Transformationskongress
Ausgerichtet hat den Kongress das Transformationsnetzwerk Ostwürttemberg in Kooperation mit Transformationswissen BW, moderiert wurde er von Nadine Kamprad. In der Begrüßungsrunde zum Auftakt brachte sie bei der Frage nach Bürokratieabbau und Digitalisierung Dr. Joachim Bläse, Landrat des Ostalbkreises, gleich in Fahrt. Er forderte, zunächst einmal zu definieren, was man genau unter Bürokratie versteht und sie nicht von vorneherein für alles verantwortlich zu machen, was schieflaufe. Freilich könnte manches schneller gehen, wenn es Ermessensspielräume gäbe und der Gesetzgeber nicht versuchen würde, jeden Einzelfall zu regeln.
Im Panel Nachhaltigkeit und Klimaschutz ging es um zirkuläres Wirtschaften und darum, eine nachhaltige Transformation voranzutreiben. Das bedeutet, erklärte Jonas Umgelter, Projektleiter Kreislaufwirtschaft und Ökodesign bei der Umwelttechnik BW, eine Abkehr vom bisherigen Wirtschaften. Produkte sollen also am Ende nicht im Müll landen, sondern ihren hohen Wert behalten. Sie sollen reparaturfähig und langlebig sein. Dafür müssten aber auch die Rahmenbedingungen stimmen.
Den Reigen der Panels schlossen zum einen Christian Will, Director Business Office Vehicle Motion bei der Robert Bosch Automotive Steering GmbH, sowie Luisa Wagner, Bosch Management Consulting, im Themenfeld Innovation und Geschäftsmodelle. Sie stellten anhand von What if- sowie What works-Szenarien das strategische Vorgehen bei der Verwirklichung von Innovationen und dem Erarbeiten von Geschäftsmodellen vor. Zum anderen referierte im Panel Digitalisierung und Technologie Dr.-Ing Martin Werz vom MPA in Stuttgart über neuen Technologien bei der Fügetechnik. Carmen Beisswanger von TIM Consulting schloss die Panels und stellte KI als Gamechanger vor. Es gehe vor allem um das Identifizieren von KI-Potenzialen im FuE-Bereich.
Eine Transformation eigener Art stellte zum Abschluss des Kongresses FCH-Rekordspieler Marc Schnatterer vor: Seine eigene Entwicklung und den Weg des 1. FC Heidenheim vom Amateurverein in die Erste Bundesliga und zum Europapokalteilnehmer. Voraussetzung für den Erfolg seien die Kontinuität auf verschiedenen Positionen, der Zusammenhalt und die Tatsache, dass man auch aus Niederlagen neue Stärke ziehe. Die Transformation der Vereins-Infrastruktur machte eine abschließende geführte Stadion-Tour durch die Voith-Arena eindrucksvoll deutlich.
Ostwürttemberg zeigt, wie es geht
Er kenne keine Region, die so stringent und mit solch einer Kraftanstrengung vorankommen wolle wie Ostwürttemberg. Dies hat IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler beim Transformationskongress im Sparkassen Business Club in der Voith-Arena in Heidenheim unterstrichen. Immerhin handelte es sich nach seinen Worten um die vierte derartige Veranstaltung innerhalb von dreieinhalb Jahren. Sie war mit über 200 Entscheidern sehr gut besucht und erwies sich als zentrale Plattform für fachlichen Austausch zu Lösungen für die Transformation in der Automobilindustrie und im fahrzeugnahen Maschinenbau.
Transformationskongress in der Voith-Arena.
„Die Aussichten im Weltkontext sind gut“,
machte Franz Loogen, der Geschäftsführer von e-mobil BW, der Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive, den Teilnehmenden Mut. Es koste zwar Kraft und bedürfe einiger Anstrengungen, um auf die Welle zu kommen. Aber wenn man oben sei,
„werden wir am besten surfen. Denn wir sind viel besser als die meisten wissen!“
Das Lieblingsthema von Bläses Heidenheimer Amtskollegen Peter Polta war seinen eigenen Worten zufolge der teilweise zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Brenzbahn (PDF-Datei · 2095 KB), die 600 Millionen Euro kosten. Er hoffe, dass man noch in diesem Jahr vorankomme mit der Finanzierungsvereinbarung. Der Ausbau wäre seiner Ansicht nach ein Quantensprung, denn die Erschließung Ostwürttembergs müsse verbessert und die B 19 entlastet werden, weil sonst der Verkehrskollaps drohe.
Nicht zuletzt gehe es hier um sehr viele Arbeitsplätze, ergänzte IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler. Er kündigte an, dass der Masterplan für die Region fortgeschrieben und nachgeschärft wird. Er nannte die künftigen vier Hauptfelder: Es sind dies das Innovations-Ökosystem, Infrastruktur und Fläche, Energiewende sowie Resilienz- und Verteidigungsfähigkeit.
