Sozialvorschriften

Von den Sozialvorschriften ausgenommene Fahrten – Probleme und Lösungen

Dieser Beitrag dient der Klarstellung, von welchen fahrpersonalrechtlichen Bürokratismen Unternehmen befreit oder auch nicht befreit sind, die im Rahmen ihrer Fahrzeugeinsätze von Ausnahmen von den Sozialvorschriften Gebrauch machen können. Der umfangreiche Text dient einer möglichst vollständigen Darstellung.
Eine Übersicht zu den geltenden Ausnahmen finden Sie im Kapitel 1.4 der Broschüre „Sozialvorschriften im Straßenverkehr (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1893 KB)“. In einem gesonderten Artikel finden Sie Informationen, welche Ausnahmen in anderen EU-Mitgliedstaaten gelten. Die genannten Rechtsgrundlagen finden Sie im Artikel „Rechtsgrundlagen für Verkehr und Transport“.
Für die grundsätzliche Beurteilung, ob ein Fahrzeug, mit dem gewerblich motivierte Güterbeförderungen durchgeführt werden, unter die Sozialvorschriften fällt, ist stets nur die zulässige Höchstmasse (zHm, auch zGG oder zGM) des Fahrzeuges gemäß Fahrzeugpapieren relevant. Bei Fahrzeug-Anhänger-Kombinationen werden die zHm addiert. Die zulassungsrechtliche Einordnung (Pkw oder Lkw) ist in aller Regel irrelevant. Die Beförderung von Personen wird aufgrund der wesentlich geringeren „Fallzahlen“ ausgeklammert.
Einleitend sei angemerkt, dass aus Sicht eines Kontrollbeamten bei einer Straßenkontrolle stets nur die im Moment der Kontrolle durchgeführte Fahrt relevant ist. Dies hat massive Auswirkungen auf die Aufzeichnungs- und Mitführungspflichten, die nun in Fallbeispielen erläutert werden sollen.
  • Fall 1 ausschließlich ausgenommene Fahrten – „Handwerkerklausel“
  • Fall 2 (täglich) mehrfacher Wechsel zwischen ausgenommenen und aufzeichnungspflichtigen Fahrten – „Elektro- oder Gasfahrzeug“
  • Fall 3 Einsatz eines schweren Pkws mit Anhänger – „Verkaufswagen“
Fall 1: ausschließlich ausgenommene Fahrten – „Handwerkerklausel“
Ausnahme gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 3 der Fahrpersonalverordnung (FPersV) oder Artikel 3 Buchstabe aa) der VO (EG) Nr. 561/2006
a) Fahrzeug mit zHm zwischen 2.801 und 3.500 kg, kein Fahrtenschreiber
Der Fahrer muss keinerlei fahrpersonalrechtliche Vorschriften einhalten, keinerlei fahrpersonalrechtliche Dokumente mitführen, die Lenk- und Ruhezeiten nicht aufzeichnen und ist lediglich an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gebunden.
aa) gleiches Fahrzeug wie bei a), ausgestattet mit Fahrtenschreiber
Der Fahrer muss keinerlei fahrpersonalrechtliche Vorschriften einhalten, keinerlei fahrpersonalrechtliche Dokumente mitführen, die Lenk- und Ruhezeiten nicht aufzeichnen und ist lediglich an die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes gebunden. Die Betriebspflicht* für den Fahrtenschreiber ist zu beachten. Der Fahrtenschreiber ist bei den ausgenommen Fahrten auf die Kunktion „OUT” zu stellen.
