Freiwilliger KMU-Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (VSME) übergeben

Nach der umfassenden Konsultation des Entwurfs hat die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) den freiwilligen Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMUs grundlegend überarbeitet und den Voluntary SME-Standard (VSME) im Dezember der EU-Kommission übergeben. Der VSME soll dem "Trickle-down-Effekt" auf nicht der gesetzlichen Berichtspflicht unterliegende kleine und mittlere nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen begegnen, die Lieferanten berichtspflichtiger Unternehmen sind.

Grundlegendes

Nicht kapitalmarktorientierte kleinste, kleine und mittlere Unternehmen sind von der gesetzlichen Pflicht, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen, zwar nicht erfasst. Sie werden in vielen Fällen jedoch von ihren Geschäftspartnern und Kunden aufgefordert, Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen. Teilweise erhalten sie von ihren Kunden eine Vielzahl unterschiedlicher Fragebögen mit nicht deckungsgleichen Datenanforderungen. Ein europaweiter Standard könnte – bei entsprechender Akzeptanz der Geschäftspartner – die Chance bieten, die mittelbare Belastung der nicht direkt berichtspflichtigen KMU einzudämmen.
Der VSME soll nicht verbindlich sein, sondern eine "freiwillige" Alternative zu den individuellen Fragebögen bieten, die viele KMU von berichtspflichtigen Unternehmen erhalten. Entscheidend wird sein, ob der VSME-Entwurf einerseits den Informationsbedarf der berichtspflichtigen Geschäftspartner und Finanzinstitute erfüllen wird und andererseits die vom VSME geforderten Informationen den nicht berichtspflichtigen KMU auch vorliegen. Nur wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, könnte ein künftiger VSME-Standard dazu beitragen, die mittelbare Belastung der KMU zu reduzieren.
Der Bericht gemäß VSME soll jährlich erstellt und unter bestimmten Voraussetzungen als separater Abschnitt im (Konzern-)Lagebericht aufgenommen werden können. Ansonsten ist eine separate Veröffentlichung vorgesehen. Er soll zur gleichen Zeit wie der Jahres-/Konzernabschluss beziehungsweise die Finanzberichterstattung zur Verfügung stehen, soweit diese zu erstellen sind. Bestimmte sensible Informationen darf das Unternehmen weglassen. Ab dem zweiten Jahr sollen Vergleichszahlen zum Vorjahr in den Bericht aufgenommen werden.

Aktueller Stand

Die EFRAG hat auf ihrer Homepage drei Papiere veröffentlicht, die den finalen Stand der Diskussionen in der EFRAG darstellen:

