IHK OSTWÜRTTEMBERG 9.2.23

Interview mit IHK-Präsident Markus Maier zu den Themen des Jahres 2023

Ostwürttemberg besitzt eine große Leistungsfähigkeit der Wirtschaft und hohe Leistungsbereitschaft der Menschen. IHK-Präsident Markus Maier, seit Oktober 2017 im Amt und Anfang 2022 wiedergewählt, steht in herausfordernden Zeiten an der Spitze der selbstverwalteten Wirtschaft. Nach der Pandemie sind die Verwerfungen innerhalb der Weltwirtschaft aufgrund gestörter Rohstoff- und Lieferketten sowie der Energieunsicherheiten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine groß. Die Region Ostwürttemberg stemmt sich dagegen und gestaltet ihre Zukunft aktiv mit. Die Zukunftsoffensive sowie das dabei etablierte Transformationsnetzwerk nehmen an Fahrt auf. Im Interview erläutert der IHK-Präsident seine Sicht auf die wirtschaftliche Situation.

Herr IHK-Präsident Maier, wie schätzen Sie die wirtschaftliche Situation der Unternehmen in der Region zu Beginn des Jahres 2023 ein?
Markus Maier:
Die Konjunkturumfrage im Herbst 2022 hat gezeigt, dass die wirtschaftliche Lage und die Geschäftserwartungen sich deutlich verschlechtert haben. Die mit „gut“ bewerteten Einschätzungen unserer Firmen sind stark zurückgegangen. Vor allem der Handel hat Alarm geschlagen. Über 70 Prozent der Handelsbetriebe gehen von einer Verschlechterung der Lage im Jahr 2023 aus. Das ist die eine Seite der Medaille, die Momentaufnahme. Andererseits sind da die fundamentalen Daten vom Arbeits- und Ausbildungsmarkt in der Region. Der Arbeitsmarkt gibt sich sehr robust, die Arbeitslosenquote ist stabil. In den IHK-Berufen wurden 2022 rund 12 Prozent mehr Ausbildungsverhältnisse neu geschlossen.

Wie wird sich die Situation weiterentwickeln?
Die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit unserer Betriebe ist hoch. Das ist die Basis für eine weiterhin gute Entwicklung in allen Teilen unserer Region. Wir als IHK arbeiten in der Zukunftsoffensive mit allen unseren Partnern an den Standortbedingungen. Wichtig ist, dass wir als Region fokussiert zusammenarbeiten und versuchen, gemeinsam unsere Zukunft zu gestalten. Ein paar positive Aspekte möchte ich konkret benennen. Fast täglich berichten die regionalen und überregionalen Medien über Erfolgsgeschichten aus unserer Region: Von jungen Unternehmen, die mit innovativen Ideen neue Geschäftsmodelle kreieren und von gestandenen Konzernen wie der Carl Zeiss AG, die bereits zum zweiten Mal den Zukunftspreis Deutschland gewonnen hat. Oder wie das Magazin „Wirtschaftswoche“, das 16 Weltmarktführer identifiziert hat, die in Ostwürttemberg ansässig sind bzw. hier produzieren und entwickeln. Oder nehmen Sie Personalien wie die Vorstandsvorsitzende der Paul Hartmann AG, IHK-Vizepräsidentin Britta Fünfstück. Sie wurde vom „Manager Magazin“ zu einer der Top 100 Managerinnen in Deutschland gekürt. Sie sehen: Unsere Wirtschaftsregion ist quicklebendig und äußerst erfolgreich.

Sie sehen die Region in ihrer Entwicklung auf gutem Weg?
Wir gehen gut vorbereitet und mit viel Rückenwind ins neue Jahr. Unsere Anstrengungen der vergangenen Monate werden weitere Früchte tragen. Denn wir haben uns als Region rechtzeitig eine gute Ausgangsposition geschaffen. Bereits Mitte 2021, noch inmitten der Pandemie,  hat sich die Region Ostwürttemberg aufgemacht, mit dem selbst gesetzten Ziel, Zukunft aktiv mitzugestalten und den Umbau der Wirtschaft kooperativ in Angriff zu nehmen. Mit dem Start der Offensive „Zukunft Ostwürttemberg“ im November 2021, den sieben Workshops im Frühjahr 2022 sowie dem Entwickeln des Masterplans Ostwürttemberg 2030 als Zielvorgabe sowie der finanziellen Unterstützung des Transformationsnetzwerks durch das Bundeswirtschaftsministerium wurde im Herbst 2022 das Fundament für eine gezielte Strategie gelegt. Eine Region, die die nachhaltige und ökologische Transformation als Chance begreift und handelt, bleibt wirtschaftlich auch in Zukunft wettbewerbsfähig und resilient!

