Recht und Steuern

So gehen Sie mit den Mängelrügen Ihrer Kunden um

So schnelllebig wie die Geschäftswelt, passen sich auch dessen rechtliche Vorschriften an. Gerade im Bereich des Kaufrechts hat sich seit Anfang 2022 eine umfangreiche Novellierung ergeben, sodass bei der Bereitstellung von analogen Waren und Dienstleistungen Neuregelungen in das Gesetz Einzug erhielten. Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen sowie häufig auftretende Probleme bei mangelhafter Warenlieferung auf der Basis von Kauf- und Werkverträgen und ist als Hilfestellung für Unternehmen gedacht.

Mangelfreiheit als Recht des Käufers

Beim Kaufvertrag verpflichtet sich der Verkäufer zur Übergabe und Übereignung einer bestimmten mangelfreien Sache, der Käufer zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Dagegen hat der Werkunternehmer beim Werkvertrag eine Werkleistung, also einen bestimmten Erfolg zu erbringen, der Besteller verpflichtet sich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung. Die gesetzlichen Ansprüche bei Mängeln der Kaufsache werden auch Gewährleistungsrechte oder Mängelrechte genannt. Der Verkäufer haftet nach den gesetzlichen Vorschriften gegenüber seinem Kunden und kann seinerseits gegebenenfalls Regress (Rückgriff) bei seinem Lieferanten nehmen. Von der gesetzlichen Mängelgewährleistung des Verkäufers ist dagegen aber die echte Produkthaftung des Herstellers bzw. die als Hersteller auftretenden Händler zu unterscheiden.
Grundsätzlich muss die Mangelhaftigkeit der Kaufsache bereits zum Zeitpunkt des sogenannten Gefahrübergangs vorliegen. Gefahrübergang ist der Zeitpunkt, in dem die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache (Zerstörung, Verlust) auf den Käufer übergeht. Im Regelfall stellt die Übergabe der Ware vom Verkäufer an den Käufer den maßgeblichen Zeitpunkt dar. D.h. die Ware muss bereits zum Zeitpunkt der Übergabe mit dem Mangel behaftet sein.
Hinweis: Abgrenzung zur Garantie
Der Garantiegeber räumt dem Käufer einen Anspruch entsprechend der Garantievereinbarung ein. Dieser geht regelmäßig über die gesetzlichen Verpflichtungen bei Mangelhaftigkeit hinaus. Die Ansprüche aus einer Garantie bestehen dabei unabhängig neben den gesetzlichen Mängelansprüchen. Fehlt der Kaufsache die garantierte Beschaffenheit innerhalb der Garantiezeit, so haftet der Garantiegeber ohne Verschulden und unabhängig davon, ob der Mangel bereits im Zeitpunkt der Übergabe vorlag.
Beispiele: In welchen Fällen ist die Kaufsache mangelhaft?
  • Die Kaufsache hat nicht die zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Beschaffenheit.
    Beispiel: Maschine erreicht die vereinbarte Stückzahl pro Stunde nicht.
  • Die Kaufsache eignet sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung.
    Beispiel: Maschine erreicht zwar die vereinbarte Stückzahl, kann jedoch nur im Ein-Schicht-Betrieb eingesetzt werden, obwohl dem Verkäufer bekannt war, dass der Käufer die Maschine für den Drei-Schicht-Betrieb benötigt.
  • Die Kaufsache eignet sich nicht für die gewöhnliche Verwendung, der Käufer konnte aber erwarten, dass sie sich für diese Verwendung eignet.
    Beispiel: Rauchmelder schlägt schon bei Zigarettenrauch an.
  • Die Kaufsache entspricht hinsichtlich ihrer Beschaffenheit nicht den öffentlichen Werbeaussagen des Herstellers oder Verkäufers, auf die der Käufer vertrauen durfte.
    Beispiel: Angaben des Herstellers im Fernsehen zum durchschnittlichen Benzinverbrauch eines Kraftfahrzeugs werden merklich überschritten.
  • Die Kaufsache wird durch den Verkäufer oder dessen Gehilfen fehlerhaft montiert.
  • Die Anleitung zur Kaufsache ist fehlerhaft.
    Beispiel: Nicht vorhandende, falsche oder unverständliche Montageanleitung.
  • Statt der vereinbarten Kaufsache wird eine andere Sache geliefert.
    Beispiel: Lieferung von Wandfliesen statt bestellter Bodenfliesen.
  • Die Kaufsache wird nicht in der vereinbarten Menge geliefert.
    Beispiel: Lieferung von nur 90 statt 100 bestellter Bohrmaschinen.
  • Die Kaufsache weist einen Rechtsmangel auf.
    Beispiel: Das Grundstück ist mit einer Grundschuld oder einem Nießbrauch eines Dritten belastet.