b) Fahrzeug mit zHm zwischen 3.501 und 7.500 kg, kein Fahrtenschreiber
Die Handwerkerklausel gilt in dieser „Gewichtsklasse“ nur für Fahrten, die innerhalb eines Radius von 100 km Luftlinie um den Unternehmensstandort (adressscharf) stattfinden. Folgen siehe a). Mit diesem Fahrzeug dürfen keine aufzeichnungspflichtigen (also nicht ausgenommene) Fahrten, z. B. Be- und Anlieferungsfahrten, durchgeführt werden, da bei aufzeichnungspflichtigen Fahrten mit Fahrzeugen, deren zHm 3.501 kg und mehr beträgt, zwingend ein Fahrtenschreiber eingebaut sein muss. Somit bleibt der Einsatz dieses Fahrzeuges auf Fahrten im Rahmen einer Ausnahme begrenzt.
bb) gleiches Fahrzeug wie bei b), ausgestattet mit Fahrtenschreiber
Fahrten innerhalb der 100 km-Grenze, siehe aa)
Da das Fahrzeug mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet ist, können auch aufzeichnungspflichtige, d.h. nicht ausgenommene Fahrten durchgeführt werden. Im hiesigen Beispiel würde dies das Überschreiten der 100 km-Grenze bedeuten oder auch die Durchführung von Auslieferungsfahrten von nicht handwerklich hergestellten Gütern. Diese Fahrten sind nicht mehr von der Ausnahme umfasst und somit bereits ab dem Startort, also beispielsweise dem Unternehmensstandort, aufzeichnungspflichtig. Außerdem müssen bei diesen Fahrten die fahrpersonalrechtlichen Nachweis- und Mitführungspflichten erfüllt werden - der Fahrer benötigt lückenlose Nachweise bezüglich seiner Tätigkeit für den aktuellen Kalendertag und den vorausgegangenen 28 Kalendertagen. Werden aufzeichnungspflichtige Fahrten durchgeführt, sind die Vorschriften zum Auslesen* des digitalen Fahrtenschreibers und der zugehörigen Fahrerkarte zu beachten.
Probleme in der Praxis: Ist kein Fahrtenschreiber im Fahrzeug verbaut, erspart sich das Unternehmen Kosten und personellen Aufwand rund um den Betrieb dieses Fahrtenschreibers. Gleichzeitig ist das Unternehmen in der Flexibilität des Fahrzeugeinsatzes eingeschränkt. Wird zum Beispiel an einen „Sprinter“ (zHm maximal 3.500 kg) ein Anhänger angehängt, überschreitet diese Kombination in aller Regel die 3,5 Tonnen-Grenze – somit wäre (sofern es sich dann nicht mehr um eine ausgenommene Fahrt handelt) die Nachrüstung eines Fahrtenschreibers notwendig.
Ähnliches gilt für das unter b) thematisierte Fahrzeug – dessen Einsatz ist ohne Fahrtenschreiber ausschließlich auf Ausnahmefahrten beschränkt. Lieferungen an Kunden, die Selbstabholung von Ware beim Kunden/Lieferanten oder Lieferfahrten zwischen Werksteilen sind mit diesem Fahrzeug nicht möglich, wenn die Güter nicht vom Unternehmen „handwerklich” hergestellt wurden. Erneut sind Flexibilitätseinbußen die Folge. Unternehmen, die also weder ausschließen können, dass die individuellen Vorgaben der Ausnahmen stets eingehalten werden oder die das Fahrzeug auch für per se nicht ausgenommene Fahrten einsetzen möchten, wird der Einbau eines Fahrtenschreibers empfohlen.
Fall 2: gemischter Einsatz - ausgenommene und aufzeichnungspflichtige Fahrten im Verhältnis 70:30. Fahrzeug mit Elektro- oder Gasantrieb, zHm 7.000 kg, ausgestattet mit Fahrtenschreiber. 30 Prozent der Fahrten erfolgen mit einem Anhänger, zHm 1.350 kg. Alle Fahrten finden innerhalb der 100 km-Grenze um den Unternehmensstandort statt.