Kein Verbrennermotorenland
Franz Loogen brannte ein wahres Daten-Feuerwerk ab und sprach davon, dass das Geschäft auch in der Automobilbranche
„verdammt schnell“
geworden sei, aber die Aussichten seien gut. Regulatorik wie beispielsweise in Form von Umweltvorschriften sei nötig. Unternehmen seien auch im Wettbewerb mit politischen Systemen. Man solle aber aufhören sich darüber aufzuregen, dass die USA und China andere Wege gingen.
„Sie tun es eh.“
Europa müsse seinen eigenen Weg finden und dabei sei klar, dass es Klimaschutz ohne Maßnahmen nicht geben könne.
Die EU wolle bis 2050 klimaneutral sein und die Einhaltung der Umweltauflagen setze emissionsfreie Fahrzeuge voraus. Er räumte ein, dass die hohen Ansprüche schwer zu erfüllen sein werden, war aber zuversichtlich. Auch in Deutschland gewinne die Elektromobilität wieder an Fahrt, der Anteil der Verbrennermotoren gehe zurück.
„Wir sind kein Verbrennermotorenland mehr!“
Im Übrigen würde ein Zurückdrehen der Entwicklung die deutschen Werke nicht retten. In Baden-Württemberg gebe es viele Erfolgsgeschichten bei der E-Mobilität. Klassische Zulieferer verlören zwar Marktanteile, aber die Bedeutung von Zulieferteilen in den Wachstumsfeldern nehme zu.
Welche Kompetenzen künftig gefragt sind
Dr. Henry Goecke von IW Consult und Marc Aperdannier vom Transformationsnetzwerk stellten die Future Skills Studie 2030 vor. Aus der wissenschaftlichen Analyse von Stellenanzeigen geht hervor, welche Fähigkeiten künftig in der Wirtschaft Ostwürttembergs gefragt sind: Sie umfassen Kompetenzen bezüglich Technologie und Digitalisierung, Industrie, Sicherstellung zentraler Geschäftsprozesse sowie überfachliche Kompetenzen. Daraus könnten Ableitungen für die Unternehmen und ihre Strategie zur Fachkräftesicherung getroffen werden. Es gelte, eine Weiterbildungsstrategie zu entwickeln, sagte Aperdannier.
Vier Themen-Panels
Panel: Nachhaltigkeit und Klimaschutz
Rodewig Nägele wurde konkret und stellte das Bopfinger Unternehmen Nabore (Natural Rebonded Resources) vor. Für dieses sind - europaweit als einziges - Lederabfälle ein wertvoller Rohstoff, der zu 100 Prozent wiederverwertet wird. Den Anstoß gegeben habe, berichtete Nägele, dass einem Kaufmann natürlich das Herz blute, wenn man teures Leder weg- und Geld damit zum Fenster hinauswerfen müsse.
„So verdienen wir Geld mit dem Abfall anderer.“
Bei Voith läuft es ähnlich, berichtete Matthias Steybe. Der Hersteller von großen Maschinen und Turbinen braucht viele Ressourcen – und die werden weltweit knapp. Die Lösung ist, dass viele Komponenten bei Kunden aufbereitet und Maschinen umgebaut werden und somit weiterlaufen können. Man könne also Potenziale heben, an die man vorher nicht gedacht habe.
Um ganz andere Potenziale ging es im Panel Qualifizierung und Beschäftigungssicherung. Stephan Lindner, systemischer Business-Coach, Mediator und Trainer, machte eindrucksvoll deutlich, welch enorme Kosten durch ein proaktives Konfliktmanagement im Betrieb eingespart werden können. Konflikte sah er dabei von zwei Seiten: Einerseits seien sie ein Energiezustand, der Bewegung bringe und eine Chance auf Veränderung sei. Aber die Dosis mache es. Andererseits könnten Konflikte ein Unternehmen jedoch belasten mit enormen Auswirkungen, indem zehn bis 15 Prozent der Arbeitszeit für ihre Bewältigung investiert werden müssten, und hohen Kosten, die leicht in die Millionen und bei großen Unternehmen sogar in die Milliarden gehen können.
Das Vertrackte daran: Viele Kosten seien nicht zu greifen, aber es gebe sie dennoch. Viele Unternehmen verschlössen nicht nur die Augen vor Konflikten, sondern bremsten das Konfliktmanagement sogar aktiv aus. In Ostwürttemberg hat sich der Wind bereits gedreht: In drei Workshops hat Lindner im vergangenen Jahr Konfliktberater qualifiziert. Eine von ihnen ist Beatrice Eigl, die sehr eindrücklich über ihre Erfahrungen und ihre Arbeit berichtete. Lindner:
„Die Konfliktberater sparen Zeit, Nerven und Kosten und es zahlt auf die Zielerreichung des Unternehmens ein!“
KI, Innovation und neue Technologien
Panel: Innovation und Geschäftsmodelle
Marc Schnatterer