Betriebsrat rechtzeitig über den Einsatz von Zeitarbeitnehmern informieren, insbesondere den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort sowie die Arbeitsaufgaben. Auch müssen dem Betriebsrat die dem Einsatz zugrundeliegenden Verträge vorgelegt werden.

Scheinwerkverträge sind nicht mehr durch eine „Vorratserlaubnis“ gedeckt

Die Arbeitnehmerüberlassung muss offengelegt werden. Die Arbeitsverträge zwischen Verleiher und Zeitarbeitnehmer sind ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. Soll es sich um einen echten Dienst- oder Werkvertrag handeln, muss dieser auch so bezeichnet und als echter Dienst- oder Werkvertrag gelebt werden. In einem Dienst- oder Werkvertrag, der nach der tatsächlichen Durchführung eine Arbeitnehmerüberlassung ist, bietet die Erlaubnis des Verleihers, (auch) Arbeitnehmerüberlassung durchführen zu dürfen, nicht länger einen geeigneten Schutz.
Eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (sogenannter „Scheinwerkvertrag“ oder „Scheindienstvertrag“) wird zukünftig wie eine Überlassung ohne Erlaubnis behandelt. Das heißt, die bisherige sogenannte „Fallschirmlösung“ bei der sich der Verleiher auf die Vorratsarbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen konnte, wenn sich ein als Dienst- oder Werkvertrag als Arbeitnehmerüberlassung herausstellte, ist nicht mehr möglich. Es wird künftig ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer wegen verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fingiert. Allerdings kann der Zeitarbeitnehmer innerhalb eines Monats gegenüber der Agentur für Arbeit sowie dem Ent- oder Verleiher erklären, dass er am ursprünglichen Arbeitsvertrag festhalten möchte.
Bestehende Dienst- oder Werkverträge mussten bis zum 1. April 2017 darauf geprüft werden, ob es sich wirklich um einen echten Werkvertrag oder Dienstvertrag handelt. Mit der Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wird anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzlich niedergelegt, wer Arbeitnehmer ist. Damit ändert sich in der Praxis gegenüber der bisherigen Rechtslage nicht viel.  Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist nur anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere nach dem Bundesarbeitsgericht maßgebend (Urteil vom 25. September 2013 – 10 AZR 282/12).
Die Grenze zur Arbeitnehmerüberlassung ist überschritten, wenn der Auftraggeber den Personaleinsatz genauso steuert wie bei eigenen Mitarbeitern (insbesondere, aber nicht abschließend: arbeitsrechtliche Weisungen hinsichtlich Inhalt, Zeit und Ort der Arbeitsleistung; Eingliederung in die betriebliche Organisation des Auftraggebers wie Einbindung in Dienstpläne, Telefon- und Mitarbeiterverzeichnisse, Einsatz von Betriebsmitteln des Auftraggebers, kein unternehmerisches Risiko des Werkunternehmers). Je mehr der Auftraggeber selbst entscheidet, wer wann was macht und er die Beschäftigten des Werkunternehmers exakt nach Bedarf bestellt und sie dann eigenverantwortlich einsetzt, desto eher ist davon auszugehen, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt.
Eine Überlassung ohne Erlaubnis oder ein Verstoß gegen die Offenlegung als Arbeitnehmerüberlassung kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.
Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.


IHK hilft

Rund um den Firmennamen

Das Recht der Unternehmenskennzeichnungen ist auf den ersten Blick verwirrend. Wer trägt lediglich eine Geschäftsbezeichnung und wer darf unter einer Firma auftreten? Wie nenne ich mein Unternehmen und was ist bei der Namenswahl zu beachten? Eine Firma kann eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangen. Sie dient schließlich dazu, das Unternehmen im Geschäftsverkehr zu kennzeichnen. Deshalb untersteht die Firma auch einem besonderen Schutz.
Nur im Handelsregister eingetragene Unternehmen dürfen eine Firma führen. Dabei sind bestimmte Regelungen zu beachten. Verstöße gegen firmenrechtliche Bestimmungen haben konkrete rechtliche Folgen. So stellen sie zum Beispiel ein Hindernis für die Eintragung ins Handelsregister dar.
Es wird daher empfohlen, die Zulässigkeit einer Firma frühzeitig von der örtlichen IHK prüfen zu lassen. Dies kann Zeitverluste sowie zusätzliche Kosten bei der Eintragung sparen. Dabei prüft die IHK auch, ob die Firma im örtlichen Handelsregister noch frei ist.
Bei der Firmenauskunft der IHK Region Stuttgart können Sie zudem eine bundesweite Firmennamenrecherche durchführen lassen – wir suchen für Sie nach Einträgen von Unternehmen, die für Ihren gewünschten Firmennamen zu einer Kollisionsgefahr werden könnten.






IHK hilft

Sicherheit

Im betrieblichen Alltag sind immer wieder sicherheitsrelevante Themen berührt. Hier sind Unternehmen gefordert, das richtige Risikomanagement zu betreiben sowie Maßnahmen zur Prävention und Gefahrenabwehr zu kennen und anzuwenden.
Die IHK bietet umfangreiche Informationen und Hilfestellungen zu folgenden Bereichen an:
  • Arbeits- und Brandschutz im Betrieb
    Arbeitsschutzgesetz, Anforderungen an Arbeitsstätte, -platz und -mittel, Gefahrstoffe, Schutzausrüstung, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und weitere Beauftragte, betrieblicher Brandschutz
  • Gefahrguttransport
    Sicherer Transport von Gefahrstoffen, Gefahrgutfahrer und Gefahrgutbeauftragte, Ladungssicherung
  • Exportkontrolle
    Embargos, genehmigungspflichtige und Dual-Use-Güter, länderbezogene Frühwarnhinweise
  • Datenschutz
    Schutz personenbezogener Daten und betrieblicher Datenschutzbeauftragter, Datenschutz im Internet und beim E-Mail-Versand, Videoüberwachung
  • Netz- und Informationssicherheit
    IT-Sicherheit, sicherer Umgang mit Internet und Smartphones, Schutz vor Cyberkrimininalität
  • IHK-Sicherheitskongresse
    Informationen und Vortragsunterlagen zum Thema Sicherheit in der Wirtschaft
Zwangsvollstreckung

Vordruck für Zwangsvollstreckungsauftrag

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat auf Grundlage des § 753 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) einen Vordruck für den Zwangsvollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher eingeführt und neu überarbeitet.
Dieses Formular ist verbindlich zu nutzen. Der Vordruck ist auf der Seite BMJ eingestellt. Darüber hinaus finden Sie auf der Internetseite des BMJ einen hilfreichen FAQ- Katalog sowie die weiteren Formulare für die Zwangsvollstreckung.

IHK-Broschüre

Notfall-Handbuch für Unternehmen

Was würde passieren, wenn ich als Chef plötzlich durch Krankheit oder Unfall für längere Zeit ausfalle? Könnte das Unternehmen ohne mich fortbestehen? Würden die Arbeitsplätze erhalten bleiben? Wäre meine Familie wirtschaftlich ausreichend abgesichert? Plötzliche Erkrankungen, Unfälle bis hin zum Tod des Firmeninhabers können eine schnelle Übergabe erfordern. Wer darauf nicht vorbereitet ist, riskiert, das Unternehmen in existenzielle Schwierigkeiten zu bringen - und mit ihm alle Angestellt.

Kurzcheck zur Notfallvorsorge

Viel zu oft werden diese Gedanken verdrängt. Wer rechnet schon gern mit dem Schlimmsten? Deshalb haben viele Unternehmen keine ausreichende Notfallvorsorge. Doch Unglücke passieren – sie kommen unvorbereitet und treffen uns aus heiterem Himmel.
Kurzcheck – Wie gut sind Sie auf den Notfall vorbereitet?
  • Gibt es im Unternehmen einen kompetenten Stellvertreter, der Sie fachlich und unternehmerisch ersetzen könnte?
  • Wissen Ihre Mitarbeiter über die aktuellen Projekte und Aufträge Bescheid?
  • Ist Ihre Büroorganisation nachvollziehbar?
  • Wer ist Ihr Ansprechpartner für steuerliche und rechtliche Fragestellungen (Steuerberater, Rechtsanwalt, Notar)?
  • Haben Sie alle notwendigen Versicherungen abgeschlossen (Betrieb, Familie, persönlich)?
  • Sind diese Informationen schriftlich und zugänglich hinterlegt?
Mit der richtigen Strategie und einigen praktischen Schritten können Sie Ihr Unternehmen wirksam absichern und den Betrieb vor unnötigem Schaden bewahren. Das „Notfall-Handbuch für Unternehmen“ soll Anregung, Orientierung und Werkzeug zugleich sein, die wichtigsten Regelungen konkret umzusetzen. Das „Notfall-Handbuch für Unternehmen“ (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1367 KB) können Sie als PDF herunterladen.

Veranstaltungsangebot

Um Ihnen den Einstieg in das komplexe Thema zu erleichtern, bietet die IHK Region Stuttgart eine Veranstaltung hierzu an. So erhalten die Teilnehmenden einen Überblick über nötige Schritte für die private und betriebliche Notfallvorsorge.
Tipp: Zusätzlich zur Ausfallvorsorge kann ein betrieblicher und privater Versicherungsschutz zum Erhalt der betrieblichen Tätigkeit beitragen. Hinweise und Tipps zur individuellen Risikoeinschätzung finden Sie auch in unserem Artikel zum Versicherungsschutz für Selbstständige.
Information für Arbeitgeber

Rechtliche Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen

Viele Unternehmen zeigen große Bereitschaft, Flüchtlinge zu beschäftigen, auszubilden oder im Rahmen eines Praktikums oder einer Arbeitsförderungsmaßnahme kennenzulernen. Zunächst stellen sie sich aber die Frage, was hinsichtlich der Beschäftigung von Flüchtlingen rechtlich möglich ist bzw. was man dabei beachten sollte. Diese Information bietet hierzu einen kurzen Überblick.
Eine wichtige Änderung hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen stellt das neue Integrationsgesetz, das als Maßnahme für die Integration von Flüchtlingen verabschiedet wurde, dar. Mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Gesetz soll der Arbeitsmarktzugang von Flüchtlingen erleichtert werden, um ihnen die einfache und schnelle Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen. 

1. Unterscheidung des Aufenthaltsstatus

Für den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt ist ihr Aufenthaltsstatus entscheidend. Insofern sind folgende Gruppen zu unterscheiden:

1.1 Asylberechtigte

Asylberechtigte sind Menschen, über deren Asylantrag positiv entschieden wurde und die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen sind. Sie haben einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt und dürfen somit jede Beschäftigung aufnehmen. Asylberechtigten wird die Aufenthaltserlaubnis zunächst befristet für bis zu drei Jahren erteilt (§ 26 Aufenthaltsgesetz). Nach einem Aufenthalt von fünf Jahren kann eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die dafür vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.

1.2 Asylbewerber

Asylbewerber sind Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den aber noch nicht entschieden wurde.  Sie erhalten bei Antragstellung eine Aufenthaltsgestattung, mit der sie sich während des Asylverfahrens legal im Bundesgebiet aufhalten können (Achtung: Die Aufenthaltsgestattung stellt keinen Aufenthaltstitel dar, sondern hat lediglich deklaratorischen Charakter).

1.3 Geduldete

Bei Geduldeten handelt es sich um Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht abgeschoben werden können.
Achtung: Für Asylsuchende aus den sog. sicheren Herkunftsländern, die ihren Asylantrag nach dem 31. August 2015 gestellt haben, gilt ein allgemeines Beschäftigungsverbot. Aktuell sind das die Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien (Anlage II zu § 29a Asylgesetz).
Anders als Asylberechtigte haben Asylbewerber und Geduldete nur einen beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Hier müssen einige Besonderheiten beachtet werden. Diese sind in der nachfolgenden Übersicht dargestellt.

2. Übersicht: Arbeitsmarktzugang von Asylbewerbern und Geduldeten

Bitte beachten Sie: Die Übersicht stellt lediglich eine vereinfachte Zusammenfassung der rechtlichen Bedingungen für die Beschäftigung und Ausbildung von Asylbewerbern und Geduldeten dar. Es muss immer eine Einzelfallprüfung erfolgen.

2.1 Grundsätzliches: Fristen, Arbeitserlaubnis, Vorrangprüfung

Wartefrist: Für Asylbewerber gilt eine Wartefrist von 3 Monaten, während der eine Beschäftigung grundsätzlich nicht aufgenommen werden darf. Um die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erhalten zu können, muss sich ein Asylbewerber seit drei Monaten gestattet, ein Geduldeter sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhalten.
Nach Ablauf der Wartefrist kann eine Arbeitserlaubnis für eine konkrete Beschäftigung von der zuständigen Ausländerbehörde erteilt werden.
Arbeitserlaubnis: Eine Beschäftigung darf grundsätzlich nur durch Asylbewerber oder Geduldete aufgenommen werden, wenn die Ausländerbehörde dies genehmigt und ein entsprechender Vermerk im Aufenthaltstitel aufgenommen wurde. 
Zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis muss die Ausländerbehörde in der Regel die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) einholen.
Für bestimmte Beschäftigungen ist die Zustimmung der BA allerdings nicht erforderlich, zum Beispiel für Berufsausbildungen oder bestimmte Praktika.
Außerdem entfällt das Zustimmungserfordernis der BA nach einem Aufenthalt von vier Jahren.
Sofern die Zustimmung der BA erforderlich ist, wird sie erteilt, wenn der Asylbewerber oder Geduldete nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Mitarbeiter beschäftigt werden soll. Grundsätzlich sollte zudem eine Vorrangprüfung durchgeführt werden, im Rahmen derer geprüft wird, ob für die konkrete Beschäftigung bevorrechtigte Arbeitnehmer (z.B. deutsche Staatsangehörige oder EU-Bürger) nicht zur Verfügung stehen. Das Integrationsgesetz sieht nun jedoch vor, dass die Vorrangprüfung für die nächsten drei Jahre bei Asylbewerbern und Geduldeten in Arbeitsagenturbezirken mit guter Arbeitsmarktlage ausgesetzt wird. Die Vorrangprüfung wird in den meisten der 156 Bezirke der Agentur für Arbeit ausgesetzt, unter anderem in Stuttgart. Die Zustimmung zur Beschäftigung von Asylbewerbern und Geduldeten im Agenturbezirk Stuttgart ist somit ohne Vorrangprüfung zu erteilen, sofern kein Beschäftigungsverbot vorliegt (§ 32 Abs. 5 Nr. 3 BeschV i.V.m. Anlage zu § 32 BeschV).
Im Übrigen entfällt die Vorrangprüfung nach einem Aufenthalt von 15 Monaten.