Basis-Modul

Das „Basic Module“ enthält gegenüber früheren Entwürfen nun weniger Informationspunkte. So sind Daten zu Scope 3 nicht mehr gefordert. Manche Angaben sind nur dann zu melden, wenn sie vom Unternehmen als „anwendbar“ erachtet werden. Werden solche Angaben ausgelassen, wird davon ausgegangen, dass sie nicht anwendbar sind.
  • B1 – Basisdaten zum Unternehmen
    (Rechtsform, NACE-Code, Bilanzsumme, Umsatz, Mitarbeiterzahl, Land der Hauptgeschäftstätigkeit, Geolokalisierung von Standorten, Nachhaltigkeitszertifizierungen oder -label).
  • B2 – Strategien, Richtlinien, Ziele und Maßnahmen für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft
    (jeweils Angabe, ob vorhanden sowie Aktivitäten zur Verringerung negativer Auswirkungen)
  • B3 – Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen
    (Verbräuche: Gesamtenergie, Strom, Kraft- und Heizstoffen; THG-Emissionen nach GHG: Scope 1 und 2, Indikator: THG-Emissionen/Umsatz)
  • B4 – Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden
    (Offenlegung von an Behörden oder im Rahmen von Umweltmanagementsystemen bereits gemeldeten Daten, bzw. Verweis auf Dokumente, falls Daten bereits öffentlich verfügbar sind)
  • B5 – Biodiversität
    (Anzahl und Fläche der Standorte, die in oder in der Nähe eines Gebiets liegen, in dem die Artenvielfalt gefährdet ist; verschiedene Optionen zu KPIs)
  • B6 – Wasser
    (Verbrauch des innerhalb der Grenzen der Organisation entnommen Wassers; an Standorten in Gebieten mit hohem Wasserstress entnommene Wassermenge; KPI für wasserintensive Produktionsprozesse)
  • B7 – Ressourcennutzung, Kreislaufwirtschaft und Abfallmanagement
    (Anwendung der Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, gesamte Abfallmenge nach Art, dem Recycling oder der Wiederverwendung zugeführte Menge; bei abfallintensiven Sektoren: Massenstrom der verwendeten relevanten Materialien).
  • B8 – Belegschaft – Allgemeine Merkmale
    (Zahl der Beschäftigten in Kopfzahlen oder Vollzeitäquivalenten nach Art des Arbeitsvertrags, Geschlecht und Land des Arbeitsvertrags, wenn in mehr als einem Land tätig; wenn 50 oder mehr Arbeitnehmer: Fluktuationsrate)
  • B9 – Belegschaft – Gesundheit und Sicherheit
    (Anzahl und Rate der meldepflichtigen Arbeitsunfälle, Anzahl der Todesfälle infolge von Arbeitsverletzungen und arbeitsbedingten Erkrankungen)
  • B10 – Belegschaft – Vergütung, Tarifverhandlungen und Ausbildung
    (Angaben zum Lohn gegenüber Mindestlohn des Landes oder Tarifvertrag; durchschnittliche Anzahl der jährlichen Weiterbildungsstunden pro Mitarbeiter, aufgeschlüsselt nach Geschlecht; wenn 150 Beschäftigte und mehr: geschlechtsspezifischer prozentualer Unterschied beim Gehalt; Prozentsatz der Beschäftigten, die unter Tarifverträge fallen)
  • B11 – Governance – Verurteilungen und Geldbußen wegen Korruption und Bestechung
    (Im Falle von Verurteilungen und Geldbußen im Berichtszeitraum muss das Unternehmen die Anzahl der Verurteilungen und die Gesamtsumme der wegen Verstößen gegen Antikorruptions- und Antibestechungsgesetze verhängten Geldbußen offenlegen.)