Ausnahme gemäß § 18 Absatz 1 Nummer 6 FPersV
c) Fahrten ohne Anhänger
Das Fahrzeug dient für Lieferfahrten allgemeiner Art. Da bei der hier dargestellten Ausnahme nicht auf die beförderten Güter oder den Einsatzzweck, sondern nur auf die Bauart des Fahrzeuges abgehoben wird, gibt es in dieser Hinsicht keinerlei Einschränkungen. Bezüglich der fahrpersonalrechtlichen Folgen gelten die Aussagen unter aa).
cc) Fahrten mit Anhänger
Die zHm des Zuges beträgt nun 8.350 kg. Die Ausnahme kann nicht mehr angewendet werden. Folglich sind die Fahrten mit Anhänger aufzeichnungs- und nachweispflichtig (ab dem Zeitpunkt, ab dem Zugfahrzeug und Anhänger verbunden sind).
Folgen dieser Konstellation für die Praxis: Der Fahrer ist überwiegend ohne Anhänger unterwegs. Pro Woche erfolgen aber auch ein paar Fahrten mit dem Anhänger, meist nur nachmittags zwischen 15 und 18 Uhr. Vormittags wird also in aller Regel ohne Anhänger gefahren. Nun ergibt sich die Situation, dass der Fahrer im Solo-Betrieb außer seinem Führerschein, den Fahrzeugpapieren und ggf. Ladelisten oder ähnlichen Unterlagen keine besonderen fahrpersonalrechtlichen Dokumente und Aufzeichnungen wie beispielsweise seine Fahrerkarte mitführen muss. Wird er ohne Anhänger kontrolliert, muss der Kontrollbeamte recht schnell feststellen, dass er sich vielleicht mit der Ladungssicherung oder dem technischen Zustand des Fahrzeugs, nicht jedoch mit den fahrpersonalrechtlichen Unterlagen des Fahrers beschäftigen kann. Soweit so gut – der Fahrer passiert die Kontrolle „unbeschadet" und macht sich auf den Weg zurück zum Unternehmen, um dort rechtzeitig um 15 Uhr den bereits beladenen Anhänger abzuholen. Da er die gleiche Strecke zurückfährt, wird er natürlich auch wieder kontrolliert - der geschulte und erfahrene Kontrollbeamte weiß, dass nun nichts mehr so ist wie in der Kontrolle vor 30 Minuten (zumindest unter fahrpersonalrechtlichen Gesichtspunkten ergibt sich eine völlig neue Situation).
Nun muss der Fahrer also dem Kontrollbeamten gegenüber lückenlos nachweisen, was genau er die letzten 28 Kalendertage getan oder auch nicht getan hat (im Sinne von Freizeit). Natürlich muss er, bevor er mit dem Anhänger losgefahren ist, über den digitalen Fahrtenschreiber einen oder mehrere manuelle Nachträge bezüglich der Tätigkeiten, die seit der letzten Kartenentnahme bis zum jetzigen Zeitpunkt angefallen sind, durchgeführt haben. Welche Zeiten dies betrifft, hängt stets von den individuellen Gegebenheiten in der Praxis ab – deshalb hier nur der allgemeine Hinweis. Wäre das Fahrzeug mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet, hätte der Fahrer ggf. Eintragungen auf der Rückseite einer oder mehrerer Tachoscheiben vornehmen müssen, vgl. § 20 FPersV. Sofern ihm der Kontrollbeamte bei der ersten Kontrolle des Tages eine Kontrollbescheinigung ausgestellt hat (es sei dahingestellt, ob er dies überhaupt hätte tun dürfen/müssen), so ist auch diese mitführungspflichtig.
Der Fahrer schwankt also zwischen zwei Extremen: Zunächst die Minimallösung der ausgenommene Fahrt und dann, 30 Minuten später, die Maximallösung des internationalen Güterkraftverkehrs.
