IHK: Wasserstoff bleibt Schlüsseltechnologie

Angesichts kritischer Stimmen zu Wasserstoffprojekten sowie zur Wasserstoffnutzung in der Industrie stellt die IHK Ostwürttemberg klar: Für viele Unternehmen in der Region ist Wasserstoff keinesfalls ein riskanter Zukunftsplan.
„Wasserstoffnutzung ist eine notwendige Technologie, um Klimaziele zu erreichen und den Industriestandort Ostwürttemberg und damit qualifizierte Arbeitsplätze zu sichern“,
bekräftigt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler.
Deshalb war und ist es richtig, frühzeitig für die Wasserstoffpipeline-Anbindung der Region Ostwürttemberg zu kämpfen.
„Im beschlossenen Wasserstoffkernnetz ist die planfestgestellte SEL-Pipeline enthalten. Diese muss nun schnellstmöglich auch finanziert und gebaut werden“,
betont Thilo Rentschler.
„Schon vor drei Jahren wurde in einer Erhebung unser regionaler Wasserstoffbedarf als sehr hoch festgestellt – und zwar bereits in den kommenden Jahren. Diese abgefragten Bedarfe müssen nun auch gedeckt werden. Ansonsten droht vor allem in Teilen der energieintensiven Industrie Substitution oder Abwanderung. Dann gäbe es auch keine reelle Chance für eine künftige klimaneutrale Produktion.“
Besonders betroffen sind energieintensive Branchen wie die Zement- und Papierindustrie, die in der Region große, umsatzstarke Arbeitgeber sind. In diesen Bereichen ist eine vollständige Elektrifizierung von Produktionsprozessen nicht möglich. Wasserstoff gilt hier als Schlüssel, um die politisch gesetzten Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die IHK Ostwürttemberg verweist zudem auf die zunehmende Relevanz der CO₂-Bepreisung. Sie wird zunehmend Druck auf die Industrie ausüben: Steigende Kosten für Emissionen können ohne technologische Alternativen den Produktionsstandort Ostwürttemberg gefährden. Wasserstoff trägt beispielsweise nicht nur als Energieträger zum Erreichen von Klimaneutralität bei, sondern wird auch als Rohstoff zur CO₂-Abscheidung benötigt – beispielsweise in der Zementindustrie. Darüber hinaus entsteht bei der Elektrolyse Sauerstoff, der etwa im medizinischen Bereich sowie bei anderen chemischen Prozessen verwertet werden kann.
Herausforderungen wie derzeit noch hohe Herstellungskosten für Wasserstoff oder der Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur sind zwar vorhanden, stellen nach Ansicht von IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler aber keine grundsätzlichen Argumente gegen die Technologie an sich dar. Grüner Wasserstoff ist derzeit noch teuer – auch wegen unerträglicher regulatorischer Vorgaben auf EU-Ebene. Gleichzeitig wächst jedoch der Anteil an überschüssigem erneuerbarem Strom.
„Durch den weiterhin starken Ausbau der regenerativen Stromerzeugung aus Wind und Sonne werden dringend Speichermöglichkeiten benötigt. In großem Stil lässt sich Wasserstoff gut als Speichermedium nutzen“,
betont Thilo Rentschler.
Für den Markthochlauf der Wasserstoffnutzung sei Technologieoffenheit entscheidend: Auch auf verschiedene Art aus Erdgas aufbereiteter Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag zur Nutzung leisten. Wasserstoff und seine Derivate werden in vielen Sektoren der Wirtschaft alternativlos sein, um Emissionen wirksam zu reduzieren, lautet die klare Position der IHK Ostwürttemberg. Es ist zwingend notwendig, dass sich die Politik kontinuierlich und langfristig zum Wasserstoff-Markthochlauf bekennt und dessen Erfolg im Kontext der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen auch priorisiert. In der Anfangsphase des Markthochlaufs dürfen deshalb keine unnötigen Hürden entstehen.
„Wasserstoff ist ein unverzichtbarer wichtiger Baustein einer zukunftsfähigen Industriepolitik für Deutschland“,
sagt Thilo Rentschler.
Die IHK Ostwürttemberg fordert daher verlässliche Rahmenbedingungen für den Markthochlauf, Tempo beim Infrastrukturausbau und den Abbau regulatorischer Hürden, damit regionale Unternehmen handlungs- und entscheidungsfähig bleiben.
Gleichzeitig mit einem Ausbau der Pipelinestruktur wie dem Bau der planfestgestellten Süddeutschen Erdgasleitung (SEL)-Pipeline zwischen Esslingen und Bissingen sind Erzeugungskapazitäten für Wasserstoff vor Ort anzustreben.
„Diese können der Versorgungssicherheit für weiße Flecken in der leitungsgebundenen Wasserstoffversorgung dienen und Netze stabilisieren“,
erklärt der IHK-Hauptgeschäftsführer weiter.
Wissenschaft ünterstützt IHK-Forderungen
Die Leitsätze der IHK Ostwürttemberg werden auch durch regionale und überregionale Akteure aus der Wissenschaft untermauert.
Prof. Dr. Holger Kaßner, Leiter des Forschungsinstituts für Edelmetalle und Metallchemie (fem), bekräftigt:
„Wer beim Thema Wasserstoff erst reagiert, wenn der Handlungsdruck bereits zu groß ist, hat aus der Vergangenheit nichts gelernt. Klar ist: Wasserstoff ist ein wichtiger Baustein, wird unsere Energiezukunft aber nicht allein sichern. Wir benötigen einen intelligenten Mix aus Wasserstoff, Batterietechnik und weiteren Energieträgern. Dafür braucht es technologieoffene Förderung, engagierte Modellprojekte wie H2-Wandel sowie eine koordinierte, bundesweite Wasserstoffstrategie. Forschung, Industrie und Netzbetreiber müssen gemeinsam denken und die Politik entschlossen umsetzen. Nur so kann die Energiewende nachhaltig erfolgreich sein!”
Prof. Dr. Markus Hölzle, Mitglied des Vorstands des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm, unterstreicht die Bedeutung von Wasserstoff:
„Wasserstoff ist der einzig realistische zukünftige Energieträger, wenn es um die Dekarbonisierung zahlreicher industrieller Prozesse und um schwer elektrifizierbare Anwendungen außerhalb der Industrie geht. Besonders in Ostwürttemberg - einer Region mit einer starken Industrie- und Technologielandschaft, etwa mit Papier- und Zementindustrie - ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft besonders dringlich: für die Versorgungssicherheit mit Energie, für den Erhalt lokaler Wertschöpfung und als Basis für neue Technologien.“