2.2 Praktika

Seit der Änderung der Beschäftigungsverordnung im Jahr 2015 sind bestimmte Praktika bereits vom Zustimmungserfordernis der BA ausgenommen (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 BeschV).
Pflichtpraktika bedürfen keiner Zustimmung der BA und unterliegen auch nicht dem Mindestlohn.
Praktika zu Berufsorientierung: Bei einer Dauer von bis zu drei Monaten sind diese von der Zustimmungspflicht ausgenommen; sie unterliegen dann auch nicht dem Mindestlohn.
Dauert ein solches Praktikum aber länger als 3 Monate gelten sowohl das Zustimmungserfordernis als auch der Mindestlohn.
Ausbildungsbegleitende Praktika sind ebenfalls bei einer Dauer von bis zu drei Monaten ohne Zustimmung der BA möglich; der Mindestlohn gilt nicht.
Bei einer Dauer von länger als 3 Monaten gelten das Zustimmungserfordernis und der Mindestlohn.
Praktika im Rahmen der Anerkennung eines ausländischen Berufsabschlusses oder für die Berufserlaubnis in einem reglementierten Beruf bedürfen der Zustimmung der BA. Dies wird in § 8 Beschäftigungsverordnung geregelt.

2.3 Maßnahmen der Arbeitsförderung

Maßnahmen bei einem Arbeitgeber zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach § 45 SGB III: Eine solche Maßnahme dient dazu, vorhandene berufliche Kenntnisse des Teilnehmenden festzustellen oder zu vermitteln und darf eine Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Es entsteht dadurch kein Beschäftigungsverhältnis.
Die Maßnahme bedarf daher keiner Genehmigung der Ausländerbehörde, sie muss aber im Vorfeld bei der Agentur für Arbeit beantragt werden und kommt erst nach Ablauf der drei-monatigen Wartefrist in Frage. Der Mindestlohn gilt nicht.
Einstiegsqualifizierung:
Eine betriebliche Einstiegsqualifizierung dient der Vermittlung und Vertiefung von Grundlagen für den Erwerb beruflicher Handlungsfähigkeit in Vorbereitung auf eine Berufsausbildung. Die Einzelheiten dazu sind in § 54a SGB III geregelt.
Die Einstiegsqualifizierung muss bei der Agentur für Arbeit beantragt und von ihr bewilligt werden und kann höchstens 12 Monate dauern. Eine Genehmigung der Ausländerbehörde muss eingeholt werden. Wenn die Maßnahme von der Arbeitsagentur bewilligt wurde, gilt der Mindestlohn nicht.

2.4 Probebeschäftigung

Eine Probebeschäftigung von Asylbewerbern und Geduldeten ist grundsätzlich möglich. Dabei soll die Eignung des Betroffenen für eine evtl. spätere Einstellung getestet werden. Dies setzt allerdings die Genehmigung der Ausländerbehörde einschließlich der Zustimmung der BA voraus.

2.5 Ausbildung

Schulische Ausbildungen sind rechtlich immer möglich; es ist keine Genehmigung der Ausländerbehörde erforderlich.
Betriebliche Ausbildungen:
Asylbewerber
können nach Ablauf der 3-monatigen Wartefrist eine betriebliche Ausbildung starten.
Für Geduldete ist eine betriebliche Ausbildung ab dem ersten Tag nach Erteilung der Duldung möglich, sofern kein Arbeitsverbot im Einzelfall vorliegt.
Für den konkreten Ausbildungsplatz muss eine Arbeitserlaubnis beantragt werden. Im Falle der staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberufe ist die Zustimmung der BA nicht notwendig. Dies gilt sowohl für Asylbewerber als auch Geduldete.
Mit dem Integrationsgesetz ergeben sich bezüglich der Ausbildung von Asylbewerbern und Geduldeten wichtige Änderungen, die für Arbeitgeber von Interesse sind:
Während der gesamten Dauer der Ausbildung erhalten Auszubildende einen gesicherten Aufenthalt, unabhängig vom Alter. Dabei wird die bisherige Altersgrenze von 21 Jahren abgeschafft.
Wird nach einem erfolgreichen Ausbildungsabschluss eine anschließende ausbildungsadäquate Beschäftigung aufgenommen, wird eine Duldung für zwei weitere Jahre erteilt (sogenannte „3+2-Regel”; vgl. § 18a Abs. 1a AufenthG). Damit wurde eine der wesentlichen Forderungen der Industrie- und Handelskammern erfüllt, für die sich auch die IHK Region Stuttgart eingesetzt hatte.
Wenn nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung eine Weiterbeschäftigung im Ausbildungsbetrieb nicht erfolgt, wird die Duldung für sechs Monate zum Zweck der Suche nach einer der erworbenen Qualifikation entsprechenden Beschäftigung verlängert.
Im Falle eines Ausbildungsabbruchs wird die Duldung einmalig um sechs Monate verlängert, um die Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz zu ermöglichen.
Meldepflicht bei Ausbildungsabbruch: Neu ist auch, dass Ausbildungsbetriebe nunmehr verpflichtet sind, der zuständigen Ausländerbehörde schriftlich mitzuteilen, wenn die Ausbildung nicht betrieben oder abgebrochen wird. Diese Meldung hat unverzüglich, in der Regel innerhalb einer Woche zu erfolgen und muss neben den mitzuteilenden Tatsachen und dem Zeitpunkt ihres Eintritts die Namen, Vornamen und die Staatsangehörigkeit des Ausländers enthalten.
Weitere Informationen zum Integrationsgesetz finden Sie auf der Seite der Bundesregierung.

2.6 Wohnsitzregelung

Das Integrationsgesetz sieht auch eine auf drei Jahre befristete Wohnsitzregelung vor. Den Ländern wird dadurch ermöglicht, Neuankömmlinge darauf zu verpflichten, ihren Wohnsitz an einem bestimmten Ort zu nehmen. Auch Baden-Württemberg hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. So können die baden-württembergischen Ausländerbehörden Wohnsitzzuweisungen vornehmen, um Asylberechtigte gleichmäßig auf das Land zu verteilen.
Flüchtlinge, die bereits eine Ausbildung absolvieren oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, sind hiervon ausgenommen. Diese müssen mindestens 15 Wochenarbeitsstunden mit einem monatlichen Durchschnittseinkommen von mindestens 712 Euro nachweisen.

3. Weiterführende Informationen

Informationen zur Beschäftigung von Flüchtlingen finden Sie auch bei den nachfolgend aufgeführten Links:
Wenn Sie auf der Suche nach potenziellen Kandidaten sind, können Sie sich an die folgenden Stellen wenden.
Die Information wurde mit großer Sorgfalt erarbeitet. Eine Haftung für die Richtigkeit kann jedoch nicht übernommen werden. Es besteht auch kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Stand: Januar 2022
Sozialvorschriften verständlich erklärt

Broschüre „Sozialvorschriften im Straßenverkehr“

Vorabanmerkung: Änderungen, die durch das sogenannte „Mobilitätspaket I” ab August 2020 eingeführt wurden und in den kommenden Jahren eingeführt werden, sind nicht in der Broschüre enthalten. Die Änderungen können in unserem Artikel zum Mobilitätspaket I nachvollzogen werden und sukzessive Eingang in unsere Online-Publikationen finden.
Von der Einhaltung der Sozialvorschriften sind grundsätzlich alle Unternehmen betroffen, die Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse von mehr als 2.800 Kilogramm zum Gütertransport im Einsatz haben oder die in der Personenbeförderung Fahrzeuge verwenden, die für mehr als acht Fahrgäste zugelassen sind.
Die Broschüre „Sozialvorschriften im Straßenverkehr – Digitales Kontrollgerät sowie Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten nach nationalem und EU-Recht (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1893 KB)“ hält also nicht nur für Speditionen, Frachtführer und Busunternehmen Informationen bereit, sondern wendet sich auch an Unternehmen, die Werkverkehr betreiben, also Dienstleister, Handwerker, Handels- und Industriebetriebe.
Neben grundlegenden inhaltlichen Aktualisierungen und der Anpassung an die zwischenzeitlich erlassenen Rechtsgrundlagen (vor allem die Verordnung (EU) Nr. 165/2014), werden in der vierten Auflage insbesondere jene Erkenntnisse aufgenommen, die durch Rechtsprechung und Auslegung der Sozialvorschriften durch die in Deutschland dafür zuständigen Gremien gewonnen werden konnten. Um die Kenntnisse der Betroffenen zu den Detailvorschriften auszubauen, wurden die Erläuterungen der Begrifflichkeiten wesentlich erweitert.
Hier können Sie die Broschüre direkt herunterladen, Für die Bestellung gedruckter Exemplare wenden Sie sich bitte per Mail an Herrn Götz Bopp (siehe Kontakt). Die Broschüre ist im Format DIN A4 und in DIN A5 (für das Handschuhfach) kostenfrei lieferbar.
Da das Fahrpersonalrecht sehr umfassend ist, haben wir hier diverse Spezialthemen und weiterführende Informationen zusammengestellt, beispielsweise die Leitfäden („Hinweise“) der obersten Behörden des Bundes und der Länder zur Auslegung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr oder einen Artikel rund um das Thema Nachweisführung (Nachtrag oder Bescheinigung für berücksichtigungsfreie Tage). Bei Fragen können Sie sich auch an das „KomNet" des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen wenden, das im Laufe der zeit einen sehr umfassenenden FAQ-Katalog aufgebaut hat und auch gegenüber Privatpersonen Fragen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitssicherheit beantwortet.
Stand: August 2020
Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf

Pflegezeit

Corona-Update: Akuthilfen für pflegende Angehörige in der COVID-19-Pandemie
Viele Menschen müssen sich wegen der Corona-Pandemie verstärkt um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Die akuten Hilfen und Unterstützungsangebote wurden bis 30. April 2023 weiter verlängert. Folgende Regelungen gelten:
  • Möglichkeit einer Inanspruchnahme der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung von bis zu 20 Arbeitstagen pro Akutfall – wenn die akute Pflegesituation aufgrund der COVID-19-Pandemie aufgetreten ist; Pflegeunterstützungsgeld kann dann für 20 Arbeitstage in Anspruch genommen werden.
  • Flexibilisierungen im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) wie eine kürzere Ankündigungsfrist der Familienpflegezeit, die Möglichkeit der Ankündigung per E-Mail, aber auch die Nichtberücksichtigung von Monaten mit einem aufgrund der Pandemie geringeren Einkommen bei der Ermittlung der Darlehenshöhe nach dem Familienpflegezeitgesetz.
  • Beschäftigte, die aufgrund der Sonderregelungen zu COVID 19 Freistellungen in Anspruch genommen haben oder nehmen, können verbleibende Monate der Freistellungsansprüche nach dem Familienpflegezeit- und Pflegezeitgesetz in Anspruch nehmen.
Am 1. Januar 2015 trat das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft. Damit wurden die bestehenden Regelungen im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und im Familienpflegezeitgesetz (FamiliepflegeZG) weiter entwickelt.
Das Gesetz sieht vier verschiedene Freistellungsmöglichkeiten für Beschäftigte vor.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung bei plötzlich auftretender Pflegesituation
  • Anspruch auf bis zu zehn Tage Freistellung
  • Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (Lohnersatzleistung in Höhe von circa 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts).
  • Es besteht Kündigungsschutz von der Ankündigung bis zum Ende der Freistellung.
Pflegezeit
  • Anspruch auf bis zu sechs Monate (Höchstdauer) vollständige oder teilweise Freistellung bei Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen, auch für die außerhäusliche Betreuung eines pflegebedürftigen minderjährigen Kindes.
  • ABER: kein Anspruch in Betrieben mit 15 oder weniger Beschäftigten.
  • Anspruch auf zinsloses Darlehen während der Pflegezeit, das beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) beantragt werden kann. Die Auszahlung erfolgt in monatlichen Raten. Es gleicht maximal die Hälfte des fehlenden Nettogehalts aus und muss in Raten wieder zurückgezahlt werden.
  • Es besteht Kündigungsschutz ab der Ankündigung bis zum Ende der Pflegezeit.
  • Kombination mit Familienpflegezeit möglich.
  • Anrechnung auf Familienpflegezeit.
  • Der Arbeitgeber kann eine Urlaubskürzung für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung um ein Zwölftel vornehmen, wenn eine Pflegezeit, Betreuung oder Begleitung vorliegt.
  • Eine unmittelbare Verlängerung einer beantragten Pflegezeit von weniger als sechs Monaten ist möglich, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
Eine spätere Aufteilung einer einmal beantragten Pflegezeit ist nicht möglich, d.h. ein Arbeitnehmer, der bereits Pflegezeit beantragt hat, kann nicht mehrfach kürzere Pflegezeiten für denselben Angehörigen beanspruchen, bspw. eine viertägige Zeit im Juni und dann zwei Tage im Dezember eines Jahres. Eine solche Stückelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgrichts (BAG Urteil vom 15. November 2011, 9 AZR 348/10) nicht möglich. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme ist das Recht auf Pflegezeit verbraucht, auch wenn die sechs Monate nicht ausgeschöpft sind. Bisher nicht klar ent­schie­den ist, ob dies auch gilt, wenn der Arbeitnehmer die Pfle­ge­zeit von Beginn an auf­teilen möchte.