Wie gehen die Aktivitäten innerhalb der Zukunftsoffensive weiter?
Im Masterplan sind rund 30 konkrete Projekte hinterlegt. Das Transformationsnetzwerk nimmt mit allen Verantwortlichen die Arbeit auf. Zum Beispiel bleiben wir beim Thema Wasserstoff am Ball. Gemeinsam mit der EurA AG werden die künftigen Bedarfe für den Energieträger der Zukunft in diesem Jahr ermittelt. Ziel ist, Ostwürttemberg zur Modellregion für die Nutzung von Wasserstoff zu machen. Und die Region soll durch eine bereits planfestgestellte Pipeline an die Wasserstoffinfrastruktur angeschlossen werden.

Der sich verschärfende Fachkräftemangel stellt zunehmend ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Was macht die Region dagegen?
Das Fundament innerhalb des Masterplans bildet die Beschäftigungs- und Qualifizierungsoffensive. Dazu hat die Region die Fachkräfteallianz neu belebt. Im November 2022 wurde ein umfangreicher Maßnahmenplan unterzeichnet, den es nun sukzessive umzusetzen gilt. Er enthält viele Ansatzpunkte, um den Fachkräftemangel einzudämmen. Erste Projekte werden 2023 umgesetzt. Auch hier Beispiele: Die Europäische Ausbildungs- und Transferakademie EATA wird gestärkt, eine International School soll ins Gespräch gebracht werden. Wir wollen viele Mosaiksteine zusammenfügen.

Die IHK ist wichtiger Partner bei der beruflichen Ausbildung. Wie sieht es hier nach der Pandemie aus?
Die Basis für gut qualifizierte Fachkräfte bildet die duale Ausbildung und eine gute hochschulische Qualifizierung. Als IHK sind wir für die duale Ausbildung in vielen Berufen gemeinsam mit knapp 1000 Ausbildungsbetrieben zuständig. Wir wollen 2023 erneut ein Plus bei den neueingetragenen Ausbildungsverhältnissen erreichen. Das ist unser Anspruch. Trotz des demografisch bedingten Rückgangs bei den Ausbildungszahlen in den vergangenen Jahren ist es wichtig, dass die Ausbildung auf soliden Beinen steht. Und: Die Ausbildungsberufe müssen attraktiv gehalten und alle Anstrengungen unternommen werden, damit möglichst viele Ausbildungsstellen auch 2023 besetzt werden können. In unserem IHK-Bildungszentrum besteht neben der beruflichen Weiterbildung für Unternehmen aus der Region die Möglichkeit, überbetrieblich eine duale Ausbildung zu organisieren. Die Schlagzahl am IHK-Bildungszentrum soll 2023 nochmals erhöht werden.

Wie sehen Sie die IHK Ostwürttemberg insgesamt aufgestellt?
Die rund 100 hauptamtlichen Mitarbeitenden in Heidenheim und Aalen bilden gemeinsam mit den fast 2.000 ehrenamtlich Tätigen in der IHK-Vollversammlung sowie den IHK-Ausschüssen, Arbeitskreisen und diversen Foren bis hin zu unseren Wirtschaftsjunioren eine schlagkräftige und kompakte Einheit. Unsere IHK wird als Interessenvertretung unserer Mitgliedsunternehmen sowie als Dienstleister für die Belange der Betriebe wahrgenommen. Die IHK orientiert sich streng an den Bedürfnissen unserer Mitgliedsfirmen. Deshalb haben wir uns 2022 einer repräsentativen Umfrage unter den Unternehmen gestellt, um noch besser auf die Wünsche und Anliegen der Betriebe eingehen zu können.

Was wünschen Sie sich 2023 für die Wirtschaftsregion Ostwürttemberg?
Ich wünsche mir, dass unsere Infrastruktur in den Fokus gerückt wird. Dazu zählt neben der Verkehrsinfrastruktur auch die Digitalinfrastruktur in Form von Breitband und 5G wie auch der Ausbau von Energietrassen – Stichworte sind hier Stromleitungen und Pipelines. Aber auch die Bildungsinfrastrukturen – angefangen von den KiTas, über die Schulen bis hin zu Berufs- und den vier Hochschulen der Region müssen auf den neuesten Stand gebracht werden. Wir müssen als Gesellschaft mehr in unsere Daseinsvorsorge investieren.


Info: IHK-Präsident Markus Maier  
Markus Maier ist geschäftsführender Gesellschafter der C.F. Maier GmbH & Co. KG in Königsbronn. Seit 1996 leitet der 64-jährige Diplom-Ingenieur das Familienunternehmen. Der dreifache Familienvater hat zum 1. Oktober 2017 das Amt des IHK-Präsidenten von Carl Trinkl übernommen. Seit 2001 ist er bereits Mitglied der IHK-Vollversammlung und seit April 2015 im IHK-Präsidium. Markus Maier war zuvor 1998 Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren Ostwürttemberg. Bei der Heidenheimer Volksbank ist er seit 2004 Mitglied des Aufsichtsrats, seit 2011 stellvertretender Vorsitzender des Gremiums.