„Der Handlungsdruck auf die Politik steigt“

IHK-Präsident Dr. Gastl begrüßt in der „Wahlarena“ sechs Landtagskandidaten zur Diskussionsrunde zum Thema Wirtschaft

6. September 2023 – „Als einzige große Wirtschaftsnation befindet sich Deutschland heute in einer Rezession. Die Ausblicke der Unternehmen sind ausgesprochen verhalten. Fast alle Wirtschaftsindikatoren weisen nach unten“: Dr. Christian Gastl, Präsident der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden (IHK), ließ eingangs der „IHK-Wahlarena“, an der sich Politiker aller sechs im hessischen Landtag vertretenen Parteien beteiligten, keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Politik in der kommenden Legislaturperiode über die Maßen gefordert sein werde. Der Ukrainekrieg, Lieferkettenproblematik, steigende Inflation und Energiekrise auf der einen Seite – und „Dauerkrisen“ wie Personal- und Fachkräftemangel sowie eine  marode Infrastruktur bedürften Lösungen, um das Land Hessen wie die Landeshauptstadt Wiesbaden, den Rheingau-Taunus-Kreis und Hochheim am Main als „starke Wirtschaftsstandorte“ zu erhalten.
Vor rund 100 Gästen skizzierten die Politiker Christian Diers (FDP), Axel Gerntke (Die Linke), Erich Heidkamp (AfD), Alexander Hofmann (SPD), Professor Dr. Alexander Lorz (CDU, hessischer Kultusminister) und Mathias Wagner (Grüne) ihre Lösungsansätze zu den großen Themenbereichen „Fachkräfte“, „Mobilität und Infrastruktur“ sowie „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“. Die vom ehemaligen VRM-Chefredakteur Stefan Schröder moderierte „IHK-Wahlarena“ machte teils stark differierende Überzeugungen deutlich – ein breiter Konsens hingegen herrschte beim Wunsch nach vereinfachten und vor allem beschleunigten Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahren in zahlreichen Bereichen.
Fachkräfte
Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel, unbesetzte Ausbildungsplätze haben sich mehr als verdoppelt, bis 2035 fehlen in Hessen eine halbe Million Fachkräfte: Mit kompakt auf den Punkt gebrachten Fakten stimmte Fabian Lauer, stellvertretender Geschäftsführer der IHK Wiesbaden und Geschäftsbereichsleiter Wirtschaftspolitik, die Diskutanten auf die einzelnen Themenblöcke ein.
Es gelte, die Berufsschulstandorte zu erhalten, brach Lorz eine Lanze für die duale Berufsausbildung, allerdings, so Wagner, müssten attraktivere Orte der dualen Ausbildung geschaffen werden. Während Heidkamp dem deutschen Bildungssystem bescheinigte, eines der besten der Welt zu sein, plädiert Gerntke für eine Zusammenführung der Grund- und weiterführenden Schulen und eine insgesamt bessere finanzielle Ausstattung. Ob sich so ausreichend viele junge Menschen für die duale Ausbildung begeistern lassen, um dem Fachkräftemangel entgegenwirken zu können? Während sich AfD-Landtagsabgeordneter Heidkamp dafür aussprach, Fachkräfte aus eigener Kraft auszubilden, hält der Grünen-Politiker Wagner den vereinfachten Wechsel vom Asylverfahren ins Bleiberecht für notwendig, neben dem Fachkräfte-Einwanderungsgesetz „brauchen wir eine Kultur der Einladung und des Willkommens“. Per Gesetz dürften nicht „die Rosinen unter den Fachkräften herausgepickt werden“, führte Linken-Abgeordneter Gerntke aus. Diers, Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung und Bewerber für den Landtag, zeigte sich „dankbar“ für das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz, und Minister Lorz verwies auf eine „fast lane“ für die Ausländerbehörden, also eine einzige Anlaufstelle, die Reibungsverluste bei der Abstimmung verschiedener Ämter und Behörden vermeiden könne.
Mobilität und Infrastruktur
Mehr Tempo ist auch Landtags-Bewerber Alexander Hofmann, stellvertretender Vorsitzender Wiesbadener SPD, wichtig. Er sprach sich nachdrücklich für die Abkehr vom Verharren auf  Bürokratismus aus. Sein Plädoyer für eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, um die Infrastruktur und damit die Mobilität voranzubringen, wurde vom FDP-Politiker Diers geteilt. Er  widersprach den Ausführungen von Alexander Lorz, dass in Hessen schon deutlich mehr Geld in den Erhalt der bestehenden Infrastruktur investiert worden sei anhand der nach wie vor nicht behobenen Stauungen bei der Bahnfahrt von Wiesbaden zum Frankfurter Hauptbahnhof. Der öffentliche Nahverkehr sei bei der Frage der Mobilität „von ganz zentraler Bedeutung“, unterstrich Gerntke, der sich dessen Ausbau und eine grundsätzliche Änderung der Preisgestaltung vorstellt. Heidkamp hingegen sieht in einer „ganz anderen Flächenplanung“ einen Lösungsansatz, denn dann entfiele viel Verkehr.
Energiepreise
Wie deutschlandweit ächzen auch die Unternehmen im Kammerbezirk der IHK Wiesbaden unter den europaweit höchsten Strompreisen. An der Frage, inwieweit der Industriestrompreis ein geeignetes Instrument ist, schieden sich die Geister der sechs Diskussionsteilnehmer. Während FDP-Politiker Diers dem Industriestrompreis eine klare Absage erteilte und stattdessen für Stromsteuersenkungen plädierte, sprach sich Wagner dafür aus, und auch Hofmann und Lorz rechtfertigten einen Industriestrompreis – „falls erforderlich“, so Lorz, auch wenn dies „keine Lösung für die Ewigkeit“ sei. Einen zeitlich begrenzten Industriestrompreis hält auch Gerntke für gerechtfertigt, sein Landtagskollege Heidkamp hingegen mochte sich mit der Einführung eines Industriestrompreises nicht anfreunden.
Fazit
IHK-Präsident Dr. Gastl zeigte sich zum Abschluss der Wahlarena zuversichtlich. Er rief dazu auf, selbstbewusst nach vorne zu schauen. Hessen habe als starker Standort die Zukunft in der eigenen Hand. An die Politik gerichtet appellierte er, in der kommenden Legislatur die richtigen Weichen zu stellen.
Weitere Informationen
Kurze Vorstellungsvideos der in den fünf Wahlkreisen der Region kandidierenden Bewerberinnen und Bewerber der großen Parteien für die Landtagswahl am 8. Oktober 2023 und ihre politischen Statements zu den eigenen Positionen und Zielen sind auf der Internetseite www.ihk.de/wiesbaden/landtagswahl eingestellt.