Familienpflegezeit
  • Anspruch auf bis zu 24 Monate teilweise Freistellung zur Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung und für die außerhäusliche Betreuung eines pflegebedürftigen minderjährigen Kindes.
  • ABER: kein Anspruch in Betrieben mit 25 oder weniger Beschäftigten.
  • Mindestarbeitszeit: wöchentlich 15 Stunden.
  • Anspruch auf zinsloses Darlehen während der Familienpflegezeit
  • Es besteht Kündigungsschutz ab der Ankündigung bis zum Ende der Pflegezeit.
  • Kombination mit Pflegezeit möglich.
Die Gesamtdauer von Pflegezeit und Familienpflegezeit beträgt maximal 24 Monate je pflegebedürftigem nahen Angehörigen.
Begleitung in der letzten Lebensphase
  • Anspruch auf bis zu drei Monate teilweise oder vollständige Freistellung für die Begleitung schwerstkranker Angehöriger in der letzten Lebensphase.
  • Anspruch auf zinsloses Darlehen während dieser Phase.
  • Anrechnung dieser Zeit auf die 24 Monate Familienpflegezeit.
Darüber hinaus wird der Begriff des nahen Angehörigen durch das Gesetz erweitert.
Nahe Angehörige sind danach:
Großeltern, Eltern, Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwieger- und Enkelkinder, Schwiegereltern, Ehegatten oder Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Stiefeltern, Schwägerinnen und Schwager sowie Partner in lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaften.
Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: März 2021
Dienst- und Werkleistungen durch Nicht-EU-Ausländer

Einsatz ausländischer Subunternehmer

Immer mehr Unternehmen greifen zur Erfüllung ihrer Aufträge auf ausländische Subunternehmer zurück. Europäischen Subunternehmern wird dies durch die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ermöglicht. Ein solcher Einsatz löst jedoch für die Vertragsparteien wichtige Pflichten und insbesondere für den deutschen Auftraggeber Haftungsrisiken aus.
Dabei stellen sich vor allem folgende Fragen:
  • Welche Meldepflichten gelten für den Einsatz ausländischer Subunternehmer?
  • Was gilt es bezüglich der Abgrenzung zur (illegalen) Arbeitnehmerüberlassung zu beachten?
  • Kann auch ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat als ausländischer Subunternehmer eingesetzt werden?
  • Welche Unterlagen sind für den Fall einer Kontrolle durch den Zoll bereitzuhalten?
Den Mitgliedsunternehmen der IHK Region Stuttgart stellen wir zu Fragen rund um dieses Thema auf Anfrage gerne erste Informationen und Orientierungshilfen zur Verfügung.
Recht und Steuern

Verzugszins

Stand: Juli 2024
Nach § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Geldschuld während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszins richtet sich nach dem sogenannten Basiszinssatz. Dieser wird in § 247 BGB beschrieben und zum 1. Januar und zum 1. Juli jeden Jahres neu angepasst. Seit 1. Juli 2024 liegt der Basiszinssatz bei 3,37 Prozent (Quelle: Bundesbank).
Unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes ergeben sich folgende gesetzliche Verzugszinsen nach § 288 BGB:
  • Verbrauchergeschäft (§ 13 BGB)
    Verzugszinssatz von 8,37 Prozent p.a.
    bei Geschäften, bei denen ein Verbraucher beteiligt ist

    Berechnung: 3,37 Prozent + 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz=
    8,37 Prozent
  • Handelsgeschäft (§ 343 Abs. 1 HGB)
    Verzugszinssatz von 12,37 Prozent p.a.
    bei Entgeltforderungen aus Rechtsgeschäften zwischen Unternehmen, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist

    Berechnung: 3,37 Prozent + 9 Prozentpunkte = 12,37 Prozent
Achtung: Die Regelungen gelten nur für Geschäfte zwischen Unternehmen, die ab dem 29.07.2014 geschlossen wurden. Bei Dauerschuldverhältnissen, die vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurden, betragen die Verzugszinsen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, wenn die Gegenleistung bis zum 30.06.2016 fällig wird. Wird die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 fällig wird, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.


Anhang: Auszug aus dem BGB

§ 247 Basiszinssatz

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

§ 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

Adressbuch- und Registerschwindel

1. Adressverzeichnis- und Registerschwindel

Die Zahl unseriöser Adressverzeichnisanbieter, die als Rechnungen aufgemachte Eintragungsangebote für Unternehmensdateien, Branchenregister, Zentralverzeichnisse, Gewerberegister oder ähnlich lautende Verzeichnisse in Umlauf bringen, hat stetig zugenommen. Die Angebote sind dabei so aufgemacht, dass der flüchtige Leser meint, es handle sich um eine Rechnung für einen bereits erteilten Auftrag.
Oftmals wird durch die unseriösen Anbieter dabei der Eindruck erweckt, eine öffentliche Stelle sei Absender der Rechnung für eine vermeintlich gesetzlich verlangte Registerveröffentlichung. Dazu entnehmen die unseriösen Adressverzeichnisanbieter die Kontaktdaten der Betroffenen regelmäßig tatsächlichen Veröffentlichungen über Handelsregistereintragungen im offiziellen Bundesanzeiger und knüpfen mit ihren Eintragungsangeboten daran an.   
Eine andere Vorgehensweise unseriöser Adressverzeichnisanbieter besteht darin, Formulare zu verwenden, in die Anzeigentexte aus anderweitig veröffentlichten, von den angeschriebenen Unternehmen tatsächlich in Auftrag gegebenen Werbeanzeigen, montiert werden. Der flüchtige Leser erkennt seine eigene alte Werbeanzeige und bemerkt gegebenenfalls nicht, dass er mit seiner Unterschrift nicht nur den richtigen Text der Anzeige bestätigt (zum Beispiel Korrekturabzug für eine Wiederveröffentlichung), sondern einen neuen Anzeigenvertrag mit einem ganz anderen Unternehmen unterschreibt.
Der wirtschaftliche Schaden, der den Betrieben durch den ungewollten Vertragsschluss zugefügt wird, kann immens sein. Falls die Verzeichnisse überhaupt erscheinen, sind sie meist wirtschaftlich wertlos, da die Eintragungen beispielsweise ohne Sortierung nach Branche oder Sitz des Unternehmens erfolgen.

2. Woran erkennt man Schreiben unseriös arbeitender Adressverzeichnisanbieter?

  • Das Schreiben ähnelt einer Rechnung, zumeist sind bereits ausgefüllte Überweisungsträger dem Schreiben fest beigefügt. Dabei wird oftmals eine Kontoverbindung im Ausland angeben.
  • Der für das angebliche Register zu entrichtete Betrag ist auffällig hoch (oft mehrere Hundert Euro) und meistens erst im Kleingedruckten wahrnehmbar.
  • Angegebene Kunden- oder Registriernummern sollen den Eindruck bereits bestehender Geschäftsverbindungen erwecken.
  • Es werden Logos oder Bezeichnungen verwendet, die denen von Behörden oder halbamtlichen Stellen gleichen.
  • Zumeist geben erst die kleingedruckten Geschäftsbedingungen auf der Rückseite einen Hinweis darauf, dass es sich um ein kostenpflichtiges Eintragungsangebot/Offerte handelt. Anbieter ist oftmals eine Gesellschaft (Ltd.) mit Sitz im Ausland.
  • Häufig werden Ausschnitte von Handelsregisterveröffentlichungen aus dem Bundesanzeiger verwendet oder an diese offiziellen Veröffentlichungen angeknüpft.
  • Datenerhebungsbögen für eine vorgeblich kostenfreie Aufnahme der Firmendaten in eine Datenbank werden zugesandt.
  • Es werden sogenannte Firmengründungsurkunden verschickt.
  • Die Eintragungsofferten werden oftmals per Fax verschickt.
  • In Formularen werden Anzeigentexte aus anderweitig veröffentlichten, von den angeschriebenen Unternehmen tatsächlich in Auftrag gegebenen Werbeanzeigen, montiert. Die Richtigkeit eines angeblichen Korrekturabzuges soll schriftlich bestätigt werden, tatsächlich handelt es sich um die Unterschrift zu einem Anzeigenauftrag.
Wie die Beispiele zeigen, zielen die Werbemethoden bewusst auf Schwachstellen der innerbetrieblichen Organisation ab. Dabei rechnen die Versender damit, dass die Zahlungen ohne genauere Prüfung angewiesen werden, da sich die Kosten für eine Eintragung in die Verzeichnisse in der Regel auf weniger als 500 Euro belaufen.

3. Richtig reagieren

Wie sollten Sie mit solchen Angeboten umgehen?

Die IHK warnt davor, auf diese Angebote einzugehen. Der richtige Platz für solche Angebote ist der Papierkorb! Daher sollten speziell die mit Zahlungsvorgängen betrauten Mitarbeiter über die dubiosen Praktiken unseriöser Adressverzeichnisanbieter aufgeklärt werden.
Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine genaue Prüfung, ob ein entsprechender Bestellvorgang vorliegt beziehungsweise ob die angebotene Leistung wirklich in Anspruch genommen werden soll.
Die IHK bemüht sich seit Jahren, Unternehmen vor unseriösen Adressverzeichnisanbietern zu schützen. Zur Bekämpfung arbeitet die IHK seit langem mit dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V. (DSW) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zusammen. Bei der IHK eingehende Beschwerden werden an den DSW weitergeleitet. Der Schutzverband fordert die unseriösen Unternehmen zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und leitet gegebenenfalls gerichtliche Schritte ein, unter Umständen wird sogar Strafanzeige gestellt.

Was tun, wenn Sie den Vertrag schon unterschrieben haben?

Vertrag anfechten - nicht bezahlen! Verträge in denen die Kostenpflichtigkeit des Angebots verschleiert wird oder der falsche Eindruck erweckt wird, es bestehe eine zwingende Zahlungsverpflichtung oder über die Rahmenumstände eines Vertrages getäuscht wird, sind rechtlich insbesondere durch eine sog. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB angreifbar.
Dazu sollte unverzüglich nach der ersten Zahlungsaufforderung die Anfechtung des Vertrages (und vorsorglich auch eine Kündigung) erklärt werden und zwar schriftlich sowie idealerweise vorab per Email und Telefax (Belege aufbewahren). Das ändert zwar nichts am Risiko einer Zahlungsklage durch den Anbieter des Verzeichnisses, kann jedoch die Verteidigungsposition vor Gericht deutlich verbessern. Einen Formulierungsvorschlag für eine Anfechtungs- und Kündigungserklärung finden Sie am Ende dieser IHK-Information.

Was tun, wenn Sie schon bezahlt haben?

Wer auf eines der rechnungsmäßig gestalteten Auftragsformulare eine Zahlung im falschen Glauben an eine bereits bestehende Verbindlichkeit geleistet hat, sollte noch nicht ausgeführte Überweisungsaufträge umgehend bei der Hausbank stoppen. Falls es für diesen Schritt bereits zu spät ist, kann versucht werden, den Betrag gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe zurückzufordern. Es kann auch eine Anzeige bei der Polizei wegen (versuchten) Betruges in Erwägung gezogen werden. Jeweils werden sich diese (rechtlichen) Schritte bei Briefkastenfirmen mit Bankverbindungen im Ausland oftmals allerdings als schwierige Unterfangen erweisen. In jedem Fall sollte eine Vertragsanfechtung und Kündigung erklärt werden (s.o.).

4. Muster einer Anfechtungserklärung

Bitte auf Einzelfall individuell anpassen.
Muster
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Ihrem Formularschreiben vom ... haben Sie in arglistig täuschender Weise den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Rechnung mit Zahlungsverpflichtung (alternativ: einen Korrekturabzug/...) und nicht um ein Vertragsangebot. Der Angebotscharakter war nicht ohne Weiteres erkennbar. Hinzu kommt, dass der etwaige Hinweis auf die Kosten derartig in den übrigen Text eingebettet war, dass der Leser geradezu verleitet werden sollte, den ausschlaggebenden Teil in Bezug auf die Kosten zu überlesen.
Eine wirksame vertragliche Zahlungsverpflichtung wurde dadurch schon nicht begründet. Hiermit fechte ich meine Erklärung vom ... außerdem wegen arglistiger Täuschung an. Rein vorsorglich kündige ich den Vertrag hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
(Falls zutreffend: Ich habe unter dem Eindruck einer Zahlungsverpflichtung den Betrag von ... Euro an Sie gezahlt. Auch mit dieser Zahlung ist kein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen. Ich fordere Sie auf, die von mir geleisteten Zahlungen unverzüglich, spätestens bis zum ... auf mein Konto ... zurückzuerstatten.)
Rechtliche Schritte behalte ich mir ausdrücklich vor.

Ausländerrecht

Selbständige Tätigkeit durch Nicht-EU-Ausländer

Die folgenden Ausführungen sollen potenziellen Existenzgründern aus Nicht-EU-Staaten als Information dienen, welche ausländerrechtlichen Regelungen vor der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Region Stuttgart zu beachten sind. Allgemeine Informationen zum Thema Existenzgründung finden Sie auf unserer Homepage unter „Gründung“.

1. Unionsbürger

Grundsätzlich genießen alle Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaats eine Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in ganz Europa. Die Niederlassungsfreiheit umfasst die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Die Dienstleistungsfreiheit berechtigt EU-Staatsangehörige vorübergehend Dienstleistungen im Bundesgebiet unter denselben Voraussetzungen wie Deutsche zu erbringen.
Unionsbürger benötigen dafür also keine spezielle Arbeitserlaubnis. Sie können nach den gleichen Regeln wie deutsche Staatsangehörige selbständige Erwerbstätigkeiten aufnehmen und ausüben und Dienstleistungen anbieten. Insofern sind die berufs- und gewerberechtlichen Regulierungen, die auch für Deutsche gelten, zu beachten. Handelt es sich um eine handwerkliche Tätigkeit, empfehlen wir, sich bei der Handwerkskammer Region Stuttgart nähere Informationen einzuholen.

2. Selbständige Tätigkeit durch Staatsangehörige aus Drittstaaten außerhalb der EU

Staatsangehörige aus Drittstaaten außerhalb der EU benötigen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit grundsätzlich einen Aufenthaltstitel zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 21 Aufenthaltsgesetz. Grundsätzlich ist dieser Aufenthaltstitel bei der deutschen Vertretung (Botschaft oder Generalkonsulat) im jeweiligen Heimatstaat zu beantragen. Übt ein Ausländer eine Erwerbstätigkeit  im Bundesgebiet aus, ohne dass sein Aufenthaltstitel ihn dazu berechtigt, handelt er ordnungswidrig beziehungsweise kann er sich strafbar machen. Nähere Informationen dazu finden Sie auf der Homepage des Zolls.
Staatsangehörige der sogenannten „Best-Friends“-Staaten (Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland und USA) können visumfrei ins Bundesgebiet einreisen und bei der zuständigen Ausländerbehörde vor Ort den Titel beantragen. In Stuttgart ist das Amt für öffentliche Ordnung die zuständige Ausländerbehörde.

