IHK-Wirtschaftsgespräch Bönen

Gen Z: Herausfordernde Chance

Wie es um die Ausbildungszahlen in Bönen bestellt ist und was Unternehmen tun können, um junge Leute zu gewinnen, war Schwerpunkt beim IHK-Wirtschaftsgespräch Bönen.
Es ist eine alarmierende Zahl, die Christian Zurbrüggen nannte: „74,1 Prozent der Unternehmen geben an, über offene Stellen zu verfügen, die seit mindestens drei Monaten vakant sind“, sagte der Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Dortmund und Geschäftsführer der Zurbrüggen Wohn-Zentrum GmbH beim diesjährigen IHK-Wirtschaftsgespräch Bönen. Daher sei es für die Betriebe enorm wichtig, junge Menschen für eine Ausbildung zu gewinnen. Welche Rolle dabei die sogenannte Generation Z spielt – Menschen, die nach 1996 geboren wurden –, war das Schwerpunktthema. Rund 50 Gäste verfolgten die Diskussionsrunde; Gastgeberin war in diesem Jahr die Lidl Vertriebs-GmbH & Co. KG.
Dass Bönen hinsichtlich neuer Ausbildungsverträge gute Zahlen vorweisen könne, hob IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Schreiber hervor. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl demnach um 5,4 Prozent und erreichte damit wieder Vor-Corona-Niveau. Die Lage in der Gemeinde nannte Schreiber vor diesem Hintergrund „ausbildungsstabil“ und dankte den Betrieben vor Ort für ihren Einsatz.
IHK ist gegen eine Ausbildungsverpflichtung für Betriebe
Gleichzeitig wies der IHK-Chef darauf hin, dass das Thema Ausbildung kontrovers diskutiert werde. In Bremen beispielsweise sei im Gespräch, eine Ausbildungspflicht für Unternehmen einzuführen. Betriebe, die keine Ausbildung anbieten, sollen demnach eine Abgabe entrichten. Schreiber sprach sich klar gegen solche Überlegungen aus: „Ich bin davon überzeugt, dass jedes Unternehmen selbst entscheiden muss, ob es in der Lage ist, eine fundierte Ausbildung anzubieten.“ Schon allein vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen händeringend nach Nachwuchs suchten und sich ohnehin nicht genug junge Leute für alle offenen Ausbildungsangebote fänden, „macht eine solche Ausbildungspflicht keinen Sinn“.
Auch für die Gemeinde Bönen sei das Thema Ausbildung und vor allem die Fachkräftesicherung enorm wichtig, betonte Robert Eisler, Fachbereichsleiter für Planung, Bauen und Umwelt, der Bürgermeister Stephan Rotering an diesem Abend vertrat. „Insbesondere Bauingenieure zu gewinnen und zu halten, ist momentan alles andere als leicht.“
Umgang mit der Generation Z
Welche Rolle angesichts dieser Herausforderung die Generation Z spielt, und welche besonderen Ansprüche sie an die Unternehmen stellt, erörterte Bianca Wirtz, HR-Business Partner bei Gen Talents. Gen Talents läuft unter dem Dach der Bildungsplattform STARTUP TEENS, die sich zum Ziel gesetzt hat, junge Menschen beim Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen und Unternehmen zu beraten: „Sie hören oder lesen in den Medien oft, diese Generation sei wenig arbeitswillig. Bis 2025 wird diese Gruppe aber 35 Prozent des Bruttoeinkommens in Deutschland erwirtschaften. Zudem geben 50 Prozent der Befragten aus dieser Generation an, sich vorstellen zu können, sich selbstständig zu machen. Das sagt niemand, der keine Lust hat, zu arbeiten.“
Gleichzeitig wies Wirtz darauf hin, dass man davon ausgehe, diese Generation werde im Laufe ihres Berufslebens rund 20 verschiedene Arbeitgeber haben. „Gen Z“ hinterfrage den Sinn ihrer Arbeit, schätze Teamwork und lege Wert auf Abwechslung „Lehrjahre sind keine Herrenjahre – dieser Satz ist nicht mehr en vogue“, sagte Wirtz und ergänzte: „Die jungen Leute wollen vor allem in ihrer Individualität wahrgenommen und akzeptiert werden.“
Tipps für Unternehmen
Wirtz hatte zudem eine Reihe von Tipps für Unternehmen, wie mit dieser Generation umzugehen sei: „Arbeiten Sie ein gutes Onboarding aus, schaffen Sie motivierende Anreize, fragen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach deren Meinung und berücksichtigen Sie diese auch. Und: Geben Sie viel Feedback! Die jungen Leute wollen wissen, wo sie stehen.“ Komplexität indes werde zunehmend eine Herausforderung für diese Generation – Informationen müssten daher schnell und leicht zugänglich sein.
Besonders wichtig sei zudem eine offene, wertschätzende Führungskultur. „Wenn die Führung nicht funktioniert, gehen die Leute.“ Auch kleine Betriebe könnten dies umsetzen. „Das ist für kleinere Unternehmen ohne eigene Personalabteilung natürlich schwieriger – meine Empfehlung lautet hier: Fangen Sie einfach an! Gehen Sie Veränderungen Stück für Stück an.“
Beispiel Lidl
Wie sich all dies konkret in der Praxis umsetzen lässt, veranschaulichte Lars-Henning Jurkschat, Geschäftsführer der Lidl Vertriebs-GmbH & Co. KG in Bönen. „Wir haben uns Führungsleitlinien überlegt und holen zudem über anonyme Befragungen regelmäßig Feedback ein.“ Lidl setze auf digitale Schulungsplattformen, umfassende Einarbeitungspläne, Aufstiegsmöglichkeiten sowie auch Teambildungsmaßnahmen und Mitarbeiterevents. „Das beste Feedback ist, wenn die Azubis nach ihrer Ausbildung bei uns bleiben“, sagte Jurkschat. Eine Übernahmequote von 86 Prozent spreche hier für sich – und auch fünf Jahre später arbeiteten noch immer 80 Prozent bei Lidl.
Angebote und Kooperationsmöglichkeiten
In einer abschließenden Diskussionsrunde brachte IHK-Geschäftsführerin Maike Fritzsching auf den Punkt, wie die IHK die Unternehmen unterstützt – und wies neben der Ausbildungskampagne #könnenlernen auch auf weitere Angebote wie etwa junge Ausbildungsbotschafter aus den Unternehmen, die die IHK schult. „Wichtig ist uns, den jungen Leuten auf Augenhöhe zu begegnen. Und das gelingt sehr gut über gleichaltrige Influencer, die aus erster Hand über ihre Ausbildung berichten.“ Fritzsching appellierte an die Unternehmen: „Wir brauchen Sie, um diese Kampagne in die Region zu tragen. Wenn Sie Interesse haben, sich zu beteiligen, sprechen Sie uns gerne an!“
Dr. Nina Jung, Leiterin Fachkräftesicherung bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) Kreis Unna, ergänzte die Diskussion um den Hinweis auf die jährlich stattfindende Ausbildungsmesse Bönen, die die WFG gemeinsam mit der Gemeinde anbietet. Prof. Dr.-Ing. Klaus Pantke von der Hochschule Hamm-Lippstadt hob darüber hinaus diverse Kooperationsangebote der Hochschulen in der Region hervor.
25. Oktober 2023