DIHK: Überblick über aktuelle EU-Umwelt-Gesetzgebungsvorhaben

Die EU-Kommission befindet sich aktuell in einer “spannenden” Phase. Während der Wahlkampf zur EU-Wahl langsam Fahrt aufnimmt, hängen weiterhin viele der im Green Deal vorgesehenen Gesetze im Prozess fest (Fahrplan). Die DIHK gibt einen Blick über die wichtigen geplanten Regelungen und Änderungen und gibt eine Einschätzung dazu ab, welche es noch vor der Wahl “über die Ziellinie” schaffen.
Bis zu EU-Wahl vom 6. bis 9. Juni 2024 bleibt nicht viel Zeit, um in den Verhandlungen zwischen Rat und Parlament eine Einigung über noch in der Pipeline befindliche Regelungen zu erzielen. Die Institutionen arbeiten bereits mit allen Möglichkeiten, die ihnen die Verträge bieten, die verbleibende Zeit effizient zu nutzen. So sollen Gesetze teilweise in einem Notverfahren (Corrigendum) bis zum Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Dabei wird nur mit der englischsprachigen Version des Textes gearbeitet. Sie stellt dann die Grundlage der Abstimmung im Parlament dar. Die Übersetzung in alle 24 Amtssprachen erfolgt dann nachträglich. Dieses Verfahren wird angewandt für Gesetze, die keinen Aufschub dulden, wie etwa den Beschluss über die Finanzhilfen für die Ukraine.
Wichtig zu wissen ist, dass es in der europäischen Gesetzgebung kein Diskontinuitätsprinzip gibt. Das heißt, die Arbeit an gesetzlichen Regelungen kann in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt werden und muss nicht komplett neu gestartet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die neue Kommission und das neu gewählte Parlament das so beschließen. Es kommt dabei allerdings zu Verzögerungen, weswegen die Verhandlungen erst wieder aufgenommen werden können, sobald die neue Kommission im Amt ist – das heißt frühestens im November 2024.
Die wichtigsten geplanten EU-Umweltgesetze im Überblick:
  • Abfallrahmenrichtlinie: Bei der Verhandlung eines Zusatzartikels zur Abfallrahmenrichtlinie kommt es vermutlich zu keinem Abschluss mehr in dieser Legislaturperiode. Gearbeitet wird an einer Ausweitung der Herstellerverantwortung im Textilbereich und an einer Minimierung der Lebensmittelverschwendung.
  • Ökodesignverordnung: Die bisherige Richtlinie soll durch eine Verordnung ersetzt werden. Angedacht sind detaillierte Vorgaben zu Energieeffizienz, Reparier- und Wiederverwertbarkeit von Elektrogeräten. Insgesamt soll die Nachhaltigkeit erhöht werden. Dazu gehört auch ein Verbot der Entsorgung unverkaufter Textilien und die Verankerung eines Digitalen Produktpasses. Dieses Gesetz ist verabschiedet und im Amtsblatt erschienen.
  • Recht auf Reparatur: Das Europäische Parlament möchte den Anspruch auf Reparatur unbedingt vor der Wahl gesetzlich verankern. Das liegt daran, dass in der Konferenz zur Zukunft Europas das Recht auf Reparatur als ein Kernanliegen der Bürger identifiziert wurde. Deswegen möchte das Parlament hier keine Erwartungen enttäuschen. Rat und Parlament haben sich auf eine gemeinsame Position geeinigt.
  • Green Claims: Mit diesem Gesetz soll gegen irreführende Werbeaussagen zur Nachhaltigkeit (Greenwashing) vorgegangen werden. In Zukunft müssen umweltbezogene Aussagen von dritter Stelle überprüft werden und Verbraucherorganisationen können rechtliche Schritte einleiten. Eigentlich haben sich Rat und Parlament bereits geeinigt, allerdings steht die finale Abstimmung im Parlament noch aus und soll erst am 11. März stattfinden.
  • Industrieemissionen (IED): Die Überarbeitung der Richtlinie zielt auf eine deutliche Reduktion von Emissionen ab. Deswegen wird der Geltungsbereich um große Intensivtierhaltung und die Herstellung von Batterien im großen Maßstab erweitert. Ein Kompromiss wurde gefunden. Nun steht noch die Annahme durch Rat und Parlament aus.
  • REACH: Die REACH Revision war nicht im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2024 enthalten. Wir gehen deswegen von einer Verschiebung auf die nächste Legislaturperiode aus.
  • PFAS: Auch bei der geplanten Beschränkung der Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) deuten sich Verzögerungen an. Nach den tausenden von Rückmeldungen, die bei der Europäischen Chemieagentur (ECHA) eingegangen sind, ist vor dem Herbst nicht mit einem Update zu rechnen. Die DIHK setzt sich für eine pragmatische Lösung mit Ausnahmen ein, sodass nicht zu ersetzende Anwendungen weiterhin zur Verfügung stehen.
  • Verpackungsverordnung: Im Verpackungsbereich soll die bisherige Richtlinie durch eine Verordnung ersetzt werden. Ziel ist eine nachhaltige Müllreduktion und eine Stärkung des Binnenmarkts durch europaweit einheitliche Regeln. Bei der Neufassung ist nicht mehr mit einem Abschluss vor der Europawahl zu rechnen. Allerdings ist eine Fortsetzung im neuen Mandat zu erwarten.
  • Kommunale Abwässer: Diese Richtlinie soll neue scharfe Standards für die Reinigung von Abwasser und Niederschlagswasser setzen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Rückständen von Arzneimitteln und Kosmetika, sowie der Überwachung der Wasserqualität im Hinblick auf Mikroplastik und PFAS (per- und polyflourierte Alkylsubstanzen). Mit der Richtlinie wird das Verursacherprinzip das erste Mal konkret in der Wasserwirtschaft angewandt. Außerdem sollen Anforderungen an die kommunale Planung zur Vorsorge gegen Schäden durch Starkregen hinzukommen. Rat und Parlament haben sich Anfang Februar vorläufig geeinigt, die formale Annahme steht allerdings noch aus.
  • Renaturierung: Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur soll zur Steigerung der biologischen Vielfalt beitragen. Im Parlament kam es zu teils harten Diskussionen. Die Auseinandersetzung entzündete sich vor allem an der Frage, wie Flächen genutzt werden dürfen. Trotz Opposition steht das Gesetz vor der finalen Verabschiedung im Parlament. Allerdings sind noch viele Detailfragen offen, u.a. zu den nationalen Renaturierungsplänen.
  • Critical Raw Materials Act: Das Gesetz zu den kritischen Rohstoffen soll zur nachhaltigen Rohstoffsicherung und der Diversifikation der Lieferkette beitragen. Aktuell steht noch die finale Abstimmung im Rat aus, allerdings steht der voraussichtliche Kompromisstext.
  • Freiwilliger KMU-Standard (VSME): Aktuell kämpfen KMU, ausgelöst durch neue europäische und nationale Gesetze, mit dem sogenannten Trickledown- oder Kaskadeneffekt. Das bedeutet, dass über die Lieferkette auch Berichtspflichten bei den KMU ankommen, von denen sie eigentlich ausgenommen sind. Aktuell sammelt die DIHK Feedback für die laufende Konsultation zum Entwurf des Standards. Der Standard wird in jedem Fall erst im Herbst oder Winter dieses Jahres als Empfehlung von der Kommission vorgestellt und muss sich dann im Markt durchsetzen.
(Quelle DIHK)