3. Voraussetzungen zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit

Rechtsgrundlage ist § 21 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz. Dem Gesetzeswortlaut nach kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn
  • ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
  • die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt, und
  • die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist.
Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Die Beurteilung der Voraussetzungen richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und den Beitrag für Innovation und Forschung.
Ausländern, die älter als 45 Jahre sind, kann eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn sie über eine angemessene Altersversorgung verfügen.
Bei der Prüfung, ob diese genannten Voraussetzungen vorliegen, werden je nach Zuständigkeit die Industrie- und Handelskammern / die Gewerbebehörden / die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden beteiligt.
Handelt es sich um eine selbständige Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der IHK Region Stuttgart, wird diese von der Ausländerbehörde im Rahmen eines behördeninternen Verfahrens beteiligt und um Abgabe einer Stellungnahme gebeten.

Bitte berücksichtigen Sie: Eine „Vorabprüfung“ auf Wunsch des Antragstellers ist leider nicht möglich. Die IHK Region Stuttgart gibt nur auf Anfrage der Behörde eine Stellungnahme ab, welche sie ausschließlich an die anfragende Ausländerbehörde schickt. Die abschließende Entscheidung darüber, ob der Aufenthaltstitel erteilt wird oder nicht, obliegt allein der Ausländerbehörde.


3.1 Selbständige Tätigkeit / Personenkreis

Es gibt keine gesetzliche Definition der „selbständigen Tätigkeit“. Der Begriff wird üblicherweise über die Abgrenzung zur nichtselbständigen Tätigkeit (also der abhängigen Beschäftigung) bestimmt. Relevantes Kriterium aus der Rechtsprechung ist dabei, ob die Tätigkeit nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls in persönlicher Abhängigkeit ausgeübt wird. Wenn die Tätigkeit eigenverantwortlich ausgeübt wird, eine selbständige Organisation des Betriebs erfolgt und auch im Verhältnis zu Kunden eigenständig gehandelt wird, kann im Regelfall von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen werden.
Selbständig tätig in diesem Sinne sind in der Regel:
  • Einzelunternehmer, die gewerblich oder freiberuflich tätig sind
  • Gesellschafter einer Personengesellschaft (zum Beispiel OHK, KG, GbR)
  • Geschäftsführer/Vorstände/Genossen von juristischen Personen (AG, GmbH, Genossenschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien) in der Regel dann, wenn sie Mehrheitseigner sind bzw. dann, wenn sie unternehmerisch verantwortlich handeln und kein anderer Miteigner eine höhere Beteiligung hält
Dagegen genügt eine reine Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen nicht, um von einer selbständigen Tätigkeit im Sinne von § 21 Aufenthaltsgesetz auszugehen.
Problematisch kann im Einzelfall sein, ob geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften „selbständig“ im Sinne des § 21 Aufenthaltsgesetz tätig sind. Hier sind die Kriterien zur Feststellung der selbständigen Tätigkeit unter anderem, ob sie eine tatsächliche Leitungsfunktion wahrnehmen und kraft Gesetzes oder Gesellschaftsvertrags zur Vertretung oder Geschäftsführung berufen sind.
Sollten sich im Rahmen des Antragsverfahrens zur Erlangung des Aufenthaltstitels nach § 21 Aufenthaltsgesetz diese komplexen Fragen stellen, empfehlen wir Ihnen, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.

3.2 Unterlagen

Folgende Unterlagen müssen im Regelfall vorgelegt werden:
  • Businessplan (Konzept, Ertragsvorschau, Investitionsplan, Kapitalbedarfsplan)
  • Handelsregisterauszug (soweit vorhanden)
  • Gewerbeanzeige (soweit bereits erfolgt)
  • Gesellschaftsvertrag (gegebenenfalls im Entwurf)
  • Kapitalnachweis (Eigen-/Fremdkapital)
  • Lebenslauf (inklusive Ausbildungsnachweise, Nachweis der bisherigen beruflichen Tätigkeit)
  • Geschäftsführer- Anstellungsvertrag (mit Gehaltsangabe)
  • Miet-/Pachtverträge (falls schon geschlossen)
  • Nachweis über Geschäftsbeziehungen in Deutschland

4. Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen

4.1 Besondere vertragliche Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten

Die Bundesrepublik Deutschland hat mit folgenden Staaten Abkommen geschlossen, die die jeweiligen Staatsangehörigen begünstigen: Dominikanische Republik, Indonesien, Iran, Japan, Philippinen, Sri Lanka, Türkei (siehe Punkt 4.2) sowie USA.  Staatsangehörigen dieser Staaten kann der Aufenthaltstitel nach § 21 Aufenthaltsgesetz gegebenenfalls unabhängig von den Voraussetzungen nach Absatz 1 erteilt werden. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung.

4.2 Türkische Staatsangehörige

Auch türkischen Staatsangehörigen kann der Aufenthaltstitel nach § 21 Aufenthaltsgesetz unter Umständen unter erleichterten Voraussetzungen erteilt werden. Diese Entscheidung wird ebenfalls im Ermessen der zuständigen Behörde getroffen. Relevant für die Entscheidung der Ausländerbehörde ist nach der Rechtsprechung, ob ein Eingliedern des Selbständigen in das Wirtschaftsleben erwartet werden und inwieweit die Tätigkeit erfolgreich ausgeübt werden kann. Es handelt sich also um einen erleichterten Prüfmaßstab.

4.3 Absolventen deutscher Hochschulen, § 21 Absatz 2a Aufenthaltsgesetz

Einem Ausländer, der sein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen hat oder der als Forscher oder Wissenschaftler eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 21 auch dann erteilt werden, wenn die oben unter Punkt 3 genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Voraussetzung ist jedoch, dass die beabsichtigte selbständige Tätigkeit im Zusammenhang mit den in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnissen steht.
Hinweis: Absolventen deutscher Hochschulen, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats haben, können nach dem Zeitpunkt des Studienabschlusses für einen Zeitraum von 18 Monaten sich in der Bundesrepublik aufhalten und einen angemessenen Arbeitsplatz suchen. Auch die Beantragung der Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bei der zuständigen Ausländerbehörde vor Ort ist davon umfasst.

4.4 Ausländer im Besitz eines anderen Aufenthaltstitels, § 21 Absatz 6 Aufenthaltsgesetz

Für Ausländer, die bereits im Besitz eines anderen Aufenthaltstitels sind, gelten erleichterte Bedingungen zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Sie müssen die oben unter Punkt 3 genannten Voraussetzungen nicht erfüllen.  Achtung: ein Aufenthalt in Deutschland aufgrund einer Duldung genügt nicht.
Dem Ausländer kann unter Beibehaltung des bereits bestehenden Titels eine selbständige Tätigkeit im Rahmen einer Ermessensausübung der Ausländerbehörde erlaubt werden. Der Ausländer muss über die erforderlichen Voraussetzungen verfügen, die ihm die Ausübung des Berufs möglich machen (zum Beispiel Approbation).

5. Ausnahme vom Erfordernis des Aufenthaltstitels zum Zwecke der selbständigen Tätigkeit

Der Grundsatz, dass eine Erwerbstätigkeit in Deutschland von Drittstaatsangehörigen nur mit einem gültigen Aufenthaltstitel, der die Erwerbstätigkeit erlaubt, ausgeübt werden darf, hat in diesem Zusammenhang nur einen explizit geregelten Ausnahmefall:
Selbständige Geschäftsführer eines Unternehmens, denen eine visumfreie Einreise in das Bundesgebiet gestattet ist (zum Beispiel Staatsangehörige der sogenannten „Best-Friend-Staaten“  siehe oben Punkt 2), brauchen, soweit sie im Bundesgebiet die selbständige Tätigkeit nur bis zu 90 Tagen innerhalb von zwölf Monaten ausüben, keinen Aufenthaltstitel zum Zwecke der selbständigen Erwerbstätigkeit.
Hinweis: Die vorstehenden Informationen wurden mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Eine Gewähr für die Richtigkeit kann dennoch nicht übernommen werden.
Weitere Fragen?
Für Mitgliedsunternehmen der IHK Region Stuttgart stehen unsere Ansprechpartner gerne zur Verfügung. Unternehmen aus anderen Kammerbezirken bitten wir, bei ihrer jeweiligen IHK nachzufragen.

Sozialvorschriften

Arbeitszeitvorschriften für selbstständige Kraftfahrer

Seit 1. November 2012 ist das Gesetz zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern zu beachten. Diesem zufolge darf ein selbstständiger Kraftfahrer* unter anderem eine Arbeitszeit von 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Er kann seine Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden verlängern, wenn er innerhalb von vier Kalendermonaten im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden wöchentlich arbeitet. Leistet der selbstständige Kraftfahrer Nachtarbeit ( jede Arbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr), darf er in einem Zeitraum von jeweils 24 Stunden nicht länger als zehn Stunden arbeiten.
Der selbstständige Kraftfahrer ist verpflichtet, seine Arbeitszeit täglich aufzuzeichnen, soweit sie nicht durch ein analoges oder digitales Kontrollgerät aufgezeichnet wird. Die Aufzeichnungspflicht gilt nicht für allgemeine administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen. Die Aufzeichnungen sind ab Erstellung mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Die Bundesregierung hält die Einbeziehung von echten Selbstständigen in Arbeitszeitregelungen, die über die Lenk- und Ruhezeiten hinaus gehen, auf Grund der unmittelbar geltenden Verordnung (EG) Nr. 561/2006 aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht für geboten und für einen Fremdkörper im geltenden Arbeits- und Wirtschaftsrecht (vgl. BR-Drucks. 858/11).
* Definition des selbstständigen Kraftfahrers gemäß Artikel 3 Buchstabe e) der Richtlinie 2002/15/EG: „selbstständiger Kraftfahrer“ alle Personen, deren berufliche Tätigkeit hauptsächlich darin besteht, mit Gemeinschaftslizenz oder einer anderen berufsspezifischen Beförderungsermächtigung gewerblich im Sinne des Gemeinschaftsrechts, Fahrgäste oder Waren im Straßenverkehr zu befördern, die befugt sind, auf eigene Rechnung zu arbeiten, und die nicht durch einen Arbeitsvertrag oder ein anderes arbeitsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis an einen Arbeitgeber gebunden sind, die über den erforderlichen freien Gestaltungsspielraum für die Ausübung der betreffenden Tätigkeit verfügen, deren Einkünfte direkt von den erzielten Gewinnen abhängen und die die Freiheit haben, als Einzelne oder durch eine Zusammenarbeit zwischen selbständigen Kraftfahrern Geschäftsbeziehungen zu mehreren Kunden zu unterhalten.
Was am Gesetz seltsam anmutet:
Zur Definition des „selbstständigen Kraftfahrers“ wird auf die Ausführungen im Artikel 3 Buchstabe e) der Richtlinie 2002/15/EG verwiesen. Dort wird ausgeführt dass nur jene Fahrer betroffen sind, die „mit Gemeinschaftslizenz oder einer anderen berufsspezifischen Beförderungsermächtigung gewerblich im Sinne des Gemeinschaftsrechts“ Güter oder Personen befördern. Somit sind von den gesetzlichen Regelungen nur Fahrer betroffen, die eine umgangssprachlich als „EU-Lizenz“ bezeichnete Transportgenehmigung verwenden. Finden die Transporte (im Güterverkehr) mit einer nationalen Güterverkehrserlaubnis, einer bilateralen Genehmigung oder unter einer CEMT-Genehmigung statt, greift das Gesetz nicht!?
Ein selbstständiger Fahrer darf weniger arbeiten als ein angestellter Fahrer!? Laut § 2 in Verbindung mit § 3 des Gesetzes darf der selbstständige Fahrer, sofern er Nachtarbeit leistet, maximal zehn Stunden innerhalb von 24 Stunden arbeiten. Beim angestellten Fahrer sieht das anders aus, wie ein kurzes Beispiel erläutert: Der angestellte Fahrer beginnt seine Arbeit um 00:00 Uhr. Er lenkt und arbeitet insgesamt zehn Stunden, unterbrochen von insgesamt 1,5 Stunden Pause. Er beginnt also um 11:30 Uhr mit seiner täglichen Ruhezeit von neun Stunden. Um 20:30 Uhr sind alle Möglichkeiten und Pflichten des Fahrpersonalrechtes ausgeschöpft bzw. erfüllt worden. Nun kann also ein neuer Arbeitstag beginnen – bis 24:00 Uhr kann der angestellte Fahrer also noch 3,5 Stunden arbeiten. Anders beim selbstständigen Fahrer. Dieser müsste (wenn er ansonsten die gleichen Zeiten absolviert hat) mit der erneuten Arbeitsaufnahme noch bis 24:00 Uhr warten. Was soll man dazu noch sagen?
Allgemeine administrative Tätigkeiten, die keinen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen, müssen nicht arbeitszeitrechtlich aufgezeichnet werden. Sehr seltsam: Hat den Gesetzgeber die Vermutung geleitet, der selbstständige Fahrer würde während er einen Transport durchführt und hinter dem Steuer sitzt, administrative Tätigkeiten erbringen? Wieso kommt es sonst zu der Formulierung „…Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen…“ - „gerade“ im Sinne von „just“ oder „im selben Moment“? Es bleibt offen, was ein selbstständiger Fahrer nun also konkret noch zusätzlich aufzuzeichnen hat. An Tagen, an denen ein Fahrzeug aufzeichnungspflichtig bewegt wird, müssten die über ein Kontrollgerät aufgezeichneten Daten ausreichen (sofern andere Arbeitszeiten zusätzlich direkt oder per manuellem Nachtrag aufgezeichnet werden). Bleiben die Tage, an denen keine Fahrten durchgeführt werden. Sollten an diesen nur „allgemeine administrative Tätigkeiten“ anfallen (und wer weiß schon, was darunter alles zu verstehen ist), ist keine Arbeitszeitaufzeichnung notwendig.
Stand: August 2020

Recht und Steuern

Zwangsvollstreckung

Achtung Kleingastronomie und Diskotheken

Regelungen zum Nichtraucherschutz

Das baden-württembergische Landesnichtraucherschutzgesetz regelt das grundsätzliche Rauchverbot in Gaststätten, sowie die Voraussetzungen für Ausnahmen.
Gaststätten- und Diskothekenbetreibende begehen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie Verstöße gegen das Rauchverbot in Ihren Betrieben nicht verhindern oder Kennzeichnungspflichten nicht nachkommen. Das Gesetz sieht hierfür Geldbußen vor, die sich in Wiederholungsfällen erhöhen können.