Fall 3: Pkw-Anhänger-Kombination – SUV mit zHm von 3.275 kg, Anhänger mit zHm 3.000 kg – Verkauf von Selbstgetöpfertem auf öffentlichen Wochenend-Märkten – der Anhänger ist speziell für Verkaufszwecke ausgestattet. Im Fahrzeug befindet sich kein Fahrtenschreiber.
Ausnahme gemäß § 18 Absatz 1 Nummer 4b der Fahrpersonalverordnung (FPersV) alter Fassung (Anmerkung: Durch die Verschiebung der „Handwerkerklausel“ vom Artikel 13 in den Artikel 3 der VO (EG) Nr. 561/2006 zum 2. März 2015 ist der für die hier unter „Fall 3" behandelte Konstellation zugrundeliegende Ausnahmetatbestand aus der FPersV ersatzlos „herausgefallen“. Dem BMVI ist dieses Problem bekannt – offensichtlich soll die Ausnahme aber über Umwege (zum Beispiel über die „Auslegungsleitfäden“ der obersten Behörden des Bundes und der Länder) aufrechterhalten bleiben.)
d) Einsatz des Pkw solo
Der Unternehmer möchte eine Manufaktur für Töpferwaren aufbauen und sein Geschäft erweitern. Er ist auf der Suche nach Geschäfts- bzw. Vertriebspartnern in ganz Deutschland und ist in dieser Mission unterwegs - im Kofferraum liegt ein Ordner mit Bildern als Anschauungsmaterial und eine kleine Auswahl seiner Produkte, die der Unternehmer als Präsent für den potentiellen Geschäftspartner mitgenommen hat. Da eine gute Kundin ohne große Umwege nahe der geplanten Fahrstrecke wohnt, findet sich auch noch ein Paket mit getöpfertem Geschirr zur Auslieferung an besagte Kundin im Kofferraum.
Die Fahrt dient also auch der Güterbeförderung von A nach B. Somit sind auf den ersten Blick alle Voraussetzungen erfüllt, um den Vorschriften der FPersV zu unterliegen. Einwenden könnte man hierbei, dass beim Solo-Einsatz des Fahrzeuges unter den beschriebenen Rahmenbedingungen auch die Ausnahme nach Paragraf 1 Absatz 2 Nr. 3a der FPersV ("erweiterte Handwerkerklausel") zum Tragen kommen könnte. Schließlich werden ja Produkte transportiert, die in „handwerklicher Fertigung oder Kleinserie" entstanden sind. Da nirgends definiert ist, was unter diesen Begrifflichkeiten zu verstehen ist, könnte sich der Unternehmer grundsätzlich auf diese Ausnahme berufen. Tut er dies jedoch nicht, müssen die Fahrten auf Tageskontrollblättern handschriftlich aufgezeichnet werden und natürlich sind die oben beschriebenen Mitführungspflichten zu beachten. Wäre ein Fahrtenschreiber verbaut, müsste dieser anstatt der Tageskontrollblätter verwendet werden.
In der Praxis liegt die Wahrscheinlichkeit, mit einem derartigen Fahrzeug in eine fahrpersonalrechtliche Kontrolle zu geraten, bei nahezu null. Für den Kontrollbeamten ist ja nicht augenscheinlich erkennbar, ob es sich um einen gewerblichen Einsatz handelt und ob das Fahrzeug der Güterbeförderung dient. Rein rechtlich gesehen könnten diese Fahrzeuge aber durchaus kontrolliert werden - insbesondere wenn man bedenkt, dass der überwiegende Anteil dieser Fahrzeuge auf Unternehmen zugelassen sind und somit auch eine gewisse Chance besteht, dass sie für gewerbliche Beförderungen eingesetzt werden.
e) Einsatz der Pkw-Anhänger-Kombination zur Fahrt zu und von Märkten innerhalb der 100 km-Grenze
Die zHm beträgt 6.275 kg, liegt also noch unter der Grenze von 7,5 Tonnen. Die Fahrten sind ausgenommen und Unterliegen den unter b) beschriebenen Rechtsfolgen. Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit einer Kontrolle markant an.
