Flächennutzungsplan 2040 – Wo Wiesbadens Wirtschaft künftig wachsen soll

Wo kann die Wiesbadener Wirtschaft in Zukunft wachsen? Darum ging es in der Veranstaltung „Platz für Wirtschaft – Gewerbeflächen in Wiesbaden von morgen“ zum Flächennutzungsplan 2040. In der IHK Wiesbaden kamen dazu mehr als 50 Gäste zusammen, von denen die Mehrheit selbst ein Unternehmen vertrat.
29. Oktober 2025 - Jörg Brömer, Präsident der IHK Wiesbaden, eröffnete die Veranstaltung am 27. Oktober in der IHK Wiesbaden. In seinem Grußwort verwies er auf die Einschränkungen von Unternehmen durch limitierte Gewerbeflächen: Erweiterungen seien kaum noch möglich, neue Ansiedlungen scheiterten an Flächen.
Brömer erläuterte eindringlich, dass der Flächennutzungsplan kein abstraktes Kartenkonzept sei, sondern direkte Auswirkungen auf die Unternehmen und Menschen der Region habe: Fast 40 Prozent der Unternehmen erwägten, aufgrund fehlender Entwicklungsmöglichkeiten den Standort Wiesbaden zu verlassen. Damit würden Wiesbaden nicht nur neue Arbeitsplätze entgehen, sondern auch kommunale Einnahmen. Dieses Alarmsignal dürfe nicht ignoriert werden, so Brömer. Wiesbaden brauche dringend zusätzliche Gewerbeflächen, das müsse in aller Klarheit auf den Punkt gebracht werden.
Stimmen der Stadt zum Flächennutzungsplan
Nach diesem Appell des IHK-Präsidenten lud Moderatorin Nico Lange Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende auf die Bühne. Mende betonte in seiner Einführung, wie wichtig für die Stadt und ihre Flächennutzungsplanung der Austausch mit den Unternehmen sei. Wiesbaden verstehe sich als starker Wirtschaftsstandort und habe dies in den vergangenen zehn Jahren mit einem Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 18 Prozent gezeigt. Als Beispiele für realisierte Wirtschaftsprojekte nannte Mende den Campus für die Sopro Bauchemie GmbH, die Ansiedlung von Weltmarktführer DIENST Packsystems GmbH und den laufenden Bau des Bürokomplexes für die R+V Versicherung AG.
235 Hektar für Gewerbefläche – oder doch nur 98?
Im Anschluss stellte Kay Strobach, Abteilungsleiter Stadtentwicklung im Stadtplanungsamt, den Stand des Flächennutzungsplans 2040 vor. Als herausforderndes Ziel führte er an, die Stadtentwicklung entlang der sogenannten Leipzig-Charta für Stadtentwicklung „gerechter, grüner und produktiver“ zu gestalten. Vor allem werde aber der im November zu entscheidende Regionalplan des Landes die Umsetzung vorgeben. Während das Hessische Regierungspräsidium im Entwurf des Regionalplans einen Bedarf von nur 98 Hektar für Wiesbadens Wirtschaft vorrechnet, plant die Stadt mit einem Bedarf von 235 Hektar Gewerbefläche.
Als von der Stadt ins Auge gefasste Gewerbeflächen nannte Strobach unter anderem die Erweiterung des Technologie-Standorts in Delkenheim, einen Bereich östlich der Bölkestraße / südöstliche Verlängerung des Peterswegs, eine Fläche südlich des Hainwegs in Nordenstadt und kleinere Flächen südlich von Erbenheim. Diese Flächen würden den ermittelten Bedarf je nach Szenario um 105 bis 88 Prozent abdecken.
Das Entwicklungskonzept für die Wirtschaft
Anschließend stellten Christiane Hinninger, Bürgermeisterin und Wirtschaftsdezernentin Wiesbadens, und Patrick Bergmann von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH das Gewerbeflächenentwicklungskonzept 2040 (GEKO) vor.
Die Bestandsanalyse ergab 29 Gewerbegebiete in Wiesbaden mit insgesamt 588 Hektar Gewerbefläche. GEKO konnte als Nachverdichtungspotenzial 73 weitere Flächen mit 45,6 Hektar ermitteln. Von diesen seien allerdings nur sechs in Stadtbesitz und damit perspektivisch aktivierbar.
Die künftige Nachfrage aus der Wirtschaft wurde aus zwei Komponenten errechnet: Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen mit ihrem Flächendarf sowie der Projektion der bisherigen Gewerbeflächennachfrage. So kam GEKO für das Jahr 2025 zu einem Bedarfskorridor von 163 bis 183 Hektar bzw. von 230 bis 272 Hektar im Jahr 2040.
Bühnendiskussion: Reicht der Platz zum Wachsen?
Auf der Bühne kamen dann Christiane Hinninger, Gert-Uwe Mende und Jörg Brömer zur Diskussion zusammen. Die Unternehmensperspektive steuerte David Berger, Geschäftsführer der Gramenz GmbH, bei – das Unternehmen in Erbenheim beschäftigt rund 250 Personen und nutzt derzeit 2,5 Hektar Gewerbefläche. Berger berichtete, wie schwierig es sei, diese Fläche regional zu erweitern, sobald es um „laute und staubige“ Arbeiten ginge. Gleichzeitig seien Lagerflächen für beispielsweise Erdarbeiten in Stadtnähe aber auch unabdingbar für die Durchführung dortiger Baustellen.
Brömer pflichtete ihm aus Unternehmerperspektive bei, das nicht alle angebotenen Gewerbeflächen auch den Bedarfen der Unternehmen entsprächen und ihrer Verwendung entsprechend bezahlbar seien. Beide stellten außerdem die Frage, ob sich durch Entwicklungen wie KI überhaupt voraussagen lasse, welche Branchen 2040 ein Interesse an Gewerbeflächen hätten. Wichtig seien deswegen möglichst flexibel aufgestellte Regularien, um Marktentwicklungen nicht zu behindern.
Mende unterstrich das Dilemma, dass zwar 86% der Unternehmen Wiesbaden für den perfekten Standort hielten, eine nicht umsetzbare Vergrößerung aber auch für diese Firmen ein Abwanderungsgrund sei. Hinninger erläuterte, dass Neuansiedlungen gefördert würden, während ansässige Unternehmen unterstützt würden, sich zu vergrößern. Der konkrete Bedarf habe bei der Umfrage einen durchschnittlichen Bedarf von 18 bis 24 Hektar ergeben. Sie verwies darauf, dass durch den regionalen Zusammenschluss FrankfurtRheinMain GmbH auch Flächen über Wiesbaden hinaus vermittelt werden könnten. Außerdem versuche die Stadt bereits jetzt, durch Kauf oder Pacht die aktivierbare Gewerbefläche vor Ort zu vergrößern.
Anschließend konnte das Publikum Fragen stellen. Zum Abschluss der Veranstaltung kamen die über 50 Gäste, die sich vor allem aus Unternehmensvertreterinnen und -vertretern zusammensetzten, zum Austausch zusammen.