Ausnahmen

  • In Gaststätten mit weniger als 75 Quadratmetern Gastfläche und ohne abgetrennten Nebenraum ist das Rauchen zulässig, wenn keine oder lediglich kalte Speisen einfacher Art zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr der Zutritt verwehrt wird und die Gaststätten am Eingangsbereich deutlich als Rauchergaststätten, zu denen Personen mit nicht vollendetem 18. Lebensjahr keinen Zutritt haben, gekennzeichnet sind.
  • In Diskotheken ist das Rauchen in vollständig abgetrennten Nebenräumen ohne Tanzfläche zulässig, wenn der Zutritt zur Diskothek auf Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr beschränkt ist und die Nebenräume deutlich als Raucherräume gekennzeichnet sind.
Weitere Informationen finden Sie auf den Seiten des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Das dort zum Download befindliche Merkblatt: Ausführungshinweise zur Umsetzung des Landesnichtraucherschutzgesetzes (LNRSchG) gibt weiterführende Informationen u.a. auch für Shisha-Cafés und Vereinsgaststätten.
Quelle: Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
Sozialrecht

Scheinselbstständigkeit

Die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen ist oft schwierig. Sie hat aber weitreichende Folgen für die vertraglichen Beziehungen. Die Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) besteht nur bei Arbeitnehmern. Auch die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften (Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung etc.) müssen gegenüber Selbständigen Auftragnehmern nicht beachtet werden. Erfolgt versehentlich eine unzutreffende Einordnung als Selbständiger, hat dies für den Auftraggeber hohe Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und eventuell auch Bußgelder zur Folge.

1. Begriffe

1.1 Scheinselbstständigkeit
Tritt jemand als Selbständiger auf, obwohl er tatsächlich wie ein abhängig Beschäftigter arbeitet, spricht man von Scheinselbstständigkeit.
Der Begriff der Scheinselbstständigkeit wird im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft. Im Folgenden wird nur die Scheinselbstständigkeit aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht dargestellt.
1.2 Arbeitnehmerähnliche Selbständige
Arbeitnehmerähnliche Selbständige sind zwar „richtige” Selbständige und nicht scheinselbstständig, dennoch sind sie rentenversicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung. In den übrigen Zweigen der Sozialversicherung sind sie versicherungsfrei.
Arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit liegt dann vor, wenn die Person zwar nach obiger, allgemeiner Definition selbständig tätig ist, aber
1. keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, der mehr als 450 Euro monatlich verdient
  • keine Rentenversicherungspflicht besteht, wenn bei Beschäftigung von mehreren geringfügig Beschäftigten insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro überschritten wird
  • maßgeblich ist die tatsächliche Beschäftigung, nicht die Berechtigung zur Einstellung
  • auch Auszubildende werden eingerechnet
und
2. auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist.
  • Das Merkmal gilt als erfüllt, wenn der Selbständige wenigstens 5/6 seiner gesamten Einkünfte aus einer Tätigkeit erzielt.
  • Eine Tätigkeit in nur unbedeutendem Umfang für einen/mehrere andere Auftraggeber ist unerheblich.
Der arbeitnehmerähnliche Selbständige muss sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beim zuständigen Rentenversicherungsträger melden.
Von der Rentenversicherungspflicht gibt es in folgenden Fällen Befreiungsmöglichkeiten, aber nur auf Antrag:
1. Existenzgründer werden die ersten drei Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit auf Antrag befreit. Dies gilt auch bei der Aufnahme einer zweiten selbständigen Tätigkeit („zweiter Versuch”) für nochmals drei Jahre, wenn nicht die erste Tätigkeit lediglich umbenannt wird oder der Geschäftszweck nicht wesentlich verändert worden ist.
2. Liegen die Voraussetzungen für die arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit erstmals vor, wenn die Person bereits 58 Jahre oder älter ist, ist sie auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit. Hier wird angenommen, dass bereits eine anderweitige Vorsorge getroffen worden ist.
Die Befreiung tritt auf Antrag ein. Das Formular (V050) finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung.
Wird der Antrag in den ersten drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht gestellt, wirkt die erteilte Befreiung von Beginn an. Bei einer späteren Antragstellung tritt die Befreiung mit Eingang der Antrages beim Rentenversicherungsträger ein.
1.3 Sonderfall: Handelsvertreter
Handelsvertreter ist gemäß § 84 HGB, wer als Selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Der Handelsvertreter ist selbständig, wenn er im Wesentlichen seine Tätigkeit frei gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

2. Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit

Die Beurteilung, ob eine Person abhängig oder selbständig beschäftigt wird, erfolgt nach dem Sozialgesetzbuch und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Sie richtet sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Ob eine Person im Vertrag als „Angestellter” oder als „freier Mitarbeiter”, „Auftragnehmer” o. ä. bezeichnet wird, ist für die Einordnung des Vertrages unerheblich.
Die abhängige Beschäftigung unterscheidet sich von der selbständigen Tätigkeit insbesondere in folgenden Bereichen:
  • Grad der persönlichen Abhängigkeit: Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers, Art und Organisation der Tätigkeit
  • Tätigwerden in eigener Person, ohne Einsatz von Mitarbeitern. Dabei werden Beschäftigungsverhältnisse auf 400-Euro-Basis nicht berücksichtigt.
  • Die Tätigkeit wurde beim Auftraggeber zuvor als Arbeitnehmer durchgeführt. Hier stand die Person zunächst in einem Arbeitsverhältnis und wurde dann durch eine Vertragsänderung zum „Selbständigen” erklärt, ohne dass sich die Tätigkeit, die er verrichtete, wesentlich geändert hat.
  • Unternehmerische Entscheidungsfreiheit, unternehmerisches Risiko, unternehmerische Chancen:
    Leistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
    eigenständige Entscheidung z. B. über Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug, Einstellung von Personal, Einsatz von Kapital, Art und Umfang von Werbemaßnahmen für das eigene Unternehmen (wie eigener Briefkopf, Visitenkarten, Homepage)
  • Die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen.
Zum Problem der Scheinselbstständigkeit bei Kraftfahrern vgl. außerdem Selbständige Kraftfahrer.

3. Statusfeststellung durch die Deutsche Rentenversicherung

Die Entscheidung, ob eine Person selbständig oder abhängig beschäftigt ist, trifft zunächst die Krankenkasse als Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge. Weiter entscheidet der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfungen. Streitigkeiten hierüber werden nach durchgeführtem Widerspruchsverfahren vor den Sozialgerichten ausgetragen.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat eine Clearingstelle eingerichtet, bei der sozialversicherungsrechtliche Statusfragen geklärt werden können. Bestehen Zweifel, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht, kann ein Statusfeststellungsverfahren beantragt werden. Der Antrag kann sowohl vom Auftraggeber/Arbeitgeber als auch vom Auftragnehmer/Arbeitnehmer gestellt werden. Die Beteiligten müssen sich in der Beurteilung nicht einig sein. Wird der Antrag nur von einem Beteiligten gestellt, wird der andere Beteiligte von Amts wegen in das Verfahren miteinbezogen.
Das Antragsformular kann unter www.deutsche-rentenversicherung.de heruntergeladen werden.
Kontaktdaten der Clearingstelle:
Deutsche Rentenversicherung Bund
Clearingstelle für sozialversicherungsrechtliche Statusfragen
10704 Berlin
Service-Telefon: 0800 10004800
In zwei Fällen wird das Statusfeststellungsverfahren von Amts wegen ohne gesonderten Antrag durchgeführt:
  1. Meldung eines Ehegatten/Lebenspartners
  2. Meldung eines geschäftsführenden Gesellschafters eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Hier sendet die DRV automatisch die Feststellungsbögen zu.
Das Verfahren wird durch einen Bescheid abgeschlossen, der für die Beteiligten bindend ist.
Seit 01.01.2005 ist auch die Bundesagentur für Arbeit an die Feststellung der Sozialversicherungspflicht gebunden. Dadurch wird sichergestellt, dass abgeführte Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auch zu einer Absicherung führen. Ist also die Sozialversicherungspflicht festgestellt, kann die Bundesagentur für Arbeit nicht deshalb keine Zahlungen leisten, weil aus ihrer Sicht keine Sozialversicherungspflicht vorgelegen hat.
Wichtig: Über die Statusfrage entscheiden letztlich die Sozialgerichte. Eine Feststellung durch ein Arbeitsgericht, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht, ist für den Sozialversicherungsträger nicht bindend. Dieser darf die Entscheidung eines Arbeitsgerichts nicht übernehmen, sondern muss selbst die Sozialversicherungspflicht überprüfen im Rahmen der Statusfeststellung.
Bestehen Zweifel über den Status, empfiehlt es sich, schon bei Arbeitsaufnahme ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. So besteht Klarheit zwischen den Parteien und es wird vermieden, dass möglicherweise hohe Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden müssen.

4. Folgen der Scheinselbstständigkeit

Der Scheinselbstständige ist Arbeitnehmer und damit sozialversicherungspflichtig, sein Auftraggeber ist Arbeitgeber. Beide tragen die Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich je zur Hälfte.
Die Sozialversicherungspflicht gilt vom Beginn der Beschäftigung an. Der Auftraggeber ist verpflichtet, rückständige Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile von Sozialversicherungsbeiträgen bis zu vier Jahre rückwirkend zu bezahlen. Außerdem kann unter Umständen zusätzlich ein Bußgeld gegen den Auftraggeber verhängt werden.
Ausnahme: Wenn innerhalb eines Monats nach Beginn der Beschäftigung ein Antrag auf Statusfeststellung gestellt wird, tritt die Sozialversicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung ein, wenn der Scheinselbstständige
  • damit einverstanden ist und
  • er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entspricht.
Wird die Sozialversicherungspflicht anderweitig (z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung) festgestellt, tritt die Sozialversicherungspflicht grundsätzlich rückwirkend mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis ein.

5. Zusammenfassung

Ob ein Angestelltenverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist im Einzelfall oft schwer zu entscheiden. Bestehen Zweifel über das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit, ist zur Vermeidung von hohen Nachzahlungen an Sozialversicherungsbeiträgen die frühestmögliche Durchführung des Statusfeststellungsverfahrens ratsam.
Sozialversicherungsrecht

Künstlersozialabgabe

Stand: Juni 2021
Selbstständige Künstler und Publizisten befinden sich größtenteils in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und gleichzeitig in einer sozialen Situation, die mit der von Arbeitnehmern vergleichbar ist. Sie sind auf die Mitwirkung von Vermarktern oder Verwertern angewiesen, damit ihre Werke oder Leistungen dem Endabnehmer zugänglich gemacht werden können. Deshalb sind selbständige Künstler und Publizisten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) Pflichtversicherte in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Für die Durchführung ist die Künstlersozialkasse (KSK) zuständig. Die selbstständigen Künstler und Publizisten sind pflichtversichert, müssen jedoch nur die Hälfte ihrer Sozialversicherungsbeiträge aufbringen. Die andere Hälfte wird von den Verwertern durch die Künstlersozialabgabe (KSA) und vom Bund aufgebracht.
Ausführliche Informationen und eine Übersicht von künstlerischen/publizistischen Tätigkeiten erhalten Sie auch über die Broschüre Künstlersozialversicherung des Ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).
Die Künstlersozialkasse steht Ihnen von Montag bis Donnerstag zwischen 9 Uhr und 16 Uhr bei Fragen unter der Telefonnummer 04421 973 405 150-0 zur Verfügung.

Voraussetzungen der Abgabepflicht

Der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegen Unternehmer, wenn sie Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen.
Neben den typischen Verwertern (§ 24 Absatz 1 Satz 1 KSVG), wie beispielsweise Buchverlage, Theater, Galerien oder Werbeagenturen, gehören auch Unternehmer, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für ihr eigenes Unternehmen betreiben zum Kreis der Abgabepflichtigen, wenn sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen (§ 24 Absatz 1 Satz 2 KSVG). Zudem kann jeder als Unternehmer abgabepflichtig im Rahmen einer Generalklausel werden, wenn er nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilt, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke seines Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen (§ 24 Absatz 2 KSVG).

Selbstständiger Künstler/Publizist

Künstler und Publizisten im Sinne des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) sind alle Personen, die nicht nur vorübergehend selbstständig erwerbstätig Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffen, ausüben oder lehren oder als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise publizistisch tätig sind oder Publizistik lehren. Eine genaue Abgrenzung oder einen detaillierten Katalog an Berufen/Berufsgruppen enthält das Gesetz nicht. Auch enthält das KSVG selbst keine Definition des Begriffs „Kunst“.
Entsprechend dem Schutzzweck der Künstlersozialversicherung (KSV) ist ein relativ niedriges Niveau an freier schöpferischer Gestaltung ausreichend. Es genügt bereits, wenn nur in Ansätzen eine freie schöpferische Gestaltung zu erkennen ist.
Die Künstlersozialkasse (KSK) bietet auf Ihrer Homepage einen Übersichtskatalog über einige künstlerische/publizistische Tätigkeiten an.
Selbstständig bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Künstler/Publizist auf freiberuflicher Basis arbeitet, also nicht als Arbeitnehmer für das Unternehmen tätig wird. Dies kann auch nebenberuflich, also neben einer Haupttätigkeit zum Beispiel als Angestellter, Beamter oder Student geschehen. Nach Auffassung der Künstlersozialkasse fallen unter „Selbstständige Künstler/Publizisten“ auch Aufträge beziehungsweise Tätigkeiten einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder eines Einzelunternehmers. Die Anmeldung eines Gewerbes, die Eintragung in der Handwerksrolle oder die Bezeichnung als „Unternehmen”, „Firma”, oder „Gewerbebetrieb” sind unerheblich.
Dagegen ist für beim eigenen Unternehmen angestellte Künstler und Publizisten, wie bei anderen Arbeitnehmern, der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen abzuführen.