f) Einsatz der Pkw-Anhänger-Kombination zur Fahrt zu und von Märkten außerhalb der 100 km-Grenze
Diese Fahrten sind nicht ausgenommen und somit aufzeichnungs- und nachweispflichtig. Nun muss der Unternehmer zunächst einen Fahrtenschreiber in den Pkw einbauen bzw. nachrüsten lassen. Ohne Fahrtenschreiber dürfen die Fahrten nicht durchgeführt werden - handschriftliche Aufzeichnungen sind nur möglich, sofern die zHm des Fahrzeugs (mit oder ohne Anhänger) maximal 3.500 kg beträgt. Der Unternehmer unterliegt den gleichen Vorschriften wie der Fahrer im vorigen Fall bei Anhängerfahrten. Er muss also lückenlose Nachweise für den aktuellen und die vorausgegangenen 28 Kalendertage mitführen und aushändigen können.
Probleme in der Praxis: Unter der Woche dient das Fahrzeug nur dazu, die Distanz zwischen Wohnung und Unternehmen zu überbrücken. Während der Wochenenden in den Sommermonaten wird das Fahrzeug wie beschrieben deutschlandweit für die Anhänger- und Güterbeförderung eingesetzt. Nun beginnt eine grandiose Bescheinigungsmaschinerie, da die Zeiträume von Montag bis Freitag einer jeden Woche mit „Bescheinigungen für berücksichtigungsfreie Tage" oder anderweitiger Nachweise ausgefüllt werden müssen, an den Samstagen und Sonntagen** gibt es Aufzeichnungen auf der Fahrerkarte***.
Ungeklärt ist in diesem Fall, wie bei einer möglichen Betriebskontrolle verfahren würde. Der Unternehmer wurde im Mai und im Juni jeweils bei aufzeichnungspflichtigen Fahrten kontrolliert und es wurden nicht unerhebliche Verstöße festgestellt. Daraufhin meldet sich die zuständige Gewerbeaufsicht für eine Betriebskontrolle an und fordert sämtliche Unterlagen für den Zeitraum von sechs oder gar zwölf Monaten in der Vergangenheit an. Für den „Winter-Zeitraum" gibt es keinerlei Unterlagen, da das Fahrzeug während dieser Zeit nicht in einem fahrpersonalrechtlich-relevanten Einsatz ist. Ob sich die Beamten mit dem Hinweis auf nicht durchgeführte Beförderungen abspeisen lassen, sei an dieser Stelle dahingestellt.
Fazit: Nur wenige Unternehmen führen ausschließlich ausgenommene Fahrten durch. Für die Mehrheit der Unternehmen führen Ausnahmen zu einer Steigerung der Komplexität, da in aller Regel auch aufzeichnungspflichtige Fahrten durchgeführt werden. Unter abweichenden Einzelfallkonstellationen muss in sehr vielen Unternehmen irgendwann mal ein 7,5-Tonner oder ein Anhänger angemietet werden oder der Kundenkreis erweitert sich entgegen der grundlegenden Planung doch deutschlandweit oder ins europäische Ausland. Die Möglichkeiten, aus einer Ausnahme herauszufallen, sind vielfältig. Und die Bürokratismen und Kosten, die dann anstehen, sind weit entfernt von Gut und Böse.
Den Unternehmen, die sich grob im Fall 2 wiederfinden sei geraten, alles aufzuzeichnen und entstehende Lücken umgehend mit manuellen Nachträgen oder, wenn größere Lücken bestehen, mit Bescheinigungen für berücksichtungsfreie Tage zu füllen. Auch im dritten Fall kann nur geraten werden, keine Lücken entstehen zu lassen und lieber die eine oder andere Bescheinigung zusätzlich auszustellen (soweit man das Risiko eingehen will, sich auf eine Ausnahme zu berufen, die es im Gesetz seit 2. März 2015 nicht mehr gibt).
