Fachkräfte zu finden klappt nur mit Einsatz
Der neue Leiter der Regionaldirektion Nord spricht im Interview darüber, wie Fachkräftesicherung konkret angegangen werden muss und welche Herausforderungen es dabei gibt.
Er ist gebürtiger Westfale und hat ein großes Faible für Mecklenburg-Vorpommern: Markus Biercher, der neue Chef der Agentur für Arbeit im Norden. Seine Liebe zum Nordosten kommt nicht von ungefähr, bereits von 2005 bis 2011 arbeitete er in Mecklenburg-Vorpommern. 2008/2009 lebte er zudem im Bezirk der IHK zu Rostock: In Stralsund. Seither weiß Biercher zu schätzen, dass „hier der Geist des Miteinanders ein ganz besonderer ist”, es eine Kultur der Kooperation gibt. Nach mehreren Jahren im Nordwesten und Süden der Republik ist er nun also in eine vertraute Region zurückgekehrt und „war überrascht, wieviel sich während der vergangenen Jahre hier getan hat, wie wunderschön sich die Städte entwickelt haben”.
Während es mit der Entwicklung im IHK-Bezirk in den vergangenen Jahren stetig aufwärts ging, ist die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte sukzessive gesunken, wie überall in Deutschland und auch in den meisten anderen europäischen Ländern. Gründe dafür gibt es viele, ein wesentlicher ist der demografische Wandel. Darüber, wie Unternehmen mit diesen massiven Veränderungen umgehen und wie die Agentur für Arbeit gemeinsam mit der IHK zu Lösungen beitragen kann, sprach Markus Biercher mit IHK-Hauptgeschäftsführer Thorsten Ries.
Markus Biercher (l.) bei seinem Besuch in der IHK im Gespräch mit Hauptgeschäftsführer Thorsten Ries
© IHK zu Rostock
Vergangenes Jahr verkündete die Agentur für Arbeit, Deutschland brauche in den kommenden Jahren eine Nettozuwanderung von 400.000 Arbeitskräften. Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet dies, dass wir 7.800 bis 8.000 zugewanderte Arbeitskräfte pro Jahr brauchen. Wie kann das gelingen?
Personalengpässe sind schon jetzt in vielen Branchen spürbar und das Arbeits- und Fachkräftepotenzial wird sich durch die demografische Entwicklung weiter verringern. Mecklenburg-Vorpommern will dieser Entwicklung mit einer neuen Fachkräftestrategie begegnen, das hat der Minister für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit des Landes, Reinhard Meyer, gerade nochmals bekräftigt.
Bei vielen Programmen zur Erhöhung der Azubi- oder Fachkräftezuwanderung sind die Akquisezahlen überschaubar. Kann die Akquise in den Größenordnungen funktionieren, wie wir sie brauchen?
Ein ganz wesentlicher Garant, um ausländische Arbeitskräfte für Deutschland zu interessieren, ist der Spracherwerb. Wenn es Deutschkurse im Ausland gibt, erhöht das die Chance für eine erfolgreiche Fachkräftezuwanderung, das zeigen Beispiele aus den Bundesländern Sachsen und Baden-Württemberg. Die Vorstellung, dass es die Fachkraft aus dem Ausland ohne große Anstrengung gibt, ist falsch. Diese Erkenntnis scheint mir aber auch in den Unternehmen angekommen zu sein.
Allein Sprachkurse lösen das Problem nicht.
Das ist richtig. Wir regeln viel zu viel in Deutschland. Im Grunde müssen wir die Hindernisse beseitigen, politisch und gesellschaftlich, die einer Migration im Wege stehen. Da können Welcome Center wertvolle Dienste leisten. Die Bundesagentur für Arbeit bietet selbstverständlich an, sich hier engagiert einzubringen und ein Welcome Center zu unterstützen. Das bedeutet auch bei uns ganz viel Kompetenzaufbau. Solch ein Welcome Center könnte One-Stop-Government leisten, dann ist dort jemand von der Arbeitsagentur, der IHK, dem Ausländeramt.
Stichwort „Saisonarbeit”: Die Zahl der Saisonarbeiter ist beschränkt und deckt nicht mehr den Bedarf der Wirtschaft. Gibt es Lösungen?
Innerhalb der Bundesregierung und im parlamentarischen Raum werden derzeit Lösungen entwickelt. Ich gehe davon aus, dass wir bald eine deutliche Liberalisierung erleben werden.
Die Bundesregierung hat im Oktober ihre Fachkräftestrategie veröffentlicht. Was gehört neben der Erwerbsmigration, über die wir bereits gesprochen hatten, noch dazu?
Fachkräftesicherung fußt neben der Migration auf zwei weiteren Säulen:
- Dem Übergang von der Schule in den Beruf:
Wir dürfen niemanden zurücklassen. Zugleich leisten wir uns den Luxus, dass bis zu zehn Prozent jedes Schulentlassgangs ohne Abschluss sind. Weltweit ist die Duale Ausbildung das Erfolgsmodell für „Made in Germany”. - Bildung, konkret: Teilqualifizierung:
Schritt für Schritt qualifizieren wir die Personen für den Beruf. Zudem ermöglichen wir Unternehmen ihre Mitarbeitenden zu unterstützen. Hier gibt es eine gute Förderkulisse, zum Beispiel auch das Qualifizierungschancengesetz zur Weiterbildung, das „Arbeit von morgen”-Gesetz.
Was bleibt zu wünschen?
Der öffentliche Sektor auf allen staatlichen Ebenen hat einen starken Nachholbedarf bei der Digitalisierung und Automatisierung. Die Reserven müssen gehoben werden.
Über Markus Biercher
Markus Biercher leitet seit August 2022 die Regionaldirektion Nord der Agentur für Arbeit in Kiel, ist damit zuständig für den Arbeitsmarkt in MV, Schleswig-Holstein und Hamburg. Der 51-Jährige war unter anderem in Kiel, Düsseldorf und Stralsund tätig. Zuletzt koordinierte er in der Nürnberger Zentrale die Auslandsprogramme der Bundesagentur für Arbeit.
Markus Biercher leitet seit August 2022 die Regionaldirektion Nord der Agentur für Arbeit in Kiel, ist damit zuständig für den Arbeitsmarkt in MV, Schleswig-Holstein und Hamburg. Der 51-Jährige war unter anderem in Kiel, Düsseldorf und Stralsund tätig. Zuletzt koordinierte er in der Nürnberger Zentrale die Auslandsprogramme der Bundesagentur für Arbeit.
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