Abgabepflicht

Die Abgabepflicht beginnt, sobald eines der Tatbestandsmerkmale des § 24 KSVG erfüllt ist und ein Unternehmen eine der dort genannten Tätigkeiten aufnimmt. Sie besteht unabhängig davon,
ob der Künstler/Publizist haupt- oder nebenberuflich oder nicht berufsmäßig (zum Beispiel Stundenten, Rentner) als solcher tätig ist oder ob er seinen ständigen Aufenthalt im In- oder Ausland hat. Es ist auch unerheblich, ob der Künstler/Publizist als einzelner Freischaffender oder als Gruppe oder unter einer Firma beauftragt wird.
Es spielt für eine mögliche Abgabepflicht auch keine Rolle, ob der Künstler oder Publizist, dem Aufträge erteilt werden, selbst in der Künstlersozialversicherung versichert ist oder nicht. Auch wenn der Künstler ständig im Ausland tätig ist oder im Ausland seinen Wohnsitz hat, besteht für das beauftragende Unternehmen Abgabepflicht. Ebenso ist die steuerliche Einstufung (zum Beispiel als Gewerbebetrieb) unerheblich.

Abgabepflichtige Unternehmen/Verwerter

Grundsätzlich sind alle Unternehmer, die Leistungen selbstständiger Künstler/Publizisten regelmäßig in Anspruch nehmen, als „Verwerter“ von deren Leistungen zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe verpflichtet. Es sind private Unternehmen und Betriebe ebenso abgabepflichtig wie öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten, eingetragene Vereine und andere Personengemeinschaften. Auch eine steuerrechtlich anerkannte Gemeinnützigkeit ändert nichts daran, dass die Künstlersozialabgabe gezahlt werden muss.

Typische Verwerter

Betroffen sind vor allem diejenigen Unternehmen, die typischerweise als Verwerter künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen tätig werden (§ 24 Absatz 1 Satz 1 KSVG). Dazu gehören insbesondere: 
  • Buch-, Presse- und sonstige Verlage, Presseagenturen (einschließlich Bilderdienste),
  • Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Chöre und vergleichbare Unternehmen,
  • Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen,
  • Rundfunk- und Fernsehanbieter,
  • Hersteller von bespielten Bild- und Tonträgern (ausschließlich alleiniger Vervielfältigung),
  • Galerien, Kunsthandel,
  • Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte,
  • Varieté- und Zirkusunternehmen, Museen,
  • Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische und publizistische Tätigkeiten.
Diese Unternehmen (sogenannte typische Verwerter) unterliegen der Abgabepflicht dem Grunde nach, unabhängig davon, ob tatsächlich Aufträge an selbständige Künstler oder Publizisten vergeben werden.

Eigenwerber

Unternehmen, die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Zwecke ihres eigenen Unternehmens betreiben (sogenannte Eigenwerber), sind ebenfalls abgabepflichtig, wenn sie nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler und Publizisten erteilen (§ 24 Absatz 1 Satz 2 KSVG). Zu den Abgabepflichtigen zählen damit praktisch alle verkaufsorientierten Unternehmen, die regelmäßig Aufträge an selbständige Künstler und Publizisten erteilen, um beispielsweise Geschäftsberichte, Kataloge, Prospekte, Zeitschriften, Broschüren, Zeitungsartikel zu erstellen, Produkte zu gestalten und Konzerte, Theateraufführungen und Vorträge zu veranstalten.

Generalklauselunternehmer

Schließlich kann jeder als Unternehmer abgabepflichtig werden, wenn er nicht nur gelegentlich künstlerische oder publizistische Leistungen selbstständiger Künstler und Publizisten für jegliche Zwecke seines Unternehmens in Anspruch nimmt und damit Einnahmen erzielen will (sogenannte Generalklauselunternehmen, § 24 Absatz 2 KSVG).

Gelegentliche Auftragserteilung

Für die Beurteilung der nur gelegentlichen Auftragserteilung bei Eigenwerbern und Generalklauselunternehmen gilt ab dem Kalenderjahr 2015 eine Geringfügigkeitsgrenze (§ 24 Absatz 3 KSVG):
Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten gelten ab diesem Zeitpunkt als gelegentlich, wenn die Summe der Entgelte aus den in einem Kalenderjahr erteilten Aufträgen 450 Euro nicht übersteigt. Sofern künstlerische oder publizistische Leistungen im Rahmen von Veranstaltungen von Generalklauselunternehmen aufgeführt oder dargeboten werden, liegt eine nur gelegentliche Auftragserteilung vor, wenn in einem Kalenderjahr Aufträge für lediglich bis zu drei Veranstaltungen erteilt werden oder die Entgelte 450 Euro nicht überschreiten. In diesen Fällen besteht keine Abgabepflicht.

Höhe der Künstlersozialabgabe

Der Abgabesatz für das Jahr 2021 beträgt seit dem 1. Januar 4,2 Prozent.
Er wird jedes Jahr neu festgelegt. Alle Zahlungen, die ein Abgabepflichtiger im Laufe eines Jahres an selbstständige Künstler und Publizisten für entsprechende Leistungen entrichtet, werden summiert und mit dem für jedes Jahr neu festgelegten Abgabesatz multipliziert. Das Ergebnis ist die für das jeweilige Jahr zu zahlende Künstlersozialabgabe. Aufgrund der Abrechnung für das Vorjahr berechnet die Künstlersozialkasse monatliche Vorauszahlungen für das laufende Jahr.

Meldung bei der Künstlersozialkasse

Jeder Unternehmer, der nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten vergibt, ist zur Meldung und zur Zahlung der Künstlersozialabgabe an die Künstlersozialkasse (KSK) verpflichtet. Das Unternehmen muss sich selbst melden. Die erstmalige Meldung kann zunächst formlos telefonisch, schriftlich, per Fax oder E-Mail erfolgen. Alternativ kann auf der Website der Künstlersozialkasse ein Meldebogen heruntergeladen werden. Die KSK prüft die grundsätzliche Abgabepflicht und stellt sie gegebenenfalls in einem gesonderten Bescheid fest. In der Folge sind alle abgabepflichtigen Sachverhalte sowie die im Laufe eines Kalenderjahres geleisteten Entgelte aufzuzeichnen und der Künstlersozialkasse spätestens bis zum 31.3. des Folgejahres zu melden.
Kontaktdaten der Künstlersozialkasse:
Postanschrift
Künstlersozialkasse
26380 Wilhelmshaven
Hausadresse
Künstlersozialkasse
Gökerstraße 14
26384 Wilhelmshaven
Sprechzeiten
Montag bis Freitag von 9:00 bis 16:00 Uhr
Service-Center: 04421 9734051500
Fax
Versicherte: 04421 7543-5080
Verwerter: 04421 7543-5062
E-Mail
Fragen zur Künstlersozialversicherung: auskunft@kuenstlersozialkasse.de
Fragen zur Künstlersozialabgabe: abgabe@kuenstlersozialkasse.de

Meldepflichtiges Entgelt

Zu dem meldepflichtigen Entgelt gehört alles, was das Unternehmen aufwendet, um das Werk/die Leistung zu erhalten und/oder zu nutzen, § 25 KSVG. Also sowohl das eigentliche Honorar, als auch der Ersatz für Aufwendungen/Auslagen (beispielsweise Kosten für Telefon und Fracht) und Nebenleistungen des Künstlers/Publizisten (beispielsweise für Material, Hilfskräfte und nicht künstlerische Nebenleistungen).
Nicht zur Bemessungsgrundlage gehören:
  • die in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer des selbständigen Künstlers oder Publizisten
  • Zahlungen an urheberrechtliche Verwertungsgesellschaften
  • Zahlungen an eine offene Handelsgesellschaft (OHG)
  • Zahlungen an eine Kommanditgesellschaft (KG)
  • Zahlungen an juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts (GmbH, AG, e. V., öffentliche Körperschaften, Anstalten etc.), sofern diese im eigenen Namen handeln
  • Gewinnzuweisungen an Gesellschafter
  • Reisekosten, die dem Künstler/Publizisten für eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit im Rahmen der steuerlichen Freigrenzen erstattet werden
  • seit 1. Juli 2001 auch andere steuerfreie Aufwandsentschädigungen (zum Beispiel für Umzugskosten, Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung oder einfache Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte/erster Tätigkeitsstätte) im Rahmen der steuerlichen Grenzen sowie die so genannte „Übungsleiterpauschale“ (seit 2013: max. 2.400,00 Euro/Jahr), die von öffentlich-rechtlichen Institutionen und anerkannten gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Einrichtungen an nebenberuflich tätige Ausbilder, Übungsleiter, Chorleiter und Dirigenten gezahlt wird.

Aufzeichnungspflicht

Die künstlersozialabgabepflichtigen Unternehmer sind verpflichtet, Aufzeichnungen über alle an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte zu führen. Über die Anforderungen an die Aufzeichnungen informiert die Informationsschrift Nr. 17 der Künstlersozialkasse.

Prüfung der Künstlersozialabgabe

Die Prüfung der Melde- und Abgabepflicht liegt grundsätzlich bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Auf der Homepage der DRV erhalten Sie Informationen zur Künstlersozialabgabe sowie den Prüfungen.
Daneben hat die Künstlersozialkasse (KSK) ein eigenes Arbeitgeber-Prüfrecht für branchenspezifische Schwerpunktprüfungen, also anlassbezogene Prüfungen in begrenztem Umfang.
DRV und KSK arbeiten bei der Prüfung der Melde- und Abgabepflicht eng zusammen und stimmen sich laufend ab.

Nachzahlungspflicht

Unternehmen, die sich erstmals bei der Künstlersozialkasse melden, müssen damit rechnen, die Abgabe für frühere Jahre nachzuzahlen. Die Künstlersozialkasse kann die Abgaben für das laufende Jahr sowie einen Zeitraum von bis zu vier Jahren in die Vergangenheit erheben. Zur Information die Abgabesätze früherer Jahre:

seit 2018: 4,2 Prozent
2017: 4,8 Prozent
2016: 5,2 Prozent
 

Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder

Verstöße gegen die Meldepflicht sowie gegen die Auskunfts- und Vorlagepflicht eines Abgabeverpflichteten sind Ordnungswidrigkeiten und können mit Bußgeldern von bis zu 50.000 Euro geahndet werden, § 36 KSVG.

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Gewerbeerlaubnis

Selbständig als Versicherungsvermittler

1. Die Tätigkeit als Versicherungsvermittler

Sie möchten sich als gewerbsmäßig tätiger Versicherungsvermittler selbständig machen, das heißt den Abschluss von Versicherungs- oder Rückversicherungsverträgen vermitteln? In diesem Fall benötigen Sie zur Ausübung Ihrer Tätigkeit, neben der Gewerbeanmeldung, zunächst eine gewerberechtliche Erlaubnis nach § 34d der Gewerbeordnung (GewO).
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen verschiedenen Vermittlertypen. Da das Gesetz je nach Ausprägung spezifische Regelungen im Hinblick auf die Erlaubnis- und Registrierungspflicht vorgibt, müssen Sie zunächst eine Entscheidung treffen, wie Sie konkret tätig werden möchten. Um Sie bei dieser Entscheidung zu unterstützen, stellen wir Ihnen hier die verschiedenen Vermittlertypen kurz vor.

2. Vermittlertypen des § 34d GewO

2.1. Ungebundene Versicherungsvermittler

Ungebundene Versicherungsvermittler (§ 34d Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 2 GewO) vermitteln im Auftrag eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen (Mehrfachagenten). Zu den ungebundenen Versicherungsvermittlern zählen auch Versicherungsmakler, die im Auftrag des Versicherungsnehmers vermitteln. Ausführliche Informationen zur Abgrenzung der ungebundenen Versicherungsvermittler finden Sie im Artikel „Makler, Vertreter und Mehrfachagent“.
Ungebundene Versicherungsvermittler benötigen grundsätzlich eine Erlaubnis- und Registrierung nach § 34d Abs. 1 GewO.

2.2. Versicherungsberater

Versicherungsberater (§ 34d Abs. 2 GewO) ist, wer gewerbsmäßig über Versicherungen oder Rückversicherungen berät. Für sie gilt ein Provisionsannahmeverbot gegenüber Versicherungsunternehmen: Das bedeutet, Versicherungsberater dürfen sich nur vom Kunden bezahlen lassen (Honorar). 
Für Versicherungsberater besteht eine Erlaubnis- und Registrierungspflicht nach § 34d Abs. 2 GewO.

2.3. Produktakzessorische Vermittler

Produktakzessorische Vermittler (§ 34d Abs. 6 GewO) vermitteln Versicherungen (etwa Haftpflicht- und Kaskoversicherungen) in Ergänzung zu Ihrer Haupttätigkeit, der Lieferung von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen. Ein Beispiel für diesen Vermittler sind Autohändler. Ausführliche Informationen finden Sie in unserem Artikel Produktakzessorische Vermittler.
Sofern Sie als produktakzessorischer Vermittler tätig sein möchten, können Sie sich von der Erlaubnispflicht befreien lassen (durch Antrag). Als Voraussetzung hierfür müssen Sie

• unmittelbar im Auftrag eines oder mehrerer Versicherungsvermittler, die eine Erlaubnis besitzen, oder eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen tätig sein,
• eine Berufshaftpflicht abgeschlossen haben und
• zuverlässig sowie angemessen qualifiziert sein und in geordneten Vermögensverhältnissen leben. Als Nachweis hierfür dient eine Erklärung des Auftrag gebenden Versicherungsunternehmens oder -vermittlers.

Als produktakzessorischer Vermittler ist eine Registrierung im Vermittlerregister vorgeschrieben.

2.4. Gebundene Versicherungsvermittler

Gebundene Versicherungsvermittler (§ 34d Abs. 7 Nr. 1 GewO) vermitteln ausschließlich im Auftrag eines Versicherungsunternehmens, oder im Auftrag mehrerer Versicherungsunternehmen, deren Produkte nicht in Konkurrenz zueinander stehen. Die Versicherungsunternehmen übernehmen für ihre gebundenen Vermittler die uneingeschränkte Haftung. Ausführliche Informationen dazu finden Sie in unserem Artikel Gebundene Vermittler .
Gebundene Versicherungsvermittler sind von der Erlaubnispflicht befreit. Trotzdem ist eine Registrierung im Vermittlerregister der IHKs vorgeschrieben. Sie erfolgt direkt über das haftende Versicherungsunternehmen.

2.5. Bagatellvermittler

Von Bagatellvermittler (§ 34d Abs. 8 Nr. 1 GewO) spricht man, wenn
• nur produktakzessorisch bestimmte Versicherungstypen (zum Beispiel Reisegepäck oder Reiserücktritt – nicht Lebens- oder Haftpflichtversicherungen) vermittelt werden,
• nicht hauptberuflich vermittelt wird,
• die Prämie bei zeitanteiliger Berechnung auf Jahresbasis einen Betrag von 600 Euro nicht übersteigt oder
• die Prämie je Person einen Betrag von 200 Euro nicht übersteigt, wenn die Versicherung eine Zusatzleistung zu einer Dienstleistung mit einer Dauer von höchstens drei Monaten darstellt.
Sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind, benötigt der Bagatellvermittler keine Erlaubnis und Registrierung.