Außerdem ist anzumerken, dass die jeweiligen Einschränkungen der Ausnahmen in aller Regel willkürlich erscheinen - eine sinnvolle Begründung kann grundsätzlich nicht erfolgen. Vor allem führen die Einschränkungen zur Verwirrung unter den Betroffenen. Ob allein aus dem Überfahren einer virtuellen 100 km-Linie oder dem Mitführen eines Anhängers eine zusätzliche Gefährung des Straßenverkehrs resultiert, ist äußerst fraglich. Unstrittig hingegen ist, das die Bürokratismen, die mit derartigen Aktionen verbunden sind, keinerlei Verhältnismäßigkeit mehr aufweisen.
Allen Gefrusteten sei ein Blick in den Bußgeldkatalog empfohlen. Dieser motiviert bei der Frage, ob man sich das alles antut, leider ungemein.
Wichtig:
  • um von einer Ausnahme Gebrauch machen zu können, müssen alle im jeweiligen Paragraphen/Artikel/Absatz genannten Umstände während der gesamten Fahrt erfüllt sein! Oftmals muss zusätzlich Kommentarliteratur hinzugezogen werden, um beurteilen zu können, ob die Fahrten des Unternehmens unter einen speziellen Ausnahmetatbestand fallen.
  • bei den Ausnahmen, die beinhalten, dass das Lenken nicht die Haupttätigkeit des Fahrers ausmachen darf, ist zu beachten, dass der Zeitanteil für Lenktätigkeiten in der Gesamtbetrachtung deutlich hinter dem Anteil allgemeiner Arbeitstätigkeiten zurückfallen muss. Eine klare Grenze gibt es hierfür nicht, der Bezugszeitraum sollte mindestens eine Arbeitswoche umfassen. Außerdem gibt es sehr viele Personen, bei denen im Arbeitsvertrag festgehalten wird, dass das Lenken von Fahrzeugen zu ihren wesentlichen Aufgaben gehört. Hier könnte man die Auffassung vertreten, dass diese Personen niemals unter eine Ausnahme mit der oben genannten Einschränkung fallen können.  Besonders kritisch ist in auch der Einsatz von geringfügig Beschäftigten („auf 450-Euro-Basis") oder Teilzeitbeschäftigten, da diese oft einen sehr hohen Zeitanteil hinterm Steuer verbringen. Entscheidend ist der Einzelfall und dessen Betrachtung im Gesamten. Ein einzelner Arbeitstag kann nicht zur Beurteilung der Haupttätigkeit dienen.
  • Nach Möglichkeit sollte versucht werden, nur Fahrzeuge im Einsatz zu haben, deren zHm maximal 2.800 kg beträgt. Für diese gelten keinerlei fahrpersonalrechtliche Vorschriften.
Kontrollgeräte und Ausnahmefahrten:
  • digitaler Fahrtenschreiber: die Fahrerkarte wird nicht gesteckt und der Fahrtenschreiber über das Bedien-Menü auf „out" oder „out of scope" (je nach Hersteller) eingestellt. Die Betriebspflicht* ist einzuhalten.
  • analoger Fahrtenschreiber: eine Tachoscheibe muss nicht eingelegt werden. Es empfiehlt sich, eine „Blind-" oder "Schutz-" Scheibe einzulegen um den Schreibstift des Kontrollgerätes vor Beschädigung zu schützen. Die Betriebspflicht* ist einzuhalten.
