Sicher und nachhaltig öffnen – die Pandemie gemeinsam bewältigen

Seit über einem Jahr ist das Wirtschaftsgeschehen in Deutschland durch die Covid-19-Pandemie erheblich beeinträchtigt. Lockdown und Ausgangsbeschränkungen setzen vielen Betrieben zu, stellen ihre Unternehmenskonzepte in Frage und bringen sie in existenzielle Nöte. Viele Branchen wie der Tourismus, die Freizeitwirtschaft, die Veranstaltungs- und Kulturbranche sowie weite Teile des Einzelhandels oder der Dienstleister sehen sich uneinheitlichen und nicht vorhersehbaren Regelungen gegenüber und benötigen dringend eine verlässliche Perspektive.
Die IHKs haben ihre Mitgliedsunternehmen durch die Phasen der Pandemie begleitet. Sie haben gemeinsam mit dem DIHK die vielfältigen Erfahrungen, Herausforderungen und Lösungsansätze der Unternehmerinnen und Unternehmer permanent aufgenommen, ausgewertet und mit den politischen Entscheidern geteilt. Übergeordnetes Ziel war und ist es, maximal möglichen Gesundheitsschutz für Betriebe, Mitarbeiter und Kunden zu gewährleisten, dabei aber den Unternehmen die notwendige Beinfreiheit zu gewähren, um ihre Geschäftstätigkeit weiterzuführen – oder eben wieder aufzunehmen.
Mittlerweile sind wir in eine neue Phase der Pandemie eingetreten: Die Impfkampagne der Bundesregierung schreitet inzwischen in schnellerem Tempo voran und trägt maßgeblich zur Eindämmung der Pandemie bei. Zusätzlich leisten Hygiene- und Sicherheitskonzepte sowie eine flächendeckende Test-Infrastruktur zur Vermeidung und Nachverfolgung von Infektionen einen wichtigen Beitrag. Damit ist eine gute Grundlage gelegt, um für alle - auch aktuell noch geschlossenen Unternehmen - eine klare Perspektive für die Aufnahme der Geschäftstätigkeit zu bieten. Das betrifft gerade auch Branchen wie z. B. die Veranstaltungswirtschaft, die Fitnessstudios, die Messewirtschaft und andere, die schon seit Anbeginn der Pandemie geschlossen sind.
Der Erfahrungsaustausch der IHK-Unternehmen findet – organisiert durch IHKs und DIHK – weiter statt: branchenspezifisch und branchenübergreifend, regional und überregional sowie zu allen Themen, die die Wirtschaft pandemie-bedingt betreffen. Von Beginn der Corona-Krise an war der Wille und das Bestreben der Unternehmen klar: Sie können und möchten einen Beitrag leisten, um sichere Begegnungen in der Wirtschaft zuzulassen und den Kundinnen und Kunden eine Rückkehr in die Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren und in die Tourismusregionen zu ermöglichen. Die Unternehmen haben nicht nur viel Zeit, Kraft und Kosten investiert. Mit einer beeindruckenden Innovationskraft haben sie neue Lösungen und Konzepte im Umgang mit der Pandemie entwickelt bzw. erprobt. In dieser neuen Pandemie-Phase mit sinkenden Inzidenzen, steigenden Impfquoten und ausgeklügelten Teststrategien können die Erfahrungswerte der Unternehmen als Basis für die Umsetzung einer großflächigen, langfristigen Öffnung dienen. Entsprechend wurden diese Erfahrungswerte und Erwägungen zu einem Konzept für eine nachhaltige Öffnung weiterentwickelt.