Ansprüche des Käufers bei Vorliegen eines Mangels

Folgende Ansprüche hat der Käufer bei einer mangelhaften Sache:
Nacherfüllung
Ist die Kaufsache mangelhaft, so kann der Käufer zunächst vorrangig Nacherfüllung verlangen. Der Käufer hat dabei die Wahl zwischen Nachbesserung (Beseitigung des Mangels durch Reparatur der mangelhaften Kaufsache) oder Nachlieferung (Umtausch der mangelhaften gegen eine neue, mangelfreie Sache).
Der Verkäufer kann die Nacherfüllung ausnahmsweise dann verweigern, wenn sie für ihn mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden oder ihm aus einem sonstigen Grund unzumutbar ist.
Folgen der Nacherfüllung:
  • Alle Kosten der Nacherfüllung (Transport-, Arbeits- und Materialkosten etc.) hat der Verkäufer zu tragen.
  • Des Weiteren sind die Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und der Einbau bzw. das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Kaufsache ebenfalls vom Verkäufer zu tragen.
  • Für den Fall der Nachlieferung besteht eine Verpflichtung zur Rücknahme des mangelhaften Gegenstandes für den Verkäufer. Sowie die Obliegenheit des Käufers dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
  • Die Nacherfüllung muss für den Verbraucher nicht nur unentgeltlich, sondern auch innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten erfolgen.
Rücktritt
Der Rücktritt vom Vertrag bewirkt, dass der Kaufvertrag rückwirkend aufgelöst wird, d. h. als nicht abgeschlossen angesehen wird. Die Ansprüche des Käufers auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache sowie des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises bestehen daher nach Erklärung des Rücktritts nicht mehr. Bereits erbrachte Leistungen sind gegenseitig zurückzugewähren.
Minderung
Wählt der Käufer die Minderung des Kaufpreises, kann der Kaufpreis entsprechend der durch die Mangelhaftigkeit verursachten Wertminderung der Kaufsache angepasst werden. Diese Berechnung nimmt im Streitfall das Gericht vor.
Schadensersatz
Der Schadensersatz kann neben den anderen Mängelansprüchen wegen der Nichterfüllung oder wegen Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangt werden. Die Geltendmachung von Schadensersatz setzt grundsätzlich ein Verschulden des Verkäufers voraus. Dem Verkäufer muss daher hinsichtlich der Herbeiführung der Schäden zumindest fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden können.
Das Werkvertragsrecht kennt aber noch ein weiteres Recht bei mangelhafter Leistung: Das Selbstvornahmerecht. Dabei kann der Besteller den Mangel nach fruchtlosem Ablauf der Nacherfüllungsfrist selbst auf Kosten des Werkunternehmers beseitigen oder von einem ihm beauftragten Dritten beseitigen lassen.

Besonderheiten bei Unternehmensgeschäften

Für Geschäfte, bei denen alle Vertragspartner Unternehmer sind, ohne dass die Produkte im Weiterverkauf an Verbraucher verkauft werden, sind weitere Möglichkeiten eröffnet:
  • Die Gewährleistungsfrist kann durch allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich auf ein Jahr verkürzt werden. Durch eine individuelle Vereinbarung (Achtung - hieran werden strenge Anforderungen gestellt) sind sogar weitergehende Einschränkungen möglich.
  • Das Recht zur Auswahl zwischen Reparatur oder Umtausch kann durch allgemeine Geschäftsbedingungen oder individuelle Vereinbarungen dem Verkäufer übertragen werden. Gesetzlich steht dieses Wahlrecht nämlich dem Käufer zu.
  • Gemäß seiner Untersuchungs- und Rügepflichten hat der Käufer die Kaufsache unverzüglich nach Erhalt auf eventuelle Mangelhaftigkeit zu prüfen und bestehende Mängel anzuzeigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so verliert er seine Mängelansprüche. Unverzügliche Prüfung bedeutet hierbei, Prüfung im laufenden üblichen Geschäftsgang.

Besonderheiten bei Verbrauchergeschäften

Ist der Käufer ein Verbraucher, so gelten ergänzend zu den bereits genannten Ansprüchen die folgenden Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf:
  • Eine Verkürzung der Verjährungsfrist für Neuwaren ist nicht möglich.
  • Bei Gebrauchtwaren, z. B. Gebrauchtwagen, kann die Verjährung der Mängelansprüche durch individualvertragliche Vereinbarungen oder allgemeine Geschäftsbedingungen auf ein Jahr verkürzt werden.
  • Zugunsten des Käufers tritt eine Beweislastumkehr ein:
    D. h. macht der Käufer innerhalb eines Jahres nach der Übergabe der Kaufsache Ansprüche wegen eines Mangels geltend, so wird gesetzlich vermutet, dass die Sache schon bei der Übergabe fehlerhaft war. Bei Ablehnung von Mängelansprüchen muss daher der Verkäufer den Beweis erbringen, dass die Sache bei Übergabe mangelfrei war. Dies ist in der Praxis ohne Einschaltung eines Sachverständigen regelmäßig sehr schwierig. Nach Ablauf der ersten 12 Monate muss dann der Käufer wiederum den entsprechenden Beweis erbringen, dass die Ware bereits bei Lieferung mangelhaft war.
  • Der Verkäufer kann nach Abwicklung von Mängelansprüchen des Verbrauchers innerhalb der Lieferkette unter erleichterten Voraussetzungen Regress nehmen.

Tipps zur Kommunikation mit Ihren Kunden

  • Reagieren Sie auf die Mangelanzeige Ihrer Kunden. Treten Sie mit diesem zeitnah in Kontakt und versuchen Sie Lösungsvorschläge anzubieten.
  • Überprüfen Sie den Kundenvortrag, ob ein Anspruch des Kunden überhaupt besteht. Sollten Sie zu dem Schluss kommen, dass kein Mangel besteht, der in Ihren Verantwortungsbereich fällt, müssen Sie die Behauptung der Mangelhaftigkeit der Ware zurückweisen.
  • Prüfen Sie zudem Regressmöglichkeiten, sollte bei einem Verbrauchergeschäft ein Mangel auftreten, den Sie auf Ihre Kosten beseitigen mussten. Treten Sie hierzu in Kontakt mit Ihren Lieferanten oder dem Hersteller. Viele Verträge und AGB sehen hierzu bereits Bestimmungen vor, wie im Regressfalle zu verfahren ist.