*Zur Betriebspflicht eines Fahrtenschreibers (Betriebspflicht hat nichts mit Aufzeichnungspflicht zu tun!):
Ist ein Fahrzeug mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet, weil es dafür eine rechtliche Verpflichtung gibt, muss der Fahrtenschreiber betrieben werden - sprich, er muss alle zwei Jahre technisch geprüft werden (gemäß § 57b der StVZO). Auch Defekte des Fahrtenschreibers sind  umgehend zu beheben. Ist ein Fahrzeug rein freiwillig, also ohne rechtliche Verpflichtung mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet, muss die Prüfung bei einer engen Auslegung des Wortlauts des § 57b StVZO nicht durchgeführt werden. Dies würde aber bedeuten, dass mit dem Fahrzeug niemals aufzeichnungspflichtige Fahrten durchgeführt werden. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob ein Ausbau des Fahrtenschreibers nicht eine sinnvolle Option darstellt. Außerdem sind, sofern aufzeichnungspflichtige Fahrten anfallen, bei digitalen Fahrtenschreibern die Auslesefristen für die Fahrerkarten und die Daten des Massenspeichers im Fahrtenschreiber zu beachten. Das Unternehmen benötigt eine Unternehmenskarte sowie Soft- und Hardware zum Auslesen und Archivieren der Daten. Fraglich ist bezüglich der Ausleserei, wie es sich in den Fällen verhält, in denen nur ein- oder zweimal im Jahr aufzeichnungspflichtige Fahrten durchgeführt werden. Da das Vorliegen einer Ausnahme von allen Pflichten befreit, sind auch die Auslesepflichten bei Ausnahmefahrten grundsätzlich hinfällig. Da der Kontrollbeamte (der im Moment die vermeintlich einzige aufzeichnungspflichtige Fahrt des Jahres kontrolliert) aber aus den Daten ersehen kann, wann zuletzt ausgelesen wurde, ist dieses „Vergehen” recht simpel festzustellen. Bei Fahrzeugen, die gemäß § 57a der StVZOa mit einem Kontrollgerät ausgerüstet sind, ist das Auslesen des Kontrollgerätes spätestens alle 90 Tage in jedem Fall verpflichtend.
a die Regelungen des § 57a der StVZO gelten nur noch für Fahrzeuge, die vor dem 1. Januar 2013 erstmalig zugelassen wurden. Für alle neueren Fahrzeuge haben sich diese unsinnigen Sondervorschriften erledigt. Außerdem ist zu beachten, dass der Bund-Länder-Fachausschuss „Technisches Kraftfahrwesen" in den Jahren 2012 und 2013 Beschlüsse gefasst hat, denen zufolge bei Kraftfahrzeugen, die vor dem 1. Januar 2013 erstmals in Verkehr gekommen sind, der Fahrtenschreiber ausgebaut oder in einer zugelassenen Werkstatt funktionsunfähig gemacht werden darf.
**Die hier dargestellte Fahrzeug-Anhänger-Kombination unterliegt grundsätzlich dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot (zHm des Zugfahrzeuges über 2.800 kg).
*** Wenn der Unternehmer zwischen Montag und Freitag der Produktion seiner Waren nachgeht und am Wochenende diese dann auf Märkten feilbietet, stellt sich die Frage, ob er die Fahrten zu und von den Märkten überhaupt legal durchführen kann - Stichwort: Wochenruhezeit spätestens nach sechs 24-Stunden-Zeiträumen (im Sinne von 144 Zeitstunden) nach Wiederaufnahme der Arbeits- bzw. vielmehr Lenktätigkeit nach Ende der vorausgehenden Wocheneruhezeit. Wenn bspw. am Dienstag und am Mittwoch „arbeitsfrei" wäre, hätte sich die Frage erübrigt. Unter arbeitszeitrechtlichen Gesichtspunkten könnte man aber auch die Auffassung vertreten, dass ein Unternehmer niemals arbeitet (vgl. etwa die Definition der Arbeitszeit im Artikel 3 der Richtlinie 2002/15/EG). Folgt man dieser Auffassung, hat sich die Fragestellung aufgelöst. Das hätte auch eine interessante Wirkung auf die Nachträge - zwischen den Fahrteinsätzen hätte der Unternehmer dann stets ausschließlich Ruhezeit?!
Stand: August 2020