Gemeinsam aus der Pandemie: Erfahrung und Know-how der Wirtschaft nutzen

  • Hygienekonzepte: Viele Betriebe, insbesondere des Gastgewerbes und Einzelhandels, sowie körpernahe Dienstleistungen, haben ausgezeichnete Hygienekonzepte entwickelt, um das Flanieren, Einkaufen und Verweilen in den Zentren, aber auch touristisches Übernachten zu ermöglichen. Nicht zuletzt in der Außengastronomie wurden im letzten Jahr neue Wege beschritten. Es stehen außerdem zahlreiche technische Lüftungslösungen bereit, deren Einführung in vielfältiger Weise unterstützt werden sollte.
  • Mehr Sicherheit durch Impfungen: Schnelles Impfen ist ein wichtiger Baustein für den Weg aus der Pandemie und somit für die Unternehmen aktuell die beste Wirtschaftsförderung. Impfungen und Schnelltests eröffnen Perspektiven für eine Wiedereröffnung von Geschäften und Institutionen sowie für einen Restart der Reisewirtschaft. Auch die Teilnahme an Sportevents, Konzerten oder Kulturveranstaltungen kann dadurch wieder ermöglicht werden. Ebenso erleichtert die Impfung das Grenzpendeln sowie die Beförderung von Waren durch Transporteure. Damit wird das Funktionieren des europäischen Binnenmarkts sichergestellt.
  • Testangebote in Betrieben: Durch das Bereitstellen von Tests leisten die Unternehmen einen wichtigen Beitrag bei der Bekämpfung der Pandemie. Eine einfache und schnelle digitale Dokumentation von Testergebnissen ermöglicht, Infektionsketten frühzeitig zu unterbrechen. Unternehmen sollten bei der Anbindung ihrer Teststellen an die Corona-Warn-App unterstützt werden. Wichtig ist dabei, dass die Anbindung möglichst unbürokratisch erfolgt. Um so vielen Menschen wie möglich Zugang zum Einzelhandel oder zu Dienstleistungen zu geben, sollten Testmöglichkeiten niedrig­schwellig (z. B. auch als Selbsttests unter Aufsicht inkl. Testbescheinigung) ausgestaltet werden.
  • Digitale Lösungskonzepte: Digitale Lösungen ermöglichen, dass die wirtschaftliche Aktivität aufrechterhalten werden kann und gleichzeitig die Gesundheit der Mitarbeitenden sowie der Kundinnen und Kunden geschützt wird. Es existiert ein breites Angebot an digitalen Anwendungen, die im Umgang mit der Corona-Pandemie eingesetzt werden können und bei der Einhaltung der Hygienemaßnahmen unterstützen. Bewährt haben sich z. B. Buchungstools, Registrierungs-Apps oder digitale Warteschlangensysteme. Die Vielfalt an innovativen Lösungen spiegelt sich in der Datenbank des DIHK wider: www.ihk.de/digitale-anwendungen.
  • Pilotprojekte: Bundesweit haben verschiedene Modellstädte und -regionen belegt, dass Begegnungen in und mit der Wirtschaft sicher gestaltet werden können: So hat beispielsweise die Veranstaltungsbranche große Erfahrung in der sicheren Organisation und Durchführung von Veranstaltungen aller Größenordnungen im Sport-, Freizeit- und Kulturbereich. Diese Erfahrungen gilt es nun zu nutzen für weitere sicherere Öffnungsschritte der gesamten Wirtschaft und zur Rückkehr zu einem gesellschaftlichen Leben.

Verlässliche digitale Infrastruktur als Grundlage im Umgang mit der Pandemie

  • Grenzüberschreitende Kontaktnachverfolgung: Seit die Corona-Warn-App des Bundes auch die Ergebnisse von Schnelltests anzeigen kann, können Kontaktpersonen frühzeitig informiert und Infektionsketten noch schneller unterbrochen werden. Eine europaweite Integration und Vernetzung der Kontaktnachverfolgungs-Apps wären Instrumente, um im Interesse aller Beteiligten die Infektionsketten auch in den Hauptferien- und Reisezeiten länderübergreifend nachvollziehen und dokumentieren zu können.
  • Immunitätsnachweis: Mit einem digitalen Impfnachweis können Impfungen unkompliziert und rechtssicher dokumentiert werden. Voraussetzung ist, dass die Überführung von Impfpässen aus der Papierform in eine elektronische Form zügig und unbürokratisch ausgeführt wird. Anderenfalls könnten sich Verzögerungen für Geschäftsreisende, Grenzpendler und den anstehenden Sommertourismus ergeben. Die zeitnahe Umsetzung der deutschen und europäischen Initiative für ein Covid-19-Zertifikat ist daher aus Sicht der Wirtschaft sehr unterstützenswert.
  • Verlässlichkeit: Digitale Anwendungen müssen sicher sein. Der Erfolg von digitalen Lösungen hängt nach den bisherigen Pandemie-Erfahrungen der Unternehmen wesentlich davon ab, dass sie von möglichst vielen Personen genutzt werden. Unsicherheiten - wie z. B. im Bereich Datenschutz - führen dazu, dass die Tools nur zögerlich eingesetzt werden und ihre Wirkung nicht entfalten können. Unternehmen und ihre Kunden benötigen daher schnelle Aufklärung und Korrektur von Sicherheitsbedenken sowie Transparenz in der Kommunikation und die Offenlegung von Schnittstellen.
  • Transparenz: Die Entwicklung branchenübergreifender Anwendungen und die Vernetzung der verschiedenen Anwendungen sind von zentraler Bedeutung. Standards und Schnittstellen sind wichtig, um die Interoperabilität unterschiedlicher Lösungen sicherzustellen sowie deren Weiterentwicklung und die Integration anderer Dienste zu ermöglichen. Schnittstellen sollten öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Vergabeverfahren für digitale Apps sollten transparent kommuniziert werden. Es ist wichtig, dass auch kleinere Unternehmen mit innovativen Ideen und Technologien an den Vergabeprozessen teilhaben können.