Erweitertes Modul

Das „Comprehensive Module“ (ehemaliges Businesspartner Module) baut auf dem Basismodul auf. Es enthält Angaben, um den Informationsbedarf der Geschäftspartner des Unternehmens, wie Investoren, Banken und Firmenkunden, zusätzlich zu den Angaben des Basismoduls umfassend zu decken. Sie spiegeln die rechtlichen Verpflichtungen der Finanzmarktteilnehmer und Firmenkunden sowie die Informationen wider, die benötigt werden, um das Nachhaltigkeitsrisikoprofil des KMU als Lieferant oder Kreditnehmer zu bewerten. Eine Wesentlichkeitsanalyse wird nicht gefordert.
Die Angaben von C1 bis C9 müssen berücksichtigt und gemeldet werden, wenn sie auf das Geschäft und die Organisation des Unternehmens anwendbar sind. Werden Angaben weggelassen, wird davon ausgegangen, dass sie nicht anwendbar sind.
  • C1 – Strategie: Geschäftsmodell und Nachhaltigkeit – Verwandte Initiativen
    (wichtigste Elemente des Geschäftsmodells und der Strategie, wichtige Produktgruppen und/oder Dienstleistungen, wichtige Märkte, in denen das Unternehmen tätig ist, Beschreibung der wichtigsten Geschäftsbeziehungen, ggf. für Nachhaltigkeitsthemen wichtige Elemente)
  • C2 – Beschreibung der Praktiken, Strategien und zukünftigen Initiativen für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft
    (ggf. spezifische Praktiken, Strategien oder zukünftige Initiativen für den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft; ggf. Angabe der höchsten für die Umsetzung verantwortlichen Ebene des Unternehmens)
  • Berücksichtigung bei der Berichterstattung über Treibhausgasemissionen nach B3
    (wenn angemessen, kann das Unternehmen Scope 3-Emissionen - möglichst auf GHG-Basis - erfassen; dabei muss es auf Basis einer eigenen Bewertung die wichtigsten Scope 3-Kategorien einbeziehen, wenn das Unternehmen bei der Berichterstattung Scope 3-Emissionen offenlegt, muss es diese zusammen mit den unter B3 – Energie- und Treibhausgasemissionen – geforderten Informationen vorlegen.)
  • C3 – Treibhausgasminderungsziele und Klimawandel
    (wenn THG-Reduktionsziele festgelegt: Offenlegung in absoluten Werten für Scope 1- und Scope 2-Emissionen; wenn Reduktionsziel für Scope 3 festgelegt: Ziele für signifikante Scope 3-Emissionen, insb. Zieljahr, Zieljahreswert, Basisjahr, Basisjahreswert, verwendete Maßeinheiten, Anteil von Scope 1, Scope 2 und, falls angegeben, Scope 3, Liste der wichtigsten Maßnahmen; wenn in Sektoren mit hoher Klimaauswirkung tätig und Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels verabschiedet: optional Informationen dazu; wenn in Sektoren mit hoher Klimaauswirkung tätig und kein Übergangsplan: Angabe, ob und wann Übergangsplan erstellt wird)
  • C4 – Klimawandelrisiken
    (wenn klimabedingte Gefahren und klimabedingte Übergangsereignisse identifiziert: Beschreibung; Bewertung der Gefährdung und Anfälligkeit von Vermögenswerten, Aktivitäten und Wertschöpfungskette, Zeithorizonte aller identifizierten klimabedingten Gefahren und Übergangsereignisse; Darstellung, ob Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel hinsichtlich aller klimabedingten Gefahren und Übergangsereignisse ergriffen; Option, die potenziellen nachteiligen Auswirkungen von Klimarisiken offenzulegen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit oder Geschäftstätigkeit kurz-, mittel- oder langfristig beeinträchtigen können und Angabe, ob die Risiken als hoch, mittel oder niedrig eingeschätzt werden.
  • C5 – Zusätzliche (allgemeine) Merkmale der Belegschaft
    (wenn 50 oder mehr Beschäftigte: optionale Angabe des Verhältnisses von Frauen zu Männern auf Führungsebenes, der Zahl der ausschließlich für das Unternehmen arbeitenden Selbständigen sowie der Leiharbeiter)
  • C6 – Zusätzliche Informationen zur eigenen Belegschaft – Menschenrechtspolitik und -prozesse
    (Angaben zum Vorhandensein eines Verhaltenskodexes oder einer Menschenrechtspolitik für die Belegschaft bezüglich Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Menschenhandel, Diskriminierung, Unfallverhütung, Existenz eines Beschwerdemechanismus für die Belegschaft)
  • C7 – Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen
    (Existenz bestätigter Vorfälle in der eigenen Belegschaft im Zusammenhang mit: Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Menschenhandel, Diskriminierung; falls ja: Beschreibung der ergriffenen Maßnahmen; bestätigte Vorfälle, an denen Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaften, Verbraucher und Endnutzer beteiligt waren)
  • C8 – Einnahmen aus bestimmten Sektoren und Ausschluss von EU-Referenzwerten
    (falls zutreffend, Einnahmen aus folgenden Sektoren: umstrittene Waffen, Anbau und Produktion von Tabak, fossile Brennstoffe, Produktion von Pestiziden und anderen Agrochemikalien)
  • C9 – Geschlechterdiversitätsquote im Leitungsgremium
    (wenn Leitungsgremium vorhanden: Geschlechterdiversitätsquote)
Das im früheren Entwurfstand noch enthaltene “Additional Financial Institutions Modul”, das Taxonomie-Angaben sowie von Banken geforderte Kennzahlen enthalten sollte (geplante Datenpunkte), ist gestrichen worden.
Nach neuesten Informationen wird die EU-Kommission den VSME nochmals konsultieren. Der VSME soll den europäischen Aufsichtsbehörden und den Mitgliedstaaten vorgelegt, mit den verschiedenen Generaldirektionen besprochen und öffentlich konsultiert werden. Ggf. ändert sich der VSME also noch.
Sobald der VSME von der EU-Kommission verabschiedet worden ist, wird die EU auch eine aktuelle Liste der Datenpunkte zur Verfügung stellen. Die EFRAG regt an, den VSME über eine Online-Plattform als Berichtsvorlage zur Verfügung zu stellen. Banken und CSRD-pflichtige Unternehmen in der Lieferkette der jeweiligen KMU sollten dann Zugriff auf die Daten erhalten. Diese Maßnahme könnte den Versand von Fragebögen ersetzen. Darüber hinaus schlägt die EFRAG vor, kostenlose und anerkannte digitale Tools wie Online-Rechner zur einheitlichen Ermittlung der Treibhausemissionen oder geolokalisierungsbasierte Datenbanken zur Ermittlung von Klimarisiken anzubieten, um die die Nutzbarkeit des VSME erheblich zu vereinfachen. Leitlinien in einfacher Sprache und Schulungen sind geplant.
(Quelle EFRAG, DIHK)