2.6. Sonderfälle

Von der Erlaubnis- und Registerpflicht nach § 34d GewO sind zudem ausgenommen
• Gewerbetreibende, die als Bausparkasse oder als von einer Bausparkasse beauftragter Vermittler Versicherungen als Bestandteile der Bausparverträge im Rahmen eines Kollektivvertrages vermitteln, die ausschließlich dazu bestimmt sind, die Rückzahlungsforderungen der Bausparkasse aus gewährten Darlehen abzusichern,
• Gewerbetreibende, die als Zusatzleistung zur Lieferung einer Ware oder der Erbringung einer Dienstleistung im Zusammenhang mit privaten und gewerblichen Darlehens- und Leasingverträgen Restschuldversicherungen vermitteln, deren Jahresprämie einen Betrag von 500 Euro nicht übersteigt oder
• so genannte „Tippgeber”, die lediglich die Möglichkeiten zum Abschluss von Versicherungsverträgen namhaft machen oder Kontakte zwischen einem potentiellen Versicherungsnehmer und einem Versicherungsvermittler oder Versicherungsunternehmen herstellen. Diese Tätigkeit gilt nicht als Versicherungsvermittlung und ist daher erlaubnisfrei. Als gewerblicher Tippgeber ist eine Gewerbeanzeige erforderlich.

3. Erlaubniserteilung

Sie haben sich für einen Vermittlerstatus entschieden? Dann können Sie einen entsprechend Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis bei Ihrer zuständigen IHK stellen. Antragsteller für die Erteilung einer Erlaubnis oder auch einer Erlaubnisbefreiung nach § 34d GewO kann eine natürliche oder juristische Person (AG, GmbH), vertreten durch ihre Organe, sein.
Eine Besonderheit gilt für Personen(handels)gesellschaften (KG, oHG, GbR). Diese haben im Gewerberecht keine Rechtsfähigkeit und können daher auch keine eigene Erlaubnis erhalten. In diesen Fällen muss jeder geschäftsführende Gesellschafter eine eigene Erlaubnis beantragen!

3.1. Nachweis Zuverlässigkeit / geordnete Vermögensverhältnisse

Neben Ihrem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis, prüft die zuständige IHK, ob Sie die erforderliche Zuverlässigkeit (im Sinne der Gewerbeordnung) besitzen, um die gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Darüber hinaus wird geprüft, ob geordnete Vermögensverhältnisse vorliegen.
Bestehen Zweifel an der Zuverlässigkeit oder den geordneten Vermögensverhältnissen ist die Erlaubnis zu versagen. Die Erlaubnis kann aber auch inhaltlich beschränkt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies zum Schutze der Allgemeinheit oder der Versicherungsnehmer erforderlich ist. Dies gilt auch für die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen.
Keine Zuverlässigkeit besitzt, wer in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls, Unterschlagung, Erpressung, Betrug, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wuchers oder einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt wurde.
Die Vermögensverhältnisse gelten als ungeordnet, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist.
Um Ihrer IHK diese Prüfung zu ermöglichen, sind dem Erlaubnisantrag folgende Unterlagen beizufügen:

• Führungszeugnis und Gewerbezentralregisterauszug zur Vorlage bei einer Behörde,
• Bescheinigung in Steuersachen des Finanzamtes,
• Bestätigung über die Insolvenzfreiheit vom Amtsgericht,
• Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis vom zentralen Vollstreckungsgericht (www.vollstreckungsportal.de),
• bei juristischen Personen (etwa AG, GmbH), der Handelsregisterauszug.

3.2. Nachweis Vermögensschadenhaftpflichtversicherung / gleichwertigen Garantie

Eine weitere Voraussetzung ist der Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Sie muss besonderen gesetzlichen Anforderungen entsprechen
• gültig im gesamten Gebiet der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und in den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR),
• das Versicherungsunternehmen muss im Inland zum Geschäftsbetrieb befugt sein und
• die Mindestversicherungssumme müssen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Diese verändern sich regelmäßig.
Der Nachweis erfolgt mit einer kostenlosen Bescheinigung Ihres Versicherers.
Die Bestätigung muss folgenden Wortlaut haben (mit aktuellen Höchstsummen)

Zur Vorlage bei Ihrer zuständigen Industrie- und Handelskammer bestätigen wir, dass Sie ab dem TT.MM.JJJJ eine Berufshaftpflichtversicherung bei unserer Gesellschaft abgeschlossen haben, die die Voraussetzungen der Verordnung über die Versicherungsvermittlung und -beratung (VersVermV) erfüllt.

Die vereinbarte Versicherungshöchstsumme beträgt mindestens 1.300.380 Euro je Versicherungsfall. Die Höchstleistung für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres beträgt mindestens 1.924.560 Euro.
Alternativ kann auch der Nachweis einer gleichwertigen Garantie Ihres Auftrag gebenden Versicherungsunternehmens erbracht werden.

3.3. Sachkunde

Zuletzt haben Sie den Nachweis angemessener Kenntnisse und Fertigkeiten für die Tätigkeit als Versicherungsvermittler zu führen. Diesen können Sie durch das Ablegen einer Sachkundeprüfung vor der IHK erbringen. Die Prüfung zum Versicherungsfachmann, -frau IHK gliedert sich in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil.
Die Sachkundeprüfung entfällt, wenn Sie über eine ausreichende Berufsqualifikation verfügen. Welche Qualifikationen gleichgestellt sind, gibt der Gesetzgeber in § 5 Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) vor. Die abschließende Liste der gleichgestellten Berufsqualifikationen, sowie das ausführliche Thema Sachkunde und Sachkundeprüfung finden Sie in unserem Artikel „Die Sachkunde“.
Für juristische Personen gilt, dass der Vorstand oder die Geschäftsführung die Sachkunde erbringen muss. Gegebenenfalls kann die Sachkunde auf eine angemessene Anzahl vertretungsberechtigter Personen, denen die Aufsicht über die unmittelbar mit der Vermittlung von Versicherten befassten Personen übertragen ist, delegiert werden.

3.4. Einsatz von Mitarbeitern

Sofern Sie beabsichtigen Mitarbeiter zu beschäftigen, die bei der Vermittlung oder der Beratung von Versicherungen unterstützen sollen, beachten Sie bitte, dass Sie als Arbeitgeber nach § 34d Abs. 9 S. 1 GewO sich von deren Zuverlässigkeit überzeugen müssen. Außerdem haben Sie sicherzustellen, dass diese Mitarbeiter über die für die Vermittlung der jeweiligen Versicherung sachgerechte Qualifikation verfügen.

4. Registrierungsverfahren

Um als Vermittler tätig zu sein, müssen Sie sich nach Erlaubniserhalt noch in das Vermittlerregister eintragen lassen. Der Antrag hierfür kann zeitgleich mit dem Erlaubnisantrag gestellt werden. Zusätzlich ist eine Gewerbeanzeige erforderlich.
Das Vermittlerregister dient der Transparenz und soll allen Interessierten die Möglichkeit geben, die zugelassene Tätigkeit eines Versicherungsvermittlers und -beraters zu prüfen. Das Register führen die IHKs. Das Vermittlerregister (www.vermittlerregister.info) kann kostenlos abgerufen werden.

5. Weiterbildungsverpflichtung

Die aufgrund der IDD bereits seit Februar 2018 in Kraft getretenen Änderungen für Versicherungsvermittler- und berater finden Sie unter der Dokumentennummer: 3880026.
Schwerpunkt der gesetzlichen Änderung war die neue Weiterbildungsplficht für Gewerbetreibende.
Die am 20. Dezember 2018 in Kraft getretene Versicherungsvermittlungsverordnung (VersVermV) gestaltet diese Weiterbildungspflicht näher aus und regelt folgendes:

1. Für wen gilt die Weiterbildungspflicht?

Die Weiterbildungspflicht gilt für den Gewerbetreibenden und seine unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden Beschäftigten. Die Weiterbildungspflicht gilt damit ebenfalls für Ausschließlichkeitsvertreter.
Bei juristischen Personen sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit der Weiterbildungsdelegation innerhalb des Betriebs vor. Der Weiterbildungsnachweis kann gemäß § 34d Abs. 9 S. 4 und S. 5 GewO  bei juristischen Personen durch eine angemessene Zahl der bei ihnen beschäftigten natürlichen Personen erbracht werden, sofern diese Personen die Aufsicht über die direkt bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden Personen haben und zur Vertretung berechtigt sind.

2. Für wieviel Stunden pro Jahr?

Versicherungsvermittler und die bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden Beschäftigten müssen sich im Umfang von 15 Stunden je Kalenderjahr weiterbilden. Die Weiterbildungspflicht gilt ab dem Jahr 2018. Haben Sie Ihre Tätigkeit erst im Laufe des Jahres 2018 – bspw. im Oktober 2018 – begonnen, so sind auch für Sie die 15 Stunden Weiterbildung erforderlich. Eine darüber hinausgehende freiwillige Weiterbildung ist selbstverständlich möglich. Zusätzliche freiwillige Weiterbildungsstunden können allerdings nicht auf das nächste Kalenderjahr übertragen oder angerechnet werden. Denn aus dem Wortlaut des § 34 d Absatz 9 Satz 2 GewO ergibt sich, dass die Weiterbildung im Umfang von 15 Stunden in jedem Kalenderjahr absolviert werden muss.

3. Welche Weiterbildungsmaßnahmen werden akzeptiert?

Alle Formen der Weiterbildung können genutzt werden, z. B. die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen oder an betriebsinternen Weiterbildungsmaßnahmen sowie E-Learning oder Blended Learning. Bei Weiterbildungsmaßnahmen im Selbststudium ist eine nachweisbare Lernerfolgskontrolle durch den Anbieter der Weiterbildung erforderlich. Die Weiterbildungsmaßnahme muss bestimmten Mindestanforderungen an die Qualität genügen. Diese Anforderungen sind in der Anlage 3 der VersVermV aufgeführt. Der Anbieter der Weiterbildungsmaßnahme hat die Einhaltung der Mindestanforderungen zu gewährleisten. Auch der Erwerb einer der in § 5 VersVermV aufgeführten Berufsqualifikationen gilt als Weiterbildung, sofern die Berufsqualifikation nicht dem Erwerb der Erstqualifikation, sondern der Weiterbildung dient.

4. Was geschieht mit den Weiterbildungsnachweisen?

Die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme muss dokumentiert werden. Die Nachweise sind 5 Jahre aufzubewahren. Die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Weiterbildungsmaßnahme durchgeführt wurde.

5. Wie wird die Erfüllung der Weiterbildungspflicht durch die IHK Region Stuttgart geprüft?

Wir werden in zeitlichen Abständen auf Sie zukommen und um Abgabe einer Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht im jeweils vergangenen Kalenderjahr bitten. Die abzugebende Erklärung richtet sich nach dem Muster laut Anlage 4 der VersVermV. Dieses Formular finden Sie auf der Internetseite  vom Bundesamt für Justiz.
In der Erklärung hat der Gewerbetreibende jede absolvierte Weiterbildungsmaßnahme sowie den Anbieter zu bezeichnen. Dies gilt ebenso für Ihre zur Weiterbildung verpflichteten Beschäftigten. Bitte senden Sie uns keine Einzelnachweise zu, sofern Sie nicht explizit von uns dazu aufgefordert werden.

6. Ist die Nichterfüllung der Weiterbildungspflicht sanktioniert?

Die nicht, nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Weiterbildung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Ebenso wird sanktioniert wer den Nachweis über eine abgelegte Weiterbildungsmaßnahme nicht aufbewahrt. Auch die Nichtabgabe der Erklärung über die Erfüllung der Weiterbildungspflicht trotz Aufforderung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar.

6. Gesetzliche Grundlagen

Dieses Merkblatt soll – als Service Ihrer IHK Region Stuttgart – nur erste Hinweise geben und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl dieses Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand: März 2022
Brancheninformationen

Versicherungsvermittler


Als Versicherungsvermittler finden Sie hier alle notwendigen Informationen und Formulare, um eine Erlaubnis zu beantragen und sich in das Register eintragen zu lassen.


Recht und Steuern

Vollmachtsregelungen im Geschäftsverkehr

Grundsätzlich ist nur der Geschäftsinhaber oder gesetzliche Vertreter berechtigt wirksame Verträge für seinen Gewerbebetrieb abzuschließen. Die Durchführung dieser Regelung ist heutzutage jedoch nicht mehr praktikabel, da die zunehmende Komplexität des Wirtschaftslebens es unmöglich macht alle Entscheidungen höchstpersönlich durch den Geschäftsinhaber oder Geschäftsführer zu treffen. Aus diesem Grund ist es notwendig, Verantwortung durch Delegation von Aufgaben an Mitarbeiter abzugeben.
Das Gesetz sieht unterschiedliche Arten der Vertretung mit unterschiedlichen Befugnissen vor. Deshalb ist es notwendig, die Art und den Umfang der übertragenen Aufgaben genau zu definieren, um Unklarheiten zu vermeiden. Eine Übersicht zu den zumeist nachgefragten Vollmachtsarten gibt Ihnen der nachfolgende Artikel.

1. Prokura

1.1 Vertretungsumfang

Der Prokurist ist, mit Ausnahme von Veräußerungen und Belastungen von Grundstücken sowie Grundlagengeschäften (wie etwa der Änderung des Unternehmenszwecks, Entscheidung hinsichtlich der Liquidation eines Unternehmens), zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, berechtigt. Die Prokura kann gegenüber dritten Personen (Kunden, Lieferanten etc.) nicht eingeschränkt werden und berechtigt entsprechend der Formulierung „eines Handelsgewerbes“ nicht nur zur Vornahme von Geschäften eines bestimmten Handelsgewerbes, sondern gilt generell für alle Arten von Handelsgewerbe. Somit ist der Prokurist auch zur Vornahme branchenfremder Geschäfte berechtigt. Wird der Umfang der Vertretungsbefugnis des Prokuristen, entgegen der gesetzlichen Bestimmungen, doch eingeschränkt, so ist die Beschränkung Dritten gegenüber unwirksam und die vom Prokuristen abgeschlossenen Geschäfte sind für das Unternehmen bindend.
Prokura kann sowohl als Einzel- als auch als Gesamtprokura erteilt werden. Bei der Gesamtprokura sind, im Gegensatz zur Einzelprokura, bei der jeder Prokurist alleine vertretungsberechtigt ist, alle Gesamtprokuristen nur gemeinsam vertretungsberechtigt.