Nachhaltiges Konzept für sichere Öffnung

Was die Wirtschaft jetzt braucht, sind transparente, verlässliche und somit nachvollziehbare Regelungen. Ziel sollte es sein, den Unternehmen Planungssicherheit für eine ökonomisch sinnvolle, dauerhafte Öffnung zu geben. Aus den Erfahrungen der Unternehmen konnten folgende zentrale Punkte für das Gelingen einer nachhaltigen und sicheren Öffnung identifiziert werden:
  • Einheitliche Maßstäbe für alle: Unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten und Infektionslagen können bundesweite, gut funktionierende, transparente und verständliche Regelungen für eine bessere Akzeptanz sorgen. Dies ist für Unternehmen mit Standorten in unterschiedlichen Bundesländern, aber auch für ein besseres Verständnis bei den Kundinnen und Kunden wichtig.
  • Planungssicherheit: Klare bundesweit abgestimmte Kriterien und Regelungen auch bei einem Inzidenzwert unter 100 können dazu beitragen, Wettgewerbsverzerrungen zu vermeiden und einen besseren Rahmen für Planungssicherheit schaffen, um den Unternehmen wieder einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen.
  • Entscheidungsbasis erweitern: Neben Inzidenzwerten können nach über einem Jahr Erfahrungen mit der Pandemie auch weitere Entscheidungskriterien herangezogen werden. So können Erfahrungen über spezifische Häufungen von Infektionen analysiert und berücksichtigt werden. Fragen wie: „Wo liegen die Ansteckungspunkte?“, „Welche Branchen können sicher weiter geöffnet bleiben?“ sind nach über einem Jahr Pandemieerfahrung breit zu erheben und dann einzubeziehen.
    Ebenso ist eine rein landesspezifische Betrachtungsweise beim Thema Öffnung nicht ausreichend. Angesichts der Mobilität in Ballungsräumen wie z. B. in Bremen-Niedersachsen oder Berlin-Brandenburg sollten neben gesundheitlichen Aspekten auch regionalwirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, um wettbewerbsverzerrende Effekte zu vermeiden.
  • Verständlichkeit und Transparenz: Transparente, nachvollziehbare und leicht verständliche Regelungen führen zu mehr Akzeptanz für die Regelungen. Das macht es auch Unternehmen, die für die Umsetzung mit verantwortlich sind, leichter, für Einhaltung der Regeln im Betrieb und im Kundenkontakt zu sorgen.
  • Gleichbehandlung von Gleichem: Im Einzelhandel ist nach den Erfahrungen im Lebensmittel­einzelhandel und anderen Geschäften des täglichen Bedarfs eine Ansteckungsgefahr nachweislich sehr gering. Auch die Analysen des RKI zählen den Einzelhandel ausdrücklich nicht zu den Problembereichen. Das spricht für eine Gleichbehandlung des restlichen Einzelhandels - bei zumeist deutlich geringerer Kundenfrequenz - mit dem Lebensmitteleinzelhandel. Die Einlass- und Öffnungskriterien für den Lebensmitteleinzelhandel – Personenbegrenzung, Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsgebot, Zugang ohne Testung - sollten daher bundesweit und sortimentsunabhängig im gesamten Einzelhandel zur Anwendung kommen.
Die Wirtschaft ist startklar für sichere Öffnungen – unter einheitlichen, verständlichen und zielgerichteten Bedingungen. Jetzt heißt es: Erfahrung und Know-how der Unternehmen nutzen und #GemeinsamSicherÖffnen.
Quelle: DIHK