1.2 Erteilung und Löschung

Zur Prokuraerteilung ist grundsätzlich nur der Geschäftsinhaber als Kaufmann berechtigt, ein Prokurist kann also keinesfalls selbst Prokura erteilen. Die Prokura muss ausdrücklich erteilt werden und die Erteilung sowie das Erlöschen sind in das Handelsregister einzutragen. Hierbei ist zu beachten, dass der Eintragung im Handelsregister bei der Erteilung der Prokura lediglich deklaratorische Wirkung zuteilwird. Die Prokura wird nicht erst mit Eintragung wirksam, sondern entfaltet ihre Wirksamkeit bereits mit Erteilung. Anders sieht es bei der Beendigung der Vertretungsbefugnis aus. Solange die Prokura im Handelsregister nicht gelöscht ist, ist der Prokurist vertretungsberechtigt, da für Dritte der Inhalt des Handelsgesetzbuches Wahrheitscharakter entfaltet. Gründe für ein Erlöschen der Prokura sind zum Beispiel Widerruf, Geschäftsaufgabe oder Beendigung des zugrunde liegenden Dienstverhältnisses.

1.3 Unterschriftenregelung

Im Schriftverkehr muss der Prokurist seine Vertretungsbefugnis deutlich machen. Dies geschieht üblicherweise indem er bei Unterschriften der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz (ppa. – per procura) beifügt.

2. Handlungsvollmacht

2.1 Vertretungsumfang

Die Handlungsvollmacht berechtigt zu allen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb des Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Die Vertretungsbefugnis umfasst dabei nur die Vornahme von Geschäften des Handelsgewerbes, wobei beispielsweise das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, die Aufnahme von Darlehen und die Führung von Prozessen nach § 54 Absatz 2 Handelsgesetzbuch nicht gedeckt sind. Der Umfang einer Handlungsvollmacht wird vom Aussteller festgelegt, allerdings ist die Beschränkung gegenüber Dritten ungültig, wenn diese sie nicht kennen mussten.

2.2 Erteilung und Löschung

Eine Handlungsvollmacht kann sowohl gegenüber dem Bevollmächtigten als auch gegenüber einem Dritten erklärt werden oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Sie muss nicht in das Handelsregister eingetragen werden und kann ohne Formerfordernisse, also auch mündlich, erteilt werden. Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Erteilung jedoch empfehlenswert.
In Ausnahmefällen kann es auch ohne ausdrückliche Vollmachtserteilung zu einer Vertretungsberechtigung kommen:
  • Duldungsvollmacht: Zu einer Duldungsvollmacht kommt es, wenn ein Unternehmen zulässt, dass ein Mitarbeiter, der keine Vertretungsbefugnis hat, gegenüber Dritten mehrfach als Bevollmächtigter auftritt, ohne diesbezüglich einzuschreiten. Ist dies der Fall, so muss sich das Unternehmen die Handlungen des Mitarbeiters voll zurechnen lassen, weil für einen Dritten nicht erkennbar ist, dass keine Vollmacht vorliegt. Der "gute Glaube" des Geschäftspartners wird hierdurch geschützt.
  • Anscheinsvollmacht: Tritt ein nicht vertretungsberechtigter Mitarbeiter eines Unternehmens gegenüber Dritten als Bevollmächtigter auf, so kann das vertretene Unternehmen auch dann an seine Erklärungen gebunden sein, wenn das Handeln des Mitarbeiters nicht bekannt war, bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt aber hätte erkannt und verhindert werden können. Die Rechtsprechung nimmt Anscheinsvollmacht z. B. bei vollmachtsloser Verwendung von Firmenstempeln auf Geschäftspapieren an, wenn der Mitarbeiter Zugang zum Firmenstempel hatte. Dem Vertretenen wird in diesem Fall ein Organisationsverschulden zur Last gelegt.

2.3 Unterschriftenregelung

Der Handlungsbevollmächtigte zeichnet in der Regel mit dem Zusatz "i. V. – in Vollmacht". Die Abkürzung bedeutet nicht wie oftmals falsch angenommen „in Vertretung“.
Gut zu wissen: Die Zeichnung mit dem Zusatz „i. A. – in Auftrag“ kommt häufig in vielen Unternehmen vor. Die damit verbundene Erledigung von Routinearbeiten durch Mitarbeiter, die entsprechend ihrer Aufgabenrolle beschränkt in Auftrag für ihr Unternehmen tätig werden, gilt als Erklärung ohne Bindungswillen.

3. Weitere Vollmachtsarten

3.1 Abschlussvollmacht

Bei der Abschlussvollmacht handelt es sich um einen Unterfall der Handlungsvollmacht. Sie spielt vor allem bei Handelsvertretern oder Handlungsgehilfen im Außendienst eine Rolle. Diese sind im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund der Abschlussvollmacht nur dazu berechtigt, Verträge abzuschließen. Zur Änderung von bereits abgeschlossenen Verträgen, also zum Beispiel zur Gewährung längerer Zahlungsfristen, ermächtigt eine Abschlussvollmacht grundsätzlich nicht.

3.2 Generalvollmacht

Der Inhaber einer Generalvollmacht ist zur Vertretung in allen Geschäften des Vollmachtgebers berechtigt und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Zwar ist die Erteilung formfrei möglich, das heißt auch mündlich, eine notarielle Beurkundung ist aufgrund des weiten Vertretungsumfangs aber empfehlenswert. Eine Generalvollmacht sollte nur sehr vertrauenswürdigen Personen erteilt werden.

3.3 Spezialvollmacht / Vollmacht für einzelne Rechtsgeschäfte

Die Spezialvollmacht berechtigt den Bevollmächtigten nur zur Vornahme eines bestimmten Geschäftes oder einer bestimmten Art von Geschäften wie zum Beispiel Kündigungen. Diese Vollmachtseinschränkung muss klar zum Ausdruck kommen, auf eine präzise Formulierung des Vollmachtzwecks ist deshalb zu achten. Wurde die Vollmacht nur zur Erledigung eines bestimmten Geschäfts erteilt, so erlischt sie automatisch mit Abschluss dieses Geschäfts.

3.4 Ladenvollmacht

Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Lager gewöhnlich abgewickelt werden. Ankäufe und Umtauschzusagen fallen jedoch nicht unter die gewöhnlichen Tätigkeiten. Die Erteilung der Vollmacht geschieht automatisch mit der Einstellung des Mitarbeiters und endet bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sinn der Ladenvollmacht ist, den Kunden Rechtssicherheit zu geben, indem sie sich nicht damit auseinandersetzen müssen, ob der Verkäufer tatsächlich zum Verkauf berechtigt ist.

4. Erlöschen der Vollmacht

Neben den bei den einzelnen Vollmachtsarten genannten Gründen, können Vollmachten auch durch Widerruf oder Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erlöschen. Ein Widerruf ist grundsätzlich möglich, es ist allerdings darauf zu achten, dass immer gegenüber der Person widerrufen werden muss, welcher die Bevollmächtigung mitgeteilt wurde. Wurde die Vollmacht zum Beispiel durch Bekanntgabe gegenüber einem Dritten erteilt, so ist sie gegenüber diesem Dritten so lange wirksam, bis dieser vom Widerruf unterrichtet wird, er also Kenntnis vom Erlöschen hat bzw. haben müsste. Auch die Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, also zum Beispiel des Arbeitsverhältnisses, führt regelmäßig zum Erlöschen der erteilten Vollmacht.

5. Vertretung ohne Vertretungsmacht

Die Vertretungsmacht sagt aus, was das rechtliche Können im Außenverhältnis und das rechtliche Dürfen im Innenverhältnis anbelangt. Überschreitet ein Bevollmächtigter seine Vertretungsmacht oder war er überhaupt nicht bevollmächtigt und kannte der Vertragspartner den Mangel der Vertretungsmacht nicht, so liegt eine Vertretung ohne Vertretungsmacht vor. In diesen Fällen wird das abgeschlossene Geschäft für den Vertretenen nur wirksam, wenn er es genehmigt, es ist „schwebend unwirksam“. Verweigert der Vertretene diese Genehmigung, so haftet der vollmachtlos handelnde Vertreter selbst, er ist für den entstandenen Schaden persönlich verantwortlich.

6. Aufbau eines Vertretungs- und Zeichnungsberechtigungssystems

Interne Absprachen führen nicht automatisch zur Beschränkung gegenüber Dritten im Außenverhältnis. Zur möglichen Absicherung und Abgrenzung empfiehlt es sich zudem eine sogenannte Bemächtigungsstruktur aufzubauen. Diese kann den Umfang und die Befugnisse der Vertretungen nach außen festlegen und beschränken. Die Berechtigungen werden sogleich mit Abschluss der jeweiligen Arbeitsverträge erteilt und können je nach Beförderung auch erweitert werden. So wird intern ein fester Zuständigkeitsbereich für die Mitarbeiter festgelegt. Werden diese Befugnisse sodann im Außenverhältnis überschritten, macht sich der Mitarbeiter unter Umständen schadensersatzpflichtig. Durch bekannt werden der einzelnen Zuständigkeitsbereiche können so die Geschäftspartner die Vertretungsberechtigung besser erkennen. Auch Eintragungen und Änderungsbekanntmachungen im Handelsregister sollten direkt mit den laufenden Geschäftspartnern kommuniziert werden. Das Haftungsrisiko kann so deutlich minimiert werden.

7. Formulierungshilfen

7.1 Muster für Prokura

Wir bestellen Sie hiermit zum Prokuristen unserer Firma. Bei der Prokura handelt es sich um eine Einzelprokura / um eine Gesamtprokura.
Für Geschäfte und Maßnahmen, die wesentlich von dem „Kapitalinvestitionsplan“ abweichen oder die außerhalb Ihres Tätigkeitsgebiets liegen, verpflichten Sie sich, die vorherige Zustimmung des Geschäftsführers einzuholen, insbesondere
  • für den Verkauf von Gegenständen, die zu festen Kapitalanlagen gehören;
  • für die Gründung und den Erwerb von Geschäftsunternehmen;
  • für den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverträgen mit folgenden 
  • zu Einzelverpflichtungen, die einen Betrag von EUR überschreiten;
  • zu Verbindlichkeiten, die eine jährliche Belastung von EUR überschreiten; usw.
Ergänzend weisen wir darauf hin, dass die Prokura zum Handelsregister angemeldet werden und die Unterschrift unter diese Anmeldung notariell beglaubigt werden muss. Ein Muster für diese Anmeldung könnte folgendermaßen aussehen:
An das Amtsgericht
- Registergericht –
A-Stadt
Zum Handelsregister A ... melde ich an:

Als Inhaber der Firma ... habe ich dem Kaufmann T Prokura erteilt. Er ist zu Veräußerungen und Belastung von Grundstücken befugt. Er zeichnet die Firma mit Namensunterschrift und Prokuristenzusatz wie folgt:
(handschriftlich) ... Firma ppa. .
Der letzte Betriebseinheitswert beträgt EUR...

7.2 Muster für Handlungsvollmacht

Hiermit erteilen wir Ihnen mit sofortiger Wirkung (oder: mit Wirkung ab...) Handlungsvollmacht
für... (z. B. Tätigkeitsbereich oder Abteilung).
Die Handlungsvollmacht ist auf die in ... (z. B. Tätigkeitsbereich oder Abteilung) vorkommenden Geschäfte beschränkt.
Insbesondere umfasst die Ihnen erteilte Handlungsvollmacht nicht die Befugnis, zu Lasten unseres Unternehmens in finanziellen Angelegenheiten Verhandlungen zu führen, Verpflichtungen einzugehen oder Verfügungen zu treffen.
Diese Handlungsvollmacht ermächtigt auch nicht zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung.
Rechtsverbindliche Erklärungen, die Sie für unser Unternehmen gegenüber Dritten oder intern vornehmen, bedürfen zur Wirksamkeit der Zustimmung und Gegenzeichnung durch einen Prokuristen / Geschäftsführer.
Von Ihnen zu unterzeichnende Post und sonstige Schriftstücke zeichnen Sie künftig mit dem Zusatz „in Vollmacht“ oder „i. V.“

7.3 Muster für Generalvollmacht

Der Bevollmächtigte ist berechtigt, meine sämtlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Er ist befugt, für mich in gesetzlicher Weise ohne Einschränkung jede rechtlich bedeutsame Handlung vorzunehmen, die von mir und mir gegenüber nach dem Gesetz vorgenommen werden kann, und zwar mit denselben Wirkungen, wie wenn ich selbst gehandelt hätte.
Die Vollmacht umfasst
  • das Recht, insbesondere mich gegenüber Gerichten, Behörden, sonstigen öffentlichen Stellen und Privatpersonen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten sowie alle Prozesshandlungen für mich vorzunehmen; 
  • bewegliche Sachen, Grundstücke und Rechte für mich zu erwerben oder zu veräußern;
  • Zahlungen oder Wertgegenstände für mich anzunehmen, zu quittieren oder Zahlungen vorzunehmen;
  • Dingliche Rechte jeglicher Art an Grundstücken oder anderen Rechten zu bestellen, zu übertragen, zu kündigen oder aufzugeben; 
  • Mich in Nachlassangelegenheiten umfassend zu vertreten, Verfügungen von Todes wegen anzufechten oder anzuerkennen, Erbschaften anzunehmen oder auszuschlagen sowie alle Handlungen vorzunehmen, die zur vollständigen Regelung von Nachlässen und zur Teilung erforderlich oder förderlich sind. 

7.4 Muster für eine einfache Vollmacht (Spezialvollmacht)

Ich, der/die unterzeichnete ... (Name, Anschrift), ermächtige Herrn/Frau... (Name, Beruf, Anschrift),... (Vollmachtsgegenstand mit Spezifizierung, wie beispielsweise Führung von Verhandlungen mit der Fa. XY zum Zweck...) und sämtliche in diesem Zusammenhang notwendigen oder nützlichen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen sowie Handlungen vorzunehmen.